Protokoll der Sitzung vom 03.11.2017

Besonders witzig ist der Passus, dass sichergestellt werden soll, „dass die Angabe der ungültigen Stimmen unter Verweis auf die gewählte Partei erfolgt“. Immer da, wo bei einem Stimmzettel irgendwie erkennbar ist, welcher Partei jemand die Stimme geben wollte – auch wenn das Kästchen vielleicht nicht ganz getroffen ist –, dann wird diese Wahlstimme als gültig gewertet. Das wissen alle, die schon einmal Wahlhelferin oder Wahlhelfer gewesen sind. Deswegen kann es nur ungültige Stimmen geben, die so ungültig sind, dass man überhaupt keine Parteipräferenz erkennen kann. Deswegen kann man ungültige Stimmen auch nicht

nach Verweis auf gewählte Parteien sortieren. Das ist faktisch und theoretisch und praktisch vollkommen unmöglich und eine merkwürdige Idee.

Wir brauchen auch keine rechtlichen Klarstellungen, „unter welchen Bedingungen der Wählerwille als klar erkennbar gilt“. Immer dann, wenn solche Stimmzettel aufgefunden werden – das weiß auch jeder, der da schon einmal geholfen hat –, dann wird das auch vorgezeigt, rumgezeigt. Dann sagen alle: Wie sieht das jetzt aus, können wir hier einen eindeutigen Wählerwillen feststellen? Wenn sich alle einig sind, wird es zugeordnet, und wenn nicht, dann eben nicht. Da kann man jetzt keine Regeln aufstellen, wie weit das Kreuzchen vom Kästchen weg sein soll. Oder wie haben Sie sich das vorgestellt?

Schließlich der letzte Punkt, dass darauf hingewirkt wird, „dass die Orte der Auszählung der Briefwahl stets öffentlich bekannt gegeben werden, um eine öffentliche Wahlbeobachtung der Auszählung der Briefwahlergebnisse zu ermöglichen“: Auch da ist immer bekannt gegeben, dass die Briefe ausgezählt werden – in der Regel in den Rathäusern –, und auch da ist die Öffentlichkeit zugelassen.

Sie bauschen hier ein Problem auf, was keines ist. Es gibt in Thüringen immer auch die Möglichkeit – und auch in anderen Bundesländern –, wenn Unstimmigkeiten vermutet werden, Nachzählungen zu beantragen oder dann eben auch Fehler geltend zu machen, bis hin zu Gerichten. Es gibt überhaupt keinen Grund, anzunehmen, dass der Volkswille bisher nicht korrekt abgebildet werden würde und dass wir hier in Thüringen schon jemals eine absichtliche Wahlverfälschung zulasten Ihrer Partei gehabt haben oder haben würden.

Selbst wenn Sie der Meinung wären, es würden irgendwelche Dinge schieflaufen, dann sind die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen jedenfalls nicht geeignet, irgendwie eine andere Praxis herzustellen, weil, wie gesagt: Die ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, für die wir alle, glaube ich, unsere Hand ins Feuer legen können, arbeiten in der Regel zuverlässig und präzise. Natürlich kann es immer mal zu kleinen Fehlern kommen. Das haben Sie auch wieder nicht verstanden, die Frage mit der Mandatswirksamkeit. Natürlich werden nicht Neuwahlen angeordnet, wenn man feststellt, dass in irgendeinem Stimmbezirk zwei Stimmen falsch zugeordnet worden sind und bei der Nachzählung sich aber an der Sitzverteilung des zu wählenden Parlaments nichts ändert. Dann werden natürlich nicht die Bürgerinnen und Bürger zu irgendwelchen Neuwahlen aufgerufen und dann wird die Wahl auch nicht unwirksam, weil dann ist das nicht mandatsrelevant. Auch das ist etwas sehr Vernünftiges.

Wir leben in einem Rechtsstaat und der funktioniert. Auch bei den freien und geheimen Wahlen ist das der Fall.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank. Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Müller, Fraktion Die Linke, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen, schon allein die Überschrift des Antrags „Für ein korrektes Abbild des Volkswillens – Wahlverfälschung unterbinden!“ enthält eine unterschwellige, aber dennoch deutliche und sehr unsachliche Unterstellung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Gefällt Ihnen nicht, stimmt’s?)

Da kann man sich schon fragen: Wo bleibt hier das Sachlichkeitsgebot, das für die Formulierung von Anträgen, Anfragen und anderen parlamentarischen Initiativen gilt? Wir sehen das hier nicht. Wie schon die Überschrift beschwört der Antrag als Ganzes in echter populistischer AfD-Manier den Popanz vermeintlich am Horizont drohender Wahlmanipulationen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Sagen Sie mal was Neues!)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Sie machen doch immer dasselbe, da kön- nen wir nichts Neues sagen!)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Von Ihnen kommt doch nichts Neues!)

Damit werden Wahlvorstände sowie Wahlhelferinnen und Wahlhelfer in Thüringen unter einen ungeheuerlichen und völlig unberechtigten Generalverdacht gestellt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Dass das ge- rade jemand von den Linken sagt!)

