Es wurde eingangs schon gesagt: Dieser Antrag, wie es ihn jetzt als Alternativantrag von allen fünf Fraktionen gibt, hat eine recht lange Geschichte. Es ist schon über ein Jahr her, dass die Anträge auf dem Tisch lagen, sowohl von der Fraktion DIE LINKE als auch von der Fraktion der FDP. Im Januar 2012 hatten wir unsere Anhörung dazu im Ausschuss - Sie sehen also, es hat doch recht lange auch gedauert, bis wir zu einer mehr oder minder umfangreichen Auswertung gekommen sind. Ich habe heute mehr Inhalt von Herrn Dr. Voigt gehört als jemals im Ausschuss zu diesem Thema, aber es gibt ja im Plenum auch jede Menge Publikum und den Vorteil, dass alle Reden dokumentiert werden, so dass wir das Gesagte alle im Anschluss schriftlich vorliegen haben.
Dennoch: Ich hoffe vor allen Dingen, dass sich aus dem gemeinsamen Antrag nun tatsächlich auch das ergibt, was sich, glaube ich, der Großteil zu
mindest hier von den Fraktionen erhofft. Es ist vorhin schon einmal gesagt worden, Herr Voigt hat es in folgende Worte gefasst: Autonomie und Planung schließen sich nicht aus. Das ist das, was ich in der Tat auch teile und was uns ja auch die Anzuhörenden sehr deutlich mitgeteilt haben. Es geht nicht um Planwirtschaft im wohl bekannten Sinne, wie sie hier die meisten von uns kennen, es geht aber sehr wohl um eine strategische Planung und um die Zielbestimmung, wohin wir eigentlich wollen und wie wir den - ich nenne jetzt auch mal den Begriff Campus Thüringen, wie wir unsere Hochschulen in Thüringen aufstellen und auch miteinander vernetzen wollen. Da spielen natürlich solche Fragen, wie von Frau Dr. Kaschuba eben auch angesprochen, eine ganz entscheidende Rolle, nämlich auch Fragen, wie die Demokratisierung der Hochschulen, die Fragen von Mitbestimmung, die Fragen von Transparenz, die Fragen auch, wie beispielsweise Quereinstiege noch sehr viel besser ermöglicht werden, wie wir vernetzt denken, wie wir die Bologna-Prozesse auch so gestalten, dass sie uns allen förderlich sind, und wie wir noch mehr als die von Herrn Dr. Voigt benannten 40 Prozent Studierenden, die nicht aus Thüringen kommen, dafür gewinnen, nach Thüringen zu kommen, um hier zu studieren und im besten Fall sogar in Thüringen zu bleiben und hier später auch zu arbeiten.
Damit diese Antworten gefunden werden können, brauchen Wissenschaft und Forschung eine verlässliche Finanzierung, das ist das eine. Darüber werden wir auch noch sehr viel eher vermutlich streiten und beraten als über das Ergebnis unseres gemeinsamen Antrags, welches wir uns erhoffen als auch klare Entwicklungsperspektiven. Und dafür braucht es eine strategische Hochschulentwicklungsplanung im Freistaat. Ich bin sehr froh, dass wir uns offensichtlich dahin gehend einig sind. Ich sage aber auch, dass die vielen Fragen aus meiner Sicht nicht darüber hinwegtäuschen können, dass die Einigkeit schon in der Koalition offenkundig nicht allzu groß ist, wenn man nämlich genauer hinschaut. Aber wir hoffen natürlich darauf, dass der Spagat gelingt, mit dem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen eines einzufordern, nämlich zum einen den strategischen Hochschuldialog tatsächlich fortzusetzen, zum Zweiten aber auch - da ist die Zeitplanung jetzt um ein Jahr verschoben, wie Frau Hitzing vorhin dargestellt hat, nämlich bis Ende 2013 ein Konzept für die strategische Entwicklung der Thüringer Hochschulen vorgelegt zu bekommen. Zum Dritten natürlich - und das erwarte ich auch den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur als zuständigen Fachausschuss nicht nur durch Zwischenberichterstattung auf dem Laufenden zu halten, sondern in die Prozesse auch aktiv mit einzubeziehen. Denn da wären wir tatsächlich einen Schritt weiter, wenn wir die Hochschulpolitik und
wenn wir auch die Hochschulentwicklung und die Vorstellungen der Universitäten, der Hochschulen, der Studierenden, der Lehrenden und auch der Politik zusammenbringen, und zwar kontinuierlich.
