Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der große sozialdemokratische Philosoph Werner Pidde
hat die Erkenntnis - Dr. Werner Pidde, so viel Zeit muss sein, sagt der für die Wissenschaft zuständige Minister, der muss es wissen und recht hat er -, der Haushalt ist ein komplexes Thema. Herzlichen Glückwunsch, lieber Kollege Pidde. Das ist, glaube ich, auch in den Ministerien, in der Landesregierung bekannt. Nicht umsonst beschäftigt man sich nämlich üblicherweise so beginnend im Januar/Februar mit der Aufstellung der Haushaltszahlen für den nächsten Haushalt. In diesen Ministerien arbeiten irgendwo zwischen zwei- und dreitausend Leuten und ich denke, dass etwa acht bis neun Monate für die Vorbereitung des Haushalts der Komplexität entsprechend angemessen sind. Man kann also erwarten, dass dort auch Zahlen vorgelegt werden, damit das Parlament mit 88 Abgeordneten und entsprechend erheblich weniger Mitarbeitern dann auch seiner Aufgabe nachkommen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen ist auch eben nicht der Punkt, ob der Haushalt ein komplexes Thema ist, die Frage, warum wir keinen Haushalt haben. Es liegt ja nach allem, was wir gehört haben, ein ausverhandelter Haushalt vor und ich habe bis jetzt noch niemanden gehört, der dem widersprochen hätte - ein ausverhandelter Doppelhaushalt nämlich. Er wird nicht eingebracht und die Frage ist, warum eigentlich nicht. Am Etat zerbricht die Koalition nicht, das hat auch Frau Lehmann eben noch mal wiederholt. Die Frage ist tatsächlich genau die, die von Kollegin Rothe-Beinlich eben kam, woran denn dann? Wenn der Haushalt - das hat der Minister gesagt, der von den 95 Plenarsitzungen, die wir in dieser Legislatur hatten, irgendwo bei 80 verpasst hat, nämlich Herr Machnig - das in Zahlen gegossene Regierungsprogramm ist - Zitat Matthias Machnig -, dann hat diese Regierung offenbar kein Programm, denn sie hat es nirgends hingegossen.
Auch das ist eine Erkenntnis, die wiederum zu der Frage führt, wo nichts ist, da kann auch nichts zerbrechen. Das würde auf eine unendliche Fortsetzung dieser Koalition schließen lassen, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir doch
hoffentlich nicht voraussetzen. Das will ich zumindest nicht hoffen, dass das so wird. Es gab mal eine Koalitionsvereinbarung, in der stand sinngemäß geschrieben, dass man zu Doppelhaushalten zurückkehrt, wenn die finanzpolitischen Rahmenbedingungen das zulassen - so oder so ähnlich, ich habe das jetzt nicht noch mal nachgeguckt, weil ich ja nicht der Einzige sein will, der in das Dokument immer mal reinschaut. Fakt ist, dass es mal einen Vorbehalt dann gegeben hat, die Mai-Steuerschätzung abzuwarten, um das zu entscheiden, machen wir einen Doppelhaushalt oder nicht. Die Mai-Steuerschätzung gab zu vielem Anlass, aber nicht zu Vorbehalten bezüglich der finanziellen Entwicklung in den nächsten zwei Jahren. Das wird in allen anderen Ländern auch so gesehen.
Lieber Kollege Hey, der KFA ist eine nachgeschobene Begründung. Als der Finanzminister den im Juni oder im Juli im Finanzausschuss das erste Mal vorgestellt hat, haben die Koalitionsfraktionen den sicherlich schon gekannt. Da gab es keine Hinweise darauf, dass wegen des KFA die Verabschiedung des Haushalts infrage steht. Jeder, der das anders in Erinnerung hat, kann ja an dieser Stelle widersprechen. In vielen anderen Ländern wird das anders gesehen, insbesondere alle Länder, die eine SPD-Regierungsbeteiligung haben, sind in Doppelhaushalten oder in Verfahren zur Aufstellung von Doppelhaushalten. Und so weit abgekoppelt kann Thüringen von allgemeinen finanzpolitischen Entwicklungen ja nun nicht sein, dass man das hier völlig anders sieht.
Dann ist das Kabinett in die Sommerpause gegangen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Ministerpräsidentin, habe ich gelesen, war in den Alpen wandern, große Teile des restlichen Kabinetts haben an der Ostsee geurlaubt, der Umweltminister, der Finanzminister, der Justizminister. Der stellvertretende Ministerpräsident war auf einem Baum, wo der steht, ist nicht überliefert, aber es war klar, dass es offenbar kein gemeinsamer Urlaub war, der da stattgefunden hat.
