Protokoll der Sitzung vom 17.11.2011

(Beifall FDP)

Und wenn wir dann noch einmal bei den Pflegehelfern sind, dann sollten wir uns auch einmal Gedanken machen über die Art der Ausbildung und über die Art der Qualifizierung, die Pflegehelfer haben müssen; das geht aber dann ins Detail, hat jetzt hier mit der Entfristung des Gesetzes nicht viel zu tun, von daher, Herr Gumprecht, ich will Ihren Enthusiasmus nicht bremsen, aber ich glaube, durch die Befristung bis 31.12. ist der Zeitraum, den wir für Diskussionen haben, so begrenzt, wir können darüber inhaltlich auch gar nicht mehr diskutieren. Wir haben ein Problem, wir müssen das Gesetz entfristen, damit wir ab 1. Januar zumindest Vorschriften haben, mit denen wir weiter arbeiten können. Von daher noch einmal die Anregung, Herr Gumprecht, vielleicht können Sie ja innerhalb Ihres Koalitionsausschusses auch einmal die zuständigen Ministerien anregen, wenn wir Entfristungen kennen, die kennen wir ja schon bei Inkrafttreten des Gesetzes, rechtzeitig bei der Planung der Tagesordnungspunkte dafür zu sorgen, dass wir die rechtzeitig hier im Plenum haben, da können wir darüber reden, da können wir uns auch austauschen und dann kommen wir bestimmt auch zu guten Lösungen. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Gumprecht, CDU: Wir nehmen die Anregung auf.)

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Meine Damen und Herren, ehe wir weitere Redner hören, gestatten Sie mir den Hinweis: Ich freue mich oder wir freuen uns über die vielen Mitarbeiter aus den Ministerien hier, aber dass weder ein Staatssekretär noch ein Minister hier anwesend ist während der Debatte

(Beifall im Hause)

wir bitten herzlich darum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Nächste spricht Frau Abgeordnete Anja Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, angesichts der Tatsache, dass wir auf Bundesebene oft zurzeit nichts anderes diskutieren als

die Frage, ob die Pflegereform eine Reform oder ein Reförmchen ist, angesichts der Tatsache, dass wir heute in den Zeitungen zu lesen haben, dass die Pflegedienste bereits jetzt Aufträge ablehnen, weil sie schlicht und ergreifend nicht genug Fachkräfte haben, angesichts der Tatsache, dass wir über ein Gesetz diskutieren, was sehr, sehr kurzfristig eingereicht wurde, aber ab Januar schon in seiner Geltung um sage und schreibe fünf Jahre verlängert werden soll, bin ich mehr als erstaunt darüber, dass, so lassen Sie mich das sagen, dieser Debatte tatsächlich niemand der Landesregierung beiwohnen möchte, will und kann. Ich bin darüber, gelinde gesagt, bestürzt, das ist dem Thema nicht angemessen.

(Beifall im Hause)

Und ich kann und ich will meinen Vorrednern …

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Oh, ein Staatssekretär.)

Wenn wir jetzt jeden einzelnen Staatssekretär oder Minister so bejubeln, werde ich 15 Minuten brauchen.

Wir rechnen es Ihnen nicht für die Redezeit an.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Also mit den angemessenen Pausen lassen Sie mich jetzt fortfahren.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Oder Sie machen es selber und begrüßen je- den, der kommt.)

