Protokoll der Sitzung vom 09.05.2019

In der 71. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 12. April 2019 waren die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände anwesend und wurden in Verbindung mit der Beratung zum Thüringer Haushaltsgesetz und dem Gesetz zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes angehört. Dabei äußerten sich die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände nicht explizit zum vorgelegten Gesetzentwurf.

In der 72. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 3. Mai 2019 wurde dieser Gesetzentwurf zur Verwunderung des Herrn Vorsitzenden Emde losgelöst von den weiteren Haushaltsberatungen behandelt. In dieser Sitzung positionierte sich der Thüringer Rechnungshof zum vorliegenden Gesetz. Präsident Dr. Dette – leider nicht da – bewertete positiv, dass es zunehmend gelinge, auch außerhalb des Haushalts noch vorhandene Verschuldungsinseln in den Haushalt zu etablieren, und es dann konsequent sei, weitere Verschuldungen zu verhindern und diese insgesamt im Haushalt abzubilden. Damit würde den Haushaltsgrundsätzen – Wahrheit und Klarheit – Rechnung getragen. Aus Sicht des Thüringer Rechnungshofs macht dieser Gesetzentwurf die Verschuldung transparenter, sie sei für jeden nachvollziehbar und deswegen zu begrüßen.

Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt die Annahme dieses Gesetzentwurfs. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Danke schön. Ich eröffne die Debatte. Als Erster hat sich Abgeordneter Kuschel von der Fraktion Die Linke zu Wort gemeldet. Der ist noch nicht da? Dann machen wir weiter. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Dr. Pidde von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe nicht in Protokollen nachgeguckt, wie oft meine Fraktion, ich persönlich oder Uwe Höhn, der damals Finanzsprecher war, Schattenhaushalte angeprangert und bekämpft hat im Laufe der Jahre. Wir hatten zu Beginn der Legislaturperiode einen Schuldenstand von 16 Milliarden Euro offiziell in der Schuldenstatistik. Alle Insider wussten aber, dass Sondervermögen – Vermögen in Anführungszeichen – Sonderschulden sind, die nicht in der offizi

(Präsidentin Diezel)

ellen Statistik auftreten. Insofern ist es gut, dass wir, die Regierungskoalition, endgültig mit diesen Schattenhaushalten aufräumen. Keine verkappte Neuverschuldung über Sondervermögen mehr. Das vorliegende Gesetz ist der letzte konsequente Schritt auf diesem Weg. Verschuldung wird in Zukunft sauber und ordentlich und transparent dargestellt.

Meine Damen und Herren, die Sondervermögen stellen immer eine Besonderheit im Rahmen der Verfassung und der Landeshaushaltsordnung dar. Als abgesonderter Teil des Landeshaushalts, der durch ein Gesetz für bestimmte Zwecke errichtet wird, müssen nur die Zuführungen und Ablieferungen in den Haushaltsplan eingestellt werden. Und genau an dieser Stelle beginnen in der Regel die Probleme, denn mit jedem Sondervermögen ist immer eine Ausnahmemöglichkeit vom Vollständigkeits- und Einheitsgebot des Landeshaushalts verbunden. Richtig problematisch wird es, wenn einem Sondervermögen per Errichtungsgesetz die Möglichkeit eingeräumt wird, selbst Kredite aufzunehmen, denn dann werden zusätzliche Schulden ganz bewusst am Haushaltsgesetzgeber vorbei gemacht. So haben wir Sondervermögen, die eigentlich Sonderschuldentöpfe sind. Versteckte Schuldenaufnahmen außerhalb des Kernhaushalts führen zu einer Verlagerung der Haushaltsrisiken und zu einem Teilentzug aus der parlamentarischen Kontrolle.

Meine Damen und Herren, das Teilvermögen „Beitragserstattung Wasserver- und Abwasserentsorgung“ diente ursprünglich zur Erfüllung des Wahlversprechens des damaligen Ministerpräsidenten Dieter Althaus. Es waren schwache Umfragewerte, und mit diesem Versprechen sicherte er sich noch einmal die absolute Mehrheit. Aber um welchen Preis? Wir hatten Ende 2017 einen Schuldenstand von fast 450 Millionen Euro, jährliche Sonderkredite wurden in zweistelligen Millionenbeträgen aufgenommen. Die Belastung für den Landeshaushalt wird langfristig in die Milliarden gehen. Bis 2031 sind die Zahlen geschätzt worden: Es sind 1,5 Milliarden Euro, sage und schreibe 1,5 Milliarden Euro für ein einzelnes Wahlversprechen.

