Der Ermessungsspielraum, den die Gesetzgebung zulässt, ist ja das schwierige Problem. Ich will da nur mal ein Beispiel nennen. Eine ARGE, ein ARGE-Flur, zwei Dienstzimmer, zwei Betroffene, im ARGE-Jargon Kunden genannt, sitzen drin und haben die gleiche Problemlage. Was passieren kann, im Zimmer A wird so entschieden und im Zimmer B wird das ganze Gegenteil entschieden, weil der Ermessensspielraum so groß ist. Das führt zu Rechtsunsicherheiten, zu Rechtsunklarheiten, das führt zu Widersprüchen und das führt letztendlich zu Klagen. Jetzt.
Herr Kubitzki, nachdem Sie eben genannt haben, beklagenswerte Zustände in der Uneinheitlichkeit der ARGE-Bescheidung, Defizite aus Ihrer Sicht in der Rentenversicherung, der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung, würden Sie mir dann zustimmen, dass der von Ihnen in Ziffer II a) vorgeschlagene Maßnahmekatalog unzureichend ist?
Frau Marx, auch schon im Tagesordnungspunkt vorher haben wir hier kundgetan, wir sind grundsätzlich gegen diese Gesetzgebung. Wir sind gegen diese Hartz-IV-Gesetzgebung. Wir sagen noch mal - und das werde ich auch heute noch mal tun, auch wenn Sie es bald nicht mehr hören können -, wir wollen, dass das wegkommt!
Was wir jetzt sagen, und die Maßnahmen, die wir vorgeschlagen haben, hat Ihnen Frau Leukefeld doch heute schon dargelegt.
Aber, Frau Marx, das, was wir jetzt hier vorgeschlagen haben, sind nur Schritte, um die Problemlage zu vermindern, es ist keine dauerhafte Lösung. Wir wollen so eine dauerhafte Lösung, darauf komme ich aber am Ende meiner Rede zurück, die ich Ihnen noch mal darlegen will, dass es gar nicht mehr zu diesen Widersprüchen und zu den Klagen kommt, weil wir dieses Gesetz nicht brauchen. Um das fortzusetzen, die Qualität der ARGEn, die Sie auch in Ihrem Beitrag genannt hatten, Frau Marx, möchte ich noch nicht einmal sagen, die ARGEn sind daran schuld oder die Mitarbeiter in den ARGEn sind daran schuld.
Die können nichts dafür, die setzen unklare Gesetze um und haben natürlich einen breiten Ermessensspielraum. Dann gibt es da noch, was kaum einer weiß, so Richtlinien und Verordnungen innerhalb der ARGEn, wie was ausgelegt werden soll, die eigentlich kein Mensch kennt, die im Schreibtisch festgehalten werden. Das ist doch das Problem. Dafür können doch die Mitarbeiter nichts.
Ich will Ihnen aber auch mal ein paar Zahlen sagen aus dem Arbeitsagenturbereich Gotha. Dort ist uns in einem Gespräch mitgeteilt worden, dass monatlich in den ARGEn dieses Arbeitsamtsbezirks pro ARGE zwischen 300 und 400 Widersprüche eingelegt werden und dass pro Tag 80 bis 100 Überprüfungsanträge gestellt werden. Das ist doch Beweis genug, wie unklar die Richtlinien und Gesetze in den ARGEn sind und wie man mit Ermessensspielraum arbeiten kann. Ich habe mal im Sozialrecht und bei Sozialrechtsberatungen gelernt, also da wurde mir beigebracht, die Sozialgesetzgebung oder die darüber zu entscheiden haben, die entscheiden so, dass erst mal nur das Minimale herausgerückt wird und nicht das Maximale, was jemandem zusteht. So wird auch in dieser Empfehlung an die Justizministerkonferenz dargelegt und das findet sogar unsere Zustimmung, dass die Entfernung von den Betroffenen zu den Entscheidungsträgern immer größer wird.
Rufen Sie doch mal in einer ARGE an. Mir ist es letztens bei meiner gesetzlichen Krankenkasse passiert. Da wollte ich eine Auskunft haben und lande in irgendeinem Callcenter, das ist vielleicht in Rostock, Cottbus, Frankfurt oder sonst wo, ich bin dort weitergereicht worden, musste fünfmal das Gleiche erzählen, bis ich entnervt war, und eine Antwort hatte ich nicht. So kann man nicht mit Menschen
Das ist weltfremd. Das ist meiner Meinung nach aber Abschotten der Behörden von den Betroffenen und dahinter ist Absicht.
