Andreas Kossiski

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor elf Jahren ist in Kassel Halit Yozgat ermordet worden. Gestern vor 29 Monaten haben wir einstimmig die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses zum NSU-Terror in NordrheinWestfalen beschlossen.
Über diesen Beschluss hinaus gab es damals auch noch eine weitere Übereinstimmung, denn die Rednerinnen und Redner aller Fraktionen formulierten ih
ren gemeinsamen Wunsch: den Willen zur gemeinsamen Aufklärungsarbeit auf der Basis guter und vertrauensvoller Zusammenarbeit. Auch in der Begründung dieses Wunsches waren sich alle einig: Wir sind dies nicht nur den Opfern der NSU-Taten und ihren Angehörigen schuldig, wir sind dies auch unserer demokratischen Gesellschaft schuldig.
Nun, 29 Monate später, kann ich hoffentlich unter Zustimmung aller Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses feststellen, dass uns diese vertrauensvolle, an der Sache orientierte Zusammenarbeit tatsächlich gelungen ist. Als SPD-Obmann möchte ich mich deshalb bei den Ausschussmitgliedern aller Fraktionen ganz persönlich für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Ich habe in dieser Zeit nicht nur eine fraktionsübergreifende Form des gegenseitigen Respekts kennengelernt, sondern vor allem auch ein gemeinsames Bemühen auf der Suche nach Antworten auf all die vielen Fragen, die uns der Einsetzungsbeschluss mit auf den Weg gegeben hat.
Einen ganz besonderen Dank möchte ich selbstverständlich den beiden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses aussprechen, der Kollegin Nadja Lüders und dem Kollegen Sven Wolf. Erstere hatte zunächst die schwierige Phase der Einarbeitung in die Materie zu leisten – also insbesondere die Frage, wie wir als Untersuchungsausschuss mit dem von Beginn an durchaus unübersichtlichen Berg an Aufgaben strukturiert umgehen. Der Kollege Wolf – das hat er eben in eindrucksvoller Weise bestätigt – hatte im Frühjahr 2015 die sicherlich nicht beneidenswerte Aufgabe, sich in extremer Kürze in die neue Aufgabe einzuarbeiten, und – Herr Präsident, Sie haben es erwähnt – er hat es aus unserer Sicht hervorragend gemacht.
Beide haben – das möchte ich vor allem auch gegenüber der interessierten Öffentlichkeit verdeutlichen – mit großer Bravour die vielen Klippen gemeistert, die gerade bei einem Untersuchungsausschuss zu beachten sind, der sich in einem erheblichen Maße mit Geheimschutzsachen, mit streng vertraulichen Dokumenten und vor allem auch mit Menschen – vornehmlich Menschen aus Verfassungsschutzbehörden – zu beschäftigen hatte.
In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem einen Extradank an Sven Wolf richten, der mit seiner ihm eigenen Beharrlichkeit in sehr vielen Fällen dafür gesorgt hat, dass wir öffentliche Sitzungen mit Zeugenvernehmungen durchführen konnten, auch wenn mitunter verantwortliche Stellen zunächst der Auffassung waren, dass sie für einzelne Zeugen nur dann eine Aussagegenehmigung erteilen können, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen würde. Auch darin waren wir uns im Untersuchungsausschuss immer alle einig: So viel Öffentlichkeit wie möglich, so wenig
Nichtöffentlichkeit wie aus rechtlichen Gründen unbedingt nötig.
Mein größter Dank gilt aber denjenigen, die sozusagen hinter den Kulissen in wirklich unermüdlicher Arbeit dafür gesorgt haben, dass heute dieser Abschlussbericht vorgelegt werden kann: die Referentinnen und Referenten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Seite der Ausschussmitglieder und natürlich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung. Ohne diesen hervorragenden Einsatz wäre unser Arbeitsauftrag nicht leistbar gewesen. – Vielen Dank dafür.
Bevor ich auf einige Aspekte unserer Arbeit aus dem Untersuchungsausschuss näher eingehe, ist es mir ein ganz persönliches Anliegen, auch heute nochmals an die vielen Opfer der von uns untersuchten Gewalttaten zu erinnern – und nicht nur an die Opfer, sondern auch an ihre Angehörigen. Ich glaube sagen zu dürfen: Unsere Arbeit war getragen vom Andenken an diese Opfer.
Meinen tiefen Dank möchte ich den Menschen ausdrücken, die selbst Opfer oder Angehörige von Opfern wurden und die sich bereit erklärt haben, ihr Leid, ihre Erlebnisse und ihre Empfindungen vor dem Untersuchungsausschuss darzulegen. Ich empfand das nicht als selbstverständlich, und ich hoffe, dass diese Menschen gespürt haben, mit welcher Ernsthaftigkeit wir uns um Aufklärung bemüht haben.
Das gilt insbesondere für die Sachverhalte, bei denen die Betroffenen nicht etwa eine Opferhilfe seitens staatlicher Stellen erfahren haben, sondern vielmehr selbst in den Strudel von Verdächtigungen geraten sind, weil die Ermittlungsbehörden immer wieder sehr schnell glaubten, von der Herkunft der Opfer auf vermeintlich damit in Verbindung zu bringende Straftaten oder Tätermilieus schließen zu müssen.
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen mit den Opfern und Angehörigen und vor dem Hintergrund der Erkenntnisse, die der Untersuchungsausschuss dazu gewonnen hat, haben wir ein Kapitel unserer Handlungsempfehlungen dem Thema Opferschutz gewidmet – verbunden mit anderen Handlungsempfehlungen, die sich mit einer offenkundig erforderlichen Sensibilisierung der Ermittlungsbehörden im Umgang mit Opfern befassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts einer begrenzten Redezeit lässt sich die Arbeit eines Untersuchungsausschusses an dieser Stelle natürlich nicht in Gänze darstellen, selbst wenn man sich nur auf die Ergebnisse und die daraus resultierenden Konsequenzen beschränken wollte, die der Ausschuss in Form der soeben erwähnten und abgestimmten Handlungsempfehlungen einstimmig beschlossen hat. Von daher bitte ich um Verständnis,
wenn ich nur einige Aspekte herausgreife, die mir besonders erwähnenswert erscheinen.
Vor wenigen Wochen erst wurde hier im Plenum der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses WestLB vorgestellt. Ich erinnere mich noch, wie sich der Kollege Zimkeit eingangs seiner Rede über das schlechte Erinnerungsvermögen von Zeugen ausgelassen hat – allerdings mit dem Teilverständnis, dass die Befragungen die 80er- und den Anfang der 90erJahre betrafen. Ich weiß nicht, ob es die Kolleginnen und Kollegen des Untersuchungsausschusses
WestLB trösten kann, aber: Fehlendes Erinnerungsvermögen gibt es auch schon, wenn die hinterfragten Zeiträume wesentlich jüngeren Datums sind.
Wir können in unserem Untersuchungsausschuss wirklich ein Lied davon singen. Ich will nur zwei Sätze wiedergeben, die wir leider nur allzu oft in Zeugenvernehmungen hören mussten: „Ich kann mich nicht erinnern.“ – „Ich war nicht zuständig.“ – Der letztere Satz wurde in Einzelfällen mit dem Hinweis ergänzt: Der eigentlich Verantwortliche ist leider verstorben.
Ich möchte nicht missverstanden werden. Natürlich wissen wir alle, dass das Erinnerungsvermögen eine höchst fragile Eigenschaft des Menschen ist. Vielleicht hatten wir auch nur die Vorstellung, dass Polizeibeamte, Staatsanwälte oder Verfassungsschützer berufsbedingt über ein überdurchschnittliches Erinnerungsvermögen verfügen – insbesondere, wenn es sich um Ereignisse wie Bombenanschläge oder Morde mit immer derselben Waffe handelt. Leider zu oft haben wir uns mit dieser Vorstellung getäuscht.
Der Satz „Ich war nicht zuständig“ gehört nach meiner Einschätzung zu einer Erfahrung, die wir als Untersuchungsausschuss quasi als Abfallprodukt unserer Arbeit gewonnen haben. Natürlich möchte ich hier keine pauschale Kritik an den gerade erwähnten drei Berufsgruppen vortragen, aber ich komme nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass wir diesen Satz leider viel zu oft hören mussten.
Wenn wir vor dem Hintergrund von Bombenanschlägen – was zum Glück ja nun keine alltägliche Angelegenheit ist – oder vor dem Hintergrund einer CeskaMordserie gefragt haben, ob denn später bei den zuständigen Mitarbeitern oder einer anderen zuständigen Stelle nochmals nachgefragt wurde, wie sich die jeweilige Angelegenheit weiterentwickelt oder ob es neue Erkenntnisse gegeben hat, dann haben wir leider sehr oft die Antwort erhalten, dass man derartige Nachfragen nicht gestellt hat.
