Auch die Attentäter in den Regionalexpresszügen waren bzw. sind junge Männer, die nicht einmal zwei Jahre in Deutschland gelebt haben. In diesen zwei Jahren haben Sie offensichtlich eine Entwicklung durchgemacht, dass sie zu Mördern werden wollten.
Man kann sich damit auseinandersetzen - ich meine, wir müssen das sogar -, jedoch dürfen wir nicht darauf setzen, dass wir immer Glück haben, sondern müssen aktiv etwas gegen diese Gefahr tun und die innere Sicherheit gewährleisten.
Dabei kann es natürlich nicht sein, dass Forderungen gestellt werden nach dem Motto: 100 % innere Sicherheit. 100 % innere Sicherheit wird es, insbesondere in einer freien Gesellschaft, nicht geben. Jedoch haben wir als Politiker, als Landtag, die Pflicht, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass ein größtes Maß an innerer Sicherheit gewährleistet ist. Das gilt überall dort, wo Politik Verantwortung trägt. Diesbezüglich gibt es natürlich auch streitige Forderungen. Die Kollegen der SPDFraktion - aus Bund und Ländern - haben gestern zusammengesessen. Natürlich stellt sich die Frage - aus meiner Sicht ist sie beantwortet -, warum wir die Kapazitäten und die Möglichkeiten der Bundeswehr nicht auch im Inland nutzen, um innere Sicherheit unterstützend zu gewährleisten.
- Mit Berufung auf die deutsche Geschichte, Dr. Klocksin, werden Sie den Familienangehörigen eines verstorbenen Anschlagsopfers wenig Trost spenden können. Die Menschen erwarten von uns konkrete Maßnahmen
und nicht den allzu billigen und allzu oft in dieser Hinsicht missbrauchten Verweis auf die deutsche Geschichte.
Aber es gibt natürlich auch Bewegung, zum Beispiel die Videoüberwachung. Ich kann mich noch sehr gut und lebhaft an die Diskussion im Landtag erinnern, als wir dies in Brandenburg eingeführt haben. Nun sind wir nicht nur in Brandenburg, sondern in Deutschland ein Stück weiter.
Das Gleiche gilt natürlich für die Frage bezüglich der Nutzung der DNA-Analyse. Bereits damals, als die ersten Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsgesetze unter dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily verabschiedet wurden, hat sich eine Art große Koalition im Bundestag und Bundesrat herausgebildet.
Ich meine, die Menschen sehen, dass sie sich an dieser Stelle nicht nur auf die CDU, sondern auf die großen Volksparteien
(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Was in den letzten Wo- chen zu beweisen war! - Zuruf des Abgeordneten Sarrach [Die Linkspartei.PDS])
Darin geht es auch um die Frage der Verwendung von Mautdaten. Ich habe mit Freude gelesen, dass die SPD nun den Weg geht, zu dem sich die Union bereits entschlossen hat,
und die Nutzung der Mautdaten zum Zwecke der Verbrechensbekämpfung, auch zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung, zugelassen wird.
Jedoch wäre es falsch, allein auf Sicherheitsmaßnahmen zu setzen. Die Bundesregierung wird Millionen in die Sicherheitsforschung investieren. Wir müssen uns der Frage widmen: Was macht Menschen eigentlich zu potenziellen Terroristen? Was treibt sie an? Aus welchen Strukturen kommen diese Menschen? Nur in der Antwort auf diese Fragen können wir Lösungen finden: Was können wir dagegen tun? An welchen Stellen können wir mit gesellschaftlichen Maßnahmen rechtzeitig eingreifen? - Ich erwarte natürlich auch, dass es unter anderem ein deutliches Wort der Muslime im Land in Bezug auf Anschläge gibt; denn aus meiner Sicht darf keine Religion den Einsatz von Gewalt rechtfertigen. Diesbezüglich muss es auch ein Signal der älteren Muslime in Deutschland an die jüngeren Muslime geben, indem sie ihnen sagen: Dies kann und darf nicht funktionieren. Hier wird unsere Religion missbraucht.
