Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

(Beifall AfD)

Sie haben damals denselben Gesetzentwurf, den Sie jetzt stellen, abgelehnt. Zusammenfassend hat der Staatssekretär Götze bei der zweiten Beratung gesagt: „Es gibt eine klare Empfehlung aus dem Innenausschuss, der in einem umfangreichen Anhörungsverfahren die unterschiedlichsten Stellungnahmen eingeholt hat. Dort gab es […] unterschiedliche Meinungen, aber es ist auch ganz klar geworden, dass wir kein praktisches Bedürfnis für solch eine Regelung haben. Ich denke, wir haben das hier in der Vergangenheit jetzt genug diskutiert. […] Es ist also möglich, aufgrund der geltenden Rechtslage entsprechende Mobilitätsangebote auf kommunaler Ebene zu regeln. Wir sollten auch davon ablassen, jetzt die Kommunen mit entsprechenden Anträgen weiter zu verunsichern. Ich möchte auch dafür werben, diesen Antrag hier abzulehnen und sich der Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses anzuschließen.“ Im Übrigen darf ich Kollegen Kuschel zitieren, es handelt sich um eine Wortmeldung zur zweiten Beratung des CDU-Originals, das Sie ungeniert kopiert haben: „Meine Damen und Herren, die CDU sollte sich auf wesentliche Herausforderungen, vor denen wir alle hier im Land stehen, konzentrieren und keine Phantomdebatte führen.“

(Beifall DIE LINKE)

Das sagt alles. Heute kommen Sie mit so einer anderen Gesetzesvorlage um die Ecke. Wie recht Sie haben! Nur sollten Sie das auch auf sich selbst beziehen. Zusammenfassend gesagt: Wer sich wirklich und glaubhaft für die Entlastung der Bürger einsetzt, wer für Familien, den Mittelstand und den ländlichen Raum einsteht, der muss weiter gehen, als es der Gesetzentwurf der Landesregierung tut. Hier gilt es zu zeigen, wer wirklich ein Ohr für die Nöte der Bürger hat und wer durch das Land tingelt und nur so tut. Der Wahlthüringer Goethe wusste schon damals, dass das nicht nur für Straßen gilt: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch Taten sehen!“ Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als Nächster hat Abgeordneter Adams, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, ein Tagesordnungspunkt, zwei Gesetzesänderungen, beide zum Kommunalabgabengesetz. Ich möchte mich zuerst auf die Drucksache 6/3107 beziehen. Das ist das Gesetz, das hier im Landtag von den Fraktionen Die Linke, Grüne und SPD entwickelt wurde und den Regelungsgehalt hat, noch einmal eine Klarstellung zu ermöglichen. Kurtaxe, Kurbeiträge dürfen für öffentlichen Nahverkehr verwendet werden. Jetzt hat Herr Kellner scharf kritisiert, Herr Henke hat das eben auch gemacht: Das hat die CDU schon einmal vorgeschlagen und da habt ihr Nein dazu gesagt. Warum ist das so? Das erklärt ihr jetzt gefälligst mal.

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Wortwörtlich!)

Ich möchte versuchen, das zu erklären. Wir hatten eine Debatte im Jahr 2015, angeregt von einer Landrätin aus dem Ilm-Kreis, die gesagt hat: Ich möchte gern ein solches Angebot machen, aus der Kurtaxe heraus etwas anzubieten, das am Ende alle nutzen können, um den ÖPNV damit attraktiver zu machen. Der Innenminister war ganz praktisch an die Sache herangegangen und hat gesagt, ich schaffe eine Regelung, in der ich das klarstelle. Ich glaube, es war ein Rundschreiben gewesen. Dieses Rennsteig-Ticket, so heißt es, gibt es. Das heißt also, in der Tat ist es so, wie die Fraktionen der Koalition dargelegt haben: Die Gesetzesänderung war nicht notwendig, um dieses Ticket zu ermöglichen.

