Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

dass Sie plötzlich für eine Landtagsverkleinerung sind. Entweder auch nicht ganz richtig im Kopf oder aber genauso intellektuell unterbemittelt, wie ich das gerade dargestellt habe, anders kann ich mir das nicht erklären.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Was hat er jetzt zum Antrag gesagt?)

(Beifall AfD)

Aber die Bemerkung, Herr Kollege, „nicht ganz richtig im Kopf“ ist auch geeignet, die Persönlichkeit eines Abgeordneten in den Senkel zu stellen, deswegen werde ich das an dieser Stelle erst einmal nur rügen. Jetzt hat sich Abgeordneter Fiedler oder Kellner zu Wort gemeldet. Seid ihr euch einig? Herr Kellner, bitte.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Es ist egal, ob Kellner oder Fiedler, das ist Wurst.)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss doch noch einmal drei Sätze verlieren. Herr Kuschel hat hier wie immer einen Rundumschlag in die Historie quer durch ganz Europa gemacht und ist in Thüringen wieder gelandet. Immer das Gleiche, deswegen wird es aber nicht besser, Herr Kuschel. Was Sie jetzt vorgebracht haben, wie schlimm das alles ist, was wir getan haben – hier muss festgestellt werden, dass 80 Prozent der Kommunen rechtskonform gehandelt haben. Sie haben Satzungen erlassen, Beiträge erhoben und letztendlich die Bürger beteiligt. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass die direkte Beteiligung der Bürger für Maßnahmen, die vor ihrer Haustür stattfinden, die bessere Variante ist als Ihre Infrastrukturabgabe – wir können auch sagen „-steuer“. Etwas anderes ist es nicht, wie im angelsächsischen Raum, wo man das über Steuern finanziert. Da geht alles in die Grundsteuer und dann kann die Straße nie gemacht werden, aber ich bezahle mein Leben lang eine hohe Steuer, obwohl ich nie eine Investition bekomme. Das ist Ihr Modell. Das lehnen wir ab. Der Bürger bezahlt nur dafür, was er auch tatsächlich nutzen kann und auch tatsächlich

vor Ort hat, deswegen wird Ihr Modell nicht die Zukunft sein. Ganz im Gegenteil, das ist rückschrittlich und macht alles gleich und keiner hat entsprechend dann auch Leistungen. Sie machen Klientelpolitik.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie machen die Maut, was ist denn das?)

Die am lautesten schreien, stellen sich jetzt hin und wollen das jetzt alles regeln. 80 Prozent der Kommunen machen das. Sie spalten unser Land. Etwas anderes machen Sie nicht. Sie spalten dieses Land, in dem reiche Kommunen sich das leisten können. Aber viele, die verantwortungsbewusst umgehen, weil sie wissen, sie haben einen Schuldenberg, den sie abtragen müssen, sie haben Investitionen, die im nächsten Jahr notwendig sind, die sie abdecken müssen. Jetzt geraten sie unter Druck durch den Bürger, den Sie glauben machen wollen, Geld spielt keine Rolle, ihr müsst nur euren Beitragsbescheid oben abgeben, dann bekommt ihr die Kohle und fertig, aus. Wie will man denn das dem Bürger erklären? Er hat 1995 5.000 Euro bezahlt und jetzt bekommt er von Ihnen die Botschaft: Die können Sie auf dem Rathaus abholen. Dass der sagt: „Nein, das mache ich nicht, wir wollen noch vieles andere machen.“, glauben Sie doch selbst nicht. Hier wird das Land gespalten. 80 Prozent haben ihre Arbeit gemacht, 20 Prozent nicht. An der Stelle, muss ich sagen, ist das ein Spiel mit dem Feuer. Was die finanzielle Ausstattung anbelangt, Herr Kuschel, da erinnere ich an den KFA, den Sie letztendlich beschlossen haben. 100 Millionen Euro weniger für die Kommunen. Viele Kommunen sind nämlich in Schieflage geraten, weil sie das Geld eben nicht mehr haben.

Doch, Herr Dittes, da müssen Sie nicht mit dem Kopf schütteln, das ist so.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Herr Kellner?

Nein, Herr Kuschel kann ja dann vorn weiterreden.

An der Stelle ist das doppelzüngig. Auf der einen Seite sage ich, die Kommunen bekommen eine hohe kommunale Selbstverwaltung. Das ist das, was sie immer wollen. Ihr könnt entscheiden, was ihr mit eurem Geld macht. Auf der anderen Seite ist die Finanzausstattung nicht so, dass sie das auch wirklich können. Viele Gemeinden können es nicht. Ich finde das hochgradig gefährlich. Wir werden das in der Anhörung ja feststellen.

Ich wünsche mir von den regierungstragenden Fraktionen, dass sie die Anhörung ernst nehmen, eine mündliche Anhörung machen und Bürgermeister, Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzende und Oberbürgermeister in einer mündlichen Anhörung

zu Wort kommen lassen. Das kann vielleicht Herr Dittes als Ausschussvorsitzender gleich in den Ausschuss mitnehmen. Nicht wie bei der Gebietsreform, dass man alle unsere Bürgermeister, die aus der kommunalen Familie gekommen sind, runtergestrichen hat, weil man gesagt hat, dass Spitzenverbände reichen. Es wäre angebracht, den Bürgermeister, der sich vor Ort genau mit dieser Regelung auseinandersetzen muss, zu Wort kommen zu lassen.

(Beifall CDU)

Deswegen meine Bitte, dass das auch in der Anhörung ernst genommen wird und die Leute alle gehört werden. Noch mal: 80 Prozent haben die Arbeit gut gemacht. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kellner. Als weitere Wortmeldung habe ich Herrn Abgeordneten Kuschel und danach Herrn Abgeordneten Fiedler.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil die Debatten auch in der Öffentlichkeit mitverfolgt werden, muss einfach etwas klargestellt werden, und zwar im Hinblick darauf, was Herr Kellner hier jetzt versucht hat, als Argument vorzutragen, was die Rückerstattung betrifft. Erst mal darf ich daran erinnern – das ist auch nichts Neues –, am 1. Mai 2004 hat Herr Althaus, CDU, in der Vereinsbrauerei Apolda verkündet: Wir schaffen die Wasserbeiträge ab. Ich war damals – das weiß ich genau – auf dem Weg nach Kassel und dachte: Na ja, 1. Mai Vereinsbrauerei, mal sehen, ob die am 2. Mai noch wissen, was da am 1. Mai gesagt wurde.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Das hat da- mit nichts zu tun!)

Aber sie haben das dann auch durchgesetzt; das war also ernst gemeint. Das Gesetz ist nach der Landtagswahl zum 01.01.2005 verabschiedet worden. Dort haben sie gesetzlich die Abschaffung der Wasserbeiträge und die Rückerstattung bisher gezahlter normiert. Rückerstattet wurden inzwischen 178 Millionen Euro.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 178 – echt?)

Ja. Die Zweckverbände mussten auf rund 400 Millionen Euro Beiträge, die sie noch erheben wollten, verzichten. Das erstatten wir alles den Zweckverbänden.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Ja, dann macht das!)

(Abg. Kellner)

Die Finanzministerin hat es ausgerechnet – das ist Sondervermögen. Da kommt noch die Privilegierung beim Abwasser dazu, dort sind rund 80 Millionen Euro zurückerstattet worden.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Aber Sie müssten es auch abschaffen!)

300 Millionen Euro fallen unter die dauerhafte Privilegierung, also dürfen nicht erhoben werden. Das kostet das Land bis zum Jahr 2060 etwa 1,5 Milliarden Euro. So weit dazu, was Sie gemacht haben; das machen wir jetzt so verantwortungslos nicht. Wir belasten nicht den Landeshaushalt. Wir sagen, wir müssen eine Regelung treffen, mit der wir sowohl auf Landesebene umgehen können, als auch auf der gemeindlichen Ebene. Ich bin mit diesem Prozess fast wöchentlich konfrontiert, dass Bürgermeister und Gemeinderäte sagen: Wir erheben doch nicht, weil wir nur gesetzeskonform handeln, sondern weil wir eben gezwungen werden. Wir können unseren Bürgern überhaupt nicht vermitteln, dass wir jetzt für Maßnahmen der Jahre 1991, 1992, 1993 erheben sollen.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Ich rede von denen, die es schon gemacht haben, nicht von den anderen!)

Deswegen eröffnen wir diese Option. Bei der Rückerstattung kann der Bürger nicht ins Rathaus gehen und sagen: Ich will mein Geld wieder. Das muss der Gemeinderat innerhalb der Haushaltssatzung und des Haushaltsplans entscheiden. Klar, da wird eine Debatte stattfinden. Aber auch dabei darf ich daran erinnern, dass es schon Gemeinden gab, die das gemacht haben. Weil Satzungen ungültig waren, haben sie gesagt: Jetzt zahlen wir erst mal zurück. Auch das ist jetzt überhaupt nichts Neues und Außergewöhnliches. Sicherlich, wenn wir als Land dauerhaft leistungsfähig gewesen wären – durch eine Steuerdeckungsquote nahe 100 Prozent –, dann hätten wir das vielleicht auch gesetzlich machen können. Aber ich habe Ihnen gesagt, dass schon bei Wasser und Abwasser der Landeshaushalt enorm belastet wird.

Jetzt verfällt die CDU wieder in die gleichen Mechanismen, wie bei vielen Themen seit 2014. Das zeugt davon, dass Sie als Oppositionspartei hoch verunsichert sind und immer nur Ängste und Verunsicherung schüren, weil Sie es eben nicht gelernt haben; Sie waren nur Regierungspartei.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Also, Herr Kuschel!)