Unsere bündnisgrüne Perspektive auf Hochschule haben wir schon mehrfach deutlich gemacht. Wir wollen wegkommen von einer engen Führung auf das Leitbild, ich nenne es mal so, einer unternehmerischen Hochschule und wir meinen, es bedarf einer Ausrichtung an den grundlegenden inhaltlichen Leitlinien wie Nachhaltigkeit, Inklusion und ich sagte es eben schon - Demokratisierung der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft Thüringens. Es braucht Ideen und Strategien, wie die gesellschaftliche Vielfalt und auch die Lebensrealität auf dem Campus tatsächlich ankommen können. Denn noch immer, das wissen wir auch alle, bestimmt die soziale Herkunft vieler junger Menschen sehr, sehr stark, viel zu stark den Verlauf der Bildungsbiographien und bleibt vielen klugen Köpfen der Weg an die Hochschulen versperrt. Das muss sich ändern. Eine strategische Hochschulentwicklung kann dazu Antworten liefern, auf die wir jedenfalls sehr gespannt sind.
Lassen Sie mich noch einmal ganz kurz drei Punkte benennen, die hier noch nicht vorgetragen wurden aus den Stellungnahmen rund um die Anhörung, nämlich dahin gehend, dass es tatsächlich einer Strategieplanung bedarf. Geäußert wurde dies von Herrn Prof. Dicke, der sich für diese Strategieplanung gerade auch mittelfristig ausgesprochen hat. Wichtig war ihm insbesondere zu betrachten, wie man beispielsweise zu neuen Synergien kommt, zum Zweiten, wie man dem demographischen Wandel auch im Hochschulsystem Rechnung tragen kann, vor allem aber, welche Richtung die Wissenschaftspolitik in Thüringen insgesamt einschlagen soll.
All das wollen wir gemeinsam beraten. Wir hoffen, dass dieser gemeinsame Antrag nicht nur dazu dient, den kleinsten gemeinsamen Nenner darzustellen, sondern tatsächlich gemeinsam für einen kreativen und erfolgreichen Wissenschaftsstandort Thüringen zu streiten, denn die Köpfe sind bekanntermaßen unser Kapital. Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Hartung für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, selten hat es zwischen den Fraktionen des Hauses so viel Einigkeit im Grundsätzlichen gegeben wie bei der Hochschulentwicklungsplanung. Frau Ro
the-Beinlich, ich kann Sie beruhigen, während der Verhandlungen gab es zwischen Herrn Voigt und mir ausdrücklich sehr viel Einigkeit.
Uns allen hier im Haus liegt die Zukunft unserer Hochschulen am Herzen und wir schätzen sie als Ausbildungs- und Forschungsstätten, als Stapelplätze des Wissens. Sie sind Garanten der ökonomischen Zukunftsfähigkeit Thüringens, Stichwort Fachkräftemangel. Wir alle erachten deshalb die in § 11 des Thüringer Hochschulgesetzes definierte Hochschulentwicklungsplanung des Landes als ebenso notwendiges wie vernünftiges Instrument zur strategischen Weiterentwicklung unserer Hochschullandschaft. Ausdruck des gemeinsamen Wollens ist es, dass sich auch die Oppositionsfraktionen dem Alternativantrag der Regierungskoalition zur Hochschulentwicklungsplanung angeschlossen haben, umso mehr, da LINKE und FDP teilweise deutlich andere Vorstellungen in ihren Anträgen entwickelt haben, als es jetzt im Alternativantrag enthalten ist. Für das Zurückstellen der eigenen Interessen zugunsten des gemeinsamen Anliegens danke ich Ihnen ausdrücklich.
