Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Wir haben jetzt Januar 2019 und der genannte Gesetzentwurf der Landesregierung liegt immer noch nicht vor. Da muss man vielleicht jetzt auch den Regierungskoalitionen dankbar sein, dass sie dieses Spiel nicht mehr weiter mitspielen und gesagt haben: Wir warten seit Jahren auf diesen Gesetzentwurf, er liegt bis heute nicht vor, sodass wir jetzt selbst einen Gesetzentwurf einbringen, damit wir uns gegenüber der EU nicht weiter strafbar machen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Genau!)

Dieser Gesetzentwurf liegt uns heute vor, wobei das allerdings nicht die Frage klärt, wann denn dieses ursprünglich geplante Gesetz, das Thüringer Gleichstellungsgesetz, den Landtag erreichen wird.

Mir persönlich erschließt sich nicht, warum die Thüringer Landesregierung trotz der Aufforderung, die wir hier mehrfach im Parlament ausgesprochen haben, zuerst stiefmütterlich mit diesem Thema umgeht und dann ankündigt, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das diese Richtlinie umsetzt, und dieses Gesetz nun mittlerweile immer noch nicht eingebracht hat. Man könnte deuten, dass das vielleicht auch die Wertschätzung dem Thema gegenüber ist, das möchte ich an der Stelle aber nicht tun. Ich möchte nur herausheben: Wenn diese Richtlinie in Thüringen auch endlich von öffentlichen Stellen umgesetzt wird, dann ist das ein entscheidender Beitrag für die Menschen mit Behinderungen in Thüringen.

Ja, ich möchte trotzdem an dieser Stelle noch ein paar Dinge zum Inhalt dieses Gesetzes der Koalitionsfraktionen anbringen, denn auch daran – muss ich leider sagen – sieht man die halbherzige Bereitwilligkeit zur Auseinandersetzung mit diesem doch wichtigen und ernsthaften Thema. Es fehlt eine Gesetzesfolgenabschätzung. Die Umsetzung der Barrierefreiheit durch öffentliche Stellen wird insbesondere für die Kommunen erhebliche Kostenaufwüchse bedeuten. Diese Kosten sind im Gesetz nicht aufgeführt. Wenn Sie dann darauf verweisen, dass es schon jetzt Standards gibt, die die Kommunen einhalten müssen, dann würde ich Sie einfach bitten, diese Standards nachzuvollziehen. Beispielsweise gibt es in dem bisherigen Gleichstellungsgesetz Verweise auf Standards aus 2002. Das ist, glaube ich, nicht redlich, wenn man Standards von 2002 mit denen vergleicht, die die EU jetzt fordert.

(Beifall CDU)

Ich möchte darauf hinweisen, dass das im Ausschuss durchaus ein Punkt ist, der betrachtet werden muss, denn mit diesem Gesetz werden nicht

nur die Standards angehoben, sondern auch der Adressatenkreis wird deutlich ausgeweitet. Deswegen kann ich gleich an dieser Stelle sagen: Wir werden beantragen, dass dieser Gesetzentwurf an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen wird, denn nur dort kann gewährleistet werden, dass die Interessen der Kommunen entsprechend mit einfließen und auch eine Gesetzes- und insbesondere Kostenfolgenabschätzung erfolgen kann.

Aber um bei den Kosten zu bleiben, fehlt es diesem Gesetz auch an einer weiteren konkreten Untersetzung bezüglich der Überwachungsstelle und der Durchsetzungsstelle. Es werden hier neue Struktureinheiten geschaffen, die auch mit Personal untersetzt werden müssen. Insbesondere beim Behindertenbeauftragten und was die Durchsetzungsstelle betrifft, fehlt es an entsprechenden Personal- und auch Sachkosten. Da kann man sich durchaus auch mal ein Beispiel am Gesetzentwurf im Nachbarbundesland Sachsen-Anhalt nehmen. Dort werden alle Kosten vollständig durch das Land übernommen. Ich finde, gerade was die Ernsthaftigkeit des Themas betrifft, wäre es redlich, wenn man zum Beispiel auch jetzt in den Haushalt entsprechende Kostenaufwüchse beim Behindertenbeauftragten mit aufgenommen hätte, um dieser Aufgabe wirklich nachkommen zu können und nicht sozusagen die Arbeitsfähigkeit dieser neuen Stellen bereits jetzt, bevor sie ihre Arbeit aufgenommen haben, infrage zu stellen.

Als Letztes möchte ich noch kritisieren, dass es auch an konkreten Regelungen zu den Kompetenzen der beiden Stellen mangelt. Sie verweisen in diesem Gesetzentwurf auf eine weiter zu erlassende Verordnung. Diese Verordnung liegt uns aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Deswegen kann ich Sie nur auffordern, eine entsprechende Verordnung parallel zum Gesetzgebungsverfahren vorzulegen, damit man letztendlich auch die Kompetenzen dieser beiden Stellen richtig betrachten kann.

Es bleibt mir festzuhalten, dass dieses Gesetzesvorhaben nicht durchdacht und unsachgemäß ist und unserer Meinung nach dem Themenfeld nicht gerecht wird, und das vor dem Hintergrund, dass die notwendige Umsetzung seit 2016 bekannt ist. Es zeigt auch, dass es ein Armutszeugnis ist, wie die Landesregierung mit den Interessen der Menschen mit Behinderung in Thüringen umgeht, weil es nicht sie war, die in der Lage war, diesen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, und wir auch noch weiterhin auf das Thüringer Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen in Thüringen warten.

Deswegen möchte ich – wie ich es schon getan habe – an dieser Stelle beantragen, die Überweisung an den Innenausschuss vorzunehmen, neben der Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Darüber hinaus ist uns auch wichtig, dass

dieser Gesetzentwurf an den Sozialausschuss überwiesen wird, weil es letztendlich auch darum geht, die behinderten Menschen mit zu beteiligen. Und als letztes, weil es ja ein Gesetzentwurf aus dem Hause ist, natürlich die Überweisung an den Justizausschuss. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Möller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Schön, dass es einen Gesetzentwurf zur Barrierefreiheit auf den Landesseiten gibt. Schade, dass es dafür erst einer Richtlinie der Europäischen Union bedurfte, und schade, dass es auch erst so spät angegangen worden ist.

Wenn man sich den Internetauftritt diverser Landesinstitutionen anschaut, dann weiß man, dass von Barrierefreiheit dort nicht die Rede sein kann, obwohl sich gerade die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung doch immer wieder – jedenfalls mit dem Mund – für die Verbesserung der Lebensverhältnisse und die Rechte der behinderten Menschen in Thüringen starkmachen. Allerdings folgen diesen Visionen, die da ausgesprochen werden, in der Regel keine Taten. Das merkt man insbesondere, wenn man sich beispielsweise die Seite thueringen.de anschaut, also den Hauptauftritt der Landesregierung. Dort fehlt selbst aufseiten, wo ganz offensichtlich auch ein Bedarf für behinderte Menschen vorhanden ist, jegliche Unterstützung, dass man eben Zugangshilfen schafft, vielleicht mal eine Lupenfunktion oder dergleichen einführt, mal etwas vergrößerte Buttons dort einbindet. Ein Beispiel dafür ist etwa die Seite zur Seniorenpolitik. Alles schön klein gehalten, man kann es im Grunde genommen kaum lesen. Gut, die einen oder anderen Senioren wissen sicherlich, wie sie die Buchstaben größer kriegen. Aber dann mit der Maus beispielsweise die kleinen Links anzuklicken, das dürfte ziemlich schwierig sein.

All das sind eigentlich Selbstverständlichkeiten in einem modernen Industriestaat, dass man dafür Abhilfe schafft. Insofern hätte man eigentlich erwarten können, dass das schon längst geschieht. Aber es geschieht eben nichts. Es wird zwar oft von Digitalisierung geredet, aber am Ende fehlt es bei den Details an der Umsetzung, und das betrifft die Digitalisierungspolitik der Koalition im Grund genommen auch im Allgemeinen. Ich habe mal nachgegoogelt: Es gibt zum Beispiel kein anderes Bundesland außer Thüringen, was bisher keine Onlinewache eingeführt hat. Das zeigt eigentlich auch den

(Abg. Meißner)

Entwicklungslandstandard, den unser Freistaat in diesem Bereich leider nach vier Jahren rot-rot-grüner Koalition immer noch hat.

Wie werden wir mit dem Gesetzentwurf umgehen? Wir sind der Meinung, dass es natürlich notwendig ist, diese Richtlinie umzusetzen. Das ist eine rechtliche Verpflichtung. Wir sind der Meinung, dass dieser Gesetzentwurf – Frau Meißner hat darauf hingewiesen – eine ganze Menge Unzulänglichkeiten und Anpassungsbedarf aufweist. Wir werden in den Ausschüssen natürlich mit darauf hinwirken, dass diese Unzulänglichkeiten abgestellt werden. Und vielleicht gelingt es uns auch, über das Thema „Barrierefreiheit“ hinaus endlich unserem Land die rechtlichen Grundlagen zu verschaffen, dass wir einen angemessenen Internetauftritt haben, der den technischen Möglichkeiten dann auch entspricht. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen jetzt keine weiteren – ach, Herr Abgeordneter Pidde.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist wie immer: Der Opposition geht alles nicht schnell genug und wir hätten schon längst vorlegen sollen. Es ging aber nicht um einen Schnellschuss, sondern um Qualität, um einen ordentlichen Gesetzentwurf,

(Beifall DIE LINKE, SPD)

und den haben die Fraktionen hier erarbeitet und eingebracht. Ob der inhaltlich von allen getragen wird, ob es weitere Änderungswünsche gibt, ob weitere Dinge aufgenommen werden sollen, das können wir alles im weiteren Verfahren besprechen, es ist ja jetzt erst mal die erste Lesung. Die Koalitionsfraktionen sind allerdings der Meinung, dass wir den Gesetzentwurf nicht in zig Ausschüsse überweisen sollen, sondern zuständig ist das Finanzministerium, deshalb Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben uns vorgenommen – das wird sicher Ihre Intention treffen –, dass wir dort eine Anhörung durchführen – gerade weil Sie von Auswirkungen auf die Kommunen gesprochen haben –, dass wir die kommunalen Spitzenverbände, dass wir andere Verbände anhören. Sie können sich dort einbringen, indem Sie Institutionen nennen, die wir auch anhören wollen, und dann werden wir das Ganze insgesamt werten und schauen, wie gut der Gesetzentwurf ist, was noch verbessert werden kann, wo also noch irgendwelcher Bedarf ist oder was halt nicht geht. Das werden wir dann sehen. Also

im Namen der Koalitionsfraktionen wollen wir nur eine Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Das kann ich nicht erkennen. Der Landesregierung? Kann ich auch nicht erkennen. Dann kommen wir zur Abstimmung über die Überweisung an die Ausschüsse.

Zunächst stimmen wir über die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Die AfD-Fraktion und Teile der CDU-Fraktion – ja, Herr Abgeordneter? – und der fraktionslose Abgeordnete Rietschel. Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss abgelehnt.

Wir stimmen über die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die CDU-Fraktion, die AfD-Fraktion und der Abgeordnete Rietschel. Wer stimmt dagegen? Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit abgelehnt.

Wir stimmen über die Ausschussüberweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind alle Fraktionen und auch der fraktionslose Abgeordnete Rietschel. Damit ist die Ausschussüberweisung beschlossen.

Wir stimmen über die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? Niemand. Stimmenthaltungen? Das sind die AfD-Fraktion und Abgeordneter Rietschel. Damit ist die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz beschlossen.

Wir stimmen nun über die Federführung ab. Ich gehe davon aus, diese soll beim Haushalts- und Finanzausschuss liegen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU-Fraktion, die AfD-Fraktion und Abgeordneter Rietschel. Damit ist die Federführung beim Haushalts- und Finanzausschuss beschlossen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Ausführungsgesetzes zum Gesetz zur vorläu

(Abg. Möller)

figen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/6652 ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Herr Minister Tiefensee, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr verehrte Gäste! In aller Kürze: Das Thüringer Ausführungsgesetz zum Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern gilt seit Dezember 1993 unverändert. Mit dem vorliegenden Änderungsgesetz soll es an die geltende Rechtslage angepasst werden. So ist beispielsweise seit einer Novellierung des zugrunde liegenden Bundesgesetzes das Recht der Länder auf den Erlass von Regelungen zur Rechnungslegung entfallen. Als Maßnahmen der Deregulierung wird den IHKs die Möglichkeit gegeben, ihren Jahresabschlussprüfer selbst zu bestimmen. Um die Gleichmäßigkeit der Prüfungsqualität sicherzustellen, wurde eine Ermächtigung zum Erlass von Prüfungsrichtlinien für die Jahresabschlussprüfung der IHKs vorgenommen. Schließlich wird im Gesetz die Regelungssystematik zur Haushalts- und Wirtschaftsführung nach der Thüringer Landeshaushaltsordnung dargestellt. Die vorgeschlagenen Änderungen entsprechen der gelebten Praxis und gehen nicht über das Notwendige hinaus. Ich bitte daher um Zustimmung zum vorliegenden Entwurf. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Ich eröffne die Beratung und das Wort hat Abgeordneter Rudy, Fraktion der AfD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste auf der Tribüne und Zuhörer am Livestream, heute geht es um das Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Ausführungsgesetzes zum Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern. So wie es aussieht, ist selbst in der Thüringer Landesregierung der Sachverstand noch nicht verloren gegangen, was mich persönlich hoffen lässt. Schaut man das Gesetz einmal genau an, so stellt man erleichtert fest, dass es sich hierbei um keinen vollständigen Neuaufbau der IHK han

delt, sondern dass das Gesetz die Arbeit der IHK keineswegs behindert. Stattdessen handelt es sich vor allem um eine Anpassung an den schon gelebten Status quo.

Die Industrie- und Handelskammern sahen keinen Grund zu Beanstandungen, es bestünde lediglich Diskussionsbedarf bei der Anpassung einiger Formulierungen. Von daher halten wir es für sinnvoll, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zu überweisen, um dort dem Gesetz den letzten Schliff zu geben. Aus diesem Grunde stimmen wir für eine Überweisung der Drucksache an den entsprechenden Ausschuss und freuen uns auf eine zielführende Debatte. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zur Ausschussüberweisung. Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU-Fraktion, die AfD-Fraktion und Abgeordneter Rietschel. Gibt es Gegenstimmen? Das kann ich nicht erkennen. Stimmenthaltungen auch nicht. Damit ist die Ausschussüberweisung beschlossen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Gesetz zur Einführung einer landesrechtlichen Regelung über Versammlungen sowie weitere versammlungsrechtliche Bestimmungen Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 6/6659 ERSTE BERATUNG