Da wird die Monstranz, die Sie da vor sich hertragen, nämlich immer kleiner, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, ich will noch ein paar Sätze sagen zum weiteren Verfahren und auch zu der jetzt neuerdings großen Gefahr, die da heraufbeschworen wird in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit. Das jetzt durch das Kabinett auf den Weg gebrachte Verfahren nach dem Beschluss zum Leitbild mit der Vorlage eines Vorschaltgesetzes –
und das ist im Übrigen auch der Gegenstand in der Nummer II unseres Antrags, in dem wir als Koalition noch einmal explizit die Landesregierung, in dem Fall natürlich auch den Innenminister, auffordern, diesen Zeitplan auch so zu halten in diesem Gesetzgebungsverfahren – und das ist schon das richtige Stichwort: Es ist ein Gesetzgebungsverfahren. Wir werden den Teufel tun, die im Gesetz und in der Verfassung verankerten Anhörungsfristen für sämtliche Beteiligte nicht einzuhalten.
Das Verfahren ist so ausgelegt, dass wir das einhalten können. Dann möchte ich mal sehen, an welcher Stelle da die Verfassungsmäßigkeit infrage stehen soll. Im Übrigen, meine Damen und Herren, wenn Sie auf die vom Verfassungsgericht schon vor fast – ich glaube – 20 Jahren aufgestellten Prinzipien oder – wenn man so will – den Fahrplan für künftige Gebietsänderungen abstellen, das damals gesagt hat, es muss ein Leitbild existieren, das öffentlich diskutiert wird – diese Phase haben wir hinter uns –, es muss dieses Leitbild in eine Gesetzesnorm gegossen werden. Eine Freiwilligkeitsphase hat sich anzuschließen und anschließend das Neugliederungsgesetz. Und nichts anderes – das war, glaube ich, im Isserstedter Urteil, wenn ich mich noch recht entsinne –, hat das Verfassungsgericht damals schon aufgeschrieben. Und genau diese Verfahrensschritte werden eingehalten. Wenn Sie der Meinung sind, das bedarf einer verfassungsrechtlichen Überprüfung, das ist – wie gesagt – Ihr gutes Recht und da sollten Sie das dann tun, lieber Mike Mohring. Das gibt dann auch uns ein bisschen mehr Sicherheit. Herzlichen Dank dafür.
Ich habe ein interessantes Zitat gefunden, ich muss das einfach hier loswerden. Es gibt da einen ganz interessanten, von seiner schriftstellerischen Kreativität noch recht jungen Schriftsteller, Reiner M. Sowa, ein ehemaliger Kriminalist, ein internationaler Polizeihelfer, der Strukturen auf dem Balkan und in Afrika überall mit aufgebaut hat, der hat sich jetzt der Schriftstellerei gewidmet. Jetzt nicht lachen – oder, ihr könnt von mir aus lachen –, er hat ein interessantes Buch geschrieben. Es ist wirklich spannend und hochinteressant, es heißt: „Ein Bestatter auf der Flucht“. Das muss man jetzt nicht unbedingt als Synonym übertragen, aber in diesem Buch gibt es das Zitat – und damit möchte ich meinen Beitrag beenden: „Das ist das Schöne im Leben: Wir können alles selbst entscheiden, vorausgesetzt, wir haben den Mut dazu.“ Meine Damen und Herren, wir haben den Mut dazu!
Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Abgeordnete, werte Gäste, ich glaube, wir könnten uns heute viel Zeit, Geld und Arbeitskraft sparen, wenn wir diese Verwaltungs- und Strukturreform einfach einstampfen
Auch das neue Leitbild ist ein „Leidbild“. Und das Leiden der Kommunen wird noch größer, wenn das, was drinnen steht, umgesetzt wird. Durch den vorliegenden Antrag der rot-rot-grünen Koalitionäre soll das Bild des Leidens beschönigt und geglättet werden. So wird von einem umfangreichen und transparenten öffentlichen Diskussionsprozess gesprochen. Dieser Diskussionsprozess war weder umfangreich noch transparent. Ganze fünf Regionalkonferenzen hat es in Thüringen gegeben, in einem Land mit 17 Landkreisen, sechs kreisfreien Städten und über 2 Millionen Einwohnern. In Brandenburg gab es 19 Leitbildkonferenzen und einen Kongress bei einer Einwohnerzahl, die mit fast 2,5 Millionen Einwohnern nur unwesentlich die thüringische übersteigt. Umfangreicher Diskussionsprozess – Fehlanzeige. Transparenz ist für diese Landesregierung ohnehin ein Fremdwort. Die kommunalen Vertreter mussten schon auf den Seiten des Innenministeriums herumstöbern, um die Termine der Regionalkonferenzen zu finden. Das war wirklich schwierig. Die Einladung kam, wenn überhaupt, ziemlich spät.