Ich wiederhole mich: Das soll keine pauschale Kritik sein, aber auffällig war es allemal, wie oft wir auf Sachverhalte gestoßen sind, die man mit der Redensart „Aus den Augen, aus dem Sinn“ umschreiben kann. Die daraus zu ziehende Konsequenz muss aus meiner Sicht Niederschlag in der Aus- und vor allen Dingen in der Fortbildung der Beschäftigten der Sicherheitsbehörden finden – ebenso wie in der
entsprechenden Sensibilisierung der dort tätigen Führungskräfte.
Ein weiteres Thema, das ich hier vortragen möchte, findet sich im Abschlussbericht nur kurz an versteckter Stelle – nicht, weil es nebensächlich wäre, sondern weil selbst ein ausführlicher Abschlussbericht eine Grenze an Umfang haben muss, wenn er denn gelesen werden soll.
Wir hatten als Untersuchungsausschuss vor der Ermittlungs- und vor der Vernehmungsphase in mehreren Hearings, auf die der Vorsitzende schon hingewiesen hat, Sachverständige eingeladen, um deren Expertenwissen zum gesamten Themenkomplex zu erfahren. Dabei ging es sowohl um die Arbeit des Verfassungsschutzes wie auch um die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter untereinander, aber auch um deren Zusammenarbeit mit der Polizei und insbesondere den Staatsschutzdienststellen der Polizei.
Wie wir aus allen Erkenntnissen rund um das 13-jährige Verhandlungs- und Ermittlungsdesaster in Verbindung mit dem NSU-Terror wissen, gehört dieses Thema in den Vordergrund aller Versuche, die Arbeit der verschiedenen Sicherheitsorgane grundlegend zu verbessern. Besonders beeindruckt haben mich bei diesen Hearings die Denkanstöße von Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Bull, dem früheren Bundesbeauftragten für den Datenschutz und späteren Innenminister von Schleswig-Holstein. Abgesehen davon, dass ich Ihnen allen einen Blick ins Internet empfehle, in dem zahlreiche Vorträge oder Veröffentlichungen von Herrn Bull zu finden sind, die sich speziell auf die Rolle des Verfassungsschutzes beziehen, möchte ich hier nur kurz seine Kernaussage während des Hearings zitieren:
„Verfassungsschutz muss meiner Überzeugung nach auf eine Forschungs-, Wissenschafts- und Publikationstätigkeit reduziert werden oder, besser, als Demokratieförderung bezeichnet werden. Ein Inlandsnachrichtendienst soll sich um die Dinge kümmern, die die Polizei, damit sie nicht zum Supergeheimdienst werden muss, nicht aufklären kann – aber mit entsprechenden Restriktionen und speziellen Gesetzen.“
Diesen provokativen Denkansatz habe ich als wertvolle Anregung und Ausgangspunkt für weitere Überlegungen verstanden. Mehr denn je bin ich nach den Erfahrungen im Untersuchungsausschuss zu der Überzeugung gelangt, dass eine gesamtgesellschaftliche Innenpolitik bisherige Schnittmuster von Zuständigkeiten ablösen muss. Dazu gehört zum Beispiel auch eine bessere Verzahnung zwischen der Zivilgesellschaft und den Sicherheitsbehörden, insbesondere wenn es um Wissenstransfer geht.
Eine Lösung hierfür könnte aus meiner Sicht die Einrichtung eines wissenschaftlichen Sachverständi
genbeirats für Demokratie und Sicherheit des Landes Nordrhein-Westfalen sein. Aufgabe eines solchen Beirates, den man als Thinktank definieren sollte, wäre, die Landesregierung zukunftsgerichtet in Fragen der Entwicklung von Gewaltbereitschaft und Radikalisierung, Extremismus und Demokratiefeindlichkeit in der Gesellschaft zu beraten. Dazu sollte gehören, die in der Gesellschaft beobachtbaren Entwicklungen und ihre Folgen zu begutachten und zur Prävention Handlungsempfehlungen zum Umgang mit diesen Entwicklungen zu unterbreiten. Dazu gehören auch die Bewertung neu entstehender Gefahren sowie das Ansprechen von Empfehlungen zu möglichen Gegenmaßnahmen.
Ein solcher Beirat mit interdisziplinär aufgestellten Expertinnen und Experten – zum Beispiel aus Extremismus-, Gewalt- und Vorurteilsforschung, Kriminologie, Geschichts- und Erziehungswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Stadt- und Regionalsoziologie sowie Sicherheitsforschung – könnte zur Urteilsbildung der verantwortlichen Instanzen und der Öffentlichkeit beitragen. Ziel wäre die Stärkung von Demokratie und innerer Sicherheit – nicht allein im Sinne der Verhütung von Straftaten und der Terrorabwehr, sondern auch und insbesondere vor dem Hintergrund des Erkennens von Entwicklungen in der Gesellschaft.
Ich glaube, dass der Grundsatz des Querdenkens über behördliche Zuständigkeiten hinaus, der Blick über fachliche Grenzen hinweg ein zukunftsorientierter Ansatz ist, was nach meinem Verständnis eine grundsätzliche Unabhängigkeit eines solchen Gremiums von der Landesregierung voraussetzt.
Nicht nur vor dem Hintergrund dieses Abschlussberichtes, sondern auch angesichts der Entwicklung der Sicherheitslage sollte die Zeit für einen solchen Thinktank reif sein. Es sollte Aufgabe des nächsten Landtages sein, sich mit einem solchen Denkansatz zu beschäftigen, sich damit näher auseinanderzusetzen und ihn zu entwickeln. Wir von der SPD-Fraktion werden jedenfalls entsprechende Prüfungen oder Initiativen positiv begleiten und auf den Weg bringen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten hat die Polizei – und vor allem die Polizei in Köln – so lange vor einem Einsatztag im Fokus des öffentlichen Interesses gestanden wie vor dem Silvestereinsatz zum Jahreswechsel 2016/2017. Die jahrelange, ja sogar jahrzehntelange Einsatzroutine bei der Bewältigung einer Silvesternacht – damit meine ich auch die jeweilige Einsatzplanung und die Zusammenarbeit zwischen kommunalen Behörden sowie der Bundes- und Landespolizei – konnte nach der Silvesternacht 2015/16 nicht mehr fortgeführt werden. Das war allen Beteiligten klar. Und wer über den Verlauf des vergangenen Jahres die öffentlichen
Diskussionen dazu – das ging bis hin zu einer Aktuellen Stunde hier – verfolgt hatte, konnte mit Sicherheit ermessen, welcher Erwartungsdruck auf allen zuständigen Behörden lastete.
Wir alle wissen, glaube ich, dass Erwartungsdruck nicht immer automatisch zu den Ergebnissen führt, die man sich erhofft. Umso mehr können wir nach den Silvestereinsätzen des vergangenen Jahreswechsels feststellen, dass alle Beteiligten, die gemeinsam und frühzeitig Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger in der Silvesternacht geplant und vorbereitet haben – die Verantwortlichen der Polizei, der Städte und der kommunalen Behörden –, hervorragende Arbeit geleistet haben. Und natürlich gilt das auch für Tausende von eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sowie von Ordnungs- und Rettungskräften, die letztlich das friedliche und unbeschwerte Feiern in Köln und an anderen Orten in NordrheinWestfalen ermöglicht haben.
Ihnen allen gebührt unser Dank und unsere Anerkennung für ihren Einsatz.
Was mir neben diesem hier ausgesprochenen Dank mindestens genauso wichtig erscheint, ist die Tatsache, dass sich bereits unmittelbar nach der letzten Silvesternacht Zigtausende von Bürgerinnen und Bürgern bei den jeweiligen Polizei- und Ordnungsbehörden, aber auch bei den verschiedenen Rettungskräften persönlich bedankt haben – sei es durch Zuschriften und E-Mails oder auch mit Beiträgen in den sogenannten sozialen Medien. Allein das Polizeipräsidium Köln hat bereits in den ersten Tagen des neuen Jahres über 300 Telefonanrufe und über 2.300 Mails mit Dank und Anerkennung erhalten. Das ist wirklich beachtlich. Deshalb möchte ich diese Gelegenheit gerne dazu nutzen, meinen Dank auch den Bürgerinnen und Bürgern auszusprechen, die es sich nicht haben nehmen lassen, sich persönlich bei den Einsatzkräften und den Verantwortlichen zu bedanken.
