Protokoll der Sitzung vom 26.02.2015

um im Wahlkampf Materialien für Parteien zur Verfügung zu stellen, um dann damit Stimmungen zu erzeugen. Damals war ich noch Gewerkschafter und ich erinnere mich an die CDA-Broschüre gegen linke Gewerkschafter und an eine bestimmte Form von Stimmung, die damit gegen Menschen erzeugt werden sollte. Ich erinnere mich an die eine oder andere Parlamentssitzung danach, bei denen ich dann bitten würde – und da, Kollege Mohring, gebe ich Ihnen die Hand –, wenn wir diese Form der Unkultur gemeinsam beerdigen, wäre das ein guter Schritt. Das wollte ich nur zu diesem Teil anmerken, weil ich glaube, mit Anzeigen bringen wir uns wechselseitig alle nicht weiter

(Beifall DIE LINKE)

und andere beschäftigen sich nur damit, dass sie den Kopf über uns schütteln. Deswegen glaube ich tatsächlich, dass wir zur politischen Auseinandersetzung zurückkehren müssen, auch wenn sie dann hart ist.

Eine Bemerkung, die Sie zum Nationalismus gemacht haben: Interessant ist, dass Herr Höcke etwas ganz anderes gehört hat. Herr Höcke hat gehört, ich will die Nation abschaffen. Das ist aber schon eine intellektuelle Meisterleistung, bei der ich mich dann frage, wie das die Schüler von Herrn Höcke früher im Unterricht ausgehalten haben, wenn sozusagen aus gefühlter Wahrnehmung,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe DIE LINKE)

völlig neue Konstruktionen entstehen. In meiner gesamten Regierungserklärung kommt nichts vor, aus dem man auch nur schlussfolgern könnte, dass der Freistaat Thüringen aufgelöst, fusioniert, irgendwo übergeleitet werden soll. Es bleibt dabei, dass man erst einmal Feindbilder erzeugt, um sie anschließend hier wortreich bekämpfen zu können. Das, finde ich, ist nur mit Absurdistan zu umschreiben.

Wo Sie mich, lieber Herr Mohring, auf Griechenland ansprechen, will ich es gern wiederholen: Ja, die Koalition gefällt mir nicht. Und ja, alle anderen bürgerlichen Parteien haben sich und auch die Kommunistische Partei Griechenlands hat sich einer Koalitionsbildung verweigert, obwohl der Wahlsieger die Bewegung Syriza ist. Es fehlten nur zwei Stimmen für eine absolute Mehrheit im griechischen Parlament, um damit dem Wählerwillen des Volkes eine Richtung zu geben, damit Politik wieder an der Seite derjenigen stattfindet, die sich ausgegrenzt und durch Europa alleingelassen gefühlt, richtig ausgebeutet gefühlt haben. Denn immerhin – und

(Ministerpräsident Ramelow)

darauf habe ich verwiesen – Elendsküchen, die eingerichtet werden, Kinder, die in Kinderheimen abgegeben werden, nackte Armut und Kampf ums Überleben in einem europäischen Partnerland, das kann kein Zustand sein, bei dem wir uns befriedigt zurücklehnen und sagen: Es geht uns nichts an.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

In diesem Zusammenhang –das gestehe ich – habe ich erwähnt, dass der dadurch erzeugte Nationalismus jetzt in einer Regierung eingebunden wird. Das war nicht meine Freude, dass ich diesen Nationalismus, der da erzeugt wurde, nun gutheiße. In Griechenland gibt es noch eine andere Partei, die offene Gewalt anwendet. Die „Morgenröte“ ist eine Mischung aus terroristischer Organisation, gewaltbereiter Struktur und man weiß gar nicht, wo der parlamentarische Sitz anfängt und das Strafgefängnis den nächsten Schritt auslöst.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist aber nicht zu verwechseln mit dem Koalitionspartner von Syriza. Ich bleibe dabei, der Koalitionspartner von Syriza wäre nicht meine erste Wahl, mit der ich reden wollte, aber in Griechenland unter Bedingungen, bei denen sich alle anderen Parteien, auch Ihre Partnerpartei, einfach verweigert haben – unsere Partnerpartei im Übrigen auch, die KKE ist lange in der europäischen Fraktion unsere Partnerpartei gewesen. Das finde ich schwierig. Deswegen habe ich erwähnt, dass diese Form von Einbindung von Nationalismus, den Syriza jetzt macht, von mir begrüßt wird.

An drei Stellen will ich es mal deutlich machen und da wäre ich gespannt, ob dann der Begriff der Rechtspopulisten so noch stimmt und aufrechtzuerhalten ist. Diese neue Regierung Griechenlands hat bei der Frage der Homophobie ein neues Ehestandsrecht auf den Weg gebracht, bei dem auch gleichgeschlechtliche Ehen endlich gleichbehandelt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Das kann man schlechterdings mit Rechtspopulismus in Einklang bringen.

