Protokoll der Sitzung vom 21.06.2012

Das, meine Damen und Herren, ist die Hauptsache. Wir verbieten doch auch nicht das Autofahren, nur weil es so furchtbar gefährlich ist, sondern wir stellen Regeln dafür auf. Für diese Regeln haben wir Verantwortung und vor dieser Verantwortung drückt sich dieser Staatsvertrag und vor dieser Verantwortung drückt sich damit auch jeder, der diesem Staatsvertrag so zustimmt, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Herr Kollege Gentzel, es war ja wenig Überraschendes in Ihrem Vortrag, aber wenn man Regulierung mit Verbot gleichsetzt, dann zeigt das genau den falschen gedanklichen Ansatz. Regulieren heißt regeln und nicht verbieten, das ist der entscheidende Unterschied.

Unser Gesetzentwurf, der Gesetzentwurf der FDPFraktion, meine Damen und Herren, schafft dagegen Regelungen genau für diesen Markt, für einen Markt, der bisher in der Tat völlig unkontrolliert und ungeregelt ist. Der Vorwurf, wir würden Goldgräberstimmung hervorrufen wollen, Las Vegas in Thüringen einrichten, der geht ins Leere. Wenn dem so wäre, hätten die Stellungnahmen das ja zum Ausdruck gebracht. Ich glaube, dass diese Klassenkampfparolen tatsächlich völlig unangebracht sind. Natürlich wird Geld verdient, natürlich wird auch privat Geld verdient - ich halte das für vollständig legitim. Es gibt zum Glück in Thüringen viele Hunderttausend Menschen,

(Beifall FDP)

die Unternehmen gründen, und sei es eine kleine Gaststätte, die damit Verantwortung für sich und ihre Familien übernehmen, die selbst Geld erwirtschaften, und damit im Übrigen dem Staat, der Gemeinschaft nicht zur Last fallen.

(Beifall FDP)

Ich halte das in keiner Weise für irgendwie gefährlich oder für verbotswürdig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dass Geld verdient wird und dass Geld verdient werden soll, das gestehen ja eigentlich alle auch zu, spätestens an der Stelle, wo es um die Frage der Besteuerung geht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Herr Abgeordneter Barth …

Sofort, Frau Präsidentin, wenn ich diesen Satz noch sagen darf.

Hier zeigen Sie, dass Sie von dem Kuchen etwas abhaben wollen, und ich sage, Illegale zahlen keine Steuern und auch das ist ein entscheidender Unterschied.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Der Abgeordnete Korschewsky steht erwartungsfroh am Mikro und möchte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Ich stehe erwartungsfroh hier und freue mich auf die Frage.

Das ist aber schön. Bitte.

Ich freue mich auch, dass ich die Frage stellen kann. Herr Barth, Sie sprachen eben davon, dass viele Gaststätten oder kleine Unternehmer Gaststätten eröffnet haben oder eröffnen sollen, das finde ich auch alles korrekt. Aber ist damit zwanghaft verbunden aus Ihrer Sicht, dass in den Gaststätten auch Spielautomaten stehen müssen?

Nein, Herr Kollege Korschewsky, das ist damit natürlich nicht zwangsläufig verbunden, ebenso wenig wie es zwangsläufig verbunden ist, wenn Sie sich ein Auto kaufen, dass Sie eine Sitzheizung darin haben müssen. Wenn Sie die aber wollen, gibt es keinen Grund, die dort nicht einzubauen

(Beifall FDP)

genauso ist das bei den Gaststätten -, die muss eben nur so gebaut sein, dass, wenn Sie sich darauf setzen, Sie keinen elektrischen Schlag bekommen und auch nicht verbrennen. Das kann man aber regeln und das ist auch geregelt.

(Beifall FDP)

Genauso ist das mit den Spielautomaten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, solange es Menschen gibt, die spielen wollen, so lange wird es auch Menschen geben, die Geld verdienen wollen und auch sollen. Da sind wir wieder bei dem Autovergleich, meine sehr verehrten Damen und Herren. Solange es Menschen gibt, die ein Auto mit

einer Sitzheizung oder eben mit viel PS haben wollen, so lange wird es auch Menschen geben, die die herstellen und die sie auch verkaufen. Und warum tun die das? Zum einen weil es legal ist und zum Zweiten weil sie natürlich Geld verdienen wollen. Meine Damen und Herren, und warum lässt der Staat es zu? Weil er auch Geld verdienen will und weil es keinen vernünftigen Grund gibt, diese Dinge zu verbieten.

