Protokoll der Sitzung vom 01.06.2012

(Minister Matschie)

seren Schulen auftreten, die eingeladen sind -, wer hier auftritt, der muss sich auch offene Auseinandersetzung und Kritik gefallen lassen. Der muss sich auch gefallen lassen, dass Schülerinnen und Schüler nicht alles unkommentiert hinnehmen oder über sich ergehen lassen, sondern dass sie sich damit kritisch auseinandersetzen. Deshalb will ich noch einmal deutlich machen, hier liegt die Verantwortung bei den Schulen. Sie haben einen klaren rechtlichen Rahmen und mehr bedarf es nicht.

Zum Schluss noch zur Beantwortung der ersten Frage im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Nach Angaben des Thüringer Innenministeriums hat das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz im Zeitraum von Januar 2011 bis Ende April 2012 28 Vorträge gehalten an Regelschulen, Gymnasien und Berufsbildenden Schulen. Thema war dabei überwiegend der Rechtsextremismus. Organisation und Durchführung lagen bei der jeweils einladenden Schule. Das Bundesamt für Verfassungsschutz präsentierte vom 8. bis 18. November 2011 eine Ausstellung gegen Extremismus in Deutschland in der Erfurter Walter-Gropius-Berufsschule.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss noch einmal zusammenfassend sagen, die schulfachlichen Grundlagen sind gelegt, der Sozialkundeunterricht funktioniert, das Schulrecht ist klar. Wer was wie entscheidet, ist geregelt, nicht alles muss vom Ministerium geregelt werden. Zur Demokratie gehört auch das Vertrauen in unsere Institutionen und dazu zähle ich ausdrücklich unsere Schulen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. Ich nehme an, die Aussprache zum Sofortbericht wird gewünscht. Von allen Fraktionen? Ja, von allen Fraktionen. Dann eröffne ich die Aussprache zum Sofortbericht und als Erster hat sich Abgeordneter Emde von der CDUFraktion zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben zwei Anträge vorliegen, einmal den Antrag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dazu dann einen Alternativantrag von der Fraktion DIE LINKE.

Zu dem Antrag der LINKEN will ich ganz klar sagen, so etwas lehnen wir rundheraus ab,

(Beifall CDU, FDP)

denn das Landesamt für Verfassungsschutz wie die Bundeswehr sind Organe unserer Gesellschaft, die auch demokratisch kontrolliert werden. Sie sind Be

standteil dieser Gesellschaft und deswegen ist es absolut zulässig und sogar wünschenswert, dass sie Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dies auch an Schulen. Deswegen ist dieser Antrag rundweg abzulehnen.

Ich will mich mit dem Antrag der GRÜNEN ein wenig auseinandersetzen, weil ich schon ein Problem damit habe und nicht verstehe, wie Sie eigentlich Schule verstehen. Frau Rothe-Beinlich, in Ihrem Antrag lautet Punkt 1 der Forderungen, einen verbindlichen Kriterienkatalog zu entwickeln, der den Schulen dann Handlungsorientierungen bietet. Ein verbindlicher Kriterienkatalog bietet nichts, der schreibt etwas vor und dagegen habe ich etwas, dass man den Schulen etwas vorschreibt in dieser Hinsicht.

Ich bin da völlig einig mit der Einschätzung des Ministers. Wir gehen hier ganz andere Wege. Wir wollen eine eigenverantwortliche Schule. Wenn nicht das, was gehört denn sonst zu einer eigenverantwortlichen Schule, dass sie sich selbst diesen Themen stellt? Ich bin ganz klar der Auffassung, dass die eigenverantwortliche Schule in Thüringen und unsere Lehrerinnen und Lehrer sehr wohl in der Lage sind, sich mit den Regeln der politischen Bildung auseinanderzusetzen, diese Regeln auch einzuhalten und

(Beifall CDU, FDP)

entsprechend dieser Regeln politische Bildung zu vermitteln. Davon bin ich sehr fest überzeugt.

