Protokoll der Sitzung vom 18.10.2012

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen jetzt zur letzten Frage, und das ist die Frage des Herrn Abgeordneten Kemmerich für die FDP-Fraktion mit der Drucksache 5/5108. Antworten wird für die Landesregierung das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Bitte, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Initiative „Thüringen braucht Dich“ - Bilanz und Ausblick

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie hat am 19. September 2012 eine Bilanz zur Initiative „Thüringen braucht Dich“ vorgelegt. Laut diesen Medieninformationen konnten im Rahmen der Kampagne 74 Ausbildungsplätze vermittelt wer

den. Dieser Vermittlungsquote stehen jedoch 625 junge Menschen gegenüber, die eine Ausbildung aufnehmen wollten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung angesichts über 3.700 zum Beginn des Ausbildungsjahres noch unbesetzter Ausbildungsstellen, dass nur ca. 10 Prozent derer, die durch die Kampagne aktiviert wurden und eine Ausbildung aufnehmen wollten, auch eine Ausbildung aufgenommen haben?

2. Inwiefern kann seitens der Landesregierung daraus geschlussfolgert werden, dass eine erfolgreiche Ansprache der Zielgruppe erfolgt ist?

3. Da sich von den bisherigen insgesamt 1.489 Interessierten noch 437 junge Menschen in Beratung und Betreuung bei den Partnern der Initiative befinden, frage ich die Landesregierung, inwiefern sie in diesem Zusammenhang zwischen der Initiative und der Bundesagentur für Arbeit keine Doppelstruktur sieht?

4. Wie begründet die Landesregierung, dass die Kampagne im Jahr 2013 bei gleichem Etateinsatz in Höhe von 750.000 € fortgesetzt werden soll, obwohl von fast 20.000 jungen Menschen, die als Zielgruppe der Initiative gelten, ca. 18.500 Personen nicht aktiviert wurden?

Vielen Dank. Das Wort hat Herr Staatssekretär Staschewski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist mir eine Freude, für die Landesregierung die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kemmerich zu beantworten.

Ich möchte vorausschicken, hier geht es nicht um eine Vermittlung, so wie man das bei der Bundesagentur für Arbeit vielleicht hat, wenn da jemand hinkommt, dass man eine Reihe von Stellen frei hat, man hat ein Profil und man vermittelt jetzt Leute ganz schnell, sondern es geht darum, dass wir viele junge Menschen, die seit vielen Jahren vernachlässigt wurden, die keine Ausbildung haben, die in schlecht bezahlten Berufen sind, endlich auch diese Leute wieder aktiviert und unsere Reserven hebt. Das ist die Voraussetzung. Fakt ist, ohne die Initiative „Thüringen braucht Dich“ wäre die Zahl derer, die jetzt noch ohne Ausbildungsplatz dastehen würden, wesentlich höher. Wir haben 600 Personen circa, die bisher für Maßnahmen aktiviert werden konnten. 74 Personen, von denen Sie gesprochen haben, sind zum Stichtag 13. September unmittelbar in eine duale Ausbildung vermittelt worden. Weitere 59 bereiten sich auf eine sogenannte Externenprüfung vor. Sie können nicht bei jedem

(Abg. Weber)

Kontakt über die Hotline der Initiative, auch nicht bei jeder einführenden Beratung voraussetzen, dass die Interessenten unmittelbar eine Ausbildung aufnehmen werden und können. Wir müssen bei diesem Klientel viel langfristiger denken. Wir führen „Thüringen braucht Dich“ fort. Die Initiative ist langfristig angelegt und wird nicht innerhalb weniger Wochen endgültig abgerechnet. Was Sie nicht beachten, Herr Kemmerich, ist, die Lebenslagen der Betroffenen sind oft grundverschieden. Viele der Interessierten haben große berufliche, soziale und persönliche Herausforderungen zu bewältigen, um eine Ausbildung oder Nachqualifizierung tatsächlich absolvieren zu können. Wir müssen alle Reserven in diesem Land angesichts dieser Fachkräftesicherung und Fachkräfteprobleme, die wir haben, sichern.