Jetzt ist es aber so, dass wir die Rückmeldung aus der Praxis bekommen haben: Das Rundschreiben ist gut und schön, alles ist in Ordnung, aber es wäre doch sinnvoll, wenn wir hier eine gesetzliche Regelung hätten, die dann immer gilt, die zumindest nicht ohne eine Debatte im Thüringer Landtag zurückgenommen werden kann. Wer wären wir als Koalition, wenn wir auf so einen Ratschlag aus der Praxis, die die Möglichkeiten hatte und alles machen konnte, nicht eingehen würden? Deshalb haben wir dieses Gesetz jetzt hier eingebracht. Darum muss man jetzt nicht mehr streiten. Es ist doch unstrittig, dass die CDU, lieber Herr Kellner, das sage ich auch sehr gern noch einmal, das schon einmal vorgeschlagen hat. Wir haben geglaubt, dass wir das praktisch schneller und einfacher lösen können durch eine Klarstellung aus dem Innenministerium, um das möglich zu machen. Der Wunsch aus der Praxis ist, es in Gesetzesform zu haben und das machen wir jetzt. Darüber müssen wir uns wirklich nicht streiten, nicht nur weil Advent ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Henke)

Das zweite Gesetz ist ein umstrittenes Gesetz. Das hat auch Herr Kellner dargelegt. Als ich 2009 in den Thüringer Landtag kam, musste ich erleben, dass das Thüringer Kommunalabgabengesetz ein Gesetz ist, das schwierig zu verstehen ist, schwierig anzuwenden ist und zu vielfältigen Konflikten führt. Wir hatten gerade die Zeit der großen Demonstrationen hier vor dem Thüringer Landtag hinter uns, wo Menschen aus allen Regionen Thüringens demonstriert haben und gesagt haben, was ihr mit den Kommunalabgaben macht, was ihr mit den Beiträgen macht, das ist nicht vernünftig. Wenn einer älteren Dame im Kyffhäuserkreis erklärt wurde, dass sie privilegiert sei, weil sie ein Haus besitzt, und sie deshalb, wenn es an der Ecke liegt, für 15, 20 Meter Straße horrende Summen zahlen soll, dann ist das nicht vernünftig gewesen. So wie dieser Landtag in dieser Legislatur wieder immer über die Gebietsreform diskutiert, weil es das große Thema ist, so hat der Landtag in seiner 5. Legislatur immer wieder über die Kommunalabgaben diskutiert. Herr Kellner, das müssen Sie sich jetzt wirklich auch zurechnen lassen. Immer wieder haben wir Sie aufgefordert, vernünftige Regelungen auf den Weg zu bringen, die diese Konflikte und den Irrsinn entschärfen können, dass man fast dreißig Jahre rückwirkend, so haben Sie das Gesetz gestrickt gehabt, dass man aus dem Jahre 2021 zurück auf 1991 greifen kann.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Rechtlich aber möglich!)

Da haben Sie kein Angebot gemacht, das den Thüringerinnen und Thüringern erklärbar und einsichtig gewesen wäre und damit auch die Möglichkeit gegeben hätte, dass man sagt: Vernünftige Regelung, wir haben es kapiert. Wir werden noch etwas zahlen müssen, aber da ist dann auch irgendwann einmal der Schnitt. Das haben Sie nicht vermocht.

Jetzt hat sich die Koalition auf den Weg gemacht, einen nicht einfachen Regelungsgegenstand, eine Regelungsgröße, vernünftig auf die Schiene zu setzen. Ich glaube, wir haben einen vernünftigen und guten Kompromiss gefunden, indem wir sagen, in dem Jahr, wo tatsächlich für alle dann auch klar war, dass diese Beiträge zu erheben sind und nicht mehr die Politik der goldenen Zügel möglich ist, in denen man die Chance hatte, wenn irgendwie alles gut lief und man den Innenminister damals kannte, da musste man nicht erheben oder zumindest bekam man keinen Druck. Liebe Frau Tasch, woher kommen denn die Gemeinden, die nicht erhoben haben und jetzt nacherheben müssen? Weil Ihre Kommunalaufsicht damals funktioniert hat? Ja wohl nicht. Es ist eine Regelungslücke geblieben. Diese Regelungslücke ist im Jahr 2006 geschlossen worden, deshalb ist das der richtige Punkt, wo wir sagen: Ab da an war klar, dass jeder erheben muss. Bis dahin darf auch zurückgegriffen werden.

Herr Kellner hat eine Schwierigkeit aufgezeigt: Wie ist das eigentlich mit dem Zurückzahlen? Ja, das kann, das wird Debatten auslösen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Unfrieden stiften!)

Wir müssen im Ausschuss, in den Debatten, in der Anhörung gut zuhören und aufpassen, dass wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, dass wir das, was wir positiv regeln wollen, nicht durch neue Konflikte wieder aufmachen. Aber ich bin mir sicher, dass wir mit den Grenzen, die dieses Gesetz der Landesregierung setzt, eben nicht in den Bereich kommen, dass wir neue Probleme bekommen, sondern ich bin mir sicher, dass wir mit diesem Gesetz nicht alle, aber eine Reihe der sehr, sehr lange in Thüringen schwelenden Konflikte jetzt lösen können.