Ich hoffe, nicht mit meinen Worten, sondern nur die Redezeit. Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Deutschland ist ein sicheres Land. Aber es wird viel Anstrengung nötig sein, um dies auch für die Zukunft zu gewährleisten. Dafür stehen Innenminister Jörg Schönbohm und die Landesregierung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion nutzt die ihr zustehende Aktuelle Stunde, um das Problem der inneren Sicherheit vor dem Hintergrund einer wachsenden terroristischen Bedrohung zu thematisieren. Die Fraktion wird dabei ihrem Image gerecht, indem sie in primitiver Denkart
einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer terroristischen Bedrohung und einer angeblich verfehlten Ausländerpolitik im Land Brandenburg herstellt. Ich verweise dazu auf den Antrag für diese Aktuelle Stunde. Ich bin nicht bereit, unter dieser demagogischen Voraussetzung über die Sicherheitspolitik in unserem Land zu diskutieren. Ich hätte mir gewünscht, Herr Petke wäre ähnlich verfahren.
Wir werden in Kürze ausreichend Gelegenheit haben, uns anhand der angekündigten Novelle des Polizeigesetzes mit den sicherheitspolitischen Vorstellungen der Landesregierung auseinanderzusetzen. Sie können sich darauf verlassen, dass wir das mit Nachdruck tun werden.
Im Übrigen, meine Damen und Herren von der DVU-Fraktion, sollten Sie auf Ihre Wahlhelfer in Berlin und MecklenburgVorpommern einwirken, die den Begriff „Wahlkampf“ offensichtlich sehr zugespitzt interpretieren. Sie könnten auf diese Art und Weise einen konkreten Beitrag zur Herstellung von öffentlicher Sicherheit leisten. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon mit der Formulierung des Themas dieser Aktuellen Stunde, die von der DVU-Fraktion beantragt worden ist, wird der Eindruck erweckt, Brandenburg befände sich akut und explizit im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus. Sie machen die berechtigten Sorgen und Ängste der Menschen zu Ihrem Spielball, den Sie beliebig gegen jeden - vor allem und allen voran gegen die hier lebenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger - einsetzen, der Ihnen ein Dorn im Auge ist. Standen bisher lediglich die Asylbewerber auf Ihrer Abschussliste, so sind es jetzt auch die Studenten aus dem Nahen Osten, die von Ihnen unter Terrorgeneralverdacht gestellt werden.
(Sarrach [Die Linkspartei.PDS]: Herr Petke auch! Die Rasterfahndung haben Sie! - Schuldt [DVU]:... die Ras- terfahndung eingeführt!)
Um an der Stelle die statistische Unrichtigkeit Ihrer Behauptung zu untermauern, möchte ich einige Zahlen nennen.
Im Studienjahr 2005/06 haben lediglich 5 388 ausländische Studenten im Land Brandenburg studiert, von denen weit mehr als die Hälfte aus europäischen Staaten kamen. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass die ausländischen Studenten hierzulande nahezu alle arabischer Herkunft sind und dass in jeder dieser Personen ein Terrorist zu sehen ist.
Eine solche Parallelisierung und Vorverurteilung ist nicht hinnehmbar; denn sie schüren Angst, Abwehr und Aggression. Schlimmer noch: Wenn versucht wird, einen Teil einer Gesellschaft durch diese Feindbilderklärung zu stigmatisieren, wächst die Gefahr, dass man Menschen, die von Ängsten getrieben werden, in die Arme von Organisationen treibt, die sich gegen die rechtsstaatliche Ordnung wenden. Wirksame Sicherheitspolitik muss deshalb immer in erster Linie auf soziale Prävention setzen; auf Dialog statt Gettoisierung, auf Integration statt Abschottung.
Ich möchte die Debatte zu unserem Polizeigesetz nicht vorziehen und auch nicht darauf eingehen, was die Innenminister der Bundesländer auf der letzten Innenministerkonferenz beschlossen haben, um die innere Sicherheit in Deutschland weiter zu stärken.