(Beifall FDP)

Spielen ist ein uralter Trieb, meine Damen und Herren, und genau diesen uralten Trieb wollen wir nicht verbieten, weil wir natürlich auch ein Stück weit zugestehen, das wird nicht funktionieren. Viele Versuche in der Geschichte haben das bewiesen, dass das regelmäßig zum Scheitern verurteilt ist. Deswegen erlaubt unser Gesetzentwurf ausdrücklich das Glücksspiel und gibt natürlich einen angemessenen Rahmen vor, um die Menschen, die spielen wollen, auch zu schützen, zugegeben auch vor sich selbst zu schützen ein Stück weit. Denn es gibt Menschen, bei denen das notwendig ist. Kollege Korschewsky hat vorhin die heutige Schlagzeile aus einer Thüringer Tageszeitung zitiert: Die Zahl der Spielsüchtigen hat sich verzehnfacht. Es ging dort um die klinisch Spielsüchtigen. Das stimmt, die hat sich offenbar verzehnfacht, meine Damen und Herren. Bei 2,2 Mio. Einwohnern etwa von 33 im Jahr 1999 - so ist, glaube ich, der Bezug - auf 350 im letzten Jahr. Jeder dieser Einzelfälle ist natürlich ernst zu nehmen, überhaupt gar keine Frage. Ob es weniger wären, wenn der Staatsvertrag schon vor zehn Jahren in Kraft getreten wäre, bzw. dass es trotz der Geltung des vorherigen Staatsvertrags auch so viele gewesen sind, mag als Indiz dafür gelten, dass Verbote und staatliche Regelungen nicht unbedingt dazu geeignet sind, das zu verhindern. Trotzdem will ich sagen, dass 350 Spielsüchtige bei mehreren Millionen oder vielen Hunderttausend zumindest in Thüringen, die spielen, glaube ich, eine Quote sind, die auch zeigen, dass es viele Menschen gibt, die sehr verantwortungsbewusst auch damit umgehen.

Noch mal: Vor Selbstzerstörung zu schützen mit geeigneten Regelungen, das glaube ich schon, dass das eine Aufgabe, dass das ein Anliegen des Staates sein muss. Vor Gewinn oder Verlust zu schützen, meine Damen und Herren, das ist nicht unsere Aufgabe. Da kommt auch das Spiel von Herrn Kellner ins Spiel. Wer ein Spielcasino mit einem kleinen Vermögen verlässt, wenn er es mit einem großen betreten hat, ist genauso selbst seines Glückes Schmied wie jemand, der sich ein großes oder ein kleines Auto kauft, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Ich halte es nicht für unsere Aufgabe, zu entscheiden, was Menschen mit ihrem Geld machen. Und

wenn sie in ein Spielcasino gehen wollen, um dort zu versuchen, Geld zu gewinnen in dem Wissen, sie können es auch verlieren, dann ist das Bestandteil der Freiheit, die wir haben. Der Staat, meine Damen und Herren, hat nicht elterliche Fürsorgepflicht. Menschen zu erziehen, ist nicht unsere Aufgabe.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, wenn wir mit unserem Entwurf so weit neben der Wahrheit lägen, wie hier gelegentlich behauptet worden ist, dann hätten die Stellungnahmen, die eingegangen sind, Ihre Vorwürfe, die hier auch gekommen sind, gegen unseren Gesetzentwurf ja bestätigen müssen. Ich habe das schon gesagt, das ist aber nicht der Fall. Viele Stellungnahmen zeigen genau das, was wir seit Beginn der Diskussion und wir reden ja heute nicht das erste und, ich hoffe, auch nicht das letzte Mal über diese Materie. Wir haben immer wieder angemahnt, dass gegen den Glücksspielstaatsvertrag erhebliche verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken bestehen. Ich glaube, dass wir aufgerufen sind, die ernst zu nehmen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Fragen der Kohärenz, die Herr Kollege Korschewsky auch angesprochen hat, auch die Frage der Rechtfertigung der Beschränkung der Sportwettenkonzessionen früher oder später die Gerichte beschäftigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ist die Zahl 20 im Spiel. Für 20 Sportwettenanbieter soll es Konzessionen geben. Ich habe das hier schon gelegentlich gefragt und ich habe bis jetzt - auch heute keine Antwort gehört: Warum eigentlich 20? Was sagt man dem 21., der kommt, der die gesetzlichen Voraussetzungen genauso erfüllt wie die 20, die schon da sind? Was sagt man dem eigentlich, warum er keine Konzession bekommen soll? Weil er Pech gehabt hat, weil er der 21. ist?

(Beifall FDP)

Sie glauben, der lässt sich damit abspeisen? Der wird vor das nächste Gericht laufen und wird sein Recht einklagen und er wird Recht bekommen. Weil wir heute die Autovergleiche schon mal hatten - schauen wir mal, so kann man Gesetze auch machen, das ist aber nicht mein Ansatz -, wer käme denn auf die Idee zu sagen, wir lassen höchstens 20 Automarken in Deutschland zu. Der 21., obwohl er genauso gut ist, vielleicht ist der 21. ein Anbieter mit einem Null-Emissionsauto, vielleicht ist das einer, der plötzlich mit dem Elektromotor herkommt, der ganz hervorragend funktioniert, und der bekommt dann keine Zulassung, weil er der 21. ist. So einen Unsinn kann man nicht ernst meinen, so einen Unsinn kann man meiner Meinung nach nicht machen.