Deshalb freuen wir uns auf die Debatte im Ausschuss, in den Anhörungen und werden sehen, wie sich dieses Gesetz dabei weiterentwickelt. Dann werden wir sehen, was wir hier im Thüringer Landtag wieder haben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt habe ich eine Wortmeldung des Abgeordneten Kuschel, Fraktion Die Linke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beraten heute ein Thema, das im europäischen Vergleich eine Sonderregelung in der Bundesrepublik Deutschland darstellt. In anderen europäischen Mitgliedstaaten gibt es also eine solche Beteiligung von Grundstückseigentümern an einer Finanzierung kommunaler Investitionsmaßnahmen nicht mehr.

Auch in der Bundesrepublik Deutschland haben wir eine unterschiedliche, differenzierte Rechtslage. Ausgangspunkt war die Regelung in Preußen von 1894. Ich darf daran erinnern: 1997 hat BadenWürttemberg die Straßenausbaubeiträge ersatzlos gesetzlich abgeschafft, in den Stadtstaaten gab es sie lange Zeit überhaupt nicht – also Bremen, Hamburg und Berlin. Berlin hat unter Rot-Rot 2006 die Straßenausbaubeiträge eingeführt und CDU und SPD haben sie 2012 gesetzlich wieder abgeschafft – also das Leben ist vielfältig –, im Übrigen, weil man festgestellt hat, dass der Erhebungsaufwand viel höher ist als die Erlöse für den Landeshaushalt. Berlin ist als Stadtstaat eine Besonderheit, weil es Land und Kommune in einem ist. Also es ist Bewegung drin. Im Saarland hat man damals unter CDUFührung – also nicht unter Lafontaine, sondern Müller, der jetzt beim Bundesverfassungsgericht ist –

(Abg. Adams)

eine Regelung getroffen, dass die Gemeinden grundsätzlich selbst entscheiden können, ob oder ob nicht. In Sachsen hat man 2007 durch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ein Ermessen eingeführt, dass die Gemeinden selbst entscheiden können, ob oder ob nicht. Das Erstaunliche ist, dass die Gesetzeslage in Sachsen und Thüringen vom Wortlaut identisch ist, aber die Oberverwaltungsgerichte eben unterschiedlich entscheiden. In Sachsen hat das OVG Bautzen entschieden, dass das Wort „können“ ein Ermessenskönnen ist, und in Thüringen haben die Richter zum gleichen Wort „können“ entschieden, dass es ein Ermächtigungskönnen ist. Also wir haben die Gemeinden ermächtigt, aber sie müssen de facto. Niedersachsen hat inzwischen eine Regelung getroffen, dass es den Gemeinden obliegt, diese Beiträge zu erheben. In Schleswig-Holstein gibt es jetzt eine Gesetzesinitiative – übrigens von der CDU und den Piraten –, dass die Straßenausbaubeiträge dort gesetzlich abgeschafft werden.

Also wir haben die ganze Bandbreite in der Bundesrepublik und wir haben Thüringen. Nun darf ich noch mal reflektieren, was denn in Thüringen bis 2005, bis zu dieser Entscheidung „Benshausen“ geschehen ist. Noch mal zur Erinnerung auch für die Öffentlichkeit: Die Gemeinde Benshausen wollte gern wiederkehrende Beiträge einführen. Die waren damals nicht rückwirkend einführbar, sondern nur für die Zukunft. Und da hat die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde Landkreis Schmalkalden-Meiningen denen einen Riegel vorgeschoben und gesagt: Nein, ihr müsst für den rückwirkenden Zeitraum noch einmalige Beiträge erheben. Dagegen hat die Gemeinde geklagt und hat beim OVG verloren, weil die Richter in Weimar gesagt haben, in Thüringen ist das Wort „können“ kein Ermessenskönnen, sondern nur ein Ermächtigungskönnen. Daraufhin gab es eine heftige Debatte, auch hier im Landtag, wie wir denn mit diesem Urteil umgehen, weil bis zum damaligen Zeitpunkt 292 Gemeinden noch gar keine Satzung hatten, also ein Drittel, und von denen, die eine Satzung hatten, nur jede zweite überhaupt erhoben hat. Die Rechtspraxis war damals, dass die Gemeinden de facto selbst entscheiden konnten, ob sie Beiträge erheben oder nicht. Nun war das klar und die damalige CDU-geführte Landesregierung hat aber eine Regelung, ein Ermessen zu eröffnen, abgelehnt und hat im Gegenteil die Regelung 2011 noch mal verschärft und hat nämlich klargestellt, dass die Gemeinden unabhängig von ihrer Finanzlage bis zum August 1991 Straßenausbaubeiträge zu erheben haben. Damals hatten immer noch über 200 Gemeinden gar keine Satzung. Die mussten alle zwangsweise bis zum 31.12.2015 eine Satzung erlassen. Da wurde mit Ersatzvornahme gedroht. Ein Beispiel war eine kleine Gemeinde bei Bad Tennstedt, wo 1992 die Straßenbeleuchtung erneuert wurde. 1992! Die sollen jetzt noch nach der jetzigen Rechtslage rückwirkend Straßen