Zum Schluss möchte ich sagen: Das höchste Gut, das wir zu verteidigen haben, ist die Freiheit. Das Grundrecht auf Freiheit ist das, was wir uns im Jahr 1989 erkämpft haben. Das Recht auf Freiheit haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes nach ihren leidvollen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus in unsere Verfassung geschrieben. Ein dieses Freiheitsrecht überstrahlendes Grundrecht auf Sicherheit gibt es nicht. Es ist vor allem dieses Grundrecht auf Freiheit, das Terroristen bei ihren abscheulichen Attentaten im Visier haben. Dieses Grundrecht - das Grundrecht auf Freiheit -, das unsere Demokratie so lebenswert macht, gilt es mit allen gebotenen Mitteln zu verteidigen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke. - Die Landesregierung verzichtet an dieser Stelle auf ihren Redebeitrag. Somit erhält noch einmal Herr Dr. Scharfenberg für die Linkspartei.PDS-Fraktion das Wort. - Er verzichtet auch. Dann erhält die Abgeordnete Stark für die SPDFraktion das Wort. - Frau Abgeordnete Stark verzichtet ebenfalls. Die Landesregierung verzichtet zum wiederholten Mal, sodass das Schlusswort zu dieser Debatte der Abgeordnete Claus von der DVU-Fraktion erhält.
(Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Das muss aber auch nicht sein! - Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Darauf können wir verzichten!)
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Ursachen der gegenwärtigen Terrorgefahr habe ich Ihnen bereits im ersten Teil meiner Rede erläutert. Zugleich habe ich Sie aufgefordert darzulegen, wie Sie dieser Gefahr effektiv begegnen wollen. Die Beiträge meiner Vorredner lassen dies allerdings völlig offen, von „ganz links“ will ich gar nicht erst reden.
Und, Frau Stark, Sie waren zwar zur betreffenden Zeit kein Landtagsmitglied, aber wer hat denn nach dem 11. September 2001 die Rasterfahndung in Brandenburg eingeführt? Das waren SPD und CDU. Da müssen Sie sich etwas besser informieren.
Massive Einschränkungen von Freiheitsrechten unserer Bürgerinnen und Bürger führen hier aber nicht weiter, meine Damen und Herren. Eine Verschärfung von Polizeigesetzen, umfassende Videoüberwachung zur Terrorbekämpfung oder Antiterrordateien werden vielleicht ein Gefühl von Sicherheit, aber nicht ein Mehr an Sicherheit vor dieser Art von Terror erzeugen. Damit beseitigt man die Ursachen der aktuellen Terrorgefahr nicht. Denn, wie gesagt, der Terror kommt von außen.
Konkret: Wir müssen die Ursachen dafür, dass dieser Terror von außen in unser Land getragen wird, beseitigen. Er hat mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in unserem Land nichts zu tun, und Deutsche sind daran nicht beteiligt - das hatte ich vorhin schon gesagt -, allenfalls Eingebürgerte mit Migrantenhintergrund. Eine Verschärfung von Polizeigesetzen schließt die Einschränkung von Freiheitsrechten aller unserer deutschen Landsleute ein. Die haben aber, wie gesagt, mit der aktuellen Terrorgefahr nichts zu tun. Eine Ausweitung der Videoüberwachung mag zur Bekämpfung allgemeiner Kriminalität Sinn machen, sofern sie mit Augenmaß an Kriminalitätsschwerpunkten als ergänzende Maßnahme zum Polizeieinsatz vor Ort eingesetzt wird und nicht die Polizeiarbeit ersetzen soll.
Im Übrigen gehe ich davon aus, dass die Täter der misslungenen Terroranschläge von Koblenz und Düsseldorf nur mithilfe der Videoaufzeichnungen identifiziert wurden, weil da wohl im Prinzip keine Profis mit fundierter Terrorausbildung am Werke gewesen sind, sondern Trittbrettfahrer der Anschläge in Spanien. Es ist wohl davon auszugehen, dass geschulte Terrorprofis die Öffentlichkeit für ihre Anschläge so auskundschaften, dass sie nicht von Videokameras erfasst werden. Allenfalls müsste man das ganze Land damit ausstatten.