Meine Damen und Herren, nun zum Inhalt des Gesetzes: Die Nettokreditaufnahme innerhalb des Teilvermögens „Beitragserstattung Wasserver- und Abwasserentsorgung“ im Sondervermögen „Verbesserung wasserwirtschaftlicher Strukturen“ wird unterbunden, zukünftig werden Kreditverpflichtungen und laufende Ausgaben durch Zuführungen direkt aus dem Landeshaushalt gedeckt. Dieser, damals von der CDU installierte Schattenhaushalt wird also regulär in den Kernhaushalt überführt. Die Landeshaushalte für die Jahre 2018 und 2019 und auch

die Eckwerte für den Landeshaushalt 2020 und die Mittelfristige Finanzplanung bis zum Jahr 2022 haben das berücksichtigt und tragen dem Rechnung. Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Danke schön. Als Nächster spricht Abgeordneter Kowalleck von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht zunächst erst mal an meinen Vorredner: Es verwundert schon, Herr Dr. Pidde, dass Sie bei diesem Thema immer auch die Finanzpolitik der CDU-Landesregierung kritisieren. Schließlich waren Sie ja in der letzten Legislaturperiode in der schwarz-roten Koalition auch an unserer Seite.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das geht aber noch ein bisschen weiter hinaus!)

Frau Becker, lassen Sie mich doch bitte aussprechen. Als Parlamentarische Geschäftsführerin kennen Sie doch hier die Gepflogenheiten des Landtags.

(Beifall CDU)

Frau Becker!

Das verwundert mich schon und Sie wissen ja auch ganz genau, welche Aufgaben wir in den letzten drei Jahrzehnten hier in diesem Land hatten. Gerade auch die CDU-geführten Landesregierungen haben hier in diesem Land dazu beigetragen, dass wir heute wirklich auch gut dastehen, und das waren zahlreiche Aufgaben, die eben auch mit viel Geld verbunden waren, und, Frau Ministerin, das hatte eben auch mit dem Thema „Wasser/Abwasser“ zu tun. Da können Sie sich auch gern bei Ihrem Koalitionspartner erkundigen, wie das dazu kam. Da muss man eben auch sagen, wir haben hier in diesem Land bzw. gerade auch in den Zeiten der DDR in einer Lage gestanden, die es eben möglich machen musste, dass hier Lösungen gefunden werden, und das war damals notwendig, gerade im Bereich Wasser und Abwasser. Da musste eben auch entsprechend Geld in die Hand genommen werden. Die Lösung, die wir damals gefunden haben, die war eben auch notwendig.

(Abg. Dr. Pidde)

Wir haben hier mit dem heutigen Gesetzentwurf ein Thema zu behandeln, wobei ich auch erst noch mal auf die Berichterstattung kommen möchte, ich war ja auch schon zahlreiche Male hier an dieser Stelle Berichterstatter: Herr Hande, Wertungen, gerade auch persönliche Wertungen, sollten wir uns an dieser Stelle verkneifen. Hier geht es wirklich nur um sachliche Berichterstattung. Ich denke, das war bisher auch Gepflogenheit in diesem Hause.

(Beifall CDU)

Ich möchte hier auch noch mal darauf eingehen, dass bereits mit der Vorlage 5/4356 vom 7. Januar 2014 der damalige Finanzminister im Zuge der Beratung der Mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2013 bis 2017 im Haushalts- und Finanzausschuss eine Planung vorgelegt hatte, die eine Abfinanzierung des Sondervermögens und den Verzicht einer Neuverschuldung vorgesehen hatte. Also die Lösung gab es auch zum damaligen Zeitpunkt schon.

Bereits ab dem Jahr 2015 hätten danach keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden müssen, da eine vollständige Finanzierung durch Zuführung aus dem Landeshaushalt vorgesehen war. Doch tatsächlich hat die rot-rot-grüne Landesregierung erst mit dem Haushaltsjahr 2018 eine Schuldenaufnahme im Sondervermögen beendet. Das bedeutet, dass die Landesregierung im Jahr 2015 Kredite in Höhe von 62 Millionen Euro, im Jahr 2016 Kredite in Höhe von 41 Millionen Euro und im Jahr 2017 Kredite in Höhe von 32 Millionen Euro aufgenommen hat. Damit hat die rot-rot-grüne Landesregierung Schulden in Höhe von insgesamt 135 Millionen Euro aufgenommen, die von einer CDU-geführten Landesregierung vermieden worden wären.

Zudem hatte der damalige Finanzminister bereits mit Feststellung des Jahresabschlusses 2013 eine Sondertilgung in dem Sondervermögen durch die damalige haushaltsgesetzmögliche Abfinanzierung von Rechtsverpflichtungen in Höhe von 32,9 Millionen Euro veranlasst. Diese Möglichkeit ließ allerdings die rot-rot-grüne Landesregierung für den Jahresabschluss 2014 ungenutzt, sodass dieses Sondervermögen statt einer Sondertilgung Kredite in Höhe von 44,2 Millionen Euro aufgenommen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle sehen wir auch wieder, dass Rot-Rot-Grün zu spät ausgeschlafen hat, und das hat entsprechende finanzielle und finanzpolitische Auswirkungen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Danke schön. Als Nächster spricht Abgeordneter Kobelt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kowalleck, ich habe jetzt mal Ihre Rede so bildlich im Kopf mit Ihrer letzten Haushaltsrede verglichen, als Sie der rot-rotgrünen Koalition Mehrausgaben vorgeworfen haben, unseriöse Haushaltspolitik, die nicht zukunftsgewandt ist, die nicht nachhaltig ist, die über das Limit geht – solche Worte haben Sie dort verwendet. Und jetzt habe ich mir mal angeschaut, was die CDU jetzt mit diesem Gesetzesantrag, den wir heute bearbeiten, an einem Schattenhaushalt aufgebaut hat, und das sind immerhin 286.642.879,47 Euro. Das sind natürlich Dimensionen, die gehen weit über unsere investiven Ausgaben, die wir in Zukunftsprojekte gemacht haben, hinaus. Das ist auch eine Zahl, 286 Millionen Euro quasi an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei zu verwirtschaften und in Schattenhaushalte zu stellen, das ist schon ein finanzpolitisch starkes Stück, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich bin sehr froh, dass wir als Koalition diesen Missstand angegangen haben und natürlich sieht das dann in den Bilanzen vielleicht in dem Haushaltsjahr nicht so gut aus, als wenn man diese Gelder noch parken würde. Aber das hat auch was mit Ehrlichkeit und mit Transparenz zu tun und da möchte ich auch mal einen herzlichen Dank an Frau Taubert sagen, die ja zugegebenermaßen auch Ausgaben verteidigt in gewissem Maße, aber auch gleichzeitig einen Vorschlag gemacht hat, um diese Schattenhaushalte zu beenden. Also vielen Dank noch einmal.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier sehen Sie auch ein Beispiel, das wäre das Zweite sozusagen nach den ökologischen Altlasten, das war uns auch als Grüne ein ganz wichtiges Projekt, dass dort auch eine nachhaltige Finanzierung gestaltet wird und nicht über so einen vagen Schattenhaushalt bei so einem wichtigen Thema dort Gelder eingestellt sind. Jetzt haben wir den zweiten Punkt, den wir klären, und da sehen Sie, Rot-Rot-Grün macht transparente und ehrliche Finanzpolitik.

(Zwischenruf aus der Fraktion der AfD: Ha- ha!)

(Abg. Kowalleck)

Nein, da ist nichts mit „Haha“ – ich bin mal gespannt, was die AfD noch dazu sagt, vielleicht ist sie ja auch ein Freund von Schattenhaushalten.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Lassen Sie sich überraschen!)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie haben doch keine Ahnung davon!)