Es zeigt, dass in der Hochschulpolitik bei allen unterschiedlichen Akzentuierungen in diesem Hause allgemein akzeptierte hochschulpolitische Grundsätze existieren. Dass es den Koalitionsfraktionen mit dem Thema ernst ist und dass wir von Anfang an einen breiten Konsens wollten, kann man an der hier geführten Plenardebatte, an den Beratungen im Ausschuss, aber auch während der Mündlichen Anhörung erkennen.
Ziel der Anhörung ist gewesen, alle Aspekte des Themas näher zu beleuchten, die Haltung der Hochschulen ebenso zu reflektieren wie die möglichst aller anderen Beteiligten auch. Das Ergebnis dieser Anhörungen möchte ich wie folgt skizzieren: Die Thüringer Hochschulen schätzen ihre Autonomie, sie legen großen Wert darauf, ihre Entwicklung selbstbestimmt gestalten zu können, sie fordern von der Politik aber auch eine verbindliche Rahmensetzung, allgemeine Eckpunkte und Orientierungspunkte ein, wie das Professor Dicke in seinem Statement benannt hat. Eine mittelfristige Strategieplanung des Landes in Form eines schriftlich fixierten Konzepts muss her. Ein Widerspruch zwischen der Autonomie der Einzelhochschulen und einer übergreifenden Hochschulentwicklungsplanung wird dabei - das haben ja alle Vorredner festgestellt - bemerkenswerterweise nicht gesehen. Ganz im Gegenteil, nach Auffassung nahezu aller Anzuhörenden ist es vielmehr so, dass die individuelle Autonomie ohne einen gewissen allgemeinverbindlichen Referenzrahmen gar nicht machbar ist. Oder, um es mit den Worten Ulrich Müllers vom CAE etwas salopp zu sagen, ohne planvolles Vorgehen
stolpert man als Hochschullandschaft ein wenig orientierungslos herum. Die Anhörung hat aber noch einen anderen wichtigen Befund gebracht. Die Hochschulentwicklungsplanung des Landes kann nicht einseitig vom Freistaat allein vorgenommen und den Hochschulen dann einfach übergestülpt werden. Sie muss Ergebnis eines Dialogprozesses zwischen dem Land und den Hochschulen sein. Das ist eine Bestätigung des seitens des Bildungsministeriums bereits eingeschlagenen Kurses einer dialogischen Kommunikation mit unseren Hochschulen. Aber die Anhörung hat auch noch etwas anderes verdeutlicht: Mit Hochschulentwicklungsplanung ist nicht ein derart kleinteiliges Konzept gemeint wie der Landeshochschulplan von 2001. Dessen Detailvorgaben ließen sich über weite Strecken eben nicht mit der realen Hochschulentwicklung der Folgejahre in Einklang bringen und dessen Grundprämissen waren teilweise bereits zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung überholt. Als Beispiel nenne ich hier nur die Integration der Theologischen Fakultät in die Universität Erfurt, die längst Realität geworden war, als der Landeshochschulplan sie forderte. Die künftige Hochschulentwicklungsplanung darf sich nicht kleinteilig und detailverliebt an einzelnen Studienfächern und ihren Gedeihensvoraussetzungen an den jeweiligen Hochschulen abarbeiten, sie muss das größere Ganze im Blick haben und einen Rahmen für die strategische Weiterentwicklung der gesamten Thüringer Hochschullandschaft in den kommenden Jahren bieten.