Das ist ein aus meiner Sicht wertvolles Zeichen eines respektvollen Umganges, der, wie wir alle wissen, längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich unsere Sicherheitskräfte und Ordnungskräfte wie auch die Beschäftigten der Rettungsdienste und Feuerwehren über Zuspruch aus der Bevölkerung besonders freuen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den Umstand eingehen, dass wir zum gleichen Thema zwei unterschiedlich formulierte Anträge vorliegen haben. Ich hätte es persönlich für durchaus wünschenswert gehalten, wenn es hier der Sache wegen gelungen wäre, einen gemeinsamen Antrag über alle Fraktionsgrenzen hinweg vorzulegen.
Nun ist es anders gekommen. Von daher wage ich eine Aussage trotz einer mir vielleicht unterstellten Befangenheit: Wenn man den CDU-Antrag und die Rede von Herrn Möbius mit dem Antrag von RotGrün im Detail vergleicht, dann ist letzterer doch etwas umfassender und in seiner Sachverhaltsbeschreibung exakter. Das sollte ein Grund sein, um unserem Antrag zuzustimmen.
Wer bereits eine Stunde vor der angesetzten Debatte eine Pressemitteilung mit dem Ergebnis dieser Debatte und Bewertungen abgibt und wer hier die Geschichten aus 2015 und den Untersuchungsausschuss in den Mittelpunkt eines Dankes stellt, muss das selber mit sich klarmachen. Für meine Fraktion kann ich deutlich sagen: uneingeschränkter Dank an die eingesetzten Kräfte in der Gesamtheit. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Überschrift des CDU-Antrages klingt in mehrfacher Hinsicht vielversprechend: „Big Data: Polizeiarbeit digitalisieren“. Das hört sich zunächst einmal nach dem großen Wurf an. Wenn man dann aber den Antrag liest, sucht man vergebens nach Big Data. Das klingt komisch, ist aber so.
Die Unterzeile des Antrags klingt nicht minder vielversprechend: „Effizienzpotentiale nutzen, Bürokratie abbauen, Verbrechensbekämpfung stärken!“ Aber mehr als diese Schlagworte haben Sie dann in Ihrem Antrag nicht im Angebot.
Während Sie sich mit Big Data mühen und die Verbrechensbekämpfung stärken wollen, haben wir seit Regierungsübernahme 2010 tatsächlich etwas für die Verbrechensbekämpfung getan. Wir haben nämlich zunächst einmal – nach den bescheidenen Einstellungszahlen Ihrer Regierungszeit – für ordentliche Neueinstellungen bei der Polizei gesorgt.
Das gehört zum Thema, Herr Stein! – Es gab während Ihrer Regierungszeit 4.300 Einstellungen. Das hatten wir bereits nach drei Jahren erreicht. Mittlerweile haben wir zusätzlich 5.300 Polizistinnen und Polizisten eingestellt. Das sind 180 % mehr als in Ihrer Zeit. Die sind genauso wichtig wie die Digitalisierung der Polizei. Damit stärkt man Verbrechensbekämpfung.
Aber jetzt zum eigentlichen Antrag: Als ich Ihren Antrag durchgelesen hatte, vor allem am Ende Ihre vier Beschlussempfehlungen, kamen mir doch gewisse Zweifel zu Ihrem Informationsstand. Wenn Sie also
der Polizei empfehlen, Effizienzpotenziale zu nutzen, dann sollten Sie vielleicht zunächst einmal bei sich selbst anfangen. Nutzen Sie effizient die Informationen, die auch Ihnen vorliegen! Davon gibt es mehr als genug.
Wenn ich Ihre vier Forderungen mit der Entwicklung der Polizeiarbeit in den letzten Jahren abgleiche, dann habe ich erhebliche Zweifel, ob Sie diese Entwicklung verfolgt haben. Nur zwei kurze Hinweise dazu: Die längst existierende IT-Strategie der Polizei NRW 2020 wurde fortgeschrieben und wird Schritt für Schritt umgesetzt. Alleine damit wird aus Ihren ersten drei Forderungen eine Luftnummer.
Bleibt noch Ihr Beschlussvorschlag Nummer 4:
„Die Landesregierung wird aufgefordert, sich auf Bundes- und europäischer Ebene für die Vernetzung von Datenbanken und die Schaffung von Schnittstellen für den nationalen und internationalen Datenabgleich im Rahmen der Verbrechensbekämpfung einzusetzen.“
Dazu gebe ich Ihnen einen weiteren Tipp: Erkundigen Sie sich mal bei Ihrem Parteikollegen Thomas de Mazière, dem Bundesinnenminister, welche Presseerklärung er nach der letzten Innenministerkonferenz Ende November in Saarbrücken abgegeben hat. Da hat sich dieser Bundesinnenminister umfangreich erklärt, dass sich die Innenminister von Bund und Ländern auf eine Saarbrücker Agenda zur Digitalisierung der inneren Sicherheit geeinigt haben. Darin ist alles aufgeführt, was Sie unter Ziffer 4 sieben Tage später einfordern.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, ich stelle nicht zum ersten Mal fest, dass Sie den Entwicklungen bei der Polizei und in der inneren Sicherheit hinterherlaufen.
Auf einen Punkt Ihres Antrages möchte ich kurz zum Schluss noch eingehen, und der hat etwas mit täglicher Polizeipraxis zu tun. Sie schreiben, dass es wünschenswert wäre, wenn Opfer eine Auflistung ihrer entwendeten Wertgegenstände der Polizei digital übersenden könnten. – Das ist sicherlich gut gemeint. Aber wissen Sie, was das eigentliche Problem eines Wertgegenstandsverzeichnisses ist? – Dass viele Geschädigte weder Hersteller, Marke, Typbezeichnung geschweige denn Individualnummern ihrer entwendeten Sachen kennen, die aber das A und O für eine erfolgreiche Sachfahndung sind. Die Notwendigkeit, solche Informationen vorzuhalten, ist deshalb genau fester Bestandteil der Präventionsstrategie von „Riegel vor“.
Aber darüber können wir uns gerne im Innenausschuss unterhalten. Der Überweisung des Antrags an den Innenausschuss stimmt die SPD-Fraktion zu. – Vielen Dank und frohe Weihnachten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Her
ren! An die CDU-Fraktion und an Herrn Golland: Als ich vor einigen Tagen Ihren Antrag gelesen habe, sind mir spontan zwei Dinge eingefallen.
Erstens war das ein Déjà-vu-Erlebnis. Sie haben selber schon darauf hingewiesen, dass wir hier im Hause erst im April 2015 über Ihre Große Anfrage zur Europäisierung der Polizeiarbeit ausführlich debattiert haben, ganz zu schweigen von einer 87seitigen ausführlichen Antwort auf Ihre 46 Fragen zur grenzüberschreitenden Polizeiarbeit.
Zweitens fiel mir ein Beispiel aus der Mengenlehre ein: Wenn in einem Raum ein Gegenstand ist, und zwei werden rausgetragen, muss einer wieder rein, damit keiner drin ist. – So ist das auch bei Ihrem Antrag: Nichts drin!
Beides, meine Damen und Herren von der CDU, hat miteinander zu tun. Sie holen mit Ihrem heutigen Antrag dasselbe Thema aus der Kiste, mit dem wir uns vor einem halben Jahr ausführlich beschäftigt haben, nur dass Sie eine andere Überschrift gewählt haben. Man könnte schon fast mit Herbert Grönemeyer sagen: Was soll das?
Jetzt zum Inhalt: Wenn man Ihren heutigen Antrag mit Ihrer Großen Anfrage vom 28.11.2014 – Drucksache 16/7452 – vergleicht, stellt man fest, dass Sie Ihre damalige Frage 4 zur grenzüberschreitenden Einbruchskriminalität jetzt für Ihre Überschrift ausgewählt haben – so als hätten Sie die damalige Antwort auf den Seiten 22 bis 24 der Drucksache 16/8338 und die Plenarrede von Innenminister Ralf Jäger nicht verstanden.
Aber es wird noch schlimmer: Mit Genehmigung des Präsidenten möchte ich kurz Frau Kollegin Korte zitieren, die im April für die CDU zum Thema „grenzüberschreitende Polizeiarbeit“ Folgendes
ausgeführt hat:
„Der Wegfall der Grenzkontrollen an den EUBinnengrenzen wird in den Medien bisweilen als Hauptursache steigender Kriminalitätsraten dargestellt und von EU-Gegnern gerne instrumentalisiert. Verschwiegen wird in diesem Zusammenhang leider, dass das Zusammenwachsen der EU-Mitgliedstaaten auch zu einer verstärkten Zusammenarbeit in den Bereichen Innere Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung geführt hat.“
Dann fügte Frau Korte für die CDU hinzu:
„Die Polizei operiert hier inzwischen durchaus erfolgreich. Beispielhaft erwähnt seien in diesem Zusammenhang die Einrichtung von sogenannten gemeinsamen Ermittlungsgruppen, die
Durchführung gemeinsamer Polizeistreifen in den Grenzregionen oder internationale Fahndungsmaßnahmen.“
Zitat Ende. – Dieses berechtigte Lob zur grenzüberschreitenden Polizeiarbeit hörten wir hier am 30. April dieses Jahres. Jetzt kommen Sie mit Ihrem
Antrag und führen zwei Einzelbeispiele einer einzigen Kreispolizeibehörde, der Kreispolizeibehörde Viersen, an, von denen eines aus dem Mai 2013 stammt und das noch nicht einmal mit Einbruchskriminalität zu tun hat. Meine Damen und Herren der CDU, das ist enttäuschend, um es freundlich zu formulieren.
