Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

Es steht außer Zweifel, dass die gesetzliche Bekämpfung des Übergewichts doch wesentlich größere Effekte erzielen würde als eine Nichtrauchergesetzgebung. Selbstverständlich, um mal wieder zum Ernst zurückzukommen, müssen Nichtraucher in Situationen geschützt werden, denen sie selber nicht ausweichen können.

Herr Abgeordneter Hartung, gestatten Sie eine Anfrage?

Ich bin gleich fertig, danach gern.

Dann bitte am Ende, Frau Abgeordnete Schubert.

Selbstverständlich müssen Nichtraucher in Situationen geschützt werden, denen sie nicht ohne Weiteres ausweichen können, natürlich am Arbeitsplatz, natürlich in Behördenräumen, in Bussen und Bahnen, um nur einiges aufzuzählen. Völlig unstrittig ist es, dass Minderjährige eines besonderen Schutzes bedürfen. Aber in der Freizeit ist der mündige Bürger immer noch selbst in der Lage und auch in der Pflicht, sich zu entscheiden, ob er raucht oder nicht raucht, ob er in eine verräucherte Kneipe geht oder in eine Kneipe, in der nicht geraucht wird. Diese Entscheidung sollte nicht der Gesetzgeber für den Bürger treffen.

Als Letztes möchte ich aber - und dann komme ich zum Ende - einer gewissen Enttäuschung Ausdruck verleihen. Die alte Regierung war dafür bekannt, Gesetze nach Belieben zu verfassen und sich dann vom Verfassungsgericht aufschreiben zu lassen, wie man

es richtig macht. Die neue Regierung hat daran nahtlos angeknüpft und lediglich die Mindestvorgaben des Gerichts in Gesetzesform gefasst. Eine Auseinandersetzung mit den Ergebnissen in anderen europäischen Ländern - ganz unabhängig von meiner persönlichen Meinung - hätte hier zwingend zu einem anderen Ergebnis führen müssen.

Wie dem auch sei, beide Argumentationslinien, die fachliche wie die politische, bringen mich im Hinblick auf das vorgelegte Gesetz zur selben Einschätzung. Es ist ein ineffektives Alibigesetz, dessen Einschränkung der Freiheitsrechte in keinem Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen stehen. Ich freue mich auf die Diskussion im Sozialausschuss. Meine Entscheidung im Zweifelsfall ist klar, im Zweifel für die Freiheit und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Abgeordnete Schubert, Sie können jetzt Ihre Frage stellen.

Herr Hartung, stimmen Sie mir zu, dass es einen Unterschied gibt, wenn Sie über die Einschränkung der Freiheitsrechte reden, ob mein Gegenüber ein Bier trinkt und ein Stück Kuchen isst oder mir Zigarettenrauch ins Gesicht bläst?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich ist da ein Unterschied. Ich habe auch nicht das auf eine Stufe stellen wollen, sondern ich habe lediglich darauf hingewiesen, wohin eine konsequente Gesetzgebung zum Schutz der Bürger vor gesundheitlichen Risiken führen kann.

Herr Abgeordneter Hartung, gestatten Sie eine weitere Frage und der Abgeordnete Höhn steht am Mikro und möchte offensichtlich auch eine Frage stellen. Gestatten Sie beide? Dann erst Frau Abgeordnete Schubert und dann Herr Abgeordneter Höhn.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war ein Kommu- nikationsfehler.)

Dann würde ich gern die Frage des Abgeordneten Höhn aufrufen.

Danke, Frau Präsidentin, danke, Herr Kollege. Zunächst erst einmal Respekt für Ihre durchaus differenzierte Betrachtungsweise, aber das Beispiel mit dem Kuchenbüfett lässt mir dann doch keine Ruhe. Vielleicht könnten Sie dem Plenum noch einmal erläutern, worin denn nun die Gefährdung, wenn ich dieser Versuchung nicht widerstehe, vor diesem Kuchenbüfett, für andere dabei besteht.

Es ist etwas Ähnliches. Ich warne davor, dass man glaubt, mit einer gesetzlichen Regelung zur Unterstützung der gesunden Lebensweise tatsächlich einen Effekt zu erzielen, der dann davor bewahrt, das auf andere Risiken auch zu übertragen. Es geht einfach um die Frage, wohin kann es führen?

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Dann sind wir aber im Bereich der Psychologie.)

Schauen wir mal, warten wir noch zehn Jahre.

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Eckardt zu Wort gemeldet.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Tribüne, was lange währt, wird endlich gut. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich aus dem Beschluss des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 05.12.2008. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat am 5. Dezember 2008 beschlossen: „1. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Nr. 12 des Thüringer Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens (Thüringer Nichtraucherschutz- gesetz vom 20. Dezember 2007) ist mit Artikel 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Artikel 2 Abs. 1 Thüringer Verfassung unvereinbar bis zu einer Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. August zu treffen hat...“ usw. - es ist uns bekannt.

Nun ist es erfreulich, dass sich Verfassungsrichter nicht unbedingt an Wahlterminen orientieren und ihre Termine so setzen, wie sie es für machbar und durchsetzbar halten. Nun ist es aber leider so, dass Politiker sich nicht immer unbedingt an Termine des Verfassungsgerichts halten und so hat die alte Landesregierung zwar noch einen Gesetzentwurf eingebracht, aber sicherlich auch mit Blick auf das Ergebnis der Landtagswahl in Bayern dann diesen Gesetzentwurf der Diskontinuität anheimfallen lassen. Es sei

ihr verziehen, denn man hätte es mit etwas Willen durchbringen können,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Dass die Wahlperiode endet, dafür konnte die Regierung nun nichts.)