Aber in dem Gesetz ist ganz eindeutig zu sehen, dass wir einen anderen Weg gehen. Was uns auch sehr wichtig ist als Grüne, wir stehen natürlich auch wie unsere Koalitionspartner für Nachhaltigkeit, dass auch die Möglichkeiten von neuen Kreditaufnahmen in diesem Bereich gestrichen werden. Das heißt jetzt, die Schulden werden abgebaut mit jedem Haushalt, Schritt für Schritt, und es werden keine neuen Kredite mehr aufgenommen. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen, dass dieser Baustein, dieser Schattenhaushalt auch beendet wird. Bisher war es nämlich so, dass nicht nur die Gelder in dem Sondervermögen geparkt wurden, sondern dass es damit auch eine verdeckte Kreditaufnahme war. Ich kann mich noch erinnern, wie Herr Voß immer mit geballter Brust sozusagen ganz stolz darauf war, dass die Haushalte so gestaltet sind, dass sparsam gestaltet wurde, aber in Wahrheit wurden natürlich viele Kosten/ Personalkosten in andere Gesellschaften verlegt und solche Kosten in sogenannte Schattenhaushalte, und das hat nichts mit Transparenz zu tun. Ich bin sehr froh, dass wir das jetzt beendet haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiterer Aspekt ist die Vereinfachung, und zwar ist es jetzt ganz normal im Haushalt abgebildet, über das ganz normale Haushaltsgesetz, eine Vereinfachung – und eine Verwaltung des Sondervermögens entfällt auch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend möchte ich sagen: Wir haben nach der Sondervermögen-Auflösung „Ökologische Altlasten“, jetzt auch das Sondervermögen „Verbesserung wasserwirtschaftlicher Strukturen“, wir haben mehr Transparenz in den Haushalt gebracht. Ich bitte hiermit für meine Fraktion um Zustimmung zu diesem Gesetzesvorhaben. Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Kießling von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, werte Zuschauer! Sondervermögen „Verbesserung wasserwirtschaftlicher Strukturen“ – so lautet der Titel. Wir als AfDFraktion stehen auch im Bereich des Haushalts für maximale Transparenz. Umso mehr freut es uns, dass die Landesregierung zumindest in diesem Bereich hier bei den Landesschulden die Transparenz herstellt, die auch notwendig und richtig ist. Mit der hier vorliegenden Gesetzesänderung wird dieses Sondervermögen, das nichts anderes als eine Sonderschuld ist, in den regulären Haushalt überführt, und es wird zusätzlich auf Dauer verhindert, dass für die Tilgung dieses sogenannten Sondervermögens weiterhin neue Kredite und Schulden aufgenommen werden können und diese Netto-Neuverschuldung nicht mehr möglich ist.

Bereits im letzten Plenum gab es zu diesem Thema nicht nur eine breite Diskussion, sondern von unserer Seite auch eine breite Zustimmung. Insofern werde ich meine Rede in dieser zweiten Beratung auch nicht unnötig in die Länge ziehen. Ich habe hierzu bereits in den Haushaltsberatungen im Haushalts- und Finanzausschuss für meine AfDFraktion zugestimmt und werde heute hier für die Fraktion ebenso dieser Gesetzesänderung zustimmen.

(Beifall AfD)

Die Übertragung des sogenannten Sondervermögens in den regulären Haushalt wurde von Rot-RotGrün mit den Worten „Haushaltsklarheit“ und „Transparenz“ mündlich gelobt. Das haben wir auch gerade noch mal von Herrn Kobelt gehört, deswegen auch meine kurze Zwischenbemerkung.

Es sei mir auch die Bemerkung gestattet, dass wir uns gewünscht hätten, dass die Koalitionsfraktionen den Gedanken der nachhaltigen Finanzgerechtigkeit auch bei der Aufstellung des Haushalts selbst mit berücksichtigt hätten. Leider zeigt der vorliegende Entwurf für 2020, dass die hier vorliegende Transparenz offenbar nur eine einmalige Sache ist. Auch bei den Themen „Grünes Band – Stiftung Naturschutz“ oder „Windkraft“ hätten wir uns gewünscht, dass der Bürger von vornherein reinen Wein eingeschenkt bekommt. Das ist hier leider nicht geschehen.

Auch diese unqualifizierten Zwischenbemerkungen aus der letzten Reihe von Herrn Wolf und Herrn Harzer aus der vorletzten Reihe: Das können Sie sich schenken!

(Abg. Kobelt)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Wis- sen Sie überhaupt, wovon Sie reden? Offen- bar nicht!)