ausbaubeiträge dafür erheben. Da kann sich überhaupt keiner mehr erinnern, da gibt es keine Originalbelege mehr, weil nach Thüringer Archivgesetz nach zehn Jahren die Originalbelege zu vernichten sind und die Bücher allein nicht ausreichen. Da hat der damalige Innenminister Geibert gesagt: Na dann schätzen wir eben die Kosten. Herzlichen Glückwunsch! Im Übrigen hat dort die Gemeinde, die Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft Bad Tennstedt ist, festgestellt, dass der Aufwand, das alles zu erheben, dreimal so hoch ist wie der zu erwartende Erlös. Dazu hat das Landesverwaltungsamt mitgeteilt, April, April, die Verwaltungsgemeinschaft hat die Personalkosten mit eingerechnet und das wäre unzulässig, weil das Personal ohnehin da ist. Um es anders zu formulieren – ich halte das alles für bedenklich –: da haben sie wenigstens was zu tun in der Verwaltungsgemeinschaft, wenn sie Straßenausbaubeiträge berechnen.

Das kann natürlich alles nicht sein. Das versuchen wir jetzt endlich zu regeln. Darauf warten viele Gemeinden und auch Bürgerinnen und Bürger und sicherlich wäre mehr möglich gewesen – theoretisch –, aber wir müssen uns an den Gegebenheiten orientieren. Da muss ich mal sagen, eine gesetzliche Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zu einem Stichtag ist am erheblichen Einspruch des Gemeinde- und Städtebunds gescheitert, weil die sofort reflexartig gesagt haben: Erstattungsanspruch durch das Land. Die haben also Erstattungsansprüche geltend gemacht, selbst bei den Gemeinden, die noch gar nicht erhoben haben. Aber das ist natürlich ein verfassungsrechtliches Problem, das wissen wir, dass, wenn wir den Gemeinden verbieten, Straßenausbaubeiträge zu erheben – gesetzlich –, möglicherweise selbst die Gemeinden, die gar nichts vereinnahmt haben, dann beim Land vor der Tür stehen können und sagen: Wir wollen Geld. Da ging es – geschätzt ist das jetzt, das ist unsere eigene Berechnung, dem ist bisher nicht widersprochen worden, deswegen sage ich, es stimmt so ungefähr – um ungefähr 240 Millionen Euro, die möglicherweise als Erstattungsleistungen gegenüber dem Land geltend gemacht werden könnten. Das ist klar, das war auch in der Koalition nicht verhandelt, deshalb das Ermessen. Aber es ist immer noch besser und jetzt kommt es, Herr Kellner, Sie müssen sich jetzt auch mal entscheiden. Bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt verlangen Sie von uns, Gemeinden zu respektieren, kommunale Selbstverwaltung zu stärken, nicht einzugreifen. Wir stärken jetzt die kommunale Ebene, indem wir es Ihnen überlassen und wir haben hohes Vertrauen. In Sachsen gibt es die Regelung seit 2007.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Aber nicht rückwirkend!)

Die gehen ganz verantwortungsbewusst damit um. Die Sachsen können ja auch zurückerstatten. Es haben etwa 70 Kommunen in Sachsen zurückerstattet. Es ist klar ein spannender Dialog vor Ort. Wir gehen aber davon aus, Bürgerinnen und Bürger, das haben die letzten Jahre gezeigt, stellen nie überzogene Forderungen.