Auch in Punkt 2 fordern Sie, dass das Ministerium nun wieder ganz gezielt Informationen und Veranstaltungen, Personen etc. anbietet. Wir leben in einer Kommunikationsgesellschaft und natürlich kann man alle Informationen weitergeben, aber, ich denke, unsere Schulen und unsere Lehrerinnen und Lehrer sind sehr wohl in der Lage, sich diese Informationen selber zu beschaffen. Wir haben den Schulen auch im Rahmen des Fortbildungsbudgets finanzielle Möglichkeiten an die Hand gegeben, solche Dinge auszuschöpfen. Eigentlich hat diese Schule, an der es die Proteste gab, genau dies auch getan. Insofern, denke ich, ist hier auch alles im Lot und es gibt keinen Grund für weitere Interventionen oder Vorschriften oder wie auch immer.

Der Punkt 3 in Ihrem Forderungskatalog geht für meine Begriffe völlig am Ziel vorbei, denn wenn Sie jetzt auch noch eine Gesetzesänderung fordern, die dann sagt, wir müssen erst mal die Schulkonferenz fragen, ob denn der Verfassungsschutz oder die Bundeswehr eine Veranstaltung, eine Ausstellung, was auch immer, in einer Schule abhalten darf, dann geht das für meine Begriffe völlig am Ziel vorbei. Wir brauchen hier in keinster Weise eine Gesetzesänderung.

Der Anlass, der zu diesem Plenarantrag geführt hat, ist für mich eher ein erfreulicher Anlass, denn

(Minister Matschie)

man hat sich auseinandergesetzt an einer Schule. Das ist Teil des Prozesses und ist positiv, aber das war eine Schule. Und an wie viel Hunderten von Schulen in Thüringen finden denn solche Veranstaltungen mit dem Verfassungsschutz, mit der Bundeswehr statt, und das mit großem Erfolg und mit sehr großem pädagogischen und inhaltlichen Gehalt und Vorteil für Schülerinnen und Schüler für die Schulen. Deswegen muss ich sagen, wenn einzelne Personen an einer Schule so einen Protest vortragen, das dann auch noch unterstützt wird von Frau Renner, die ja dann zitiert wird in der Zeitung und das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bezeichnet als „Thüringer Spitzelbehörde“, dann kann ich sagen, auch das dient nur positiv dazu, dass sich Schüler damit auseinandersetzen, wie auch politische Parteien sich mit diesen Institutionen auseinandersetzen. Ich teile nicht die Bewertung von Frau Renner, aber ich finde es gut, wenn sich Schüler damit auseinandersetzen dürfen, damit sie genau erkennen, wie DIE LINKE zu solchen Organen steht.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Richtig, abschaffen.)

Sehen Sie, Sie können das ja ruhig laut sagen, das ist ja der Vorteil heutzutage. Aber das muss eben auch allen bewusst sein. Ich finde es gut, wenn sich Schülerinnen und Schüler damit auseinandersetzen, dass Sie den Verfassungsschutz abschaffen wollen, das wirft das richtige Licht auf Sie.

(Beifall CDU)

Es ist in Ordnung, wenn die Schüler das alles erkennen und dann bewerten und dann bei der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte zu Ergebnissen kommen.

Alles in allem, ich halte es eigentlich nicht für notwendig, dass wir uns mit diesem Antrag oder mit beiden Anträgen im Bildungsausschuss befassen. Aber ich verweigere mich auch nicht einer solchen Befassung und habe vielleicht sogar ein wenig die Hoffnung, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Ergebnis der Beratung dazu kommen, ihren Antrag wieder zurückzuziehen. Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Emde. Als Nächster spricht Abgeordneter Metz von der SPD.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, meine feste Überzeugung ist, Verfassungsschutz ist aus seinem Kern heraus nicht in der Lage, die tiefen Ursachen rechter Gewalt und rechter Gesellschaft zu analysieren und darzustellen. Er vernachlässigt nämlich aus seiner Funktion heraus die FDGO zu schützen, Alltagsrassismen, rechte

Angstträume, Opfer physischer und psychischer Gewalt sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Es ist nicht seine Aufgabe.

Verfassungsschutz ist in der Lage, Antifaläden und Naziläden vielleicht gleichzusetzen und genauso zu thematisieren, weil sie der Extremismus-Theorie anheimfallen, einer von einem kleinen Teil der Wissenschaft anerkannten Theorie, aber es gibt eben auch andere Theorien. Die Mechanismen rechter Gewalt und rechter Hegemonie in der Gesellschaft sind dann auch, wenn man sich mit Kindern und Jugendlichen unterhält, eher Alltagserfahrung eben von diesen Kindern und Jugendlichen als die systematischen Parteitage der NPD. Das heißt, das Umfeld von Kindern und Jugendlichen ist das Entdecken von rechter Gewalt und Rassismen im Alltag. Und so ist es vollkommen richtig, dass die GRÜNEN im Kern diesen Punkt thematisieren und auch im Ausschuss beraten wollen. Ich bin, Herr Emde, dankbar, dass Sie sich dem auch an der Stelle nicht verweigern. Ob die Mittel, die Sie anbieten wollen und die Sie aufzeigen, geeignet sind, bezweifele ich allerdings noch, würde dies und Alternativen aber, wie gesagt, gern im Ausschuss beraten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen als Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker unabhängig von der Frage, wie wir Dinge persönlich bewerten, aber bei einer Sache aufpassen, nämlich als Landtagsabgeordneter darf keiner von uns Schulleiterin oder Schulleiter spielen. Ich habe auch Vorstellungen, wie meine ideale Schule aussieht. Die unterscheiden sich wahrscheinlich nicht von der der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wenn ich Schulleiter wäre, käme mir der Verfassungsschutz, wenn nicht unbedingt von Schülerinnen und Schülern gewollt, auch nicht in das Haus. Ob das dem Beutelsbacher Konsens allerdings entspricht, weiß ich auch nicht. Darüber würde ich mich wirklich gern im Ausschuss verständigen. Ich weiß nur, im Sinne der aktuellen Debatte um Beutelsbach, insbesondere im Bereich Schülerorientierung - Herr Matschie hat es vollkommen richtig angesprochen Individuum und Solidarität, da ist es ein No Go, wenn Schülerinnen und Schüler die Perspektive Betroffener hören wollen, die Perspektiven von Opferverbänden hören wollen, dass diese ihnen nur bedingt und nur unter Protest gewährt wird. Ich bin aber kein Schulleiter und wir sollten die Waage finden zwischen Freiheit der Schule und gesetzlichen Regelungen und vor allen Dingen auch Freiheiten von Schülerinnen und Schülern zu gewährleisten und zu unterstützen.

Ich bin mir noch nicht sicher, ob der von Ihnen in Punkt II.1. geforderte Kriterienkatalog und die in Punkt II.3. geforderte Schulgesetzänderung wirklich diese Waage, die ich beschrieben habe, einhält. Ich tendiere eher zum Nein. Ich halte aber die Diskussion für enorm wichtig, weil wir gerade in dem Be

(Abg. Emde)

reich des Verfassungsschutzes darüber reden müssen, ob ein Verfassungsschutz alleinig als Angebot wirklich den Beutelsbacher Konsens einhält, wenn wir nicht auf Augenhöhe gleichzeitig eine Perspektive von Opfern rechter Gewalt, eine Perspektive von Alltagsrassismen und auch von Kritikerinnen und Kritikern des Verfassungsschutzes haben. Genau diese Frage gilt es zu beantworten, wie kriegen wir diese Kultur in Schule, ob mit Richtlinien und Gesetzen wage ich zu bezweifeln. Einer Diskussion würdig ist das Thema allerdings dennoch. Deswegen bitte ich um Überweisung an den Ausschuss.

(Beifall SPD; Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der FDP hat Abgeordneter Barth das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Anträge, die vorliegen, wollen im Kern das Gleiche.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein.)

Den Antrag der GRÜNEN, den hätte ich, wenn die vorangegangene Debatte nicht gewesen wäre, als so ziemlich das Scheinheiligste bezeichnet, was sie in den letzten anderthalb bis zwei Jahren hier vorgelegt haben, jetzt ist es das Zweitscheinheiligste. Die LINKEN sind wenigstens ehrlich, so könnte man es sagen.

(Beifall Abg. Bärwolff, DIE LINKE)

In Wahrheit geht es Ihnen beiden darum, dass Verfassungsschutz und Bundeswehr an den Schulen nicht mehr auftreten. Sie bemühen eine Geschichte zur Begründung und die Geschichte geht so: Am Erfurter Ratsgymnasium ist vor ein paar Wochen eine Ausstellung eröffnet worden unter dem Titel „Feinde der Demokratie“. Erstellt wurde diese Ausstellung vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz. Nach Darstellung der ursprünglichen Antragsteller, also des Antrags der GRÜNEN, Zitat aus der Begründung „zeigen die Schülerproteste um diese Ausstellung, dass solche Informationsangebote nicht ohne Weiteres in der Unterrichtsgestaltung eingesetzt werden können“.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau.)

Allein dieser Satz, meine sehr verehrten Damen und Herren, enthält mehrere falsche Darstellungen. Proteste hat es am Rande der Ausstellung bei der Eröffnung gegeben, das stimmt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie waren doch gar nicht da.)

Von den ca. 600 Schülern, die derzeit diese Schule besuchen, haben sich an den Protesten zwei beteiligt. Jetzt ist es deren gutes Recht und ich will auch gar nicht bewerten, was junge Menschen dazu bewegt, die auch ihren Weg und ihre Position in unserem Gemeinwesen suchen. Aber angesichts dieser Tatsache, dass von 600 Schülern zwei an den Protesten teilgenommen haben, von Schülerprotesten zu reden, scheint mir doch weit hergeholt.

(Beifall FDP)

Weit hergeholt, liebe Kolleginnen und Kollegen, waren eine ganze Reihe der anderen Protestierenden. Sandro Witt wurde dort gesehen, Vizevorsitzender der Thüringer LINKEN. Der ist irgendwo in Ostthüringen beheimatet, er ist Jahrgang ’81 und hat nach eigenen Angaben die mittlere Reife. Man kann es als relativ gesichert ansehen, dass er kein Schüler des Erfurter Ratsgymnasiums ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Auch Herr Witt darf natürlich protestieren, überhaupt keine Frage, aber das ist kein Schüler-, sondern das ist ein organisierter Funktionärsprotest. Und wenn das so ist, dann muss man auch bei der Wahrheit bleiben: Zwei Schüler waren unter den Protestierenden, alle anderen Protestierenden waren schulfremde Personen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt überhaupt nicht.)

Dass die Ausstellung ausdrücklich kein Angebot der Bildungsarbeit ist, Herr Metz, ist auch die Antwort auf Ihre Frage. Die Ausstellung ist ausdrücklich kein Angebot der Bildungsarbeit und ist auch nicht in der Unterrichtsgestaltung eingesetzt worden, sondern es handelt sich hier um ein Informationsangebot des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz. Das ist deshalb wichtig, weil auch hier im Antrag schlicht ein falscher Eindruck suggeriert wird. Im Übrigen, und das muss man der Vollständigkeit halber auch erwähnen, hat das Landesamt für Verfassungsschutz diese Ausstellung im Auftrag keines Geringeren als dieses Hohen Hauses hier entwickelt. Es ist nämlich entwickelt worden im Zusammenhang oder im Ergebnis des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit, mit dessen Erarbeitung dieser Landtag einstimmig die Landesregierung beauftragt hat. In diesem Landesprogramm heißt es unter Punkt 3.3.2 „Ziele und Strategien im Bereich des Verfassungsschutzes“, „dass zukünftig die Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit über demokratiefeindliche Bestrebungen in Thüringen zum Beispiel durch die zu verstärkende Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Organisationen oder die

(Abg. Metz)

Produktion einer Wanderausstellung fortentwickelt und intensiviert werden sollen“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der Verfassungsschutz nicht nur in Thüringen, aber gerade hier bei uns eine ganze Reihe von problematischen Vorgängen, Entwicklungen und Verwicklungen aus der Vergangenheit aufzuarbeiten hat, das ist unbestritten. Wir haben gestern in einem anderen Tagesordnungspunkt darüber auch sehr ausführlich gesprochen. Aber der Minister hat es auch eben deutlich gesagt, diese Dinge müssen aufgearbeitet werden, daraus müssen Lehren gezogen werden, das stimmt ja auch, aber der Verfassungsschutz ist deshalb keine verfassungsfeindliche Organisation und er ist auch nicht die Staatssicherheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.