Ich möchte noch kurz auf einen Gedanken Ihres Antrages eingehen, bei dem zu befürchten steht, dass Sie die Arbeit der von Ihnen angesprochenen Polizeilichen Euregio Rhein-Maas-Nord, kurz PER, noch nicht verstanden haben. Sie beklagen, dass die niederländischen Polizeibehörden – das hat Herr Golland gerade noch einmal ausgeführt – projektbezogen arbeiten und ihre Personalressourcen „jeweils stringent“ – Zitat – „nur innerhalb ihrer Projekte einsetzen würden“.
Herr Golland, das sind nicht „ihre“ Projekte, also solche der niederländischen Polizei, das sind Projekte der Euregio Rhein-Maas-Nord, an der alle betroffenen Polizeibehörden beteiligt sind, also auch unsere nordrhein-westfälischen.
Wenn Sie dann schreiben, einzelfallbezogene Anfragen könnten „lediglich“ – um dieses Wort geht es hier – über das Euregionale-Polizei-Informations- und Cooperations-Center (EPICC) gestellt werden, dann werten Sie EPICC in einer Weise herab, die durch nichts gerechtfertigt ist. EPICC funktioniert nach dem Prinzip der zusammengeschobenen Schreibtische. Hier erfolgt eine unmittelbare grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die in der Regel zu schnellen und effektiven Ergebnissen führt und von allen Beteiligten und Institutionen geschätzt wird. Dazu fällt Ihnen nur das Wort „lediglich“ ein.
Angesichts der eingangs erwähnten umfangreichen Antwort auf Ihre Große Anfrage, der Debatte hier im April und den bereits mehrfach und umfassend dargestellten repressiv und präventiv ausgerichteten Konzepten zur Bekämpfung grenzüberschreitender Einbruchskriminalität erscheint es mir müßig, diese hier nochmals im Detail darzustellen.
Unser Gesamtergebnis: Dem Vorschlag der Überweisung an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Europa und Eine Welt vermag ich für die SPD nur zuzustimmen, damit wir uns dort in Ruhe austauschen können. So wie Ihr Antrag allerdings jetzt formuliert ist, sollten Sie nicht mit einer Zustimmung der SPD rechnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorneweg: Auch ich war am 26. Oktober am Ort der Geschehnisse, in Köln; darauf werde ich gleich zu sprechen kommen.
Gestatten Sie mir vorher bitte einige Anmerkungen zu den hier aufgerufenen Drucksachen, in denen es von Vermutungen, Unterstellungen und teilweise hanebüchenen Pressezitaten wimmelt. – Den Be
weis, Herr Lohn, haben Sie gerade abgeliefert. Sie haben behauptet, es seien keine Diensthunde eingesetzt worden. – Es sind 15 Diensthunde eingesetzt worden.
Ob es zu wenige oder zu viel waren, werden wir in der Sitzung des Innenausschusses sicherlich miteinander diskutieren, Herr Lürbke.
Mit etwas Sachverstand müsste man erkennen, dass viele der Vermutungen, der Pressezitate durcheinandergebracht worden sind, dass es dort Missverständnisse gab. Es tauchen Angaben von sogenannten Polizeiführern auf, als wäre Ihnen nicht bekannt, dass es bei einem solchen Einsatz nur einen verantwortlichen Polizeiführer gibt. Dieser hat sich klar und deutlich geäußert. Der Minister hat gerade noch einmal festgestellt, dass der Polizeiführer auf mehrere Nachfragen 4.000 Teilnehmer als Wert angegeben und das seinen Polizeikräften auch entsprechend vermittelt hat.
Die Piraten mutmaßen, die Polizei hätte die Lage – Zitat – „möglicherweise auf Basis der durch die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) vorgelegten Zahlen“ vorgenommen. – Völlig hanebüchen.
Bei der FDP lesen wir, dass es der Polizei nur noch um „Lagebereinigung“ gegangen sei und Randalierer freien Abzug erhalten hätten.
Ich will diese Texte der Opposition nicht weiter vertiefen, aber so viel steht fest: Es geht der Opposition – das ist aus den Wortbeiträgen heute klar geworden – nicht um eine sachliche Auseinandersetzung und Klärung zum eigentlichen Thema, den Gewaltexzessen von Rechtsextremen und Hooligans. Stattdessen geht es wieder einmal – allerdings mit untauglichen Mitteln – gegen den Innenminister. Ich sage Ihnen: Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Wie eingangs gesagt war ich am 26. Oktober in Köln und konnte mir einen eigenen, persönlichen Eindruck verschaffen. Zunächst spreche ich über den sogenannten Ho.Ge.Sa-Aufzug: Ich habe – angefangen am Breslauer Platz, also nördlich des Kölner Hauptbahnhofs – ein gespenstisches Szenario erlebt, das ich mir vorher so nicht habe vorstellen können. In fast 40 Jahren aktiven Polizeidienstes habe ich viele gewalttätige Demonstrationen erlebt, aber noch nie einen Block von über 4.000 Menschen so offen rechtsextreme und ausländerfeindliche Parolen skandieren hören.
Für mich hat sich Ho.Ge.Sa in diesem Moment, am 26. Oktober in Köln, demaskiert und das wahre Gesicht gezeigt. Das gesamte Auftreten dieser Gruppierung hat mich in der Situation sehr erschreckt. Ich kann alle Menschen verstehen, die bei dem Anblick und den folgenden Geschehnissen Angst ver
spürt haben. Die blanke Gewalt und die Angriffe auf die eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten taten ein Übriges zur Verstärkung dieses Eindrucks.
Deshalb gebührt auch mein ausdrücklicher Dank allen eingesetzten Kräften, insbesondere den bei dem Einsatz verletzten Kolleginnen und Kollegen.
Im Nachhinein ist es wohlfeil, Prophet zu sein und zu behaupten, das alles hätte die Polizei im Vorfeld eines Einsatzes wissen müssen. Im Nachhinein ist es einfach, zu behaupten, die Einsatzleitung hätte alles besser planen können. Ich finde es unsäglich, dass mitunter der Eindruck vermittelt wird, die Polizei Köln habe sich nicht intensiv genug auf den Einsatz vorbereitet. Was, bitte, soll dieser Vorwurf? Glaubt jemand in den Reihen der Opposition wirklich, eine solche Einsatzplanung wird mal so nebenbei oder nur oberflächlich gemacht? Die eingesetzten Kollegen, die verantwortlichen Polizeiführer, die verantwortlichen Vorgesetzten haben sich sehr intensiv und sehr gewissenhaft darauf vorbereitet. Sie werden garantiert nicht in Kauf nehmen, sondern sie wollen verhindern, dass Kolleginnen und Kollegen verletzt werden oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Köln gefährdet wird.
Nutzen Sie doch bitte Ihre Kontakte und informieren sich bei den richtigen Fachleuten vor Ort. Wenn Sie die Presse, Gewerkschafter und Polizisten zitieren, dann zitieren Sie bitte auch die Presserklärung der Polizeigewerkschaft, der GdP in Köln, die ganz klar eine positive Stellungnahme zu dem Einsatzverhalten der Führungskräfte vor Ort abgegeben hat, bevor Sie in der Öffentlichkeit ein Bild von einer ahnungslosen und schlecht vorbereiteten Polizei zeichnen.
Lassen Sie mich bitte zum Schluss noch auf eine zweite Demonstration an diesem Tag zu sprechen kommen, die ich ebenfalls verfolgt habe, die hoffentlich nicht nur mir Mut macht. Die Gegendemonstration auf dem südlich gelegenen Bahnhofsvorplatz war absolut friedlich und von demokratischen Inhalten getragen. Die Ablehnung von Extremisten jeglicher Ausprägung wurde mehr als deutlich und hat sich am vergangenen Sonntag auf einer weiteren Demonstration mit ca. 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern fortgesetzt. Sie haben nach dem 26. Oktober klare Signale gegen Gewalt gesetzt, was wir in diesem Haus bitte weiterführen müssen. Dafür spreche ich den Menschen meinen ausdrücklichen Dank aus.