Übrigens, das beantragte Volksbegehren für die Kommunalabgaben war eine große Leistung der Bürgerinnen und Bürger. Die haben nicht verlangt, einfach abzuschaffen. Sie haben mit der Infrastrukturabgabe eine Alternative gezeigt. Also Bürgerinnen und Bürger in diesem Land handeln keinesfalls verantwortungslos, sondern gehen sehr verantwortungsbewusst damit um. Wir haben lange in der Koalition gerungen, welche Gemeinden können denn zurückerstatten oder verzichten. Wir haben jetzt eine Regelung getroffen. Herr Kellner, da haben Sie jetzt wieder so getan, als wüssten Sie nicht, was Leistungsfähigkeit ist. Das ist definiert. Leistungsfähigkeit ist definiert. Es gibt als Bestandteil des Haushaltsplans der Gemeinden eine Übersicht über die dauernde Leistungsfähigkeit. Sie haben Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Ihrer Reihe, die können Ihnen das erklären. Diese dauernde Leistungsfähigkeit muss einen Überschuss ausweisen und dann gilt die Gemeinde als leistungsfähig. Hinzu getan haben wir noch Bedarfszuweisungen, weil wir natürlich klar sichern müssen, dass nicht der Verzicht auf die Erhebung und die Rückzahlung dazu führen, dass das Land indirekt doch das bezahlt, nämlich über Bedarfszuweisungen. Insofern haben wir das ausgewogen gestaltet, sowohl die Interessen des Landes berücksichtigt als auch die der Gemeinden und der Bürgerinnen und Bürger. Wir hätten diese Regelung jetzt schon vier Wochen beraten können. Sie haben bedauerlicherweise im November-Plenum die Aufnahme in die Tagesordnung verhindert. Insofern ist das bedauerlich, wir haben jetzt etwas Verzug, aber wir werden versuchen, das Verfahren so schnell wie möglich zu beenden.

Wir haben jetzt das Problem, dass einige Gemeinden bis 31.12.2016 festsetzen müssen – 166. Wir sind dem Innenministerium dankbar, dass die Gemeinden noch mal über ein Rundschreiben darauf hingewiesen wurden, dass sie Festsetzungen und Leistungsbescheid trennen können, sodass zwar, um die Verjährung zu verhindern, erst mal eine Festsetzung erfolgt, aber der Leistungsbescheid, das heißt die Zahlung, noch nicht geregelt wird. Da haben wir dann noch mal fünf Jahre Zeit. Eine Zahlungsverjährung tritt erst nach fünf Jahren ein, sodass es für die Gemeinden, die jetzt zwangsweise durch die Regelung, die die CDU zu verantworten hat, eigentlich erheben müssten, dann noch ausreicht, wenn die neue Gesetzeslage da ist und sie entscheiden können, ob sie das dann letztlich tat

sächlich von den Bürgerinnen und Bürgern für Maßnahmen vor 2006 ziehen oder nicht.

Warum 01.01.2006? Das war auch die Frage. Das hat etwas mit dem Urteil Benshausen zu tun, das war 2005, denn spätestens ab diesem Urteil wusste jede Gemeinde, dass es eine Erhebungspflicht gibt. Deshalb haben wir uns für den Termin 2006 entschieden.

Meine Damen und Herren, einen abschließenden Hinweis zum Kurbeitrag. Sie sollten sich freuen und könnten sagen: Opposition wirkt! Da könnten Sie sich freuen. Aber es hat eine andere Begründung und die haben wir damals umfassend besprochen. Wir haben gesagt: Rein rechtlich ist es nicht notwendig, denn das Rennsteig-Ticket zeigt es, dass es auch unter der jetzigen Rechtslage möglich ist. Es gibt übrigens nur ein Bundesland, das bisher so eine Regelung hat, die wir jetzt einführen, das ist Baden-Württemberg. Alle anderen Bundesländer haben die allgemeine Formulierung, wie wir sie haben, und es funktioniert überall. Das ist auch ein Beleg dafür, dass man es nicht zwingend regeln muss, dass es nur eine Klarstellung ist. Und wir haben immer gesagt: Wegen eines klarstellenden Punktes das Gesetz anzufassen, das ist ineffizient. Deshalb habe ich damals formuliert: Dieses Land hat andere Aufgaben zu erfüllen als eine Klarstellung.