Eine zweite Maßnahme, die diese neue Regierung unternommen hat, ist, dass die Flüchtlingskinder in Griechenland zu Staatsbürgern gemacht worden sind. Sie haben eine große Einbürgerungswelle jetzt in Griechenland auf den Weg gebracht und machen endlich die Kinder, die Not leidend sind und zwischen alle europäischen Borderlines geraten sind, zu Bürgern in Griechenland. Ich glaube, dass Rechtspopulisten oder Menschen, die an der Blut-und-Boden-Ideologie hängen würden, so etwas in der Regel nicht tun. Auch das zweite Erkennungsmerkmal der neuen griechischen Nationalre

gierung zeigt, dass dort deutlich neue Wege gegangen werden.

Eine dritte Bemerkung –das war der Hinweis von Egon Primas, warum das früher nicht schon immer gemacht worden ist. Ja, die neue griechische Regierung hat jetzt deutlich gesagt, es müssen auch von den reichen Reedern Steuern erhoben werden. Das ist mit diesem Koalitionspartner endlich geschehen. Ich hoffe darum –die Skepsis, lieber Egon Primas, teile ich –, dass jetzt alle den Mut und die Kraft haben, dass die gleichmäßige Besteuerung aller griechischen Vermögen endlich zum normalen Standard eines demokratischen Rechtsstaats wird und die europäischen Banken nicht wieder noch dazu beitragen, dass das Kapital aus Griechenland herausgeschleust werden kann, um hinterher wieder an den Staatsschulden Geld zu verdienen.

(Beifall DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen, glaube ich, lohnt es sich, da genauer hinzusehen. Diesen Teil wollte ich wenigstens so eingeordnet haben, dass ich sage, ich wünsche mir, dass wir eine andere Beziehung zu den Südstaaten in Europa bekommen, denn tatsächlich leben wir in Deutschland im Zentrum des Euros und wir leben durch den Euro. Ich bin froh, dass es den Euro gibt und ich bin froh, dass der Wirtschaftsraum, der daraus gestaltet worden ist, uns Chancen ermöglicht, die die Bundesrepublik Deutschland so noch nie hatte, denn wir sind im Moment diejenigen, die tatsächlich im europäischen Binnenmarkt profitieren. Die Arbeit wird zurzeit in Deutschland organisiert und die Wertschöpfung findet in Deutschland statt und die guten Arbeitsmarktdaten, die gerade bekannt gemacht worden sind, haben auch etwas damit zu tun, dass wir eine der leistungsfähigsten Nationen in diesem europäischen Verbund sind. Deswegen sollten wir uns zurückhalten, herablassend über andere Staaten in Europa zu reden und zu sagen, das sind die Faulen, wenn diejenigen, die tatsächlich faul sind, diejenigen sind, die immer ihr Kapital dahin schaffen, wo sie am wenigsten Steuern bezahlen. Deswegen sage ich und das muss man Herrn Juncker einfach sagen und sich dann auch trauen auszusprechen, solange Herr Juncker der Chef von Luxemburg war, solange ist eine Industrie in Luxemburg gestiegen –das gefällt mir jedenfalls nicht –, das ist die Industrie der Steuervermeider und derjenigen, die Steuerumleitungen und Steuerzerlegung organisieren. Ich finde, auf diese Industrie könnten wir dann verzichten, wenn es eine europäische Besteuerung gäbe, bei der es keine Lücken mehr zwischen den europäischen Staaten gäbe und kein Profit mehr daran zu machen ist, dass man den einzelnen Nationalstaat und den einzelnen Sozialstaat einfach umgeht und sagt: Ich gehe dahin, wo ich am wenigsten Steuern zu bezahlen habe. Insoweit sage ich: Amazon und Starbucks lassen grüßen. Wir haben im europäi

(Ministerpräsident Ramelow)