Das ist eine zynische Missachtung von bürgerschaftlichem, demokratischem Engagement. Ohne dieses könnten Wahlen in Thüringen und auch anderswo gar nicht so reibungslos und gut ablaufen. Dafür auch heute noch mal ein großes Dankeschön an alle knapp 30.000 Wahlhelfer/-innen, die bei der vergangenen Bundestagswahl aktiv waren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie alle in der „Thüringer Landeszeitung“ vom 23.06.2017 lesen konnten, ist ja die eigentliche In

tention, dass die AfD nicht glauben konnte, dass es möglich ist, in einigen Wahllokalen null Prozent oder keine Stimme zu erhalten. Das steckt dahinter. Da will ich mal zitieren – mit Ihrer Erlaubnis, sehr geehrte Frau Präsidentin –: Dort habe die AfD in einigen Wahllokalen null Prozent erhalten, was aus statistischer Sicht sehr unwahrscheinlich sei. – Das sagt Stefan Brandner, AfD-Fraktionsvize in Thüringen. Da will ich Sie einmal enttäuschen; es gab auch bei der Bundestagswahl wieder Gemeinden, wo Sie null Stimmen erhalten haben. Eine kleine Gemeinde Gerstengrund im Wartburgkreis, fast 100 Prozent CDU und null Stimmen AfD. Da Wahlverfälschung zu unterstellen, ist schon ein großer Popanz.

Doch nun zur Auseinandersetzung mit den Inhalten des Antrags, soweit man von seriösen Inhalten sprechen kann. Frau Marx hat ja schon einiges erwähnt, aber ich glaube, wenn man etwas zweimal hört, verfestigt sich das hoffentlich auch bei Ihnen. Sie fordern, dass die Orte der Auszählung für Briefwahlen öffentlich bekannt gegeben werden. Ich könnte es kurz machen und wie in der Schule sagen: Setzen, sechs, Thema verfehlt. Denn Ort und Zeit der Stimmenauszählung, auch der Briefwahlstimmen, werden bekannt gemacht. Alle Bürgerinnen und Bürger, egal ob konkret wahlberechtigt oder nicht, können an der Stimmenauszählung als Beobachterinnen und Beobachter teilnehmen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wann denn, wo denn?)

Denn diese Stimmenauszählungen müssen zwingend öffentlich stattfinden. Wenn die AfD also Misstrauen hätte, gibt es keinen Hinderungsgrund. Gehen Sie einfach hin und gucken zu.

Zweitens: Sie fordern den Verschluss der Wahlurnen bis zum Ende der Stimmabgabe und gläserne Wahlurnen. Auch hier sagen wir, Thema verfehlt, denn die Wahlurnen sind gegen unbefugte Öffnung gesichert und die Frage der gläsernen Wahlurne ist unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Wahlgeheimnisses problematisch – das hat auch schon Frau Kollegin Marx erklärt. Denn es ist immerhin der Fall vorstellbar, dass sich der Stimmzettel beim Landen in der Urne wieder entfaltet und so ungewollt eine Zuordnung der Stimmabgabe zur Person stattfindet, wenn diese noch an der Urne steht. Die Einführung gläserner Wahlurnen würde daher zwingend die Wiedereinführung von Briefumschlägen zum Eintüten der Stimmzettel erforderlich machen. Das ist nicht nur aus ökologischen Gründen wenig sinnvoll, sondern auch mit Blick darauf, dass sich das Auszählungsverfahren verkompliziert und verlängert, da dann noch eine gesonderte Auszählungsrunde der noch nicht geleerten Briefumschläge eingelegt werden muss. Hinzu kommt, dass die logistische Auszählungsarbeit immer im Team als Wahlvorstand erledigt wird. Es gilt das Mehraugen

(Abg. Marx)

prinzip als zusätzlicher wirksamer Schutz gegen Manipulationen. Zum Mehraugenprinzip gehört in diesem Fall auch, dass alle Beteiligten auf die korrekte Erfüllung der Aufgabe vereidigt sind, dass alle Verfahrensschritte in einem Protokoll festgehalten werden müssen, das von allen Mitgliedern des Wahlvorstands in jedem Wahllokal, auch von den Briefwahlvorständen, unterzeichnet werden muss, dass alle archivierten Wahlunterlagen, Stimmzettel, Protokolle von einem Wahlausschuss nachgeprüft werden und erst dann das eigentliche Endergebnis feststeht.