Wie die Anhörung deutlich gemacht hat, werden von der Hochschulentwicklungsplanung insbesondere Antworten auf folgende Fragen erwartet und es sind hier schon ganz viele Fragen genannt worden. Ich nenne auch noch ein paar, mag sein, dass der eine oder andere Aspekt sich wiederholt, da bitte ich im Voraus um Verzeihung: Wo verorten sich die Thüringer Hochschullandschaften innerhalb des europäischen Hochschulraums? Wo stehen wir jetzt, wo wollen wir hin? Wo liegen die Zukunftsfelder der Hochschulentwicklung in Thüringen und wie lässt sich die individuelle Profilbildung der Einzelhochschulen weiter voranbringen? Was muss getan werden, um die hochschul- und länderübergreifende Zusammenarbeit noch weiter zu intensivieren? Wie lässt sich die Exzellenz von Forschung und Lehre noch weiter stärken? Genügt uns als Ausweis von Exzellenz eine von der DFG geförderte Graduiertenschule in Jena oder benötigen wir nicht doch zumindest eine Exzellenz-Uni mit Leuchtturmfunktion für den ganzen Hochschulstandort? Wie lassen sich die Studierendenzahlen angesichts der demographischen Entwicklung stabil halten und was muss getan werden, damit die Studenten hier attraktive Bedingungen vorfinden? Was brauchen wir, damit das Studentenwerk weiterhin leistungsfähig bleibt und seine Aufgaben erfüllen kann? Wie ist es um die Finanzierung der Thüringer Hochschulen bestellt? Wie sehen zukünftige Personal
strukturen aus? Mit welchen Schwerpunkten und in welchen Zeitscheiben wird der Hochschulbau fortgeführt? Und last, but not least ist für mich ganz persönlich wichtig: Wie erreichen wir eine noch engere Zusammenarbeit der Hochschulen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft, bei der die Hochschulen zugleich stärker an den Ergebnissen der eigenen Arbeit partizipieren können?
Diese Fragenliste ließe sich noch eine ganze Weile erweitern, es sind ja noch andere gekommen. Aber es geht mir gar nicht um Vollständigkeit, sondern lediglich darum, Ihnen die Komplexität der Materie und die Bedeutung der Hochschulentwicklungsplanung für die Zukunftsfähigkeit des gesamten Hochschulstandorts zu vermitteln. Angesichts der Fülle zu berücksichtigender Aspekte und dem notwendigen Dialog mit den Hochschulen ist klar, dass es hier keine Schnellschüsse geben kann und darf. Die Koalitionsfraktionen haben sich daher mit dem Bildungsministerium darauf verständigt, dass die Hochschulentwicklungsplanung bis Ende 2013 vorgelegt wird. Das bietet der Exekutive einen hinreichenden Zeitraum, den bereits begonnenen strategischen Dialogprozess mit den Hochschulen ergebnisorientiert fortzusetzen und in ein schriftlich fixiertes Gesamtkonzept münden zu lassen.
Diese Zielstellung findet sich daher auch im Antrag der Koalitionsfraktionen, der nun zu einer Initiative des gesamten Parlaments geworden ist. Aufgrund der bereits bestehenden breiten Unterstützung des Antrags gehe ich davon aus, dass er dann auch die Stimmen aller Anwesenden erhält. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben, dass wir bei der Hochschulentwicklungsplanung zu einem derart umfassenden parlamentarischen Konsens gekommen sind, und bitte Sie herzlich um die Zustimmung zu diesem Antrag. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Herr Dr. Hartung. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Es gibt einen Geschäftsordnungsantrag von Herrn Abgeordneten Bergner.
Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin. Namens meiner Fraktion ziehe ich unseren Antrag zurück. Die Begründung hat im Prinzip Kollegin Hitzing mit ihrer Rede geliefert. Danke.
Vielen herzlichen Dank. Gut, Sie ziehen Ihren Antrag zurück. Wir würden das dann nachher im Abstimmungsverfahren aufrufen. Ist das recht so, weil sich zunächst noch Herr Prof. Deufel für die Landesregierung zu Wort gemeldet hat? Dann verfahren wir so.
Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete des Thüringer Landtags, vielleicht so viel voraus: Wissenschaftler sein, als Wissenschaftler arbeiten dürfen, an einer Hochschule studieren dürfen, denke ich, gehört zu den größten Privilegien, die unsere Gesellschaft Menschen verleihen kann. Ich denke, weil das so ist - dessen sollte man sich als Wissenschaftler, als Studierender, glaube ich, auch immer bewusst sein. Weil die Gesellschaft dafür auch sehr viel aufwendet, ist es völlig selbstverständlich, dass Wissenschaft, dass die Entwicklung von Wissenschaft öffentliche Diskussion braucht, sich der öffentlichen Diskussion stellt. Und so bin ich - erstes Statement - froh darüber, mit welcher Ernsthaftigkeit Sie sich jetzt auch in der abgelaufenen Phase der Ausschussberatung und auch hier im Landtag wieder mit der Entwicklung unserer Thüringer Hochschullandschaft und mit der Entwicklung unserer Wissenschaftslandschaft in der Diskussion beschäftigt haben. Ich finde, das ist gut so, weil Wissenschaft genau diese Diskussion braucht. Damit, dass Sie diese Diskussion hier im Landtag führen, glaube ich, erfährt sie auch genau die Unterstützung, die sie braucht.
Ich bin natürlich, das darf ich vielleicht gleich dazusagen, zum anderen auch dankbar, dass Sie mit dem jetzt letztlich vorliegenden Alternativantrag den Weg, den mein Minister, den die Landesregierung eingeschlagen hat, mit den Hochschulen zusammen die künftige Entwicklung der Hochschullandschaft in Thüringen zu gestalten, auch im Grundsatz anerkennen und uns auffordern, auf diesem Weg so wie angelegt weiterzumachen. Es ist selbstverständlich, dass wir in der Pflicht stehen, Ihnen als Landtag in der Frist, die hier dargelegt ist, auch vorzutragen, in welche Konzepte der von uns eingeschlagene Weg des strategischen Dialogs gemündet ist und dies hier auch öffentlich zu diskutieren und zu vertreten.
Ich bin drittens natürlich - das will ich an der Stelle auch sagen - sehr froh, dass Sie als Abgeordnete dem vom Minister ja schon im Februar 2010 eingeleiteten Hochschuldialog, zu dem wir Sie als Abgeordnete ja mit eingeladen hatten, so sorgfältig gefolgt sind, dass es Herrn Voigt, Frau Kaschuba und vielen von Ihnen möglich war, all die Themen heute hier wieder aufzurufen, die wir in diesen Dialog hineingegeben hatten, also die Themen, die dort angelegt waren: Wie muss die Hochschullandschaft sich
gegenseitig in ihren Angeboten abstimmen? Wie muss es weitergehen mit dem Bologna-Prozess? Wie muss es weitergehen mit der Partizipation der Hochschulangehörigen an der Hochschule? All das waren Gegenstände unserer Dialogforen, die jetzt in den Arbeitsprozessen liegen. Natürlich vor allem: Wie muss es weitergehen mit der Entwicklung von Hochschulkarrieremöglichkeiten, also den Arbeitsbedingungen an den Hochschulen? Letztlich haben Sie auch gut gelesen, was Sie dann in der Rahmenvereinbarung III letztes Jahr beschlossen haben, in der neben den finanziellen Rahmendaten die Verpflichtung formuliert ist, dass wir mit den Hochschulen einen strategischen Entwicklungsdialog führen, in der die Themen, die Herr Voigt hier angesprochen hat, wörtlich benannt sind, die Themenstellungen, die wir uns in diesem Dialog zur Beantwortung vornehmen. Insofern bin ich an der Stelle zufrieden damit, dass wir konstatieren können, dass wir hier, was die Themenstellung und den Prozess betrifft, im Grundsatz einer Meinung sind.
Ich denke wirklich, es macht Sinn und ist bedeutsam, dass Wissenschaft im Mittelpunkt der Debatte um unsere gesellschaftlichen Prioritäten, um unsere Zukunft steht. Es gehört aber auch das Statement dazu, das erfolgreiche Zusammenspiel von Wissenschaft, Forschung und Lehre, wie wir es für die Entwicklung brauchen, ist eben im strengen Sinne nicht in fixierten Plänen zu fassen.
Ich fange mit einer fiktiven Anekdote an: Ernst Abbe, Physiker in Jena, und der damalige Kurator der Universität, Moritz Seebeck, unter dem dann viele Rektoren sein und arbeiten durften, sind im Gespräch und Abbe beschreibt seine aktuellen Planungen, seine Arbeit und die Ressourcen, die er dafür braucht. Herr Seebeck antwortet: Eine ganz gute Idee das mit dem neuen Mikroskop, aber der Landeswissenschaftsplan sieht diese Umsetzung jetzt nicht vor. In fünf Jahren können wir wieder darüber reden. Diese Anekdote hat natürlich zum Glück nie stattgefunden. Herr Seebeck bewies damals vor 50 Jahren Weitsicht und hat kurzfristig und flexibel dafür gesorgt, dass Abbe an der Universität Jena gut ausgestattet wurde und der Rest ist die Erfolgsgeschichte, die wir alle kennen.