Denn eins ist für mich klar: Bei aller notwendigen Arbeit der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Rechtsextremismus und gegen rechtsextreme Ausschreitungen muss dem rechten Gedankengut auch aus der Mitte der Gesellschaft heraus entgegengetreten werden. Je mehr Menschen sich dafür enga
gieren, desto besser für unser Land und für unsere Demokratie. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau drei Jahren beschäftigte sich der Landtag das erste Mal mit dem bis heute Unfassbaren: zehn ermordete Menschen in der Zeit von September 2000 bis April 2007, zwei Bombenanschläge mit 23 teils lebensgefährlich verletzten Personen – drei der Tatorte in NordrheinWestfalen –,15 bewaffnete Raubüberfälle zwischen Dezember 1998 und November 2011 – alles ohne Ermittlungs- und Fahndungserfolg. Wie wir inzwischen wissen, sind alle diese Taten dem NSU, dem Nationalsozialistischen Untergrund, zuzurechnen.
Es würde den Rahmen sprengen, alle durchgeführten Ermittlungen und Untersuchungen aufzuzählen, die es seit November 2011 auf allen drei Ebenen staatlicher Gewalt in Bund und Ländern gegeben hat. Eines steht jedoch fest: Je mehr bislang ermittelt und untersucht wurde, desto größer wurde der Berg an Fragen, auf die wir immer noch keine befriedigenden Antworten kennen. Das ist nicht nur ernüchternd, das finde ich für einen Rechtsstaat beschämend.
Noch immer beschäftigen mich Gefühle zwischen Zorn und Fassungslosigkeit darüber, dass die Taten des NSU geschehen und vor allem unentdeckt geschehen konnten. Noch empfinde ich Scham darüber, dass Opfer und ihre Angehörigen sogar selbst zum Gegenstand von Verdächtigungen und Untersuchungen geworden sind.
So sehr ich es begrüße, dass sich Vertreterinnen und Vertreter der Politik sowie verschiedener Sicherheitsbehörden inzwischen mehrfach bei den Opfern und ihren Angehörigen entschuldigt haben, erwarte ich dennoch die unbedingte Mitwirkung aller betroffenen staatlichen Stellen bei der Aufklärung.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es mag bei vielen die Erwartung geben, dass Schuldige des 13-jährigen Fahndungs- und Ermittlungsdesasters gefunden werden. Das ist nur allzu verständlich. Noch wichtiger finde ich allerdings, dass Fehler gefunden werden – egal, ob menschliche oder systemische –, um künftig die Gefahr der Wiederholung vermeiden zu können. Vergangenheit aufzuarbeiten ist das eine, aber Lehren für die Zukunft zu ziehen ist das Wesentliche.
Ein demokratischer Rechtsstaat, der, wie wir alle wissen, zu Recht mit einem staatlichen Gewaltmonopol ausgestattet sein muss, muss genau deshalb alles unternehmen, damit es keine Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit und der Funktionsfähigkeit des staatlichen Gewaltmonopols geben kann.
An dieser Stelle darf ich daran erinnern, dass wir in Nordrhein-Westfalen sehr frühzeitig nach Bekanntwerden der abscheulichen Mord- und Anschlagtaten reagiert haben.
Ich nenne einige Beispiele: Bereits im Dezember 2011 hat Innenminister Ralf Jäger das Acht-PunkteProgramm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und des Rechtsterrorismus vorgestellt. Ein nächster Schritt war die Einrichtung eines bundesweit arbeitenden Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus, später übergegangen in das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum. Die Einrichtung eines Gemeinsamen Internetkompetenzzentrums zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus gehört ebenso zu den Konsequenzen wie die Einrichtung des Landesnetzwerkes gegen Rechtsextremismus.
Mit der erfolgten Einsetzung eines unabhängigen Experten, Herrn Schubmann-Wagner, zur analytischen Untersuchung des Verfassungsschutzes wurde schließlich eine wichtige Voraussetzung für die Neuorganisation des Verfassungsschutzes geschaffen.
Nicht zuletzt mit der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes haben wir einen, wie ich meine, wichtigen Beitrag geleistet, um den Verfassungsschutz in einer erforderlichen Weise zu verändern.
Ich möchte jetzt in einigen wenigen Punkten noch auf den vorliegenden Antrag eingehen. Es scheint mir besonders wichtig zu sein, worauf die von den Fraktionen benannten Obleute für den Untersuchungsausschuss letzte Woche in einer gemeinsamen Pressemitteilung hingewiesen haben. Ich zitiere:
„Die NSU-Taten in Nordrhein-Westfalen wurden bislang nicht umfassend genug aufgearbeitet. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat gute Arbeit geleistet. Er hatte allerdings zu wenig Zeit, um Fragen beispielsweise nach einem möglichen Unterstützernetzwerk von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hinreichend zu untersuchen. Dabei sind zwangsläufig viele Punkte offen geblieben. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen, möglichst umfassend aufzuklären.“
Deshalb erscheint es mir auch wichtig und richtig, dass wir uns bei diesem von allen Fraktionen eingebrachten Antrag einig waren, dass es nicht nur die bislang dem NSU zuzurechnenden Taten und ihrer Hintergründe in Nordrhein-Westfalen zu untersuchen gilt, sondern auch weitere in NordrheinWestfalen begangene Straftaten mit einem mutmaßlich politischen, rechtsmotivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn am 27. Juli 2000.
Genauso wichtig und folgerichtig erscheint es, dass der Untersuchungszeitraum im Oktober 1991 beginnt, weil seit jenem Brandanschlag in Hünxe die Radikalisierungsprozesse in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen sichtbar wurden.
In diesem Zusammenhang bin ich froh, dass der hier vorliegende Antrag von vornherein den Versuch unternimmt, möglichen sprachlichen Interpretationen entgegenzutreten. Deshalb gebe ich den Hinweis, dass der Begriff „rechtsradikale Szene“ sowohl rechte, rechtsradikale als auch mögliche rechtsextremistische Tendenzen umfasst.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss mit aller Ernsthaftigkeit einen persönlichen Wunsch vortragen. Parteipolitische Taktik hat bei der Bekämpfung und Aufklärung terroristischer Straftaten nichts zu suchen. Das muss auch für die Aufgabe und Arbeit dieses Ausschusses gelten. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass dieser Untersuchungsausschuss gestörtes oder gar verlorenes Vertrauen in unseren Rechtsstaat beseitigen hilft. Wir sind dies nicht nur den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, wir sind dies unserer demokratischen Gesellschaft schuldig. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Vor knapp einem Monat stand während der 48. Plenarsitzung die Drucksache 16/4820 auf der Tagesordnung mit der Überschrift: „Fußball vor Gewalt schützen – Straftäter endlich wirksam ausschließen“. Eine der Forderungen dieses FDP-Antrags lautete, notwendige polizeiliche Meldeauflagen konsequent zu verhängen und durchzusetzen.
In der Plenardebatte am 29. Januar hat der Kollege Lohn von der CDU-Fraktion auf eine Zwischenfrage dem Hohen Haus erklärt: Die Meldeauflagen funktionieren. – Sein damaliges Fazit:
„Grundsätzlich sind sie erfolgversprechend.“
Sein Wortbeitrag endete wie folgt – ich darf zitieren –:
„So sieht die Rechtslage nach dem Polizeigesetz aus. Das geht schon. Man muss nur die Erkenntnisse haben und zusammenführen.“
Ich wollte Sie nur deshalb an diese kleine Begebenheit erinnern, weil sie verdeutlicht, wie hier seit längerer Zeit gerade vonseiten der CDU und der FDP debattiert wird, wenn es um das Thema „Gewalt rund um den Fußball“ geht. Da werden Argumente
je nach Lust und Laune vorgetragen, offensichtlich so, wie es gerade zu passen scheint.
Seit Ende 2012 wurde hier mehrfach die Forderung vorgetragen, die Polizei müsse konsequent sogenannte Meldeauflagen verhängen. Demnächst wird sich der Innenausschuss zum wiederholten Male damit beschäftigen. – Nun überrascht die CDU mit der These, für solche Meldeauflagen lägen überhaupt keine rechtlich einwandfreien Regelungen vor, und nimmt als Argument dafür auch die Worte des stellvertretenden GdP-Landesvorsitzenden Michael Mertens aus dem WDR-Interview, das Sie, Herr Kruse, zitiert haben.
Die Rechtsauffassung des von mir sehr geschätzten Kollegen Mertens nehme ich zur Kenntnis; aber die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes sehe ich als wesentlich kompetenter an. Gestatten Sie mir diesen kleinen Hinweis.
Werte Kolleginnen und Kollegen der CDU, vor gerade mal vier Wochen im Plenum die Rechtsgrundlage für Meldeauflagen nach dem Polizeigesetz zu erklären und jetzt mit diesem Antrag so zu tun, als bedürfe es einer zusätzlichen Rechtsgrundlage, ist doch etwas verwirrend.
Mir ist es nicht möglich, in der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit alle juristischen Zusammenhänge darzulegen, um Ihnen von der CDU die Sorge zu nehmen, unserer Polizei würde rechtlich Unmögliches abverlangt, wenn sie auf der Grundlage von § 8 des Polizeigesetzes NRW Meldeauflagen erteilt. Ich bin mir aber sicher, dass wir dazu in den Ausschussberatungen ausreichend Zeit haben werden.
Bis dahin darf ich Sie aber beruhigen: Sowohl nordrhein-westfälische Verwaltungsgerichte als auch das Bundesverwaltungsgericht haben sich schon längst mit der hier im Raum stehenden Frage auseinandergesetzt, ob es für die Erteilung von Meldeauflagen einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedürfe. Die Antwort war ziemlich eindeutig: Nein, eine polizeirechtliche Generalermächtigung reicht aus.
Darüber, ob es trotz dieser Sicht der Dinge gesetzgeberischer Aktivitäten bedarf, können wir sehr gerne in den betroffenen Ausschüssen in Ruhe diskutieren. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der heute ein Déjàvu-Erlebnis hat, denn der vorliegende Antrag der FDP erinnert stark an den FDP-Antrag aus dem Oktober 2012 – das hatten Sie auch angeführt – unter der Überschrift „Gegen Randalierer im Zusammenhang mit Fußballspielen konsequent vorgehen“.
Wir hatten dazu am 7. November 2012 eine Debatte. Sie endete mit einer Überweisung des Antrags
an den Innenausschuss – federführend –, an den Sportausschuss, an den Rechtsausschuss und an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend sowie der Empfehlung, die abschließende Beratung und Abstimmung im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung durchzuführen.
Am 22. November 2012 beschäftigte sich der Innenausschuss mit dem Antrag und beschloss eine Expertenanhörung, übrigens zusammen mit allen anderen beteiligten Ausschüssen. Diese Anhörung fand hier am 7. März 2013 statt. Ich darf daran erinnern, dass dies eine ausgezeichnete Anhörung war.
So vielschichtig und differenzierend damals die Antworten aller Sachverständigen waren, so übereinstimmend waren sie auch in einem Punkt: Es gibt keinen Schalter oder keinen Druckknopf, mit dem Sie gewalttätige Ausschreitungen in Zusammenhang mit Fußballspielen einfach wegschalten können.
Nach dieser Anhörung beschäftigten sich in der Phase Mai bis Anfang Juni 2013 nochmals alle beteiligten Ausschüsse. Alle mit Ausnahme des mitberatenden Familienausschusses, der auf die Abgabe eines Votums verzichtete, lehnten den damaligen FDP-Antrag mit den Stimmen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenpartei gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU ab.
Wenn man sich die Protokolle der von mir erwähnten Plenardebatte, der Anhörung und der jeweiligen Ausschusssitzungen durchliest, dann muss man sich über den neuen aktuellen Antrag der FDP schon wundern. Deshalb sprach ich eingangs von einem Déjà-vu-Erlebnis. Aber das, was Sie von der FDP diesmal abgeliefert haben, ist für mich schon ein ziemlich starkes Stück. Als hätten Sie sich noch nie mit dem Thema beschäftigt, als wären Sie bei den von mir erwähnten Beratungen nie dabei gewesen, fordern Sie die Landesregierung auf – ich zitiere –, endlich ein schlüssiges und Erfolg versprechendes Konzept gegen Gewalt im Umfeld von Fußball vorzulegen.
Wenn Sie damit Fassungslosigkeit erzeugen wollen, dann ist Ihnen das wirklich gelungen. Verehrte Antragsteller der FDP, wem wollen Sie eigentlich weismachen, Sie wüssten nichts von einem Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt im Umfeld von Fußballspielen? Ihnen kann doch nicht entgangen sein, dass das Innenministerium NRW die Initiative ergriffen hat, um das nationale Konzept „Sport und Sicherheit“ grundlegend zu überarbeiten und fortzuschreiben.
Sie müssen doch schon einmal vom Netzwerk „Sport und Sicherheit“ oder von den örtlichen Ausschüssen „Sport und Sicherheit“ gehört haben. Sie kennen bestimmt die vom Minister gestartete Initiative „Mehr Sicherheit bei Fußballspielen in NRW“ mit ihrem Zehn-Punkte-Plan, der bundesweit viel Anerkennung gefunden hat.
Dass wir beim Thema Gewalt rund um den Fußball nicht über ein nordrhein-westfälisches Phänomen sprechen, ist Ihnen mit Sicherheit auch bekannt. Und mit derselben Sicherheit unterstelle ich Ihnen, dass Ihnen nicht entgangen sein dürfte, dass der Minister direkt nach der Übernahme des IMKVorsitzes eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet hat, um, bundesweit abgestimmt, insbesondere Intensivtätern künftig noch wirksamer begegnen zu können. Das alles wissen Sie, und trotzdem diese Dublette eines Antrags.
Ich möchte in diesem Zusammenhang, weil es Ihre Vorgehensweise verdeutlicht, auf Ihre Medieninfo vom 20. Januar eingehen, in der es heißt – ich zitiere –:
„Die FDP-Fraktion hat sich bereits Ende 2012 für striktere Meldeauflagen sowie ein konsequentes Vorgehen gegen Randalierer im Umfeld von Sportveranstaltungen eingesetzt. Die Landesregierung hat die Vorschläge der FDP jedoch abgelehnt.“
Alleine dieser Satz ist eine Irreführung der Medien und damit der Öffentlichkeit. Sie erwecken damit den Eindruck, als ob es keine Meldeauflagen geben und gegen Randalierer nicht konsequent vorgegangen würde. Das nenne ich populistisch.
Als Gipfel sehe ich aber, dass Sie behaupten, die Landesregierung würde Meldeauflagen oder konsequentes Vorgehen gegen Randalierer ablehnen. Das ist eine völlig unberechtigte Behauptung. Das ist vor allem ein ungeheuerlicher Vorwurf gegenüber unserer Polizei, die sich nun wahrlich genug mit Randalierern auseinandersetzen muss. Sie streuen Fehlinformationen, obwohl Sie es eigentlich besser wissen müssten, und wollen der Öffentlichkeit einreden, dass unsere Polizei und der dafür zuständige Minister tatenlos der Gewalt zusehen. Das Ganze verzieren Sie mit unausgegorenen und plakativen Vorschlägen, die einen zweifeln lassen, ob Sie einen Bezug zur Wirklichkeit haben.
Ich mache das eben an dieser Medieninfo und Ihrem Antrag fest. Da verbinden Sie die Massenschlägerei vor knapp zwei Wochen in der Kölner Innenstadt mit Ihrer Forderung nach Meldeauflagen – Zitat –:
„Eindeutig ermittelte gewalttätige Chaoten müssen von künftigen Spielen durch wirksam kontrollierte Stadionverbote und Meldeauflagen ausgeschlossen werden.“
Sie sollten unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mal nachvollziehbar erklären, wie sie bei einem Freundschaftsspiel zwischen dem 1. FC Köln und Schalke 04 durch Meldeauflagen rechtzeitig hätten verhindern können, dass Gewalttäter aus dem Dortmunder Umfeld – die waren ja auch dabei – nach Köln fahren, um sich dort an einer verabredeten Massenschlägerei in der Innenstadt zu beteiligen. Allein dieses Beispiel zeigt, dass Sie sich dringend mit den rechtlichen und auch mit den praxisbezogenen, machbaren Rahmenbedingungen auseinandersetzen müssen, bevor Sie hier Nebelkerzen zünden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss zu einer Feststellung kommen, über die wir uns hoffentlich über Parteigrenzen hinweg einig sind: Wir wollen in unserer Gesellschaft keine Gewalt, nirgends, also auch nicht im Zusammenhang mit Fußball, nicht vor, nicht nach einem Spiel, nicht im Stadion, nicht davor, nicht auf den langen An- und Abfahrtswegen und auch nicht auf irgendwelchen abgelegenen Plätzen oder Waldlichtungen, wo sich randalierende Gewalttäter zu Prügeleien verabreden, oder wie vorletzte Woche in Köln inmitten einer verkehrsreichen Innenstadt. Es gibt keine Patentrezepte.
Letzter Satz. – Es gibt keine einzige Lösung dafür. Es gibt verschiedene Ansätze, die von der Regierung und vom Parlament diskutiert werden. Deswegen stimmen wir einer Überweisung des Antrags an die zuständigen Ausschüsse zu. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich komme gleich zu meinem sachlichen Beitrag. Aber wenn man hier einen Maulkorb mitbringt, sage ich: Draußen steht ein kleines Dreirad. Das hätte ich für für Teile der Rede Piraten, die Sie gehalten haben, mitbringen können. Das ist Kindergarten. Entschuldigung!