Also das kann ich natürlich auch machen, wenn Sie Wert darauf legen, hoffentlich fallen mir alle Namen ein - Sie unterstützen mich. Also lassen Sie mich fortsetzen. Noch einmal: Wir haben sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene ein heißes Eisen hier vor uns liegen und wer so tut, als ob es jetzt nur um die Entfristung eines Gesetzes geht, ich glaube, der redet das Thema klein. Das wollte ich deutlich machen. Wenn Sie heute in die Thüringer Zeitung schauen, DER PARITÄTISCHE sagt heute wieder, zwei Drittel der Geschäftsführer von Thüringer Pflegeeinrichtungen wurden befragt. Was haben sie gesagt? Sie haben gesagt, das Angebot an Pflegekräften sei schlecht bis sehr schlecht und deswegen ist es nicht nur so, dass wir es fünf vor zwölf haben, es ist schon zwölf und deswegen haben wir auch die Zeit nicht. Herr Gumprecht hat vorhin gesagt, in den nächsten Jahren müssen wir davon ausgehen, dass in unserem kleinen beschaulichen Bundesland Thüringen 20.000 Fachkräfte im Pflegebereich fehlen. Schon jetzt ist es so, das sagen mir die Statistiken, dass bereits Ende 2010 viele Altenpfleger oder Pflegestellen gar

(Abg. Koppe)

nicht mehr besetzt werden konnten, weil schlicht und ergreifend der Nachwuchs nicht da war. Damals handelte es sich um Zahlen noch immer im zweistelligen Bereich, die nicht besetzt werden konnten. Aber, ich glaube, wir sind inzwischen auf einem ganz anderen Weg.

Jetzt ist Herr Poppenhäger gekommen - ich halte mich an unsere gemeinsame parlamentarische Verabredung

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wir begrüßen Herrn Minister, schön, dass Sie unserer Debatte beiwohnen. Deswegen kann ich durchaus die Debatte verstehen, die DER PARITÄTISCHE, übrigens auch der Bundesverband privater Pflegeanbieter, die jedenfalls die Pflegeanbieter insgesamt anstoßen wollen und sagen, wir brauchen einen Pflegepakt. Es reicht nicht mehr, nur über die Entfristung bestimmter Gesetze nachzudenken. Das Problem ist viel größer, hat eine viel größere Dimension. Mir drängen sich, wenn ich mir das Pflegehelfergesetz anschaue, schon mehrere Fragen auf. Die erste Frage, auch wenn es zwischen den Zeilen seitens Ministerin Taubert beantwortet wurde, warum denn nicht grundsätzlich die Entfristung, sondern bis zum Jahr 2016, wer kommt denn auf diese fünf Jahre? Ich meine, was wissen wir denn, was übermorgen Herr Bahr oder jemand anders sich jetzt noch der schwarz-gelben Bundesregierung, was 2013 kommt, werden wir alle sehen und erwarten. Was wissen wir denn, was im Pflegebereich sich auf Bundesebene entwickelt? Dieses Jahr 2016 scheint mir doch sehr willkürlich. Ich kann keine Begründung erkennen. Das werden wir in der Debatte im Ausschuss untersuchen.

Die zweite Frage, die ich habe: Warum werden denn nicht in einem fachlichen Diskurs mit Beteiligten der gesamten Leistungserbringerseite schon jetzt auch innovative Ansätze, die es an vielen Stellen gibt, in diesem Zusammenhang, besprochen? Es scheint mir schon an dieser Stelle bemerkbar, dass offenbar - ich muss es so formulieren - die Landesregierung dem Thema Pflege nicht ausreichend Beachtung geschenkt hat, wenn man jetzt fünf vor zwölf diesen Gesetzentwurf hier einbringt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe nicht, dass man es vergessen hat. Wenn das herauskäme, das wäre ein ziemlich schlechtes Bild.

Der nächste Punkt angesichts des Fachkräftemangels: Wenn man als Landesregierung sich hinstellen möchte oder würde und sagt, wir haben das Problem erkannt und wir ziehen Konsequenzen, dann reicht es aus meiner Sicht auch wirklich nicht, die Kopplung oder die Öffnung des Hauptschulabschlusses plus die Frage zweijährige Erfahrung hauptberuflich im Pflegebereich als Innovation dar

zustellen. Als solche hat es die Ministerin zwar nicht dargestellt, aber ich habe auch - ich weiß nicht, ob es Ihnen anders ging - keine anderen Innovationen gehört, um tatsächlich hier Lösungen vorzubringen.

Also ich habe das Gefühl, wir haben einen großen Berg von Problemen. Mir scheint das, worüber wir heute das erste Mal zu beraten haben - im Ausschuss werden wir darüber intensiv reden müssen doch tatsächlich so zu sein, dass wir da weit in die Tiefe gehen müssen.

Es gibt noch einen anderen Aspekt: Vorhin wurde gesagt - Herr Kubitzki war das, glaube ich -, pflegen kann nicht jeder. Das ist richtig. Wenn wir aber uns vor allen Dingen auf der Ebene der Pflegehelfer bewegen und da versuchen, an etwas herumzudoktern, was so schwierig zu stemmen ist auch auf Landesebene, dann besteht übrigens auch die Gefahr, dass qualifizierte Kräfte auch an vielen Stellen kaum Anerkennung finden, dass wir weiter im Niedriglohnbereich herumlaborieren und dem Problem weiter nicht Herr werden.

Also Sie sehen, das ist eine vielschichtige Geschichte. Ich bedauere wirklich sehr, dass wir diese kleinen kosmetischen Dinge, die das Pflegehelfergesetz uns hier mit auf den Weg gibt, nicht tiefer debattieren oder da keine anderen innovativen Ansätze da sind.

Wenn man es negativ betrachtet, ist diese Quasiaufwertung oder -ausweitung der Pflegehelfer eben durch diese Regelung - Kopplung Hauptschulabschluss mit der zweijährigen Berufserfahrung auch eine Gefahr vor allen Dingen, wenn es um die Frage der angemessenen Bezahlung geht. Ich glaube, was wir alle nicht wollen ist, dass wir auch angesichts der aktuellen Debatten um die Frage des Mindestlohns an dieser Stelle Qualitätsunterschiede schaffen innerhalb der zu Pflegenden, die wir nicht wollen. Darüber muss man diskutieren, da bin ich nicht glücklich mit der Formulierung, mit der Idee des Ministeriums.

Wir finden deswegen nicht nur das Gesetz diskussionswürdig, sondern auch bearbeitungsbedürftig. Es gehört an den Ausschuss überwiesen. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen: Natürlich geht es vor allen Dingen darum, jetzt kurzfristig zu handeln, das mag alles sein. Aber wir brauchen, glaube ich, ein deutlich anderes Signal auch seitens der Landesregierung, wie wir mit diesem Pflegenotstand, den wir jetzt schon haben, umgehen wollen künftig. Da reicht diese kleine Gesetzesänderung, die scheinbar über eine Entfristung durch die Hintertür kommt, absolut nicht aus.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete David Eckardt.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Gäste auf der Tribüne. Ihnen liegt heute vor das Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Pflegehelfergesetzes. Ich gebe meinen Vorrednern insoweit recht, mit diesem Gesetz wird man natürlich nicht die Problematik des Pflegenotstandes der kurz vor der Tür stehenden - und ich sage, es noch nicht um zwölf, es ist auch nicht fünf vor zwölf, aber es ist ein bis 2 Minuten vor zwölf -, damit werden wir ihn natürlich nicht ändern und nicht beseitigen, aber er schafft Sicherheit für die Pflegehelfer und die Pflegehelferberufe und es ist notwendig und ist auch ein Schritt zur Qualitätsentwicklung in der Pflege. Denn wir haben heute nicht über eine Heimmindestpersonalverordnung oder sonst irgendwas geredet, sondern reden wirklich nur über den technischen Akt einer Gesetzesverlängerung und nicht über Absenkungen von Standards oder Ähnlichem mehr. Dass es dazu einer intensiven Diskussion bedarf, gebe ich recht, aber der heutige Zeitpunkt und das hier vorliegende Gesetz und die Gesetzesverlängerung ist dazu nicht der richtige Anlass. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Fristverlängerung von fünf Jahren, was nicht bedeutet, dass man nicht in den fünf Jahren dieses Gesetz angreifen kann, wenn dann die vorgesehenen bundesgesetzlichen Regelungen für Pflegeberufe nun endlich auf den Weg gebracht werden und hoffentlich etwas Gutes auf den Weg gebracht wird. Denn hier ist akuter Handlungsbedarf zu erkennen.

Ich sehe es als sehr positiv an, dass die Zugangsvoraussetzungen für die Personen mit Hauptschulabschluss und einer zweijährigen Berufserfahrung in einem Pflegebereich geschaffen worden sind, weil auch das zur Sicherung und zur Steigerung der Qualität in der Pflege führt, weil auch Leute, denen das Lernen etwas schwer fällt, sich trotzdem sehr gut auf den zu Pflegenden einstellen können und es dann sehr zu begrüßen ist, dass diese Leute doch ein gewisses fachliches Know-how mit einer Ausbildung als Pflegehelfer bekommen und daher begrüße ich also diese Einfügung ins Gesetz ausdrücklich.

Da es sich hier aber - wie schon mehrfach gesagt nur um die Verlängerung der Frist und die Einfügung des Punktes der Hauptschüler handelt, sehe ich keinen Bedarf, diesen Gesetzentwurf im Ausschuss zu behandeln. Wichtiger ist, dass er bis zum Jahresende beschlossen wird. Der Kritik, dass man ihn hätte etwas früher ins Plenum einbringen können, möchte ich mich hier anschließen. Aber es ist wichtiger, dass dieser Gesetzentwurf bis zum Jah

resende verabschiedet wird, um für die Pflegehelfer, die sich auch jetzt in der Ausbildung befinden, rechtliche Sicherheit zu schaffen, und daher werden wir eine Ausschussüberweisung ablehnen. Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Mir liegen keine weiteren Redemeldungen vor. Damit schließe ich die Beratung. Es wurde Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit beantragt. Wer für diese Ausschussüberweisung ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Ich sehe Zustimmung bei den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Wer ist gegen diese Ausschussüberweisung? Das sind die Fraktionen der CDU und SPD. Wer enthält sich? Ich sehe keine Enthaltungen. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 13

Thüringer Gesetz zu dem Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zwischen dem Freistaat Thüringen und der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/3484 ERSTE und ZWEITE BERATUNG

Der Landtag ist bei der Tagesordnung übereingekommen, dieses Gesetz heute in erster und zweiter Beratung zu behandeln, sofern keine Ausschussüberweisung beschlossen wird. Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Ja, bitte schön, Herr Staatssekretär Dr. Deufel.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, erst vor wenigen Tagen haben wir in vielen Orten in Thüringen der Opfer der Reichspogromnacht gedacht. Dass Brutalitäten und Morde der Nationalsozialisten vom 9. November 1938 der Beginn der systematischen Verfolgung deutscher Juden waren und zum Holocaust führten, sind für uns heute schmerzliche und unvergessliche Lehren. Etwa 400 jüdische Bürger wurden unmittelbar nach der Reichspogromnacht festgenommen und in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Wer sich die Transportliste, die wir in der Chronik des KZ Buchenwald vorfinden, ansieht, trifft auf alle Ecken unseres Landes. Jüdische Männer aus Arnstadt, Erfurt, Suhl, Jena, Weimar, Eisenach, Gera,

aus Saalfeld, Pößneck, Schmalkalden, Geisa, Meiningen und ich könnte fortsetzen. Ärzte, Kaufleute, Rechtsanwälte, Religionslehrer wurden über Nacht KZ-Häftlinge. Sie waren in den Augen der Nationalsozialisten keine Menschen mehr; das Recht auf Leben wurde Ihnen geraubt.

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Klaubert?

Aber gern.

Herr Staatssekretär, finden Sie es wie ich beschämend, dass außer Ihnen kein Mitglied der Landesregierung da ist

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

bei diesem Gesetzentwurf, der selbstverständlich von allen Fraktionen Zustimmung findet, wenigstens in der Beratung und Ihrer Einbringung zuzuhören?