Angesichts dieser Tatsachen wird klar: Der Antrag ist populistische und negative Stimmungsmache Marke AfD.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher ist es auch nicht überraschend, dass wir diesen AfD-Antrag ablehnen. Auch dieser Ausschussüberweisung werden wir keinesfalls zustimmen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Thamm, Fraktion der CDU, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich könnte es mir jetzt einfach machen und könnte sagen, die Kolleginnen vor mir haben das alles schon gesagt. Ich habe es ähnlich aufgeschrieben. Aber, meine Damen und Herren von der AfD, es ist schon beschämend, dass Sie 27 Jahre nach der politischen Wende den Leuten, den Frauen und Männern, die 27 Jahre freiheitlichdemokratische und geheime Wahlen absichern, so wie es hier eben gesagt wurde, in Ihrem Antrag vorwerfen, Wahlverfälschung vorzunehmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann eigentlich nicht sein und Sie müssten es 27 Jahre nach dieser friedlichen Revolution eigentlich besser wissen. Diese Dinge, die Sie hier aufführen, diese neun Punkte, die Ihnen nun schon zweimal erklärt worden sind – und das kann ich, glaube ich, so sagen, da ich als ehrenamtlicher Bürgermeister mehr als eine Wahl vorbereitet, durchgeführt habe, mit nachbereitet habe –, sind entweder gängige Praxis oder Sie unterstellen dem Wahlvorstand wirklich Misstrauen und Wahlverfälschung. Das kann es einfach nicht sein, meine Damen und Herren. Das geht einfach nicht. Die Leute opfern sich – Frau Marx hat es gesagt –, die Leute opfern ihren Sonntag dafür, sie kriegen da zwischen 10 und 35 Euro und Sie denken, dass dort

eine Wahlverfälschung stattfindet. Das ist mitnichten so, sage ich. Wenn es Fehler gibt – Herr Rudy hat das ja auch eingeräumt oder hat es so gesagt –, dann sind Mechanismen da, wo diese Verfälschungen oder diese Unregelmäßigkeiten aufgedeckt werden. Letztendlich hat jeder Bürger das Recht, diese Wahl zu begleiten, nicht nur als Beobachter. Das, denke ich mal, wird Ihr Antrag auch sicherlich so untermauern, dass Sie noch nie auf der anderen Seite der Urne gestanden haben. Kommen Sie doch mal auf die andere Seite der Urne, führen Sie mal Wahlen durch und Sie werden wissen, wie das abläuft, dass es Wahlschulungen gibt, dass da Beispiele genannt werden, wie ungültige Stimmen festgestellt werden, nach welchem Mechanismus ausgezählt wird. Das alles wird in Wahlschulungen durchgeführt. Das ist keine leichte Aufgabe. Wir haben sicherlich eine Fehlerquote, da gebe ich Ihnen recht. Aber es gibt Mechanismen, die das hinterher feststellen. Gerade Ihre Fraktion hat in der letzten Bundestagswahl – ich sage das mal jetzt für meinen Wahlbezirk – ganz explizit noch mal Wahlbeobachter zum Auszählen hingeschickt, um auch ja sicherzustellen, dass alles nach Recht und Ordnung geht – das habe ich begrüßt und ist doch richtig so. Aber Sie können doch nicht von vornherein erst mal was unterstellen und hier einen Antrag seit Monaten „schwappen“ lassen

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Machen wir auch nicht!)

und sich dann hier hinstellen und das kontrollieren. Ich habe auch eine Kollegin oder eine Sympathisantin von Ihnen im Wahlvorstand gehabt – das habe ich begrüßt. Aber das hätten Sie doch tun können und da hätten Sie gesehen, dass das, was Sie hier schreiben, einfach nicht der Realität entspricht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist einfach nicht die Realität.

Wie gesagt, die Wahlen in der bisherigen Form halten wir für transparent und für interessierte Bürgerinnen und Bürger zu jeder Zeit nachvollziehbar. Auch die Kommunalaufsicht hat ein Auge darauf, es gibt einen Wahlleiter. Nach § 31 Thüringer Kommunalwahlgesetz sind auch Wahlanfechtungen möglich, die können Sie auch jederzeit durchführen, wenn Sie glauben, dass das nicht so ist. Also, wir sehen hier keinen Handlungsbedarf in dem Sinne und wir lehnen Ihren Antrag natürlich dann auch ab. Danke.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Müller)

Als Nächster hat nochmals Abgeordneter Rudy von der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Parlamentspräsidentin, ich möchte als Erstes mal auf die Vorredner eingehen. Dass da überhaupt nie was passiert ist, Herr Thamm, allein dass ein CDU-Stadtrat in Stendal da 1.000 Stimmen manipuliert hat und dann zu zwei Jahren verurteilt worden ist, oder auch das Beispiel, was die Frau Marx da erzählt hat...

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der ist erwischt worden, weil un- ser System funktioniert!)

Na ja, okay. Es sind garantiert Etliche, die nicht erwischt worden sind. Es ist ja manchmal komisch, dass bei Wahlen zum Beispiel Erststimmen AfD 18 Prozent sind und Zweitstimmen null. Das ist kein Einzelfall gewesen, dass so was passiert ist.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das soll vorkommen, Herr Rudy!)

Na ja, aber das ist ganz komisch, dass die Erststimme plötzlich so ein Haufen ist, Zweitstimme null. Also so was kann nicht sein. Wenn ich Erststimme wähle, dann werde ich auch normalerweise die Zweitstimme geben.