Wissenschaft ist natürlich ein Wettbewerb um die besten Ideen, diese Ideen brauchen Platz sich zu entfalten. Sie brauchen vorrangig keine starren Pläne, keine Bürokratie, die das bremsen und verhindern. Wissenschaftsfreiheit ist nicht umsonst ein großes Thema auch vieler Gesetzesinitiativen in Bund und Land, die uns heute beschäftigen.
Ein Beispiel aus unseren Tagen vielleicht: In wenigen Jahren - in den letzten Jahren haben Lebenswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität in Jena einen Forschungsschwerpunkt Biodiversität aufgebaut. Das kam übrigens in keinem Plan je
mals vorher vor. Mit großen Erfolg, mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft erhält diese Forschergruppe - vor wenigen Wochen bekanntgegeben - nun zusammen mit den Universitäten Halle und Leipzig ein Zentrum für Biodiversität - iDiv -, darunter acht oder neun W3-Professuren. In diesem Wettbewerb waren die Wissenschaftler aus Jena, Leipzig und Halle erfolgreich und wir haben uns am Ende sehr gut auch gegen die potenten, etwas vorlauten Konkurrenten aus Berlin durchgesetzt. Das finde ich gut so. Kein Landeswissenschaftsplan hätte diesen Forschungserfolg vorhersehen können. Die Fähigkeit der Landesregierung, flexibel und rasch diese Bemühungen zu unterstützen und mit einer Perspektive zu versehen, wichtig für den endgültigen Zuschlag, hat ihn möglich gemacht.
Ein zweites Beispiel ist die für mich eindrucksvolle Fähigkeit der Thüringer Hochschulen - insbesondere der TU Ilmenau - auf die Schwerpunktsetzung, die wir als Landesregierung in bester Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsministerium und Wissenschaftsministerium hin auf die erneuerbaren Energien, auf die Elektromobilität festgelegt haben. Diese veränderte Schwerpunktsetzung in konkrete Forschungsprofile umzusetzen und in die Strukturen zu integrieren, auch das ist eine eindrucksvolle Leistung, die nicht planbar war, sondern die erfordert hat, dass wir im Gespräch mit den Hochschulen diese Entwicklungen in Gang gesetzt haben.
Nehmen Sie die Entwicklung der Studierendenzahlen. Seit Jahren orientieren wir uns an Zahlen der Kultusministerkonferenz. Vor wenigen Monaten erst hat die Kultusministerkonferenz diese Zahlen um fast 50 Prozent - genau 47 Prozent - nach oben korrigieren müssen. Stellen Sie sich einfach vor, wir hätten mit den letzten Prognosen, die noch bis 2009 gingen, langfristige Hochschulpläne auf diesen Vorgaben aufgebaut und das Studienangebot geplant. Bundesweit wären wir heute in der Situation, etwa 750.000 Studienplätze bis 2020 nicht zu haben, die wir dringend brauchen. Unsere Strategie hat sich als richtig erwiesen, die realen Zahlen der Studierenden zum Ausgangspunkt der Rahmenvereinbarung III zu machen im letzten Jahr. Diese Strategie hat geholfen, die richtigen Weichen zu stellen und danach haben die Prognosen der KMK diese Strategie bestätigt.
In Stein gemeißelte Hochschulpläne - das will ich hier noch mal formulieren - fördern eben nicht den Wettbewerb der Ideen. Sie können im schlimmsten Fall behindern, sie sind weitgehend blind für aktuelle Entwicklungen und schließlich - das Manko ist schon angesprochen worden - sind sie bei der Drucklegung - das Beispiel ist hier schon genannt worden mit der Universität Erfurt - oft schon veraltet.