Herr Kollege, aber ich habe es der alten Landesregierung verziehen und bin der neuen Landesregierung dankbar, dass sie recht schnell sich der Problematik des Nichtraucherschutzes angenommen hat und uns heute einen Gesetzentwurf vorlegt, der nicht etwa aus dem Druck irgendwelcher Lobbyistengruppen, sondern schlicht und ergreifend nur den Vorgaben des Verfassungsgerichts folgt und diese umsetzt, die da sagen, dass es möglich sein soll, in kleinen Kneipen - Eckkneipen, Bierkneipen - nennen Sie es wie Sie es wollen und wie Sie es gewohnt sind - bis zu 75 m2 geraucht werden darf. Es stellt klar, dass Spielhallen und Gaststätten gleichgestellt sind. Es regelt die Möglichkeiten des Rauchens in Nebenräumen und in Festzelten.

Frau Kollegin Siegesmund, so viel Selbstbestimmung sollte schon einem jeden Menschen zugestanden werden, dass er, wenn er an eine kleine Kneipe kommt, wo draußen ganz groß dransteht „Rauchergaststätte“ ein paar Meter weitergeht und sich eine kleine Kneipe sucht, an der genauso groß dransteht „Nichtrauchergaststätte“ und in diese dann geht.

(Beifall CDU, FDP)

Ich glaube, das ist wohl jedem zumutbar. Ich glaube, so viel Selbstbestimmung kann auch ein jeder Verbraucher letztendlich durchaus für sich entscheiden.

Herr Abgeordneter Eckardt, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Abgeordnete Schubert.

Ist Ihnen bekannt, dass das Verfassungsgericht nicht zwingend gesagt hat, dass man es so machen muss, wie die Landesregierung es plant, sondern als zweite genauso gängige Alternative gesagt hat, ein komplettes Rauchverbot kann man einführen, weil das Schutzgut „Gesundheit“ einfach so wichtig ist?

Selbstverständlich ist mir auch diese Möglichkeit bekannt. Ich danke der Landesregierung außerordentlich, dass sie von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht hat.

(Beifall CDU)

Ich bin der Überzeugung...

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage von Frau Abgeordneten Siegesmund?

Aber doch immer gern.

Bitte, Frau Abgeordnete Siegesmund.

Da Sie mich so nett angesprochen haben, dachte ich, ich frage einfach noch mal: Gehen Sie davon aus, dass inzwischen in allen Orten Thüringens - ich rede von den ländlichen Regionen - überall, an jedem Ort noch die Auswahl an drei, vier oder fünf Kneipen besteht, so dass man es sich aussuchen kann oder würden Sie mit mir übereinstimmen, dass es Orte in diesem Land gibt in Thüringen, wo es nur noch eine oder gar keine Kneipe gibt, wo man die Wahl nicht mehr hat?

(Beifall DIE LINKE)

Ich stimme Ihnen durchaus zu, dass es nicht mehr in jedem Ort in Thüringen zwei, drei, vier oder fünf Gaststätten geben wird. Ich gebe aber auch zu bedenken, wenn es wirklich in Ortschaften nur noch eine Gaststätte gibt, dass die in aller Regel so groß ist, dass sie zwei Räumlichkeiten hat und somit auch dem Thüringer Nichtraucherschutzgesetz sowohl der Raucherseite als auch der Nichtraucherseite durchaus Gewähr tragen kann.

(Beifall CDU, SPD)

Daher bin ich auch der festen Überzeugung, dass ein Kompromiss gefunden worden ist, der zwar für die Raucher - das sage ich hier als leidenschaftlicher Raucher - sicherlich ein Minimalkompromiss ist, aber den bin ich gern bereit zu gehen. Ich akzeptiere

natürlich auch, dass es für die Nichtraucher mit Sicherheit ein Maximalkompromiss an zu findenden Kompromissen war, aber ich bin der persönlichen Überzeugung, mit dem vorliegenden Gesetz ist es gelungen, aktiven Raucherschutz zu gewährleisten und es ist auch gelungen mit dem vorliegenden Gesetz, eine Raucherdiskriminierung zu verhindern. Daher noch einmal mein Dank an die Landesregierung, an das Sozialministerium. Ich freue mich auf eine sicherlich sehr spannende und interessante Beratung im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, gebe aber meiner Hoffnung Ausdruck, dass das Gesetz, so wie es heute vorliegt, dann auch in einer der nächsten Plenarsitzungen verabschiedet wird. Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, SPD)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen vor, so kann ich die Aussprache schließen. Es ist beantragt worden, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage jetzt nach den Gegenstimmen. Die gibt es nicht. Stimmenthaltungen? 1 Stimmenthaltung. Damit ist die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit erfolgt. Eine weitere Ausschussüberweisung habe ich nicht vernommen.

Ich frage jetzt mal in die Fraktionen: Hat jemand Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten beantragt, weil mir das jetzt gesagt wird? Der Abgeordnete Gumprecht hat den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit ausdrücklich benannt. Ist das jetzt, Herr Mohring, ein Antrag zur Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten? Nun reden Sie doch mal mit mir.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Jetzt ja.)

Jetzt ja. Dann werde ich diesen Antrag zur Abstimmung stellen. Wer der Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten folgt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist interessant, Moment mal. Die Gegenstimmen bitte. 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? Zahlreiche. Damit war die Mehrheit für die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten.