Aufgaben vom Land auf die Landkreise und kreisfreien Städte sowie von den Landkreisen auf die kreisangehörigen Ämter und Gemeinden zu übertragen, ist ein langwieriger Prozess und nicht kurzfristig - innerhalb von zwei Jahren -, wie Sie es machen wollen, zu erledigen. Dabei bedarf es einer sehr diffizilen Überprüfung, wie eine effiziente und zugleich bürgernahe öffentliche Verwaltung langfristig gestaltet werden kann.
Die Übertragung landeseigener Aufgaben auf Kommunen macht angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte nur dort Sinn, wo die Erfüllung dieser Aufgaben nicht völlig verzichtbar ist oder sie eben nicht privatisiert werden können, Herr Dr. Scharfenberg. Zugleich muss die Verteilung der in der öffentlichen Verwaltung verbleibenden Aufgaben auf mehr kommunale Aufgabenträger auch bezahlbar sein. Ziel muss es sein, meine Damen und Herren, dass die öffentlichen Aufgaben- und Verwaltungsstrukturen bei gleichen Kosten besser oder bei im Wesentlichen gleicher Qualität kostengünstiger geleistet werden können, und zwar auf der unteren Ebene.
Seit April 2004 arbeitet nun eine interministerielle Arbeitsgruppe mit kommunaler Beteiligung unter Federführung des Innenministeriums. Darüber sprachen Sie ja auch; wir haben auch im Innenausschuss des Öfteren darüber gesprochen. Diese Arbeitsgruppe, Herr Dr. Scharfenberg, hat nicht 80, sondern 82 Vorschläge zur Aufgabenverlagerung eingebracht, die jetzt geprüft werden, wozu auch Aufgabenübertragungen auf die größeren und mittleren kreisangehörigen Städte gehören, zum Beispiel im Bereich der Bauaufsicht und des Denkmalschutzes.
Nun plötzlich, meine Damen und Herren - man bedenke, dass die Funktionalreform bereits seit 1993 durchgeführt wird! -, kommen die LINKEN auf die Idee, eine Enquetekommission im Parlament einzurichten. Gleichzeitig fordert die Landesregierung aber schon im Punkt 3 ihres Antrags zum Vollzug von Aufgabenübertragungen auf. Was nun die Enquetekommission konkret unternehmen soll, Herr Dr. Scharfenberg, wissen Sie selber nicht. Dies zeigt schon der Wortlaut des vorletzten Satzes Ihrer Begründung. Dort steht lediglich, dass irgendein parlamentarisches Arbeitsgremium etwas tun könnte.
Alles in allem ist der Antrag in sich verworren und unlogisch und letztlich auch sachlich nicht nachvollziehbar, Herr Dr. Scharfenberg. In Wahrheit geht es Ihnen doch eigentlich nur um Folgendes: Die Legislaturperiode geht noch zwei Jahre, und Sie wollen noch weitere Parteimitglieder in Lohn und Brot bringen. Das werden wir nicht mitmachen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz so einfach wie im eben gehörten Redebeitrag sollte bzw. darf man es sich bei diesem Thema nun wirklich nicht machen. Die Fraktion DIE LINKE hat schon, als sie noch PDS-Fraktion hieß, im Innenausschuss immer wieder darauf hingewiesen,
dass die Funktionalreform aus ihrer Sicht ein notwendiges Thema ist. Die Abfolge der Aussagen der Landesregierung, aber auch der Mehrheit der Koalitionsfraktionen wurde im Wesentlichen korrekt dargestellt.
Wenn man dieses Thema in den letzten Jahren begleitet hat, dann stellt sich natürlich die Frage, ob wir insgesamt das Notwendige getan haben, um an dieser Stelle voranzukommen. Kollege Schippel hat darauf hingewiesen, dass die kommunale Ebene nicht mit einer Stimme spricht, sondern es durchaus Meinungsverschiedenheiten gibt. In der Frage der Aufgabenübertragung vom Land auf die kommunale Ebene sind sich die Kommunen im Wesentlichen einig. In der Frage der Aufgabenübertragung von den Landkreisen auf die kreisangehörige Ebene sieht es schon viel differenzierter aus.
Kollege Dr. Scharfenberg, ich möchte auf einige der von Ihnen vorgebrachten Argumente eingehen, die aus meiner Sicht aber einen anderen Schluss zulassen. Wenn Sie sagen, wir sollten die strikte Konnexität im Land bewahren, dann ist das richtig. Aus Landessicht - das muss uns hier im Landtag interessieren ist insbesondere die strikte Konnexität, im Landesverfassungsgericht entwickelt, natürlich - wenn ich das mit aller Vorsicht so ausdrücken darf - dem Begehren, Aufgaben auf die kommunale Ebene zu übertragen, nicht förderlich, weil das möglicherweise dazu führen kann, dass die Aufgabenerledigung für das Land teurer, ja sogar deutlich teurer wird.
Ihre Fraktion hat vorhin den Blick über den Tellerrand angemahnt. Man kann auch in anderen Ländern feststellen, dass dort Aufgaben, die auf die kommunale Ebene übertragen worden sind, jetzt aus Kostengründen zurückgeholt werden. Das alles hat vor allem mit der demografischen Entwicklung zu tun, aber es gibt auch andere Ursachen.
Sie haben all die Vorhaben genannt, die die Landesregierung bzw. die Mehrheit dieses Parlaments auf den Weg gebracht hat: Landesentwicklungsplanung, Veränderung der Förderpolitik, eine mögliche Kreisgebietsreform. Es ist richtig: Brandenburg verändert sich. Es ist auch dringend notwendig, dass wir uns den veränderten Gegebenheiten anpassen. Auf das Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahre 2019 ist ebenso hingewiesen worden wie auf die demografische Entwicklung. Wir müssen uns anstrengen und unsere Kräfte bündeln, um den notwendigen Anpassungsprozess gemeinsam mit den Menschen vor Ort umsetzen zu können. Das bringt Schwierigkeiten mit sich.
Ich habe mich während Ihres Vortrags gefragt, ob es wirklich notwendig ist, in den Jahren 2007 - uns stehen nur noch wenige Monate zur Verfügung -, 2008 und 2009 in einer Enquetekommission über Fragen der Funktionalreform zu diskutieren. Die genannten Jahre sind Wahlkampfjahre; ich erinnere an die Kommunalwahl, die Europawahl, die Landtagswahl und die Bundestagswahl. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir einräumen, dass uns nicht einmal mehr zwei volle Jahre zur Verfügung stehen.
Um es gleich klar und deutlich zu sagen: Wir halten an dem Ziel der Aufgabenübertragung fest. Das gilt übrigens nicht nur für die Übertragung von Aufgaben vom Land auf die kommunale Ebene oder innerhalb der kommunalen Ebene, sondern auch für die Übertragung von Aufgaben vom Bund auf die anderen Ebenen. Ich erinnere daran, dass wir nach dem Zustandekommen der großen Koalition in Berlin die erste Stufe der Fö
deralismusreform umgesetzt haben, auch wenn es nicht in jedem Punkt Einigkeit gegeben hat. Auf uns, den Landtag, kommt mehr Verantwortung zu als zuvor. Einige Vorhaben, die nach der Verabschiedung der Föderalismusreform möglich geworden sind, haben wir schon umgesetzt. Aber der größte Teil des Weges muss noch zurückgelegt werden.
Insofern ziehe ich einen anderen Schluss als meine Vorredner: Wir müssen mit Bedacht vorgehen und vor allen Dingen in der Sache selbst argumentieren.
Ich habe in Ihrem Beitrag einen Hinweis darauf vermisst, worin die wirklichen Vorteile von Subsidiarität bzw. Aufgabenübertragung auf die unteren Ebenen bestehen.
Wir brauchen noch ein wenig Zeit, was den Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe betrifft; darauf wird Jörg Schönbohm gleich hinweisen. An der Arbeitsgruppe sind die Kommunen beteiligt. Dann müssen wir aber auch den Mut haben, zu verdeutlichen, dass möglicherweise nicht alle Blütenträume reifen werden. Es kann nicht darum gehen, dass sich das Land koste es, was es wolle - von allen Aufgaben trennt.
Notwendig ist eine ernsthafte Prüfung. Wir sind der Meinung, dass Ihr Antrag dazu keinen geeigneten Beitrag leistet. Vor allen Dingen kommt aus den von mir geschilderten Gründen eine Enquetekommission nicht infrage. Deswegen werden wir Ihrem Antrag unsere Zustimmung nicht geben. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Funktionalreform wird die Bildung einer Enquetekommission oder eines Unterausschusses zum Hauptausschuss und zum Ausschuss für Inneres gefordert, weil die von der Landesregierung eingesetzte Projektgruppe angeblich bisher keine nennenswerten Ergebnisse vorgelegt hat.
Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Die interministerielle Arbeitsgruppe zur Weiterführung der Funktionalreform hat einen umfangreichen Zwischenbericht erarbeitet, zu dem derzeit die Abstimmung innerhalb der Landesregierung stattfindet. Ziel sind eine Kabinettsbefassung noch in diesem Monat und, unmittelbar nachfolgend, die Zuweisung an den Landtag.
Angesichts der Zusammensetzung der Arbeitsgruppe und der dort beteiligten Gremien gehe ich davon aus, dass auch die Abgeordneten der LINKEN im Wesentlichen wissen, was dort besprochen wird.
Ich erinnere daran: Die kommunalen Spitzenverbände und die Fachressorts haben 82 Vorschläge zur Aufgabenübertragung unterbreitet. 57 Vorschläge sind beraten worden, 38 abschließend. 18 Vorschläge sind zwischenzeitlich zurückgezogen worden oder haben sich durch bereits vorgenommene Rechtsänderungen erledigt. In 12 Fällen hat sich die Arbeitsgruppe einver
nehmlich dafür ausgesprochen, eine Aufgabenübertragung vorzunehmen. Die übrigen Vorschläge werden zügig abgearbeitet.
Da wir im Jahr der Romantik leben - ständig wird auf entsprechende Bücher verwiesen - will ich hinzufügen: Die Romantiker stellen so schön dar, wie herrlich es ist, im Reich der Luft Gedanken zu entwickeln. Hier, hart im Raum, stoßen sich die Tatsachen. Die Tatsachen haben sich in der Arbeitsgruppe gezeigt. Darauf, wie schwer die Arbeit dort ist, hat Herr Kollege Schippel hingewiesen.
Herr Dr. Scharfenberg, Ihre Partei stellt einige Bürgermeister. Fragen wir sie, wie es sich in ihrem Bereich darstellt und wie das Verhältnis der Bürgermeister zu den Landräten ist! Darum geht es.
Wir haben einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen: die Wechselwirkung der Funktionalreform mit anderen Reformprozessen im Land. Ich nenne besonders die landesseitige Reaktion auf den demografischen Wandel - diesen wollen wir nicht aus dem Auge verlieren -, die Haushaltskonsolidierung als weiteren wichtiger Punkt, die Verwaltungsstrukturreform auf Landesebene, e-Government sowie die Umsetzung der EUDienstleistungsrichtlinie. Mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie bekommen wir eine völlig neue Aufgabenstellung. Wir sind dabei, uns darauf vorzubereiten.
Unser Ansatz ist umfassend. Wir wollen uns Lösungsmöglichkeiten im Sinne einer ständigen Veränderung offenhalten. Der Prozess der Funktionalreform ist nie abgeschlossen, sondern muss immer weiter fortgeführt werden. Wir werden hier ein Zwischenergebnis vorlegen.
Wir haben uns einen Zeitrahmen bis zum Ende der Legislaturperiode gesetzt; Kollege Schippel hat noch einmal auf den Koalitionsvertrag hingewiesen.
Im Rahmen der bisher geleisteten Analyse ist deutlich geworden, dass die Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf das Thema Funktionalreform einer tieferen Prüfung und Abstimmung innerhalb der Landesregierung bedürfen als zunächst angenommen. Wer wird der einheitliche Ansprechpartner? Wenn ich diese Frage beantwortet habe, habe ich auch andere Fragen beantwortet, die mit der Funktionalreform zusammenhängen.
Herr Minister, der Antrag konzentriert sich darauf, das Parlament intensiver als bisher an diesem Prozess zu beteiligen. Die interministerielle Arbeitsgruppe arbeitet faktisch von uns abgeschottet. In welcher Form sollte Ihrer Ansicht nach das Parlament unmittelbar bzw. möglichst eng beteiligt werden, und zwar noch in dieser Wahlperiode? Oder meinen Sie, dass das nicht erforderlich sei?
Herr Kollege Dr. Scharfenberg, wie Sie bin ich überzeugter Demokrat und plädiere für die Gewaltenteilung. Das bedeutet konkret: Wir haben eine interministerielle Arbeitsgruppe. Sie
tagt nicht abgeschottet. In Brandenburg etwas abzuschotten ist fast unmöglich. Es versickert alles im brandenburgischen Boden und kommt irgendwo als Quellwasser wieder heraus. Wo das manchmal geschieht, weiß ich nicht genau.
Auch Sie haben Zugang zu diesem Quellwasser. Der langen Rede kurzer Sinn: Es ist nichts abgeschottet. Die interministerielle Arbeitsgruppe nutzt den höchstmöglichen Sachverstand, den wir, den die Ministerien haben, und legt dann etwas vor. Wir leiten den Vorschlag an das Parlament weiter. Dann haben wir eine Grundlage für unsere Beratungen. Es ist dann Sache des Parlaments zu entscheiden, wie es mit dem Bericht umgeht.
Die Überlegung, dass man die Regierung ständig zum Jagen tragen müsse, kommt immer vonseiten der Opposition. In dem Augenblick, wo Sie Verantwortung haben, stellen Sie fest, dass Regierungshandeln doch schwieriger ist und die Sachzwänge doch größer sind. Dann sagen Sie: Um Gottes willen! Lassen Sie uns erst einmal sachkundig arbeiten. - Lassen Sie uns also sachkundig arbeiten!
Wir sind mit der Arbeit fast fertig und legen Ihnen die Ergebnisse vor. Dann können Sie entscheiden.
Ich fasse zusammen: Die Rahmenbedingungen haben sich gegenüber denen im Jahr 2003 verändert und werden sich weiterhin verändern. Wir sind dabei, uns darauf einzustellen. Ich denke, Sie tun gut daran, den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen, auf der Basis des vorzulegenden Zwischenberichts die Diskussion weiterzuführen und dann zu entscheiden, wie die wichtigen Weichenstellungen erfolgen sollen. - Herzlichen Dank.
Die Fraktion DIE LINKE beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/5188 an den Hauptausschuss. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dem Antrag auf Überweisung ist ohne Stimmenthaltungen mehrheitlich nicht gefolgt worden.
Ich stelle den Antrag in Drucksache 4/5188 zur Abstimmung in der Sache. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag in direkter Abstimmung ohne Stimmenthaltungen mehrheitlich abgelehnt worden.