Dafür habe ich strukturell großes Verständnis im Angesicht der beteiligten Personen, meine Damen und Herren, aber die Wahrheit ist doch, wer seine Arbeit nicht erledigt hat, der darf eigentlich überhaupt nicht in den Urlaub fahren. Und das ist der eigentliche Punkt, auf den ich hin will.
Denn wenn es hier vorhin hieß, man muss Zeit zugestehen - also wenn eins wirklich zur Genüge da war für diese Regierung, einen Haushalt aufzustellen, dann, meine Damen und Herren, ist es Zeit.
Sie hatten Ihren Urlaub nicht verdient, sind trotzdem hingefahren. Was am Ende passieren wird, wenn wir die vorläufige Haushaltsführung haben, da will ich Kollegin Pelke mal zitieren, die bei der Debatte um die Bewirtschaftungsreserve am 25. Januar dieses Jahres hier gesagt hat: Bewirtschaftungsreserve kürzt ausgerechnet sogenannte freiwillige Leistungen. Das sind Frauenhäuser, Verbraucherzentrale,
Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau das sind die Dinge, die infrage stehen. Genau das sind die Dinge, die gefährdet sind durch die Nichtverabschiedung. Da, lieber Kollege Pidde, muss ich schon ehrlich sagen, weiß ich nicht, was ich mehr bewundern oder fürchten soll, die Nonchalance, den Stoizismus, mit dem Sie hier auftreten, oder die Tatsache, dass Sie genau auf die Art auch dieses Land regieren. Vielen Dank.
Ich habe jetzt keine Redemeldungen mehr aus den Fraktionen. Für die Landesregierung der Finanzminister bitte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thema der Aktuellen Stunde ist angesichts der Nichteinbringung des Haushalts verständlich. Ich verstehe Sie, dass Sie Ihr Königsrecht wahrnehmen wollen.
Sie wollen Ihre Rechte ausüben und Ihre Pflichten erledigen, dazu brauchen Sie nun mal die Vorlage des Haushaltsplans und des FAG, sonst können Sie Ihre Rechte nicht ausüben. Insofern ist mir ein großer Teil der Debatte durchaus verständlich. Allerdings, Herr Barth, dann doch mit Verlaub, in vielen Punkten überziehen Sie nach meiner Auffassung. Es ist richtig das alleinige Recht und natürlich dann auch die eingeschlossene Pflicht, einen Haushaltsplan vorzulegen, obliegt nach Artikel 99 Abs. 3, Frau Siegesmund, wirklich der Landesregierung. Nach § 30 der Landeshaushaltsordnung sollte dieser Regierungsentwurf, der nach diesen Normen
aufgestellt wird, in der Regel zum 1. September vorgelegt werden. Die Landeshaushaltsordnung geht davon aus, dass dann genügend Raum sei zur Beratung, um die Dinge rechtzeitig abzuschließen. Ich bedaure, dass das dieses Jahr nicht erreicht wurde, stelle allerdings auch fest, dass damit - anders als es in der Öffentlichkeit verbreitet wird - keine Rechtsverletzung einhergeht. Es ist ein Sollen und insofern ein Bemühen. Eine Rechtsverletzung bedeutet dies nicht. Es kam hier schon zur Sprache, es ist oft im Oktober eingebracht worden. Insofern ist es auch kein Novum, wenn das dieses Jahr auch im Oktober erfolgt. Soweit die Fakten.
Ach, lassen Sie mich doch meine Sache einfach referieren, dann komme ich zu diesem Punkt vielleicht auch noch zu sprechen. Also der verfassungsmäßigen Verpflichtung, einen Haushaltsentwurf vorzulegen, werden wir selbstverständlich nachkommen. Im Grunde genommen sind auch die Voraussetzungen dafür geschaffen. Der Finanzminister muss den Haushaltsplan aufstellen, so sagt es § 28 der Landeshaushaltsordnung. Es ist dem Kabinett ein Haushaltsplan zugeleitet worden, wie Sie wissen, der bis auf einige Punkte ausverhandelt ist. Ich darf sagen - und das hatte ich auch schon der Presse vorgestellt -, ich halte ihn finanzpolitisch für in Ordnung. Wir haben hier Tilgungsraten eingebaut. Insofern stimmt der Inhalt und es stimmt auch die finanzpolitische Richtung, aber wir haben - das sollten wir auch nicht verhehlen - einen Dissens über die Laufzeit des Haushalts, soll es ein Einzeletat sein oder soll die Laufzeit zwei Jahre betragen. Nun muss ich Ihnen allerdings auch sagen, so lapidar sind die Entscheidungen hier nicht. Es ist eine tiefgreifende Frage, die hier zu loten und zu entscheiden ist. Dass hier auch unterschiedliche Auffassungen vorliegen können, das liegt in der Natur der Sache. Insofern braucht die Koalition Zeit, um dieses dann letztlich zu entscheiden. Es ist eine schwierige Frage, die, Herr Ramelow, wie Sie auch sagten, weit in das Land hineinstrahlt. Insofern machen wir uns das auch nicht einfach und brauchen eben noch Zeit, so dass wir heute nicht einbringen können. Der Abwägungsprozess ist allerdings in Gang gekommen. Wir sind dabei und wir sind frohen Mutes, dass dieses auch im Oktober gelingt.
