Protokoll der Sitzung vom 11.09.2015

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber eine wirkliche funktionierende direkte Demokratie ist auf eine breite, inhaltlich fundierte Sachdiskussion gerichtet.

(Unruhe AfD)

Sie ringt durch Einbeziehung von möglichst viel Fachkompetenz und durch eine sehr differenzierte Themendiskussion in fairer Art und Weise um die beste Lösung für ein Sachproblem. Wenn man das bisherige Agieren der AfD verfolgt, kann man hinsichtlich der fairen Sachdiskussion schon mehr als erhebliche Zweifel bekommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die AfD verkündet seit dem Bundestagswahlkampf 2013, dass sie die Einführung der direkten Demokratie bzw. von Volksentscheiden in Deutschland nach Schweizer Vorbild will. Allen hier im Haus dürfte bekannt sein, dass es in letzter Zeit auch hochproblematische Volksentscheide bzw. Ergebnisse von Volksentscheiden in der Schweiz gegeben hat.

(Unruhe AfD)

Stichworte seien hier nur das sogenannte MinarettVerbot und die mit hauchdünner Mehrheit angenommene Initiative gegen sogenannte Masseneinwanderung. Beide Entscheide wurden besonders stark von der populistischen und rechtslastigen Schweizerischen Volkspartei befördert. Die Ergebnisse der Entscheide haben in weiten Teilen der Schweizer Bevölkerung zu Entsetzen und zum erneuten Diskussionsprozess geführt. Das Ergebnis der Volksabstimmung zur sogenannten Masseneinwanderung ist auch noch nicht umgesetzt und es sind verstärkt Gegeninitiativen aktiv geworden.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Erfolglos!)

Die Schweiz ist grundsätzlich ein weltoffenes Land

(Beifall AfD)

mit einem Migrantinnenanteil ohne Schweizer Bürgerrecht von aktuell 24 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund insgesamt liegt noch höher. Doch Christoph Blocher und die Schweizerische Volkspartei vertreten populistische und klar rechtslastige Positionen und schaffen es mit emotional aufgeladenen Parolen, per Stimmungsmache im Trüben nach Wählerstimmen zu fischen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Ja, zu Recht!)

Hier sei exemplarisch nur auf ein berüchtigtes Werbe- bzw. Abstimmungsplakat, sogenanntes Schäfchenplakat, der SVP verwiesen mit einem schwarzen Schaf, das von weißen Schafen aus einem stilisierten Schweizer Territorium vertrieben wird.

(Unruhe AfD)

Hier muss man sich meines Erachtens schon sehr blind und dumm stellen, wenn man dies nicht als rassistisch und fremdenfeindlich erkennen will.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sie sind naiv! Unglaublich!)

Wer sich aber zwecks Hetze und Ausgrenzung von Mitmenschen und Mitbürgern und zur Spaltung der Gesellschaft der Instrumente der direkten Demokratie bedient, verrät und missbraucht die direkte Demokratie und auch die Demokratie als solche.

(Unruhe AfD)

Denn die Idee der Demokratie beinhaltet in ihrem Kern auch und vor allem das Prinzip der gleichen Teilhabe aller an den politischen Entscheidungsprozessen. Die Menschen, die den Auswirkungen staatlicher und gesellschaftlicher Entscheidungen ausgesetzt sind, sollen dabei auch selbst mitentscheiden dürfen, und zwar in gleicher Weise und mit der gleichen Einflussmöglichkeit für jede und jeden. Dieses Grundprinzip prägt im Übrigen nicht nur die direkte, sondern auch die parlamentarische repräsentative Demokratie.

Wie ein Blick auf Aktivitäten der AfD zeigt, bestehen hier offensichtlich politische Sympathien und Affinitäten zu bestimmten politischen Richtungen und Akteuren in der Schweiz. Die AfD lädt zu einer Veranstaltung als Referenten auch den Schweizer Rechtswissenschaftler und Publizisten Robert Nef ein. Dieser Referent hat offensichtlich kein Problem damit, in einer Publikation zu seinem 70. Geburtstag auch einen Beitrag des oben genannten SVPPolitikers Blocher als Geschenk zu bekommen. Damit wird eindeutig klar, in welchen politischen Ver

wandtschaftsverhältnissen sich die AfD bewegt und dass sie die direkte Demokratie für ihre populistischen und

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Linkspopulis- tische Kontextkontaminierung!)