Jetzt möchte ich wirklich sachlich werden.
Ich möchte jetzt sachlich werden.
Wenn ich mir die bisherige Diskussionen im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz zu dem besagten Spiel zwischen Schalke und PAOK Saloniki vor Augen führe, dann kann man feststellen, dass häufig ein großes Maß an Emotionalität, das Sie bei mir auch gerade ausgelöst haben, die öffentliche Debatte bestimmt.
Nun mögen Fußball und Emotionen untrennbar miteinander verbunden sein, aber in der Diskussion um den hier in Rede stehenden Polizeieinsatz, um seine Ursachen und Folgen sind nicht Emotionen gefragt, sondern nüchterne Betrachtungsweisen. Das gilt insbesondere für die beiden hier vorgelegten Anträge der CDU und der Piraten.
Auch da überlagern Emotionen eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Das beginnt schon bei den Überschriften beider Anträge und setzt sich in weiteren Formulierungen fort. Wenn die CDU ihren Antrag mit der Überschrift einleitet „Polizei-Boykott für Spiele der Bundesliga wäre unverantwortlich“, dann muss ich schon fragen, wie Sie auf Boykott kommen. Von einem Boykott war noch nie die Rede.
Ich darf an dieser Stelle mit Erlaubnis des Präsidenten den entscheidenden Satz des Innenministers zitieren:
„Klar ist aber auch, dass die Polizei ins Stadion kommt, wenn die Ordnungskräfte überfordert sind und um Hilfe bitten. Auch Straftaten werden weiterhin konsequent verfolgt.“
Dieser Satz stammt vom 12. September. Da sollten Sie fünf Tage später in Ihrem Antrag nicht von Boykott schreiben. Das, was Sie hier betreiben, ist – mit Verlaub gesagt – aus meiner Sicht pure Stimmungsmache. Stimmungsmache ist es auch, wenn die CDU in ihrem Antrag schreibt – ich zitiere –:
„Nur 48 Stunden nach Herrn Jägers vollmundiger Ankündigung musste der Minister im Streit mit dem Bundesligisten schließlich klein beigeben.“
Ich kann nachvollziehen, dass sich die Opposition schwertut, einen erfolgreichen Innenminister zu loben. Aber statt hier von „klein beigeben“ zu schwadronieren, sollten Sie doch einfach einmal nachvollziehen, was Minister Jäger in Wirklichkeit gelungen ist, nämlich die Verantwortlichen von Schalke 04 zu vernünftigen Gesprächen an einen Tisch zu bringen.
Es kann Ihnen auch nicht entgangen sein, dass Schalke 04 am 21. August unmittelbar nach
Spielende Behauptungen in die Welt setzte, die schlicht und ergreifend nicht der Wahrheit entsprachen. Damit meine ich die von der Vereinsführung gemachte Darstellung – Zitat –
„Der Einsatz der Polizei war weder mit den Verantwortlichen des Clubs abgestimmt, noch wäre er von diesen auch nur ansatzweise gefordert oder gutgeheißen worden.“
Wie wir inzwischen wissen, hat Schalke später eingestehen müssen, dass diese Darstellung nicht den Tatsachen entsprach. Wenn Sie die gemeinsame Erklärung von Minister Ralf Jäger und dem SchalkeVorstand Peters vom 14. September, also drei Tage vor Ihrem Antrag, durchgelesen hätten, dann könnten Sie doch nicht ernsthaft davon sprechen, dass Minister Jäger klein beigegeben habe.
Weiter schreiben Sie, dass der Minister auch im dritten Jahr seiner Amtszeit kein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt im Umfeld von Fußballspielen besitzt.
Meine Damen und Herren von der CDU, ist Ihnen entgangen, dass das Innenministerium NRW die Initiative ergriffen hat, das „Nationale Konzept Sport und Sicherheit“ grundlegend zu überarbeiten und
fortzuschreiben? Haben Sie schon einmal vom Netzwerk „Sport und Sicherheit“ oder von den örtlichen Ausschüssen „Sport und Sicherheit“ gehört? Kennen Sie die vom Minister gestartete Initiative „Mehr Sicherheit bei Fußballspielen in NRW“ mit ihrem Zehnpunkteplan, der bundesweit viel Anerkennung gefunden hat?
Vielleicht beschäftigen Sie sich einmal mit der Gesamtthematik, bevor Sie hier von Konzeptlosigkeit sprechen und unausgegorene Anträge stellen.
Ja bitte.
Herr Hegemann, zunächst einmal: Ich habe keinen Sprechzettel vom Minister; ich habe noch einmal Zitate in Erinnerung gerufen, die öffentlich sind.
Zu den Diskussionen in den Fraktionen bzw. zu den unterschiedlichen Meinungen: Ich habe am Anfang bereits gesagt: Es gibt einen emotionalen Kern in dieser Geschichte; das Ganze ist sehr von Emotionen getrieben. Ich versuche, eine gewisse Sachlichkeit in die Thematik zu bringen und die Kernprobleme nach vorne zu ziehen. Diese Kernprobleme sind vom Minister sehr frühzeitig aufgenommen
worden. Ich beziehe mich auf Ihren Antrag, und nicht auf Stellungnahmen von Kollegen.
Die interessieren mich schon, und die beziehe ich auch mit ein. Aber befragen Sie die Kollegen bitte selbst zu ihren eigenen Positionen. Ich habe sie so nicht wahrgenommen; ich habe auch diese Diskussionen so nicht wahrgenommen. Ich weiß nicht, ob sie bei uns in der Fraktion so geführt worden ist.
Kommen wir beim Stichwort „Konzeptionslosigkeit“ zum Antrag der Piratenfraktion: „Kein Maulkorb für Kritiker – Öffentliche Kritik an Polizeieinsätzen muss weiter möglich sein“. Schon diese Überschrift zeigt, dass Sie nicht verstanden haben, worum es am 21. August 2013 und in den Folgetagen gegangen ist. Das erklärt für mich auch, warum Sie Ihren Versuch einer Sachverhaltsdarstellung mit „Aufklärung statt Erpressung“ überschreiben. Auch hier kann ich Ihnen nur empfehlen, sich genau mit dem auseinanderzusetzen, was am 12. September 2013 von Minister Jäger gesagt worden ist. Ich kann diesen Passus gerne noch einmal vortragen:
„Wer nicht in der Lage ist, für die Sicherheit der eigenen Fans zu sorgen, dann die Polizei um Hilfe bittet und anschließend den Einsatz öffentlich kritisiert, ist kein Partner für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.“
Meine Damen und Herren, das ist weder ein Maulkorb noch eine Erpressung, und schon deshalb läuft Ihr Antrag hier ins Leere.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas Wichtiges anmerken. Meine Fraktion hat in ihrer Gesamtheit von Anfang an gesagt, dass sie sich für eine rückhaltlose Aufklärung der Vorkommnisse im Schalker Stadion einsetzt. Dabei steht die Verantwortung des Vereins Schalke 04 als Veranstalter des Spiels ebenso im Mittelpunkt des Interesses wie das Verhalten einzelner Fans, Fangruppierungen sowie das der Polizei.
Ich füge hinzu, dass Herr Minister Jäger bereits in der schriftlichen Vorlage zur Sitzung des Innenausschusses am 12. September 2013 auch nichts anderes gesagt hat. Ich zitiere:
„Die Staatsanwaltschaft Essen prüft derzeit, inwieweit das Verhalten der Fans von Schalke 04 und PAOK Saloniki sowie der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten strafrechtlich relevant ist. Hierzu sind alle Unterlagen und sämtliches Bild- und Videomaterial der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt worden.“
Weiter heißt es:
„Die Klärung und abschließende Bewertung von Abläufen, Entscheidungen, Detailfragen und be
stehenden Widersprüchen in den Darstellungen der Beteiligten werden erst dann möglich sein, wenn alle notwendigen Informationen erhoben, geprüft und abgeglichen sind.“
Lassen Sie uns gemeinsam diese Klärung und vor allem die Arbeit der Staatsanwaltschaft abwarten, statt hier mit Emotionen zu agieren und im Nebel herumzuirren. Beide Anträge sind deshalb aus Sicht meiner Fraktion abzulehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Um es vorwegzunehmen, Herr Herrmann: Ich halte die Überschrift Ihres Antrags Drucksache 16/3438 für verfehlt, weil mit ihr ein falscher Eindruck erweckt werden könnte. Was heißt denn „Realistische Erfassung von Sicherheitsproblemen“? Wenn damit gemeint sein sollte, dass die bisherige Arbeit der ZIS, der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze, als unrealistisch zu bewerten sei, dann möchte ich dem hier und heute deutlich widersprechen.