(Heiterkeit CDU)

Auch hier kann ich nur appellieren, die Chancen, die in dieser gesetzlichen Neuregelung liegen, auch mal zu thematisieren. Es ist eben die Chance, dass Bürgermeister und Gemeinderäte nicht gegen ihre eigene Überzeugung für Maßnahmen noch Geld

kassieren müssen, die 20 Jahre zurückliegen. Darauf können sie verzichten.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Sie kön- nen? Ihr habt es verhindert!)

Ja, das entscheiden sie selbst. Die CDU hat die Gemeinden gezwungen, ohne Ermessen. Wir schaffen ein Ermessen. Klar, wenn ich mir dieses Ermessen für die Vergangenheit schaffe, müssen wir auch die Rückzahlungsoption schaffen, weil es da um den Gleichheitsgrundsatz geht. Ich hatte ja gesagt, dass nicht nur einzelne Gemeinden betroffen sind, sondern eine Vielzahl von Gemeinden, weil zum 31.12.2016 166 Gemeinden rückwirkend bis zum Jahr 1991 Straßenausbaubeiträge leisten müssten.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Von 900!)

Von Ihnen, das wollen Sie als CDU, das wollen wir als Linke nicht. Wir wollen, dass die Gemeinden selbst entscheiden können. Wir gehen davon aus, dass sie verantwortungsvoll damit umgehen. Im Übrigen sind die Ausbaumaßnahmen schon alle bezahlt. Es ist keine Rechnung mehr offen; es ist alles bezahlt. Klar, die Einnahmen verstärken den Haushalt heutzutage, aber eigentlich ist es bezahlt. Wir müssen doch auch Politik aus Sicht der Bürger, nicht nur aus Sicht der Bürgermeister und Gemeinderäte machen.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Gemein- deräte sind auch Bürger!)

Der Bürger hat doch ein Anrecht darauf, dass er, wenn er vor seiner Haustür eine Straße saniert bekommt, irgendwann mal davon ausgehen kann, dass er entweder zeitnah beteiligt wird oder dass es steuerfinanziert ist. Das ist doch ganz klar. Für die Zukunft schaffen wir die Regelung, dass zukünftig wie in Sachsen-Anhalt vor Ausbaubeginn eine Satzung vorliegen muss. Das heißt, für künftige Maßnahmen haben wir dieses Problem der Rückwirkung überhaupt nicht mehr. Aber gegenwärtig haben wir es.

Und eine letzte Anmerkung will ich noch dazu machen, wie Sie als CDU Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts umsetzen: Es gab 2013 ein Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Kommunalabgabengesetz in Bayern. Der bayrische Fall beinhaltete eine Rückwirkung von zwölf Jahren. Da hat das Verfassungsgericht gesagt: Es ist unzulässig, weil der Bürger ein Recht auf eine eigene Lebensplanung hat und sich auch Gemeinden daran halten müssen, also nicht unbegrenzt rückwirkend in die Lebensplanung der Menschen eingreifen dürfen. Ein höchst interessantes Urteil, kann ich nur empfehlen. Wie haben Sie das umgesetzt? Ich habe das noch nie erlebt, wie man so an einem Urteil vorbei eine gesetzliche Regelung treffen kann. Sie haben gesagt: Wir respektieren diese zwölf Jahre, aber erst ab dem Jahr 2021. Das ist Ihre Politik.

Das heißt, Sie haben nicht mal Achtung vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie nehmen die zwölf Jahre und schaffen eine Übergangsregelung für Thüringen, dass bis 2021 die unbegrenzte Rückwirkung bis 1991 gilt. Erst ab 2021 gilt dann die Zwölf-Jahres-Regelung.

(Unruhe CDU)

Ich halte das für bedenklich, wenn schon das oberste Gericht in der Bundesrepublik sagt, in Bayern sind zwölf Jahre verfassungsrechtlich bedenklich und verfassungswidrig, und Sie als CDU eine Regelung schaffen, die zunächst die 30 Jahre beinhaltet und erst viel später zwölf. Das heißt, also das ist nicht zukunftsfähig, was Sie hier machen. Insofern haben Sie jetzt die Chance, uns in dem Gesetzgebungsverfahren zu unterstützen und damit auch ein wenig Selbstkritik darin zu üben, dass Ihre bisherige Politik im Bereich Straßenausbaubeiträge weder im Interesse der Gemeinden noch im Interesse der Gemeinderäte noch im Interesse der Bürgermeister und schon gar nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger war. Jetzt schaffen wir eine ausgewogene Regelung, wo sich Bürgerinnen und Bürger, Gemeinderäte, Bürgermeister und auch das Land wiederfinden können. Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Fiedler für die CDU-Fraktion das Wort.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Zwei Stunden haben Sie noch!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich den Kommunalexperten Kuschel höre, dann graust es mir langsam.

Sehr geehrter Herr Kollege, Sie sollten sich …