rechtslastigen Zwecke und Ziele instrumentalisieren und damit letztlich diffamieren will.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesen Instrumentalisierungs- und Diffamierungsaktivitäten müssen alle, die eine tatsächliche, wirksame und in ihren Wirkungen für die Gesellschaft positive direkte Demokratie wollen, mit aller Entschiedenheit entgegentreten, auch durch Stärkung und Ausweitung der Instrumente und durch Ausdehnung des Beteiligungskreises auf möglichst alle Einwohnerinnen. Und man muss durch entsprechende Gestaltung der direkt demokratischen Entscheidungsverfahren dafür sorgen, dass diese und ihre Ergebnisse nicht ausgrenzen und spalten, sondern zur Weiterentwicklung einer solidarischen und weltoffenen Gesellschaft beitragen. Dazu gehört, dass Bürgerbegehren und Volksbegehren, die gesetz- bzw. verfassungswidrige Ziele verfolgen, nicht zulässig sind. Den Schutz der Menschenwürde und die Gleichheit aller Menschen und das Recht auf gleiche Teilhabe aller darf niemand unter dem Deckmantel der direkten Demokratie infrage stellen oder gar angreifen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil dies die Nazis mit Volksentscheid-Initiativen in der Weimarer Republik praktiziert haben, wurde von vielen die Konsequenz für richtig befunden, in Deutschland vor allem auf Bundesebene auf direkte Demokratie zu verzichten. Wenn diese Schlussfolgerung auch nachvollziehbar ist, so ist sie nach Meinung der Linken doch nicht sinnvoll, denn damit haben die Demokratiefeinde noch in jahrzehntelanger Nachwirkung das geschafft, was sie wollten: die Demokratie zu beschneiden und teilweise zu beseitigen. Die richtige Antwort auf das Problem ist daher, wie oben beschrieben, die Stärkung und der Ausbau der Instrumente und Verfahren und Einbau von Schutzmechanismen. Das gilt für alle staatlichen und die EU-Ebene. Die direkte Demokratie ist das unverzichtbare zweite Standbein der Demokratie neben der parlamentarischen. Doch um die Gefährdung wirklich zu beseitigen, muss die Zivilgesellschaft und müssen die Menschen sich als engagierte Bürger bei der praktischen Anwendung der direkten Demokratie dafür einsetzen. Sie müssen der sachlichen und offenen Themendiskussion und dem fundierten Ringen um die beste inhaltliche Lösung den Vorrang geben vor dumpfen populistischen Parolen. Das kann und muss praktisch eingeübt werden, am besten schon so früh wie mög

lich, das heißt, auch Demokratieerziehung in Kitas und Schulen ist sinnvoll und notwendig,

(Unruhe AfD)

auch durch praktisches Einüben im kleinen Alltag. Praktische Erfahrungen auch in Thüringen zeigen, wie Volksbegehren und Bürgerbegehren die Menschen zu mehr politischem Engagement motivieren. Das hilft dann auch der repräsentativen Demokratie und den Wahlen.

Dass auf direktdemokratischem Weg auch sehr sinnvolle und komplexe gesellschaftliche Projekte verwirklicht werden können, zeigt ebenfalls ein Beispiel aus der Schweiz, die sogenannte neue Eisenbahn-Alpentransversale, abgekürzt NEAT. In mehreren Volksentscheiden, die auch notwendige Steuererhöhungen zu eigenen Lasten für die notwendige Finanzierung des Projekts mit einschlossen, haben die Schweizer Stimmbürger entschieden, dass der immer mehr belastende LKW- und Schwerlastverkehr aus Gründen des Umweltschutzes von den Straßen in und über die Alpen verbannt wird. Güter und LKW müssen auf die Schiene. Die NEAT schließt neben dem Bau neuer Bahnstrecken vor allem mehrere Eisenbahntunnel zur Alpenquerung ein. Das bekannteste Bauprojekt im Rahmen der NEAT ist der neue Gotthardbasistunnel mit einer Länge von über 57 Kilometern ist er auch der längste Tunnel der Welt. Eröffnung soll im Dezember 2016 sein.

(Unruhe AfD)

Dieses praktische und aktuelle Beispiel zeigt, die Stärkung der direkten Demokratie kann also auch zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung beitragen, wenn ihre Instrumente entsprechend ausgestaltet sind und diese sinnvoll und verantwortungsvoll genutzt werden. Es ist daher ständige Aufgabe, die direkte Demokratie wie die Demokratie überhaupt gegen diejenigen zu verteidigen, die sie missbrauchen und pervertieren wollen. So vermeintlich sachlich der Antrag der hier rechts außen sitzenden Fraktion auch daherkommt, er ist sozusagen vergiftet durch eine falsche Grundmotivation, ganz abgesehen von seiner populistischen Trittbrettfahrerei.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Panikmache!)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächstem erteile ich dem Abgeordneten Gentele das Wort.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Jetzt kommt der antifaschistische Schutzwall!)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Ihr seid so niveaulos!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, leider sind keine Gäste mehr da!

(Unruhe AfD)

„Direkte Demokratie stärken“ – dieses finde ich sehr gut, aber ein Antrag von dieser Partei ist eher wohl ein Witzantrag.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viele Worte von Herrn Kießling

(Unruhe AfD)

im Auftrag seiner Partei. Real sieht es aber anders aus, meine Damen und Herren. Auf Nachfrage bei Herrn Henkel kommt eine Bestätigung für einen Bericht des MDR – und, Herr Höcke, Sie kennen den wahrscheinlich auch, es ist ja Ihre Chefin. Sie fordert: Das Recht auf Asyl abschaffen, deutsche Grenzen für Asylbewerber schließen. Sagen Sie mal, schämen Sie sich nicht?

(Unruhe AfD)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das verstehst du doch gar nicht!)

Ich sage Ihnen, so eine Partei wie Ihre gehört hier nicht her!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)