schen Maßstab ein paar Hausaufgaben zu machen und da muss man dann auch sagen, der Sozialstaat Europa als Sozialstaat muss von allen bezahlt und finanziert werden, die im Sozialstaat und im Euroraum und in Europa gute Geschäfte machen. Dann muss im christlichen Sinne der, der mehr tragen kann, auch mal ein bisschen mehr auf die Schultern gelegt bekommen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Eine letzte Bemerkung, lieber Herr Mohring: Sie haben gesagt, ich soll darauf achten, dass die neue Landesregierung unseren Freistaat Thüringen nicht isoliert. Ja, da bin ich sehr einverstanden. Darauf sollten wir achten. Wir sollten aber auch nicht für dumm verkauft und einfach nur missbraucht werden von anderen, die dann für sich ihre Separatgeschichten gegen unser Bundesland machen. Deswegen das Beispiel der Stromtrassen. Wenn die Stromtrassen als gemeinsame Entwicklung vorangetrieben werden, um sie für die Energiewende und für die Folgen aus dem Atomausstieg einzusetzen, dann wäre das eine Verantwortung, die alle gleichermaßen zu tragen haben. Da muss man aber auch die Konsequenzen ziehen. Es gab mal eine Regierungserklärung der vorherigen Regierung; das war Christine Lieberknecht, die zum Atomausstieg eine deutliche Regierungserklärung gemacht hat. Da korrigiere ich sie nur ungern. Meine Fraktion hat damals stark applaudiert und Ihre hat sich sehr zurückgehalten. Das war schon eine interessante Erfahrung, dass der Atomausstieg doch deutlich unterschiedlich bewertet wurde. Aber um eins klar zu sagen: Gestern Abend fand der Starkbieranstich in Bayern statt, auf dem Nockherberg. Da hat Thüringen zumindest eine Rolle gespielt. Da sind wir angekommen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie Angst vor uns hatten, sondern Gregor Gysi durfte als Figur diesmal schon auf dem Nockherberg mitspielen, also willkommen in der Normalität der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Eine letzte Bemerkung nach dem Vortrag von Kollegen Hey, bei dem ich viel über die Elektroleitfähigkeit von Waldhonig gelernt habe:

(Unruhe CDU)

Jetzt verstehe ich tatsächlich die Stromtrassenauseinandersetzung ganz neu, jetzt sollten wir über eine Waldhonigbahn bis Bayern gemeinsam reden. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident. Gibt es aus den Reihen der Abgeordneten noch Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Mohring.

Danke für den rotgardistischen Beifall.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

Ich wollte noch einmal abschließend zur Debatte Europa und Nationalismus, nachdem Sie das noch mal angesprochen haben, etwas sagen und nur mit einem Zitat von Johannes Rau bei seiner Wahl zum Bundespräsidenten im Mai 1999 antworten. Vielleicht hilft das auch zur Einordnung, weil ich wenigstens zugutehalten will, dass Sie die Begriffe einfach nur verwechseln. Ich bleibe dabei: Europa und Nationalismus passt nicht zusammen. Es gibt auch keine Rechtfertigung, nur weil anders angeblich keine Regierungsbildung möglich war. Ich finde, bei dem – das will ich schon noch sagen –, was Die Linke die ganzen Wochen, Monate, Jahre an Politikansatz vertritt, gibt es keine Rechtfertigung, auch für Linke nicht, mit Rechtspopulisten eine Regierung zu bilden. Der Maßstab muss für alle gelten, auch für Ihre Freunde in Griechenland.

(Beifall CDU, AfD)

Aber zur Einordnung Nationalismus in Europa will ich einfach nur Johannes Rau zitieren. Der hat am 23. Mai 1999 Folgendes gesagt: „Ich will nie ein Nationalist sein, aber ein Patriot wohl. Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet. Wir aber wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, in Europa und in der Welt.“ Ich finde, das sollte Maßstab sein.

(Beifall CDU, AfD)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich frage: Wird für den Entschließungsantrag Überweisung beantragt? Wenn das nicht der Fall ist, dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag. Wer dem Entschließungsantrag die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Mit den Stimmen von AfD und den Gegenstimmen aller anderen Fraktionen ist der Entschließungsantrag abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt. Bevor wir in eine Mittagspause bis 13.45 Uhr gehen, möchte ich noch daran erinnern, dass sich die Mitglieder des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit bitte am Übergang zum Fraktionsgebäude zum Fototermin einfinden möchten.

(Ministerpräsident Ramelow)

Wir führen die Sitzung fort und ich rufe die

Fragestunde

auf. Ich rufe die Mündlichen Anfragen auf und bitte die Abgeordneten, ihre Fragen vorzutragen. Der Anfragende hat das Recht, zwei Zusatzfragen zu stellen, zwei weitere Zusatzfragen dürfen aus der Mitte des Landtags gestellt werden.

Die erste Anfrage hat der Abgeordnete Dr. Voigt, CDU.

Recht herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

Langzeitstudiengebühren

Neben einzelnen Veränderungen, wie zum Beispiel die Umbenennung des „Studentenwerk Thüringen“ in „Studierendenwerk“ sieht der Koalitionsvertrag der regierungstragenden Parteien Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen ebenfalls eine Überprüfung des Thüringer Hochschulgebühren- und -entgeltgesetzes vor, das unter anderem auch die Erhebung von Studiengebühren für Studenten vorsieht, die die Regelstudienzeit ohne vorliegende Ausnahmetatbestände mehr als vier Semester überschreiten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie schätzt die Landesregierung das Problem der Regelstudienzeitüberschreitung an den Hochschulen und Fachhochschulen in Thüringen ein?