Ein weiteres Beispiel will ich noch nennen, was auch zu Klageverfahren führt - Schwerbehindertenrecht: Wir haben es hier in Thüringen erreicht, dass die Aufgaben der Versorgungsverwaltung kommunalisiert wurden. Was haben wir denn damit erreicht? Wir haben erst einmal Kompetenz zerschlagen in den Versorgungsämtern, Fachkompetenz ist weg, wir haben jetzt noch ganze zwei Amtsärzte, die noch in der Versorgungsverwaltung sind, das andere hat man den Kommunen gegeben und damit die Fachkompetenz auch zerschlagen. Es sind höhere Wartezeiten entstanden bis zur Bescheiderteilung und natürlich viel höhere Wartezeiten, was Widersprüche und dergleichen betrifft. Auch das führt zu Frust. Herr Minister, Sie haben die Zahlen genannt, Verfahrensanzahl und dergleichen, vielen Dank dafür. Herr Minister, Sie stimmen doch bestimmt mit uns überein: Hinter jeder Verfahrenszahl steht auch eine Anzahl von Stunden, Monaten, Jahren, bis die Bearbeitung erfolgt; das heißt, die hohen Wartezeiten. Besonders im Rentenrecht bedeutet das leider oft, dass derjenige, der geklagt hat für sein Recht, wenn er Recht bekommt, das Recht gar nicht mehr genießen kann. Das ist schlimm und das ist auch unsozial.
Fakt ist letzten Endes: Je gröber die Sozialgesetze gefasst werden, umso unklarer sind die Bescheide, umso mehr Widersprüche wird es in Zukunft auch weiterhin geben. Da gibt es eine Empfehlung auch wieder an die Justizministerkonferenz, Pauschalleistungen zu gewähren. Wenn man das - das muss ich sagen - als den Fortschritt nennt, Pauschalisierung zu machen - das haben wir ja teilweise schon bei den Kosten der Unterkunft -, ich glaube, da erreichen wir nicht, dass die Klagen abnehmen werden und die Widersprüche. Auch das ist doch Tatsache im Sozialrecht, auch das wurde mir beigebracht: Jeder Antrag, jeder Fall ist ein Einzelfall und kann nicht miteinander verglichen werden. Letzten Endes würde eine Pauschalisierung auch dem Bedarfsdeckungsprinzip widersprechen. Ich glaube - damit will ich dann abschließen und da komme ich noch einmal auf Frau Marx zurück -, das Problem der Sozialgerichte, die eine sehr hohe Belastung haben, was heute hier festgestellt wurde, da können wir sonst wie herumfeilen mit irgendwelchen Sachen und Rundungsbeträge abschaffen oder sonst was machen, die Sozialgerichte können nur entlastet werden, wenn wir eine bessere Sozialgesetzgebung
haben, wenn wir eine Sozialgesetzgebung haben, die Menschen, die benachteiligt sind, ein menschenwürdiges Leben gewährleistet, wenn wir eine Sozialgesetzgebung haben, aber auch eine Wirtschaftspolitik, die Menschen in Arbeit bringt, um sie aus der Armut herauszubringen. Diese Gesetzgebung würde die Sozialgerichte entlasten. Deshalb muss ich hier noch einmal abschließend sagen: Weg mit Hartz IV! Ich sage aber auch: Schaffen wir endlich Rentengerechtigkeit in diesem Land! Das entlastet unsere Sozialgerichte. Vielen Dank.
Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen seitens der Abgeordneten vor. Möchte die Landesregierung? Nein, da gibt es auch keinen Redewunsch. Dann können wir zum Abschluss des Tagesordnungspunkts 12 kommen.
Ich stelle zunächst fest, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, oder erhebt sich dagegen Widerspruch? Das ist nicht der Fall. Es gab seitens der Fraktion DIE LINKE den Antrag, dass im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten der Bericht fortberaten wird. Die die Aussprache beantragende CDU-Fraktion hat mir bereits signalisiert, dass sie diesem Antrag nicht zustimmen möchte. Demzufolge stimmen wir über diesen nicht ab.
Nun kommen wir zu Nummer II des Antrags: Hier ist zunächst beantragt worden die Ausschussüberweisung und dann zum Zweiten die Teilung bei der Abstimmung. Ich beginne mit der Ausschussüberweisung. Wer die Nummer II des Antrags an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überweisen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage nach den Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es keine. Die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten ist abgelehnt worden.
Wer der Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage nach Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es keine. Die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit ist abgelehnt worden. Nun kommt der Überweisungsantrag an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Wer diesem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit von Gegenstim
men. Ich frage nach den Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es keine. Die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit ist abgelehnt worden.
Wir kommen nun direkt zur Abstimmung über die Nummer II des Antrags. Hier ist mehrfach signalisiert worden, dass man a) und b) getrennt abstimmen möchte. Ich habe bei der Antrag stellenden Fraktion DIE LINKE nachgefragt, die sind einverstanden mit der Teilung dieses Antrags in a) und b), so dass ich zunächst II a) aufrufe. Wer II a) zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage nach Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es keine, damit ist II a) abgelehnt.
Ich rufe nun II b) auf. Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist eine überwältigende Mehrheit. Ich frage nach den Gegenstimmen? Die gibt es nicht. Gibt es Stimmenthaltungen? Die gibt es auch nicht. Damit II b) des Antrags einstimmig angenommen worden.