Jetzt fassen wir das Gesetz aber im Zusammenhang mit der Regelung „Rückwirkende Erhebung Straßenausbaubeiträge“ ohnehin an und da stellt sich natürlich die Frage, was eine Klarstellung betrifft, ganz anders. Deshalb sagen wir: Jetzt können wir es klarstellen, denn wir brauchen das Gesetz nicht separat anfassen. Das ist der Grund. Hinzu kommt das, was Herr Adams gesagt hat, dass sich noch mal Hinweise verdichten, dass man sagt: Eine gesetzliche Regelung ist auch für die Debatte vor Ort gut, zum Beispiel für die Suhler, ob die sich nun beteiligen oder nicht. Da gibt es eben auch auf kommunaler Ebene Juristen, die sagen: Wenn es gesetzlich geregelt ist, fällt uns das leichter, auch im Stadtrat eine Mehrheit zu finden, als wenn es eben nur eine Klarstellung über ein Rundschreiben gibt.

Insofern ist das jetzt nicht so schlimm, weil wir das Gesetz ohnehin anfassen, es entsteht kein zusätzlicher Aufwand und die CDU kann hier beruhigt zustimmen. Dann haben wir eine klare Mehrheit und ein klares Signal an die Öffentlichkeit. Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Brandner, Sie haben das Wort.

(Abg. Kuschel)

Ich wollte noch mal zu der zurückliegenden Sache etwas sagen. Herr Kuschel hatte Dinge angesprochen, die 1992 geschehen sind und die ja nun bezahlt werden müssen. Es geht noch schlimmer, Herr Kuschel. Ich habe vor Kurzem einen Aufsatz gelesen: „Düsseldorf: Anwohner müssen für ‚HitlerAsphalt‘ zahlen“. Da sind tatsächlich um das Jahr 2010

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Im Westen, das war in den alten Bundeslän- dern!)

Bescheide erstellt worden, für Maßnahmen, die 1937 begonnen hatten. Also es geht noch schlimmer als in Thüringen, 80 Jahre rückwirkend. Darauf muss man sich erst mal konzentrieren, wenn man so einen Bescheid bekommt als derjenige, der die Beiträge zahlen muss.

Aber ich wollte noch mal etwas zu Herrn Kellner sagen. Herr Kellner hat ja wunderbar herausgearbeitet, dass hier die Rot-Grünen einen Antrag – na, wie sagt man – abgekupfert haben. Also, das ist ja jetzt nicht gerade rot-grün-typisch, Herr Kellner. Das zieht sich ja, seitdem wir hier im Landtag sitzen, durch fast jede Landtagsdebatte. Ihre Abkupferung bei uns, ich sage nur Volksabstimmungen beispielsweise. Zuerst ist es ein Teufelswerk, wenn wir es vorstellen, drei Wochen später die geniale Erfindung von Herrn Mohring, die Presse jubelt ihn hoch. Sie machen auch Kehrtwendungen um 180 Grad und bringen dann Sachen ein, die kurz vorher von uns eingebracht wurden. Inzwischen bejubeln Sie hier die gesamten Ausländer- und Asylgesetzvorschläge der AfD, der Schäuble-Schwiegersohn beispielsweise, der jetzt auch gelobt wird.

Kollege Brandner, es wäre schön, wenn Sie zum Tagesordnungspunkt zurückkehren würden.

Auf der anderen Seite sind Sie hundertprozentige Merkelgroupies beim Bundesparteitag. Das ist nicht unbedingt rot-grün-typisch. – Das hat Bezug. – Ich habe tiefenpsychologisch ergründet, warum das so ist, dass Sie abkupfern und Sie abkupfern. Das liegt bei Ihnen von der CDU daran: Sie erkennen, die AfD hat recht. Dann stellen Sie es hintenan und drei Monate später bringen Sie es voller Überzeugung ein. Das nehmen wir Ihnen auch ab. Da links ist es anders. Das ist intellektuell eine Schiene darunter. Die Rot-Rot-Grünen lesen unsere Anträge erst gar nicht. Die Linken lesen „AfD“ – wird abgelehnt. Danach wird unser Antrag gelesen. Dann wird gesagt, da hat die AfD eine Bombenidee gehabt. Da können wir ja nicht mehr zustimmen, ist ja zu spät.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Träumen Sie weiter, Herr Brandner!)

Frau Rothe-Beinlich, Sie rufen am lautesten und bringen es dann selbst ein. Sie erinnern sich noch an die Landtagsverkleinerung. Damit bin ich jetzt fertig. Teufelswerk, Frau Rothe-Beinlich, das „Freie Wort“ aus Suhl zitiert Sie in der letzten Woche,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Es geht um die Straßenausbaubeiträge!)

dass Sie plötzlich für eine Landtagsverkleinerung sind. Entweder auch nicht ganz richtig im Kopf oder aber genauso intellektuell unterbemittelt, wie ich das gerade dargestellt habe, anders kann ich mir das nicht erklären.