Meine Herren und Damen, unsere Hochschulen brauchen den klaren strukturierenden Willen und das verlässliche Engagement des Landes. Sie brauchen dabei beides - langfristige Planungssicherheit und einen flexiblen Gestaltungsrahmen. Ich denke, wir haben als Landesregierung unseren Hochschulen wesentliche Eckpfeiler der Entwicklung klar aufgezeigt. Wir haben im Hochschulpakt 2020 uns schon vor Jahren als Land verpflichtet, die Studierendenkapazitäten trotz des demographischen Knicks, den wir nicht ignorieren, sondern mit dem wir strategisch arbeiten, in vollem Umfang zu erhalten. Wir haben als Regierung in unserer Koalitionsvereinbarung ein klares Bekenntnis zum Erhalt der Standorte unserer Hochschulen abgelegt. Als logische Konsequenz daraus waren Abbauszenarien wie in anderen Bundesländern, wo ganze Studiengänge oder Hochschulstandorte geschlossen werden mussten im Rahmen von Haushaltsverhandlungen, für unsere Thüringer Hochschulen nicht zu befürchten. Zu dieser Aussage im Koalitionsvertrag haben wir auch gestanden.
Schließlich hat das Land in der Zukunftsinitiative „Exzellentes Thüringen“ Förderschwerpunkte verlässlich beschrieben. Dafür haben wir eine gemeinsame Verständigung mit guten Instrumenten, wirksamen Verfahren zur Umsetzung getroffen. Es ist hier schon erwähnt worden: Mit der Novellierung des Thüringer Hochschulgesetzes Ende 2006 ist eine gute Grundlage gelegt worden mit dem klaren Bekenntnis zur Hochschulautonomie, das Thüringen hier abgibt. Ich will das an der Stelle einfach noch mal unterstreichen, weil jetzt in den letzten Wochen, als wir uns unterhalten mussten, wie wir das Bundesverfassungsgerichtsurteil zur W-2-Besoldung im Lande umsetzen können, im Kreise der Kollegen in der Kultusministerkonferenz ersichtlich geworden ist, dass Thüringen in der Umsetzung von Hochschulautonomie und im Grad der Freiheit und der selbstständigen Verantwortlichkeit der Hochschulen einen Spitzenplatz in der Bundesrepublik einnimmt. Das mag mit ein Grund sein, warum es relativ viele Länder gibt, die noch mit Instrumentarien arbeiten, die wir heute als veraltet ansehen, und warum Thüringen mit einem der modernsten Hochschulgesetze, das wir in der Bundesrepublik haben, sich seine Planungsinstrumente in der hier genannten Weise geschaffen und beschrieben hat.
Die Hochschulautonomie ist ein Privileg für unsere Hochschulen. Sie haben die Freiheit, ihre Belange weitgehend selbst zu regeln. Es ist an ihnen und es ist in ihrer Verantwortung, ihre Profilierung selbst zu gestalten. Sie können und müssen ihre Zielvorstellungen zur eigenen Entwicklung formulieren. Sie müssen, weil mit diesem Privileg natürlich auch genau diese Verpflichtung verbunden ist, Zielvorstellungen in Kenntnis und in Bewertung der eigenen Stärken und Schwächen an der Hochschule in der
nötigen Klarheit formulieren. Das kann und wird Ihnen das Land künftig nicht abnehmen, auch wenn es in der einzelnen Hochschule durchaus nicht vergnüglich sein kann, unterschiedliche Interessen in einer gemeinsamen Entwicklungsplanung zu bündeln.
Mit dem Hochschulgesetz von 2006 hat das Land einen Ansatz der Steuerung gewählt, der unserer modernen Wissenschafts- und Hochschulentwicklung gerecht wird. Wir haben Steuerungsinstrumente geschaffen, die dafür sorgen, dass sich gute Ideen entfalten können. Wir haben die Rahmenvereinbarung, die über den Zeitraum von vier Jahren finanzielle und inhaltliche Eckdaten klar vorgibt. Wir haben Ziel- und Leistungsvereinbarungen, die für diesen Zeitraum der Rahmenvereinbarung die Umsetzung in konkrete Entwicklungen der Hochschulen vereinbart. Wir haben schließlich ebenso klar einen strategischen Hochschulentwicklungsdialog formuliert, der auf der Grundlage von hochschuleigenen Planungen, die übrigens im Gesetz abverlangt werden, für die gemeinsamen strukturellen Planungen unter Moderation des Landes in einem mittelfristigen Zeitraum, also über die Gültigkeit der Rahmenvereinbarung hinweg, sorgt.