Kurzum hatte man den Eindruck, dass es nicht darum geht, in einen wirklichen Diskussionsprozess einzutreten. Dieser Eindruck wird beim Durchlesen des Leitbilds bestätigt, eines Werkes übrigens, das den Steuerzahler 1.500 Euro pro Tag kostet. Das einzig Gute an diesem Leitbild ist allerdings,
Zur finanziellen Situation der Thüringer Kommunen gibt es im Leitbild altbekannte Fakten, wie etwa, dass die Kommunen sehr stark von den Landeszuwendungen abhängig sind
und im Jahr 2013 nur 25 Prozent ihrer Ausgaben durch Steuern oder steuerähnliche Einnahmen decken konnten. Wird die Abhängigkeit der Kommunen vom Land durch diese Reform verringert? Nein, denn zunächst sind Strukturreformen in der Regel mit Kosten verbunden. Das heißt nichts anderes, als dass das Land die Anschubkosten der Reform finanziert und sich damit der Landesanteil an der kommunalen Finanzausstattung erhöht. Durch mittel- und langfristige Finanzausstattungen würden mittellangfristig Einsparpotentiale möglich, die nicht wirklich beziffert werden können, aber irgendwo zwischen 3 und 20 Prozent lägen – jetzt kommt es –, natürlich davon abhängig, ob die kommunalen Gebietskörperschaften die ihnen durch die Reform entstehenden Chancen nutzen würden.
Anders gesagt, argumentiert das Leitbild in etwa so wie ein Autohersteller, der ein defektes Fahrzeug verkauft und die Fahrschwierigkeiten damit zu erklären versucht, dass die Fahrkompetenz des Fahrers schlecht sei.
Oder einfacher ausgedrückt: Wenn die erhofften, aber nicht belegbaren Einsparpotenziale ausbleiben, sind die Kommunen schuld und nicht etwa die verkorkste Gebietsreform. Diese legitimatorische Meisterleistung hat der Verfasser des Leitbilds übrigens schon in Mecklenburg-Vorpommern erbracht. Dort ist die Gebietsreform gescheitert. Die Großkreise gerieten in massive finanzielle Abhängigkeit vom Land und versanken tief im Schuldensumpf. Wer ist schuld laut der von der Landesregierung beauftragten und der von Professor Hesse erstellten Evaluation? – Sie ahnen es schon: die Kommunen. Sie haben ihre Einsparpotenziale nicht realisiert. So einfach ist das.
Auch in anderen Punkten macht es sich das Leitbild so einfach. Vor allem die zentrale These, dass die Leistungs- und Verwaltungskraft kommunaler Verwaltungsstrukturen wesentlich von ihrer Größe abhängt, wird nirgends belegt. Interessant: Es gibt in diesem Leitbild schon ein paar Fußnoten, nur keine, die die zentrale These des Leitbilds belegen würde. Dabei heißt es doch nur eine Seite weiter, dass zahlreiche Untersuchungen bestätigt hätten, dass Verwaltungskosten je Einwohner mit zuneh
mender Einwohnerzahl in einem bestimmten Rahmen sinken. Wo sind denn die zahlreichen Untersuchungen? Warum wird keine einzige dieser Untersuchungen benannt, wo sie doch so zahlreich sind?
Weiterhin hält das Leitbild eisern daran fest, dass Verwaltungsgemeinschaften ein Auslaufmodell sind und abgeschafft werden sollen oder – um in der Diktion des Leitbilds zu bleiben – zu Land- und Einheitsgemeinden fortentwickelt werden sollen. Das Leitbild stellt die These auf, dass eine zunehmende Anzahl der Gemeinden, die sich zu Verwaltungsgemeinschaften zusammengeschlossen haben – und das sind, wenn man die beauftragten Gemeinden dazunimmt, immerhin fast 85 Prozent aller kreisangehörigen Gemeinden –, die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises nicht mehr hinreichend erfüllen könnten.
Vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage mal abgesehen, sollten die logischen Schlussfolgerungen dann doch gemäß dem auch in der Thüringer Rechtsprechung immer wieder vertretenen Prinzip des minimalinvasiven Eingriffs in die kommunale Selbstverwaltung sein, die Verwaltungsgemeinschaften fortzuentwickeln und ihnen durch eine Änderung der Kommunalordnung zu ermöglichen, mehr Aufgaben im eigenen Wirkungskreis gemeinsam zu erledigen.
Ein gemeinsamer Personenpool und eine gemeinsame Logistik für die Aufgabenerfüllung bringen Synergieeffekte und machen ein Thüringer Erfolgsmodell zukunftsfähig – die Verwaltungsgemeinschaften. Wie es geht, hat der führende Thüringer Verwaltungsexperte Axel Schneider schon dargelegt. Wenn diese Landesregierung nicht beratungsresistent wäre, wäre es doch möglich, sich seines Sachverstandes und der Fachkompetenz der AG Selbstverwaltung beim Gemeinde- und Städtebund zu bedienen. Übrigens macht das Leitbild sehr richtig darauf aufmerksam, dass der ursprüngliche Sündenfall, der Tod der Verwaltungsgemeinschaften auf Raten, im Beschluss zur Weiterentwicklung der gemeindlichen Strukturen im Freistaat Thüringen vom 15. Dezember 2011 liegt. Dieser Beschluss spricht bereits von der Weiterentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften zu Landgemeinden und davon, dass die Bildung und Änderung von Verwaltungsgemeinschaften und die Beauftragung erfüllender Gemeinden künftig nicht mehr erfolgen soll. Weiterhin schließt der Beschluss die finanzielle Förderung freiwilliger Gemeindeneugliederungen künftig aus.
Freiwilligkeit statt Zwang ist zwar ein dem Sozialisten fremdes Prinzip, doch gerade die Förderung der freiwilligen Gemeindezusammenschlüsse ist eine Thüringer Erfolgsgeschichte. Die Daten aus dem Leitbild sind übrigens der beste Beweis dafür. Bis in die dritte Legislaturperiode waren es 28 Gemeinden, die sich freiwillig zusammengeschlossen ha
ben, in der vierten bereits 75 und in der fünften 298. 1990 gab es noch 1.702 kreisangehörige Gemeinden, die keiner Verwaltungsgemeinschaft angehörten oder erfüllende bzw. beauftragende Gemeinden waren, 2014 nur noch 105 – eine Verringerung um mehr als das Zehnfache, und das auf freiwilliger Basis mit Landesförderung.
Zukunftsfähig, statt einfach nur neue Strukturen für Thüringen, das sollte die Maßgabe sein. Wir werden auch weiterhin den Reformprozess konstruktiv begleiten und für eine Beteiligung derjenigen sorgen, um die es geht: Thüringer Bürger und Kommunen.
Schon in diesem Plenum hatten Sie die Chance zu beweisen, dass es Ihnen mit der Bürgerbeteiligung ernst ist. Wenn Sie unserem Gesetz zur Mitwirkung der Bevölkerung bei Gebiets- und Bestandsänderungen zugestimmt hätten.
Doch eines darf ich Ihnen auf diesem Wege schon ankündigen: Im Interesse der Bürger und Kommunen Thüringens werden Sie in den nächsten Plenen die Chance erhalten, es besser zu machen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Henke. Als Nächster hat das Wort Herr Abgeordneter Kuschel für die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, nachdem wir unmittelbar vor mir Blabla gehört haben, jetzt wieder zur Sache.
Meine Damen und Herren und Verbliebenen hier auf den Tribünen und insbesondere am Netz! Selbstverständlich, um die Argumentation von Herrn Mohring aufzugreifen, bin ich mit dem Innenminister unterwegs. Aber wir zwei fahren Tandem, das heißt, entweder wir fahren in die gleiche Richtung und treten im Gleichschritt oder wir scheitern. Zurzeit sind wir gut unterwegs, da bin ich dem Innenminister dankbar.
Und schon allein die Verweigerungshaltung der CDU und die Blockadehaltung sind für mich Motivation genug, mit dem Innenminister kräftig in die Pedale zu treten.