Altlastensanierung statt Kurzarbeit bei dem Unter- nehmen K+S KALI GmbH Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/183 -
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Jahr 2008 war ein Superjahr für die deutsche Kaliindustrie, vor allem für das Unternehmen K + S. In diesem Superjahr erwirtschafteten sie über 1 Mrd. € Gewinn vor Steuern und schafften damit den Einzug in den DAX. Infolge der eintretenden Wirtschaftskrise brach der Kalisalzabsatz drastisch zusammen und die Wirtschaftskrise kam damit auch bei Kali + Salz an. Wir haben dabei aber festzustellen, dass es sich hier um kein Wunder handelt, denn wir haben deutlich zurückgehende landwirtschaftliche Erzeugerpreise. Diese sind viel deutlicher abgesunken als die Preise für Kalisalz. Die Landwirte können im Moment keinen Kalidünger kaufen bei diesen Konditionen. Wir wissen, über 100 landwirtschaftliche Betriebe in Thüringen brauchen sogar Liquiditätshilfe, um weiter existieren zu können.
Kali + Salz hat nun seine Preise nicht so deutlich gesenkt, dass der Markt wieder anspringt. Nein, sie setzen auf das Instrument Kurzarbeit. Das finden wir bedauerlich, denn wir denken, dass die vielen Altlastenprobleme, die Kali + Salz hat, die vielen ökologischen Probleme, die dieses Unternehmen hat, in dieser Phase hätten bearbeitet werden können, ohne Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen.
Es ließe sich hier viel tun. Lasten künftiger Generationen könnten auf der einen Seite gemindert werden. Auf der anderen Seite würden sich auch Unternehmenskosten für die nächsten Jahrzehnte deutlich verringern lassen. Aber die Unternehmensentscheidung setzt stattdessen auf Kurzarbeit und diese ist noch dazu ungleich verteilt. Dem Managermagazin war zu entnehmen, dass die ausgeweitete Kurzarbeit im Werk Werra nur am Standort Unterbreizbach stattfinden soll. Da ist von Zahlen bis zu 10 Monaten die Rede. Das finden wir unverständlich, denn der Staatsvertrag zum Rollloch, der ja Kali + Salz die Möglichkeit gewährt, das Thüringer Salz in die hessischen Standorte zu bringen, um dort weiter produzieren zu können, weil die Salzqualität dort nicht mehr ausreichend ist, um eine dauerhafte Produktion zu gewährleisten, erhielt hier im Landtag einen Anhang, der die Arbeitsplätze in Unterbreizbach sichern sollte. Kurzarbeit kann auch immer der Vorläufer von Arbeitsplatzabbau sein. Deshalb können wir diesem Verhalten des Unternehmens nicht einfach tatenlos zusehen.
Wenn Thüringer Salz in Hessen benötigt wird, dann sollen auch Thüringer Arbeitsplätze gesichert werden. Das ist ein weiterer Punkt, den wir mit unserem Antrag bewegen wollen.
schließend auch unserem Antrag zuzustimmen, einfach um Druck zu machen auf das Unternehmen Kali + Salz, auf der einen Seite die Kurzarbeit zu vermeiden, indem man Altlastensanierung betreibt und auf der anderen Seite, wo Kurzarbeit trotzdem notwendig ist, diese zwischen Hessen und Thüringen gleich zu verteilen, zwischen den hessischen und thüringischen Standorten des Werkes Werra, um dem Staatsvertrag zum Rollloch und seinem Anhang entsprechend Rechnung zu tragen und auch zu zeigen, dass man die Thüringer Arbeitsplätze genauso ernst nimmt, wie die hessischen.
Herr Abgeordneter Recknagel, ich wollte den Redner in seiner 5-minütigen Begründungszeit jetzt schützen, demzufolge habe ich gewartet, wie lange das dauert. Sie können jetzt Ihre Frage stellen. Es ist noch im Zeitbudget und das ist jetzt noch möglich.
Danke schön. Herr Kummer, Sie hatten erwähnt, den Gewinn der Firma Kali + Salz und es sei belohnt worden mit der Aufnahme in den DAX. Kennen Sie die Kriterien für die Aufnahme eines Unternehmens in den Deutschen Aktienindex?
Also Kali + Salz hatte damals gefeiert, dass sie aufgenommen wurden, gerade wegen dem hohen Umsatz, den sie in dem Jahr erzielt hatten. Das war meiner Ansicht nach der Umsatz.
Was habe ich davon? Hat das jetzt etwas mit dem Antrag zu tun, wenn ich da vielleicht eine Rückfrage stelle?
Nein. Jetzt machen wir nicht eine Zwiesprache über die Aufnahme von Unternehmen in den DAX, sondern behandeln den Antrag in der Drucksache 5/183, der ist jetzt begründet worden. Ich eröffne die Aussprache und rufe für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Primas auf.