Ich möchte zwei Dinge noch aus der Debatte aufgreifen. Einmal hatten Sie- jetzt ist er gerade weg von der LINKEN gesagt, also „unwürdiger Streit“ ist hier oft gefallen und dann kam es hier zu Schaukämpfen, wahrscheinlich sind der stellvertretende Ministerpräsident und ich damit gemeint. Hier muss ich doch auch sagen, lassen Sie doch einfach die Kirche im Dorf. Wir sind in einer Demokratie und in einer Demokratie gibt es eine freie Presse und die freie Presse beobachtet natürlich jede Haltung und jede Regung. Insofern ist es auch ganz natürlich, wenn wir nicht gleich einer Meinung sind, dass dann diese Dinge öffentlich werden, auch öffentlich artikuliert werden und insofern die Bevölkerung den Entscheidungsprozess miterleben kann, wie es sich in einer Demokratie gehört. Schönen Dank.
c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Altersarmut in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/4912
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, nach der sehr erfrischenden Debatte über Glücksgefühle und nicht vorhandene Glücksgefühle in der Koalition und den Koalitionsfraktionen wollen wir uns einem weiteren wichtigen gesellschaftspolitischen Thema nähern.
Nun könnte vielleicht einer meiner Nachredner einwenden, Altersarmut und Altersarmut in Thüringen, was ist daran eigentlich neu, was ist daran eigentlich aktuell, warum ist dies Gegenstand der Aktuellen Stunde? Das ist zum Teil richtig, weil seit vielen Jahren die Sozialverbände, Kirchen, Gewerkschaften, der Sozialbeirat auf die drohende und die verschärfte Altersarmut in der Zukunft aufmerksam machen. Jeder hier im Hause weiß, dass auf der Grundlage der von der Bundesarbeitsministerin angestoßenen Debatte das Thema noch einmal einen neuen Drive bekommen hat. Wir haben in zwei Monaten die Vorlage des Alterssicherungsberichts der Bundesregierung, hatten gestern den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zur Kennt
nis nehmen dürfen - auch das ist ja nicht uninteressant in diesem Thema bezüglich der verteilungspolitischen Fragen - und wir haben zum 01.01.2013 die vorgesehene Beitragssatzsenkung. Insofern will ich Sie gar nicht lange mit Zahlen langweilen.
Die Entwicklung in Thüringen ist für alle nachvollziehbar. Wir hatten in den letzten zehn Jahren eine Steigerung der Empfänger der Grundsicherung von deutlich über 40 Prozent, eine jahresdurchschnittliche Steigerung von über 5 Prozent und in der Prognose nach den Erhebungen des Thüringer Landesamts für Statistik eine Entwicklung, die sich mindestens in diesem gleichen Umfang in den nächsten Jahren fortsetzt, das heißt eine deutliche Steigerung des Armutsrisikos. Insofern will ich auf ein paar Aspekte eingehen, die aus meiner Sicht in der Debatte von Bedeutung sind. Das eine hat etwas mit den arbeitsmarktpolitischen Entwicklungen zu tun, das andere mit den systematischen Fragen im Rentensystem. Zur arbeitsmarktpolitischen Entwicklung ist klar, dass zu der Frage der Diskussion zur Altersarmut auch die Diskussion zu der Frage der Erwerbsarmut gehört. Man könnte auch sagen, keine Altersarmut ohne Erwerbsarmut. Hier wissen wir, wie die Herausforderungen sind. Insofern ist ausdrücklich zu begrüßen, was eben schon angesprochen wurde, die am Freitag dieser Woche einzubringende Initiative der Thüringer Landesregierung für einen Mindestlohn. Das wird das Problem der Altersarmut nicht lösen, das weiß auch jeder. Insofern brauchen wir weitere Elemente bezüglich der Neugestaltung des Arbeitsmarkts. Das bedeutet, Bekämpfung der prekären Beschäftigung, bedeutet Rückführung der geringfügigen Beschäftigung und bedeutet auch ein höheres Entgeltniveau insgesamt für die nicht tarifrechtlich geregelten Bereiche wie auch für die tarifrechtlich geregelten Bereiche. Ohne das Thema Arbeitsmarktpolitik anzufassen, werden wir, glaube ich, das Thema der Altersarmut in der Zukunft nicht in den Griff bekommen.