Zu Frage 2: „Thüringen braucht Dich“ ist erfolgreich und wir können stolz darauf sein. Ich komme gerade von einer Arbeitsstaatssekretärsrunde in Celle, wo alle Arbeitsstaatssekretäre zusammen sind. Die haben das wahrgenommen. Das wollen viele Länder nachmachen, weil die sehen, dass wir hier in Thüringen wieder einmal übrigens ein Instrument wie das Landesarbeitsmarktprogramm, wie viele andere Instrumente so organisiert haben, dass es Nachahmer finden wird. Bei der Zielgruppe junge Erwachsene unter 35 Jahre ohne Berufabschluss, die für eine nachholende Ausbildung oder Nachqualifizierung gewonnen werden sollen, ist dieses Ergebnis beachtlich. Diese Zielgruppe war in der Vergangenheit extrem schwer zu erreichen und zu aktivieren. Deshalb haben wir die begleitende Kampagne bewusst breit angelegt, um jungen Erwachsenen berufliche Perspektiven in Thüringen aufzuzeigen und um für die duale Ausbildung in Thüringen zu werben, und das mit Erfolg.

Zu Frage 3: „Thüringen braucht Dich“ wurde durch die Bundesagentur für Arbeit und unser Haus gemeinsam initiiert. Die Kammern, die Handwerkskammern genauso wie die IHKs, der VWT, der DGB sowie die Jugendberufshilfe beteiligen sich als aktive Partner an der Umsetzung. Das sind enge Abstimmungen. Wir haben keine Doppelstrukturen geschaffen, wir haben vorhandene Angebote und Beratungsstrukturen der Bundesagentur für Arbeit und der Kammern etc. zwischen den Partnern der Initiative besser abgestimmt und direkt auf die Zielgruppe zugeschnitten.

Zu Frage 4: Wir werden die Initiative fortsetzen, selbstverständlich, denn sie ist erfolgreich. Es ermutigt durchaus, wenn Sie uns die Erfolge vorrechnen, Herr Kemmerich. Wir blicken nicht bis zur nächsten Wahl, sondern schauen, dass wir erfolgreiche Politik hier in Thüringen auf Dauer anlegen. Demographisch bedingt haben sich innerhalb weniger Jahre die Vorzeichen auf dem Ausbildungsmarkt völlig gewandelt. Was wir wollen, ist ein deutliches Signal. Jeder wird in Thüringen gebraucht

und ich habe dies vor einigen Wochen hier im Plenum schon einmal gesagt: Wenn ich in Schulen und in Fortbildungszentren bin und immer noch sagen Kinder, Jugendliche zu mir, wir schauen nach Bayern, nach Hessen, wo wir da arbeiten können, weil wir hier in Thüringen nicht gebraucht werden, das ist ein Alarmsignal. Wir brauchen jeden und wir müssen auch die Reserven heben bei den 35-Jährigen, die noch keine Ausbildung haben, die vergessen worden sind, die auf der Strecke geblieben sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Jeder, jede kann sich erfolgreich nachqualifizieren und in Thüringen eine berufliche Perspektive finden. Das wollen wir. Von den 20.000 jungen Menschen, die Sie nennen, Herr Kemmerich, sind circa 10.000 in einem Beschäftigungsverhältnis. Diese verspüren oftmals aber nicht unmittelbar den Anreiz, sich nach Jahren im Job nachholend auszubilden oder sie werden von ihrem Arbeitgeber nicht in jedem Fall dazu ermutigt, sich aufstiegsorientiert nachzuqualifizieren. Hier müssen wir an einem Bewusstseinswandel weiterarbeiten. Hier sind übrigens auch Unternehmer und Betriebe gefordert. Deshalb sind wir froh, dass sich diese Unternehmer und Unternehmen und die HWKs, IHKs, VWT und andere Initiativen beteiligen. Von den rund 10.000 jungen Erwachsenen, die arbeitslos sind und die keinen Berufsabschluss haben, sind viele in einer sozial extrem schwierigen Lage. Wir geben diese Menschen nicht auf, wir dürfen diese Menschen auch nicht aufgeben, wir zeigen ihnen berufliche Perspektiven auf. Innerhalb kurzer Zeit für über 600 Personen konkrete Maßnahmen zu ermöglichen, ist sehr ermutigend, das ermutigt uns so weit, dass wir auf jeden Fall weitermachen.

Fazit: Jeder, jede von der Initiative Angesprochene, der eine Ausbildung oder Nachqualifizierung absolviert, ist eine Investition in die Zukunft Thüringens. Wenn uns der Bewusstseinswandel gelingt, dass zur Stärkung der Fachkräftebasis niemand aufgegeben werden darf, ist unsere Initiative unser Erfolg. Abrechnen werden wir das in den kommenden Jahren. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Staatssekretär. Es gibt den Wunsch auf Nachfrage durch den Fragesteller. Bitte, Herr Abgeordneter Kemmerich.

Also vielen Dank für diese Sonntagsrede, die wenig mit der Antwort auf die gestellten Fragen zu tun hatte.

(Staatssekretär Staschewski)

(Beifall FDP)

Ein Begriff sei mir erlaubt, es bleibt nach wie vor eine teure Werbekampagne für Ihre Hotline, mehr ist es nämlich nicht. Kern bleibt,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Frage.)

da werden Sie mir recht geben, Ausbildungsstellen werden die Unternehmen schaffen oder Qualifizierungsstellen, deshalb die Frage an Sie: Zu welchem Zeitpunkt hat eine Auswertung stattgefunden mit den Unternehmen, die hier Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, nämlich die von mir zitierten über 3.000 Ausbildungsstellen?

Sehr geehrter Herr Kemmerich, erstens ist es keine Werbekampagne für eine Hotline. Wenn Sie so etwas sagen, führen Sie Politik, und zwar eine populistische Politik auf dem Rücken der Suchenden und der Kinder und Jugendlichen, die auf der Strecke hier in Thüringen geblieben sind, und wir wollen die nicht aufgeben.

(Beifall SPD)

Ich finde, alle sollten hier zusammenhalten - Koalition, Opposition - und dafür kämpfen, dass wir keinen aufgeben in Thüringen. Ich verbitte mir solche Äußerungen und solche Behauptungen, dass wir eine Werbekampagne für irgendeine Hotline machen. Das, glaube ich, ist eine Aussage, die wir so nicht stehen lassen können, die unwürdig ist für die jungen Menschen, für die wir uns einsetzen und arbeiten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens: Selbstverständlich werden alle Initiativen evaluiert.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Haben Sie eine Aufforderung?)

Wir sind im ständigen Austausch mit den Unternehmen, wir sind im ständigen Austausch mit allen Akteuren, weil wir selbstverständlich daran weiterarbeiten, dass wir noch mehr junge Menschen in Arbeit bekommen und eine gute Ausbildung hinbekommen.

Eine letzte Anmerkung: Wenn behauptet wird, ich hätte nicht auf die Fragen geantwortet, dann bitte ich, zukünftig gut zuzuhören, weil ich hier auch, wie heute, oftmals falsch zitiert werde, das verbitte ich mir auch. Herzlichen Dank.

Es gibt aber noch den Wunsch auf eine zweite Nachfrage durch den Fragesteller. Bitte, Herr Abgeordneter Kemmerich.

Meine erste Frage war: Zu welchem Zeitpunkt hat es stattgefunden? Da hätten Sie einfach nur ein Datum nennen müssen. Das war ja nicht weiter kompliziert.

Frage jetzt: Da Sie ja im ständigen Kontakt stehen mit den Unternehmen, dann hätte ich gern Auskunft über die Bewertung der Unternehmen zu dieser Kampagne?

Ich kenne viele Unternehmen, die dankbar sind, dass wir ihnen vernünftige Menschen, junge Menschen vermittelt haben, Thüringerinnen und Thüringer, Frauen und Männer, die ansonsten keine Chance am Arbeitsmarkt gehabt hätten, durch unsere Aktion sind die gekommen. Da gibt es große Dankbarkeit und es ist eine gemeinsame Aktion, die gemeinsam positiv bewertet wird.

Vielen Dank. Es gibt den Wunsch auf eine Nachfrage aus dem Plenum. Bitte, Herr Abgeordneter Barth.

Herr Staatssekretär, wenn Sie sagen, Sie kennen viele Unternehmen, lassen Sie uns doch einfach teilhaben und nennen Sie uns ein paar.

Kann ich Ihnen nachliefern.

Vielen Dank, wird nachgeliefert. Damit sehe ich keinen Wunsch auf Nachfrage. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Danke schön.

An dieser Stelle ist die Fragestunde beendet. Wir haben alle Fragen abgearbeitet. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 2

Thüringer Mindestlohngesetz (ThMLG)

(Abg. Kemmerich)

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/4464 dazu: Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses - Drucksache 5/4946