Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Ich frage deshalb die Landesregierung: Warum sind Sozialund Ausbildungskriterien nicht Bestandteil der aktuellen Ausschreibung von Leistungen im Schienenpersonennahverkehr?

Ministerin Lieske wird antworten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Abgeordnete Wehlan, verehrter Abgeordneter Baer, der Abschluss eines Fairness-Abkommens wurde im Zusammenhang mit der Ausschreibung „Stadtbahn“ vom Oktober 2008 vom damaligen Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung initiiert, um die Umsetzung der Vergabe sozialverträglich zu gestalten. Beteiligte sind die beiden Eisenbahnverkehrsunternehmen DB Regio Nord und die ODEG sowie die drei Bahngewerkschaften Transnet, GDBA und GDL.

Nach insgesamt drei Gesprächsrunden im MIL wurde ein Entwurf des Abkommens gefertigt. Danach enthält der erste Teil, soweit nach Verhandlungen mit den Verkehrsunternehmen DB Regio Nordost und der ODEG möglich, Verabredungen zum Umgang mit dem Ausschreibungsergebnis „Stadtbahn“, insbesondere zur Weiterbeschäftigung des betroffenen Personals. Der zweite Teil umfasst Verabredungen für die zukünftigen Ausschreibungen.

Zu dem Entwurf haben die Verkehrsunternehmen sowie die Gewerkschaften Transnet und GDBA Stellung genommen. Die Forderungen aus den Stellungnahmen wurden hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit und der Konsensfähigkeit bei allen Beteiligten vom MIL geprüft und in das Abkommen entsprechend eingearbeitet. Transnet und GDBA haben ohne weitere Gespräche die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Das MIL hat die Gewerkschaften natürlich gebeten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Zum Jahresende 2009 wurde die Ausschreibung des Elbe-Elster-Netzes veröffentlicht. Sie enthält - das möchte ich noch einmal betonen, weil hier immer davon gesprochen wird, es seien keine Sozialstandards in der Ausschreibung enthalten folgende Sozialstandards: Als Erstes die Anwendung eines branchenüblichen Tarifvertrages für die wesentlichen Hauptleistungen. Das ist analog zum Stadtbahnnetz, auch dort war es Bestandteil. Das Zweite ist die 100%ige Zugbegleiterquote, das heißt, es erfolgt an dieser Stelle keine Reduzierung des Personals. Zum Dritten wird die Forderung aufgemacht, dass das Personal fachlich geeignet und geprüft sein muss. Außerdem wird in der Ausschreibung eine klare Definition ausführlicher Schulungsinhalte vorgenommen. Mit der Ausschreibung besteht selbstverständlich auch die Verpflichtung, vor der Betriebsaufnahme den Nachweis durch das Zertifikat „Fachkraft im Verkehrsservice“ zu haben.

Als Aufgabenträger ist das Land Brandenburg mit ca. 48 % und der Zweckverband Oberelbe mit ca. 52 % beteiligt. Bei der Vorbereitung der Ausschreibung hat sich das Land Brandenburg eindringlich für die Aufnahme der Sozialstandards nach Artikel 4 der EU-Verordnung 1370/2007 ausgesprochen. Das heißt nichts anderes als die Pflicht des Neubetreibers, den Arbeitnehmern des Altbetreibers Arbeitsverträge zu gleichen Bedingungen für ein Jahr anzubieten. Das ist der entsprechende

Betriebsübergang nach § 613a BGB, den wir auch ausschreibungsrechtlich zur Anwendung bringen können.

Durch den Zweckverband Oberelbe wurde dies wiederholt mündlich wie schriftlich abgelehnt. Es gab dazu mehrere Gespräche. In allen Verhandlungsgesprächen hat das immer wieder eine Rolle gespielt, und es wurde vom Zweckverband nicht als akzeptabel betrachtet. Auch die weitere Prüfung, dass das Netz im Hinblick auf die grenzüberschreitenden Linien nach Dresden aus unserer Sicht nicht sachgerecht teilbar war, hat eine Rolle gespielt. Eine gebietsbezogene Forderung nach unterschiedlichen Sozialstandards ist für die Verkehrsunternehmen organisatorisch und betriebsintern unzumutbar und auch nicht umsetzbar.

Es wird mit dem Verkehrsunternehmen ein dreiseitiger Verkehrsvertrag geschlossen. Die Alternative wäre eine Direktvergabe gewesen. