Meine sehr geehrten Damen und Herren: „Alles hängt mit allem zusammen.“ Vor 200 Jahren hat der große Humanist Alexander von Humboldt genau diese Erkenntnis formuliert. Als Universalgelehrter sei er hier noch mal zitiert, weil ich finde, dass es umso wichtiger ist, diese Zusammenhänge zwischen Klimaschutz, Artensterben und dem Ast, auf dem wir sitzen, noch mal deutlich zu machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der siebten Klasse jeder Schule wird die Nahrungspyramide als ökologisches Grundprinzip behandelt. In ihr bilden die Vielfalt und Menge an Pflanzen- und Insektenarten die Basis unseres Lebens. Wir reden nicht über das Hobby einer einzelnen Partei, wir reden auch nicht über irrlichternde Vorschläge von rechts, wir reden über unsere Lebensgrundlagen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssten es besser wissen. Ich verwies bereits auf das Buch „Der stumme Frühling“ von Rachel Carson und die Diskussion seit den 60er-Jahren.
Nichtsdestotrotz haben wir 2019 zu vermelden, dass wir 40 Prozent weniger Feldvögel als zu Beginn der 80er-Jahre in unserer Natur haben – 40 Prozent! Der Rückgang der Vogelbestände ist ein Zeichen dafür, dass Wiesen und Felder veröden. Den Tieren fehlt es an Brutplätzen und an Nahrung wie Insekten und Wildkräutern. Wir verlieren an dieser Stelle eine Vielfalt, die hat die Abgeordnete Becker gerade adressiert, das ist wichtig zu nennen.
In einem weltweit einzigartigen Versuch, den will ich an dieser Stelle erläutern, der in Jena stattgefunden hat, wurden in über fünfzehn Jahren insgesamt 80.000 Messungen einer interdisziplinär und international aufgestellten Arbeitsgruppe durchgeführt, um mal zu untersuchen, inwiefern wir tatsächlich davon auch betroffen sind. Auf mehr als 500 Versuchsparzellen hatten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unterschiedliche Pflanzenarten angesät, von Monokulturen bis zu Mischungen aus 60 Arten, und konnten zeigen, dass die negativen Effekte des derzeitigen Artenverlusts im Ökosystem überhaupt erst nach einigen Jahren sichtbar werden – die Natur braucht ihre Zeit – und die Natur viele, viele Jahre braucht, um das am Ende auch wieder zu kompensieren. Die Natur braucht uns nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber wir, wir brauchen die Natur.
ordnete Dr. Scheringer-Wright eingegangen. Ich will mich vielleicht, was das Beispiel Insekten betrifft, noch einmal auf die Wildbiene konzentrieren. Allein in Deutschland kommen 560 Wildbienenarten vor, die eine hohe Bedeutung als Bestäuber haben, Tendenz natürlich sinkend, weil mehr als die Hälfte der Wildbienenarten inzwischen gefährdet ist und auf der Roten Liste steht. Wer von Ihnen gern Kirschen isst, weiß, dass es ohne Wildbienen keine Kirschen gibt. Von daher ist der Zusammenhang schnell erläutert. Wir müssen etwas tun, dass wir den Verlust der biologischen Vielfalt und damit einhergehende ökonomische Risiken eindämmen. Ich denke, das ist deutlich geworden.
Es muss sich einiges ändern – und um auf den Bericht des Weltbiodiversitätsrats zurückzukommen: Gravierende Folgen für uns Menschen weltweit, so sagt es der Bericht, seien, wenn es so eintritt, wie der Bericht es tatsächlich in der Härte postuliert – noch ist es nicht zu spät zu handeln –, sehr wahrscheinlich. Deswegen müssen wir auch so klar darüber reden, was zu tun ist. Das ist auch kein falscher Alarmismus. Im Gegenteil, das ist das Notwendige, was jetzt zu tun ist, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen.
Die Biodiversität, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist unser gemeinsames Welterbe und das wichtigste Sicherheitsnetz für das Überleben und die Lebensqualität von uns und Ihnen allen. Und, Frau Tasch, so sehr ich Ihnen in vielen Punkten zustimme, einige Blühstreifen allein sind ein gutes Beispiel,
genau –, aber wir müssen schon wirklich noch mehr tun. Ich habe Ihnen ein Beispiel genannt: Wir müssen die Forschung intensivieren, Jena sei genannt. Und ja, Artenvielfalt erhalten heißt auch, etwas für nutzungsfreie Wälder zu tun. Das haben wir gemacht, wir haben auch mit den entsprechenden zusammenhängenden Wildnisflächen hier etwas dafür getan, dass sich Arten stabilisieren können.
Wir haben das Schutzgebietsnetz Natura 2000 mit entsprechenden Natura-2000-Stationen entwickelt. 56 hauptamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer für die Umsetzung der Managementpläne, die wir geschrieben haben, sind im Land unterwegs und kümmern sich darum, dass Artenvielfalt in Thüringen groß geschrieben wird. Ja, wir haben den Biotopverbund, nach dem sich die Bayern nach wie vor durchaus sehnen, in einer Größe, die die Bayern auch im Volksbegehren summarisch aufgelistet haben, da sind wir sogar schon weiter. Wir können
stolz sagen, dass wir mit unserem Landesprogramm Gewässerschutz gewässerökologisch bundesweit Akzente setzen. Ja, wir haben ein Klimagesetz. Auch damit setzen wir eine Menge um und mit dem Wassergesetz, was wir hoffentlich am Freitag beschließen werden, werden wir auch, wenn es um den Zusammenhang von gewässerökologischen Fragen und den Schutz von Insekten in Form unserer Uferrandstreifen geht, Maßstäbe setzen, die in Bayern zwar im Volksbegehren stehen, aber längst nicht umgesetzt sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, viel ist getan worden, aber eine echte Agrarwende gehört mit dazu, die muss genannt werden, die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2020 ist gerade in der Diskussion. Wir brauchen dort den Systemwechsel, damit diejenigen, die naturverträglich wirtschaften, dafür auch belohnt werden. Da muss das Geld auch hin, damit es ein Miteinander gibt – da bin ich sehr bei denen, die das einfordern –, ein Miteinander derer, die die Flächen bewirtschaften, von Natur- und wirtschaftlichen Interessen. Da müssen wir hin. Wir brauchen ein ganz klares Berücksichtigen dessen, dass die Natur unsere Lebensgrundlage ist, dass wir eine Vielfalt nur dann erleben, wenn wir auch Rücksicht darauf nehmen, dass diese Vielfalt erhalten und nicht ausgebeutet wird.
Deswegen ist Humboldts Satz, meine sehr geehrten Damen und Herren, aktueller denn je: „Alles hängt mit allem zusammen.“ Also legen wir los – in den Kommunen, im Land und natürlich auch auf europäischer Ebene. Vielen Dank.
Vielen Dank. Ich schließe den ersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den zweiten Teil der Aktuellen Stunde
b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD zum Thema: „Fehlende Zeugnisnoten: Die Bildungskatastrophe muss nicht verwaltet, sondern beendet werden“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 6/7138 -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, liebe Gäste, es ist erschütternd: Erneut erhalten Schüler und Eltern eine Hiobsbotschaft. In fast 650 Schulklassen fehlen Noten auf den Halbjahreszeugnissen. Weil die Landesregierung nicht genügend Lehrer eingestellt hat, konnte der Unterricht in bestimmten Fächern nicht stattfinden und konnten also auch keine Noten vergeben werden. Geht man bei 650 Schulklassen von nur 20 Schülern pro Klasse aus, so sind sage und schreibe mindestens 13.000 Schüler von diesem Aussetzer in der rot-rot-grünen Bildungspolitik betroffen. Herr Minister Holter, ich sage Ihnen deutlich: Was Schüler am Ende des Schuljahres bekommen, nennt sich „Zeugnis“ und nicht „Lückentext“. Sie sind als Minister dafür verantwortlich, dass das ordnungsgemäß passiert, und Sie versagen kläglich.
Unser Grundgesetz stellt das Schulwesen unter die Aufsicht des Staats. Die Thüringer Verfassung proklamiert in Artikel 20 nicht nur ein Recht auf Bildung, sondern sie legt in Artikel 23 Abs. 1 eindeutig fest, dass in Thüringen jedes Kind durch die allgemeine Schulpflicht dazu gezwungen ist, eine Schule zu besuchen. Wenn der Staat eine Schulpflicht bestimmt, dann ist er auch selbst in der Pflicht, einen regulären Unterricht zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass das Recht unserer Kinder auf Bildung auch inhaltlich ausgefüllt wird.
Unsere Kinder haben ein Recht auf Bildung. Das wird von der Landesregierung derzeit nicht gewährleistet.
Statt Lösungen hören wir vom Bildungsminister nur peinliche Ausreden. Im zweiten Halbjahr sollen beispielsweise viele Stunden dadurch nachgeholt werden, dass epochal unterrichtet werde. Wir fragen uns, Herr Minister: Wer soll denn bitte epochal unterrichten? Etwa die Lehrer, die überhaupt gar nicht da sind? Für wie beschränkt halten Sie eigentlich die Bürger dieses Landes?
Aber zur Sicherheit schiebt der Minister ja gleich das für ihn Relevante hinterher. Er könne „nicht versprechen, dass jeder Schüler jede Zensur bekommen wird“. Dies, meine Damen und Herren, ist eine Kapitulation der Regierung auf ganzer schulpolitischer Linie, weil hier die elementaren Bildungsleistungen des Staates schlicht nicht mehr erfüllt werden.
Sie begnügen sich mit der Verwaltung des Mangels. So hat man es in der DDR auch gemacht – nicht wahr, Herr Minister? Ausbaden muss es die nachwachsende Generation. Fallen im ersten Halbjahr so viele Stunden aus, dass keine Noten gegeben werden können, so ist auch für das zweite Halbjahr davon auszugehen, dass in der Regel genauso viele Lehrer fehlen. Am Ende werden wohl also auch Abschlusszeugnisse Lücken aufweisen.
Was macht das dann wohl für einen Eindruck, wenn Jugendliche sich mit unvollständigen Zeugnissen bei heimischen oder auch auswärtigen hart arbeitenden Betrieben bewerben? Die staatlich verschuldete Bildungslücke ist für jeden ersichtlich dokumentiert.
Wenig zielführend ist es auch, auf andere Bundesländer zu verweisen, wo es – wie man hört – ähnlich schlecht steht. Das ist doch kein Trost. Überall sind es dieselben Truppen, die uns in dieses Desaster hineinmanövriert haben und sich jetzt weigern, die Ärmel hochzukrempeln und zu zeigen, dass wir kein Entwicklungsland sind.
Es sind die Vertreter der Altparteien, von der CDU über die Grünen bis zur Linken. All diese Leute, die von der Rettung der Welt oder mindestens der Rettung Europas trällern, sie alle versagen bei einer der fundamentalen Staatsaufgaben vor der eigenen Tür. Es wird Zeit, dass dieser Spuk beendet wird.
Bildung ist das Wichtigste für unsere Kinder und diese derzeitige Bildungskatastrophe darf eben nicht länger verwaltet, sondern muss beendet werden. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne! Diese Aktuelle Stunde ist überschrieben mit „[...] Bildungskatastrophe muss nicht verwaltet, sondern beendet werden“. Das Einzige, was eine Katastrophe war, war wieder einmal die Rede von Kollegin Muhsal hier im Haus.
Tatsächlich hat sie eigentlich überhaupt nicht zum Thema gesprochen, sondern es war bestenfalls ein Allgemeinaufriss einer Beschreibung, die so noch nicht einmal zutrifft.
Sehen wir uns die genauen Zahlen an, die hier nur schlaglichtartig gestreift worden sind, dann stellt es sich so dar, dass an den Thüringer Schulen im Halbjahr tatsächlich Zeugnisnoten fehlen. Jedes Zeugnis ohne vollständige Noten ist ein Zeugnis zu viel. Daran wird aber intensiv gearbeitet. Aber tatsächlich ist es so, sieht man sich die Zahlen an, von den 644 Zeugnissen mit mindestens einer fehlenden Note gab es genau 2 Prozent an den Grundschulen, 2,4 Prozent an den Gemeinschaftsschulen oder Gesamtschulen, 3,5 Prozent an den Gymnasien und – jetzt kommt es, Kollegin Muhsal – 17,2 Prozent an den Regelschulen.
Was ist also das Problem? Wir haben eine Schulart – und das ist eine Schulart, die insbesondere im gegliederten Schulsystem noch als Einzige dasteht –, die uns vor besondere Herausforderungen stellt. Was ist die Herausforderung und was machen wir diesbezüglich? Was macht die Landesregierung, was machen die regierungstragenden Fraktionen? Diese Schulart Regelschule ist mit einem Amt versehen, welches derzeit in der A 12 mit Zulage bezahlt wird. Wir haben schon in dieser Legislatur die Zulage auf die hälftige A 13 beschlossen, um das Amt attraktiver zu gestalten. Wir haben aber das Problem, dass wir schlicht und einfach in der Vergangenheit zu wenig junge Menschen dafür gewinnen konnten, dieses Lehramt zu studieren. Wenn Sie sich mal die reellen Zahlen ansehen, ist es so, dass derzeit 380 Studierende dem Studiengang Regelschullehramt nachgehen, aber 2.919 das Gymnasiallehramt studieren und 477 sich für die Grundschule eingeschrieben haben. Im Vorbereitungsdienst sind es für die Regelschule 145 – wir haben alle übernommen, die sich beworben haben –, Gymnasium 355, Grundschule 332. Sieht man sich mal die Bedarfszahlen für die nächsten Jahre an, und zwar für die nächsten fünf Jahre, von 2020 bis 2025, stelle ich fest, von den 145 und den nur 380 derzeit im Vorbereitungsdienst Befindlichen müssten wir jedes Jahr zwischen 250 und 310 Regelschullehrer einstellen. Das heißt, wir tun gut daran, alle Kraft daran zu setzen, das Regelschullehramt zu stärken –
hier haben wir das größte Problem –, und das machen wir, indem die Regelschullehrer ab dem 01.01.2020 die A 13 bekommen.
Die Einzigen, die das kritisieren, sitzen hier auf dieser Seite, das ist die AfD-Fraktion, die sagt, das ist sozusagen das Ende des gegliederten Schulsystems. Nein, das ist eine Anerkennung und eine Aufwertung dieses wichtigen Lehramts und wir gehen genau da den richtigen Weg.