(Beifall FDP)

Ich glaube, dass unser Ansatz der sein muss - und das ist der Ansatz in unserem Gesetz: Zulässig ist, wer zuverlässig ist und zuverlässig ist, wer die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt, egal ob er der 7., der 8., der 21. oder vielleicht der 35. oder der 146. ist. Es geht nicht um Schutz oder Liberalisierung, sondern es geht darum, Schutz in einem möglichst freien Markt so zu gewährleisten, dass er angemessen ist und auch funktioniert.

(Beifall FDP)

Die Stellungnahme aus Brüssel zum ursprünglichen Entwurf ist vorhin schon angesprochen worden. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich muss sagen, ich finde es mindestens mutig, vielleicht sogar ignorant von der Landesregierung, die inzwischen auch vom Justizminister hier vertreten wird und nicht nur von dem weitgehend fachlich unzuständigen Bauminister, dass die Stellungnahme der EU-Kommission als uneingeschränkte Zustimmung - das war die Formulierung, die ich gehört und gelesen habe - zum Staatsvertrag gewertet wird. Meine Damen und Herren, sie ist nichts weniger als das.

(Beifall FDP)

Allein die Tatsache, dass am Ende dieser Stellungnahme darauf hingewiesen wird, dass sich die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren vorbehält, zu sagen, dass sei übliche Rhetorik, ist maximal eine Wunschvorstellung und hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Das ist alles andere als eine übliche Floskel, die quasi an jedem entsprechenden Dokument aus Brüssel hintendran hängt, da hat sich schon jemand etwas dabei gedacht, als dieser Satz dort darunter geschrieben wurde.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, wahr ist, dass auch unser Gesetzentwurf bei der Anhörung in einigen Punkten durchaus Gegenstand der Kritik gewesen ist. Dass es bei Suchtverbänden so sein würde, war an sich zunächst nicht weiter überraschend. Es hat einen privaten Verband gegeben - es hat mich überrascht, dass das heute noch niemand gesagt hat -, der sich auch kritisch geäußert hat. Ich will dazu zwei Dinge sagen: Der Erhalt des staatlichen Lotteriemonopols ist auch in unserem Gesetz vorgesehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber ich glaube, dass wir besser beraten wären wie es in unserem Gesetzentwurf der Fall ist -, dieses Monopol mit dem Schutz vor Betrug und Manipulation zu begründen als mit dem Schutz vor Suchtgefahren, weil diese Begründung am Ende möglicherweise vor Gericht nicht ziehen wird.

(Beifall FDP)

Die Gerichte, meine Damen und Herren, fragen nur: Sind die vorgenommenen Restriktionen unter den gegebenen Begründungen rechtlich zulässig?

Ein Gericht ist nicht gehalten, sich um moralische Dimensionen Gedanken zu machen, jedenfalls nicht vordergründig. Deshalb glaube ich, das Monopol zu begründen mit dem Schutz vor Manipulation und Betrug wäre eine rechtssichere Variante und würde obendrein auch noch der Suchtbekämpfung nutzen.

(Beifall FDP)

Insofern glaube ich, dass es ganz gut wäre, wenn an der einen oder anderen Stelle auch mal Feindbilder überdacht werden.

Ganz besonders bemerkenswert fand ich in dem Zusammenhang die Einlassung von Kollegen Gentzel, der sagte, es gab sachliche und interessengeleitete Stellungnahmen. Ich glaube, es gab in diesem ganzen Verfahren nur sachliche, interessengeleitete Stellungnahmen, weil jeder natürlich ein Interesse verfolgt und jedes Interesse auch legitim ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Besonders lustig, das muss ich schon sagen, fand ich in der Stellungnahme des Bundesverbands der privaten Spielbankbetreiber und auch in der Stellungnahme der Landesstelle für Suchtfragen, dass dort die Ablehnung unseres Gesetzentwurfs ganz wesentlich damit begründet wurde, dass in den beiden Absätzen 4 der §§ 19 und 21 in Europa erteilte Erlaubnisse direkt auch in Deutschland Geltung erlangen sollten. Das ist deshalb lustig, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil diese beiden Absätze in unserem Gesetzentwurf überhaupt nicht enthalten sind. Man hätte sich vielleicht die Mühe machen sollen, nicht die Stellungnahmen, die man zu dem Gesetz in Schleswig-Holstein geschrieben hat, 1 : 1 zu übernehmen. Wir haben uns die Stellungnahmen, die in Schleswig-Holstein eingegangen sind, nämlich auch angeschaut und sind zu der Entscheidung gekommen, dass genau dieser Gedanke, dass dieser Vorbehalt ein sehr richtiger ist, dass wir natürlich, wie wir das in vielen anderen Fällen auch machen, schon unsere eigenen Erlaubnisse fordern sollten, unsere eigenen Anforderungen an Betreiber stellen sollten und nicht einfach ungeprüft einen Betreiber, der - ich will jetzt gar kein Feindbild aufmachen - vielleicht in Frankreich zugelassen ist, 1 : 1 in Deutschland auch zuzulassen. Das ist ein Vorwurf, der geht so weit daneben, dass ich mich wirklich schwertue, an so einer Stelle solche Stellungnahmen dann auch ernst zu nehmen,