Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Die parlamentarische Befassung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf war in meinen Augen tatsächlich diesmal vorbildlich und das verdient von dieser Stelle auch wirklich erwähnt zu werden. Nicht nur wurde eine Expertenanhörung durchgeführt, sondern wichtige Vorschläge und Hinweise dieser Experten wurden tatsächlich auch aufgegriffen und sind in den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen eingeflossen, der in die Beschlussempfehlung des Kulturausschusses dann auch eingegangen ist.

Ja, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, es gab ein sachorientiertes, es gab ein konstruktives Verfahren, das verdient nochmal gelobt zu werden, denn Selbiges ist in diesem Hohen Hause tatsächlich keine Selbstverständlichkeit.

(Beifall AfD)

Jetzt liegt ein Gesetz zur Abstimmung vor, mit dem man den Gegenwartsaufgaben der öffentlichen Archive in Thüringen gewiss begegnen kann, auch wenn das Resultat aus Sicht meiner Fraktion und aus meiner persönlichen Sicht nicht optimal zu nennen ist.

Dass das Landesarchiv nach § 8 ein digitales Magazin unterhält, ist eine der zweifellos erforderlichen Neuerungen, die der technischen Entwicklung geschuldet sind. Es ist auch begrüßenswert, wenn die Zuständigkeiten der Kreisarchive jetzt gegenüber dem ursprünglichen Entwurf etwas klarer geregelt sind. Und wenn jetzt im Gesetz explizit aufgezählt wird, dass das Landesarchiv Thüringen aus dem Hauptstaatsarchiv Weimar und den Abteilungen Staatsarchiv Altenburg, Gotha, Greiz, Meiningen und Rudolstadt besteht, so betont dies immerhin den dezentralen Charakter des Landesarchivs. Gleichwohl bleibt es dabei, dass wir eine einzige Behörde statt vormals eigenständige Archive vorfinden und diese Struktur nach Darstellung der angehörten Experten sich keineswegs als vorteilhaft erweisen wird und auch bisher schon nicht erwiesen hat. Für uns bleibt das ein bestehendes Manko.

Begrüßenswert ist wiederum, dass das Gesetz in § 7 eine Archivberatungsstelle vorsieht; der Bedarf hierfür wurde in der Expertenanhörung sehr deutlich artikuliert. Von diesem Bedarf her betrachtet ist es erfreulich, dass das nun berücksichtigt wurde, wenngleich die entsprechende Regelung mit Blick auf Personal- und Institutionalisierung der Beratungsstelle gewiss noch klarer hätte ausfallen können.

Im Ganzen stellt sich das Gesetz auf die neuen Entwicklungen im Bereich des Archivwesens ein, etwa bei der elektronischen Archivierung. Insofern kann die AfD mit diesem Gesetz durchaus gut leben.

Es muss aber, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass das Gesetz einige problematische Punkte enthält und im Übrigen manche Hinweise aus der Anhörung zu Unrecht unberücksichtigt blieben.

Ich habe ja schon einige problematische Aspekte angesprochen und möchte noch auf zwei weitere zu sprechen kommen.

Zunächst hat die Landesregierung selbst auf diverse Mehrkosten hingewiesen, die für das Landesarchiv entstehen werden, nämlich infolge der Unterhaltung des digitalen Archivs und der Umstellung

(Abg. Mitteldorf)

der Aktenhaltung auf die elektronische Akte bzw. elektronische Vorgangsbearbeitung in der Verwaltung – so weit so unvermeidbar, Neuerungen kosten eben Geld. Zugleich führt die Landesregierung aber an, es würden gerade infolge der Digitalisierung durch das Gesetz Kosten gesenkt, etwa Materialkosten und Raummieten. Außerdem behauptet die Landesregierung, es würden den Kommunen bzw. – wie es heißt – den übrigen Adressaten des Gesetzes, wörtlich, „unmittelbar keine zusätzlichen Kosten entstehen“. Das betont die Landesregierung. Bezüglich der Einsparpotenziale des Gesetzes und der finanziellen Folgen namentlich für die Kommunen und Kreise sind wir hier als AfD dagegen skeptisch. Tatsächlich dürfte die Umstellung auf elektronische Archivierung bei den Kommunen und Landkreisen zu erheblichen Mehrkosten führen und es wäre unredlich, sehr geehrte Landesregierung, diese finanziellen Folgewirkungen auszuklammern und nicht zu berücksichtigen bzw. zu verschleiern.

(Beifall AfD)

Es muss aus Sicht meiner Fraktion denn auch alsbald geklärt werden, wie sich das Gesetz in finanzieller Hinsicht auswirkt, auf das Landesarchiv selbst, aber auch auf die Kommunen und auf die Landkreise. Die entsprechenden Prognosen der Landesregierung sind da nicht wirklich vertrauenswürdig. Deshalb fordern wir mit dem von uns eingereichten Entschließungsantrag einen entsprechenden Bericht, der ja vielleicht sogar im Interesse der Finanzministerin liegen könnte.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, mit der Kostenproblematik steht durchaus ein anderer Aspekt des Gesetzes im Zusammenhang. Dessen § 3 Abs. 2 Nr. 3 sieht vor, dass Unterlagen der Strafverfolgungsbehörden archiviert werden sollen, Unterlagen, die diverse Staatsschutzdelikte nach dem Strafgesetzbuch bzw. dem Vereinsgesetz betreffen. In der Anhörung wurde darauf hingewiesen, dass durch diese Regelung unter Umständen sehr große Mengen Schriftgut anfallen könnten, die die Anmietung von Räumlichkeiten notwendig werden lassen, mit den entsprechenden kostentreibenden Auswirkungen. Auch mit Blick hierauf sollte die Regierung unserer Meinung nach alsbald Rechenschaft ablegen, damit wir wissen, wie sich das neue Thüringer Archivgesetz praktisch und finanziell auswirkt. Diese Rechenschaft verlangt der von uns eingebrachte Entschließungsantrag, zu dem wir Ihre Zustimmung erbitten.

(Beifall AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, wenngleich Thüringen mit dem Archivgesetz der Rechtslage, den Anforderungen, die heute an das öffentliche Archivwesen gestellt werden, besser entsprechen kann als mit dem doch in weiten Teilen veralteten Gesetz aus

dem Jahr 1992, so bleiben wir mit Blick auf einzelne Regelungen und namentlich mit Blick auf die Zentralisierungsaspekte skeptisch. Wir werden uns daher bei der Abstimmung enthalten und im Übrigen mit unserem Entschließungsantrag darauf hinwirken, dass die Auswirkungen des Gesetzes, gerade die finanziellen Auswirkungen – wie dargestellt – dem Haushaltsgesetzgeber alsbald transparent gemacht werden, auch damit gegebenenfalls die Gemeinden und Kommunen finanziell angemessen entlastet werden können. Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Henfling von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann der AfD-Fraktion ja schon fast gratulieren, dass sie es geschafft hat, in einer Rede nicht über Flüchtlinge zu reden. Herzlichen Glückwunsch dazu. Es war auch schwer im Archivgesetz. Aber bei der Strafverfolgungsbehörde habe ich kurz gedacht, Sie kriegen die Kurve vielleicht noch.

Lassen Sie mich mit einem Zitat von Adorno beginnen, der 1950 in der „Auferstehung der Kultur in Deutschland“ in den Frankfurter Heften geschrieben hat: „Als isolierter Daseinsbereich, bar einer genauen Beziehung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, taugt Kultur dazu, den Rückfall in die Barbarei zu vertuschen“. Kultur, kulturelle Erinnerung und Reflexion sind also der Motor unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und dabei ist Kultur kein statischer Begriff. Er wandelt sich, so wie sich der Gegenstand der Kultur selbst wandelt, sonst ist er nämlich tot. Die Erinnerung und Reflexion unserer Kultur und unseres kulturellen Erbes leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung, konstruktiven Gestaltung und Tragfähigkeit unserer heutigen und auch zukünftigen Gesellschaft. Dieser Gesellschaftsauftrag wird unter anderem maßgeblich durch die Arbeit mit und durch die einzelnen Archive in Thüringen geleistet. Dass unsere Archive im bestmöglichen Sinne arbeiten, muss daher ein Grundanliegen verantwortungsvoller Politik sein, denn in der Erinnerung liegt die Macht, seine Zukunft zu gestalten, und dafür brauchen die Archive clevere Rahmenbedingungen. In Thüringen hatten wir die Situation, dass das bestehende Archivgesetz noch aus dem Jahr 1992 stammt und damit selbst fast schon archivwürdig ist. Man muss sich das mal vorstellen: 1992 – das war vor 26 Jahren – kam Windows 3.1 auf den Markt. Das heißt also, wir hatten hier tatsächlich viel zu tun. Dementspre

(Abg. Höcke)

chend groß war und ist auch der Änderungsumfang des Gesetzentwurfs. Angefangen von Fragen der Speichermedien und Archivierungsarten bis hin zu weiterentwickelten Begriffen der archivwürdigen Unterlagen wurde hier ein neues Gesetz auf die Beine gestellt.