Ich möchte darauf verzichten, hier in epischer Breite die Rolle und die Aufgabe der ZIS zu verdeutlichen. Tatsache ist aber, dass die ZIS seit Jahr und Tag, seit 20 Jahren, die für einen Veranstaltungsort zuständige Polizeidienststelle mit allen bekannten polizeilichen Hintergrundinformationen versorgt, um mit einem angemessenen Personaleinsatz die Sicherheit der Zuschauer in Veranstaltungsorten wie Stadien oder Plätzen sowie auf den An- und Abreisewegen gewährleisten zu können.
Das geschieht unter anderem auf Basis standardisierter, bundesweit abgestimmter Erhebungsbögen, mit denen einsatzrelevante Daten im Vorfeld von Fußballspielen in sogenannten Vorausberichten wie auch im Nachgang durch Verlaufsberichte von den Polizeibehörden berichtet werden. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht also der Erkenntnisaustausch. Ich glaube, man sollte der ZIS keine unrealistische Arbeit vorwerfen.
Ebenfalls vorweg erlaube ich mir eine Anmerkung zu der im Antrag der Piratenfraktion mehrfach erwähnten Kritik an der Arbeit zuständiger Polizeidienststellen, insbesondere der bei Fußballeinsätzen eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, vor allem der sogenannten szenekundigen Beamten, SKB. Ich lese in diesem Antrag, deren Wissen sei stark subjektiv eingefärbt und deren subjektive Einschätzungen gingen ungefiltert in Statistiken ein.
Aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung bei der Polizei als aktiver Polizeibeamter und Polizeiführer kann ich Ihnen dazu nur sagen: Unterschätzen Sie bitte nicht die Arbeit von szenekundigen Beamten im Speziellen oder von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten generell! Die wenigsten der dort eingesetzten Beamtinnen und Beamten sind erstmalig bei Fußballeinsätzen. Dann könnte man ja noch Unerfahrenheit unterstellen. Die meisten der eingesetzten Beamtinnen und Beamten sind aber sehr erfah
ren – nicht zuletzt, weil sie während einer Fußballsaison von einem Fußballeinsatz zum nächsten müssen. Erkundigen Sie sich bitte bei den Hundertschaften und bei den eingesetzten Beamten.
Es würde mich sehr freuen, wenn wir uns über einen Punkt im Vorfeld verständigen könnten: Verlangen Sie bitte weder von der Polizei noch von der ZIS weissagerische Fähigkeiten. Damit meine ich, dass Erkenntnisgewinnung, darauf basierende Einschätzung und Nachbereitung nach Einsatzende das eine sind, aber tatsächliche Verhaltensmuster von gewaltbereiten sogenannten Fans – und nur von denen rede ich hier – das andere. Da sollte auch die Piratenfraktion nicht Ursache und Wirkung verwechseln.
Weil ich mich immer gerne auf die Suche nach dem Guten begebe, will ich diesen Antrag aber nicht nur kritisieren. Wenn ich einmal über die zahlreichen kritikwürdigen Textpassagen hinwegsehe, stelle ich fest, dass ein Ziel des Antrags die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der ZIS zu sein scheint. So verstehe ich jedenfalls das Vorhaben einer Reform der Datenerfassung und Auswertung der ZIS. Da bin ich bei der bekannten Redensart, dass nichts so gut sein kann, dass es sich nicht noch verbessern ließe.
Zielführende Diskussionen und ausführliche Beratungen mögen deshalb ein guter Weg sein, um Optimierungsmöglichkeiten herauszuarbeiten. Daher stimmen wir als SPD-Fraktion einer Überweisung an den Innenausschuss zu. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Begründung Ihres Antrages, Herr Dr. Orth, finde ich eine aus meiner Sicht zutreffende Formulierung, und zwar: „Fußball verbindet die Gesellschaft“. Ich möchte diese richtige Positionierung ausdrücklich verstärken: Sport insgesamt vermittelt ein positives und friedliches Gemeinschaftsgefühl. – Es gibt in unserem Land tagtäglich vielfältige Beispiele für diese These. Aber es gibt auch die von Ihnen korrekt beschriebene hässliche Seite des Sports, und zwar der gewalttätigen Fans, die wir genauso entschieden ablehnen wie Sie.
Bevor ich im Mai in dieses Parlament einziehen durfte, war ich mehr als drei Jahrzehnte aktiver Polizeibeamter in Schleswig-Holstein und in NordrheinWestfalen. Aus diesem Grunde kann ich mich sehr gut in die Gefühlslage der eingesetzten Kolleginnen und Kollegen versetzen, die an jedem Spieltag für die Sicherheit im Zusammenhang mit Fußballspielen verantwortlich sind. Die Polizei in NordrheinWestfalen kann sich der Unterstützung der SPDLandtagsfraktion bei der Bewältigung ihrer schwierigen Aufgabe absolut sicher sein.
Wir wissen, welchen enormen Belastungen sie ausgesetzt ist und welche Verantwortung wir als Landespolitiker für sie haben. Gemeinsam mit der Landesregierung und mit den sie tragenden Fraktionen sind wir als SPD-Fraktion im Besonderen für ganzheitliche und vor allem für nachhaltige Konzepte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, natürlich kann und will ich Ihren Antrag nicht nur wohlwollend kommentieren, sondern muss auch auf einige Ungereimtheiten hinweisen. Ihr Antrag enthält Formulierungen, die bei den Bürgerinnen und Bürgern
unseres Landes den Eindruck erwecken könnten, dass keinerlei Aktivitäten oder Konzepte aufseiten der Landesregierung oder der sie tragenden Fraktionen erkennbar wären. Das ist absolut falsch, und das wissen Sie auch.
Beispielsweise sind die Länderinnenminister intensiv dabei, Strategien der Gewaltverhinderung mit den beteiligten Gruppen zu diskutieren und auszuhandeln. Am vergangenen Wochenende hat in Berlin ein Treffen der Fangruppen mit der DFL stattgefunden.
Insbesondere weil Sie auf die Landesseite abheben, möchte ich den Innenminister Ralf Jäger anführen, der nachweislich dafür gesorgt hat, dass sich NRW verantwortungsvoll bundesweit an die Spitze der Bekämpfung von Gewalt in Fußballstadien gesetzt hat. Von Nichtstun kann hier also keine Rede sein.
Hierbei ist es uns als SPD-Fraktion besonders wichtig, dass wirklich alle Beteiligten nachhaltig in diesen Prozess einbezogen werden.
Leider beschränkt sich der hier vorliegende Antrag aus meiner Sicht ausschließlich auf polizeiliche und rechtliche Problemlagen und lässt andere wichtige gesellschaftliche, insbesondere sport- und jugendpolitische Aspekte völlig außer Acht. Das ist eindeutig zu kurz gesprungen.
Unstreitig für uns ist: Aktuelle Randale muss bekämpft werden – sofort und konsequent. Überführte Straftäter müssen unverzüglich den zuständigen Gerichten zugeführt werden. Das alles tut unsere Polizei nicht erst seit gestern.
Wer aber verhindern will, dass es immer wieder zu Gewaltausbrüchen kommt, braucht eine umfassende Prävention und eine gezielte Einwirkung zur Verhinderung von Straftaten sowie eine notwendige Differenzierung innerhalb der Fanszene zur Isolierung von Provokateuren.
Dies gilt im Übrigen für den gesamten Fußballbereich bis in die unteren Ligen hinein.
Angebote an die Fanszene dürfen nicht nur die Sache von gemeinnützigen sozialen Initiativen sein. Hier müssen die Vereine, hier muss die DFL mitgestalten und vor allen Dingen mitfinanzieren – nicht freiwillig, sondern nach Umsatz und durch Umlage.
Der Begriff Fan muss wieder mit einem Zugang zur Unterhaltung, zu Geselligkeit und zum Erfolg, zu Treffen, zu Turnieren und zu Events verbunden sein.
Wir alle können jedoch an dieser Aufgabe scheitern, wenn wir unter dem Motto „abgreifen, draufhauen, aburteilen“ agieren würden. Damit überfordern wir wissentlich die Rolle von Ordnungskräften und Justiz.
Im Umgang mit dieser Gewaltproblematik ist eine deeskalierende, auf Verantwortung und Bürgerengagement abzielende Strategie erforderlich. Hierfür steht insbesondere meine Fraktion.
Wir empfehlen daher eine Überweisung Ihres Antrages an den federführenden Innenausschuss, um gemeinsam mit den anderen beteiligten Fachausschüssen eine abgestimmte Position zu erarbeiten. – Vielen Dank.