Um den umfangreichen Änderungen der gesellschaftlich relevanten Stellung der Archive gerecht zu werden, initiierten die Koalitionsfraktionen einen Anhörungsprozess, der von den Anzuhörenden selbst als einzigartig in Thüringen bewertet wurde. Wenn das Urteil von Archivaren so ausfällt, würde ich sagen, das heißt schon etwas.

(Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: Das heißt: „Wir sind gut“!)

Der Gesetzentwurf, der im Übrigen auch von den Anzuhörenden als einer der besseren – auch das sehe ich als Lob an – im nationalen Vergleich beschrieben wurde, bildet eine gute Ausgangslage für die Anhörung. Dementsprechend drehten sich die Diskussionen größtenteils um Detailfragen archivarischer Praxis, die ich Ihnen an dieser Stelle gern ersparen würde. Man kann nämlich schon sagen, dass wir da teilweise einen sehr harten Nerd-Talk hatten, den, glaube ich, Menschen, die sich mit den Sachen nicht tiefer beschäftigt haben, nur schwer nachvollziehen können. Mein persönlicher Höhepunkt – das sei aber gesagt – dieses Austauschs war die Frage der Widmung von archivwürdigen Unterlagen, damit sie Archivgut werden. Das war eine längere und auch sehr spannende Diskussion, zumindest aus unserer Sicht. Ich glaube, ansonsten haben uns wahrscheinlich außerhalb kaum Leute verstanden.

Als einen konkreten Änderungspunkt haben wir die Archivberatungsstelle wieder aufgenommen. Die Anzuhörenden haben einstimmig erklärt, wie wichtig diese Stelle ist. Das ist allerdings schon auch ein kleines Eulenspiegelding mit dieser Archivberatungsstelle. Ich erinnere mich, wie die CDU dies in der Anhörung auch noch mal explizit betont hat. Die Stelle wurde Ende der 90er-Jahre unter der CDU langsam abgeschafft – erst mit immer weniger Stunden ausgestattet und schlussendlich gar nicht mehr neu besetzt, sondern in das allgemeine Landesarchiv eingespeist. Seit 15 Jahren gibt es für die Archivberatung kein eigenes Personal, also de facto auch keine eigene Beratung, umso größer die Sehnsucht und der Bedarf. Darum war es gut, dass wir uns erstmalig das gesamte Archivfachwissen eingeladen haben.

Die Archivberatung ist aus unserer Sicht eine Grundvoraussetzung für eine gelingende Digitalisierung im Kulturgutbereich. Besonders für kommunale und kleine Archive muss es eine Anlaufstelle geben, die bei Fragen von Datenformaten, bei der Speicherung und Einpflege und Datenbanken Hilfestellung geben kann. Daher war es uns auch ein

Anliegen, die Kulturgutdigitalisierung so zu gestalten, dass sich CIO, zuständige oberste Landesbehörde und Landesarchiv gemeinsam über Übernahme und Austauschformate verständigen.

Die Praxiserfahrungen der Archive können hier mit den Konzeptideen aus den Ministerien in Einklang gebracht werden. Nur so kann Digitalisierung gelingen. Dafür haben wir die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen. Auch den Hochschulen kommt eine besondere Stellung bei dieser Frage der Archivierung von Kulturgut zu. Ihre Archive agieren besonders sensibel im Umgang mit Materialien und deren Bewertung, welches sich auch aus dem Hochschulumfeld ergibt. Damit sind sie unverzichtbar, auch für einen starken Hochschulstandort. Sie wurden im bisherigen Gesetz nicht berücksichtigt und werden jetzt erstmalig in die Archivgesetzgebung einbezogen.

Uns Grünen war und ist eine Vielfalt in der Kulturlandschaft immer wichtig, und das wird es auch immer sein. Das habe ich schon in meiner ersten Rede zur Novellierung der Staatsarchive im Juni 2016 betont. Dazu stehen wir auch nach wie vor. Um dies auch gesetzlich klarzumachen, wurden die einzelnen Standorte der Archive in den Gesetzestext aufgenommen. Die Expertise sitzt in den einzelnen Archiven; der hier liegende Erfahrungsschatz bemisst sich nicht nur in den Archivalien, sondern vor allem auch in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dort arbeiten. Durch den hohen Grad an Wissenschaftlichkeit, Vernetzung und Verantwortung kann Archivgut nur nach archivfachlicher Prüfung vernichtet werden.

Unser Fazit: Die Rückmeldung der Anzuhörenden und besonders der Archive hat deutlich gemacht, dass wir ein gutes Gesetz auf die Beine gestellt haben. Die fruchtbare Anhörung hat noch einige Konkretisierungen aufgezeigt. Ich kann Ihnen nur wärmstens empfehlen, diesem Gesetz zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Als nächstem Redner erteile ich Abgeordnetem Kellner von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute wieder das Thüringer Archivgesetz auf der Tagesordnung. Wir wollen es heute abschließend beraten und auch entscheiden.

Das Archivgesetz von 1992 musste überarbeitet werden – das wurde in den Vorreden schon gesagt –, nicht zuletzt durch die Datenschutz-Grundverordnung auf EU-Ebene. „Digitalisierung“ als Stichwort ist genannt worden. Natürlich muss dann

(Abg. Henfling)

so ein Gesetz nach so vielen Jahren auch angepasst werden. Aber wenn man schon so ein Gesetz macht, dann sollte man auch darauf achten, dass man so viel wie möglich mit einfließen lässt, damit man zukünftig auch ein Gesetz hat, was lange hält bzw. auch vielen Anforderungen gerecht wird.

Was auch gesagt wurde, die Anhörung, die wir durchgeführt haben mit den Experten: Ja, die haben das sehr begrüßt, erstens, dass das Gesetz auf den Weg gebracht wird, dass nach 1992 wieder ein neues Gesetz auf den Weg gebracht wird bzw. eine Änderung. Sie haben auch lobend angesprochen – das will ich vorwegschicken –, dass es so ein Verfahren überhaupt gegeben hat, nämlich eine mündliche Anhörung. Das war ja nicht ganz einfach, aber wir haben sie dann durchgeführt, also eine mündliche Anhörung, um mit allen Experten ins Gespräch zu kommen. Das wurde sehr positiv begrüßt von den Anzuhörenden.

Insgesamt waren es 28 Anzuhörende, 13 davon haben wir hier in diesem Raum gehört. Es war aus meiner Sicht äußerst interessant, was die Anzuhörenden da vorgetragen haben. Ich habe auch vernommen – das haben wir auf Nachfrage bei den Anzuhörenden festgestellt –, dass das Gesetz, was von der Landesregierung vorgelegt wurde, nicht allzu viel von dem enthalten hat, was die Anzuhörenden vorgetragen haben.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Ich bedauere, dass die Landesregierung nicht im Vorfeld mit den Spezialisten, mit diesen Akteuren ins Gespräch gegangen ist bzw. nicht so ins Gespräch gegangen ist, dass hinterher ihre Anregungen in das Gesetz eingeflossen sind. Das bedauere ich. Wir hätten uns dadurch viel Zeit und Arbeit erspart,

(Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: Da- für sind wir da! Das ist unser Job!)

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist unser Job!)

aber die Landesregierung hat diese Chance nicht genutzt. Nicht umsonst sind heute auch zwei Änderungsanträge da, wo man ganz deutlich erkennen kann, dass letztendlich die Expertise, die hier im Raum gesessen hat, die uns auch letztendlich zur Anhörung zur Verfügung stand, im Vorfeld nicht eingeflossen ist. Das – habe ich gerade eben gesagt – bedauere ich sehr.

Ich habe auch nicht verstanden, Frau Kollegin Henfling, dass Sie gestern getwittert haben: ein echt gutes Gesetz.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Ich bin erstaunt, dass Sie Twitter kennen!)

Da habe ich mich natürlich gefragt, welches meint sie denn. Das Archivgesetz kann es ja nicht sein, dass das ein echt gutes Gesetz ist. Wenn das ein echt gutes Gesetz ist, dann hätten wir keinen Änderungsantrag und schon gar nicht – Augenblick einmal …

(Beifall CDU)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)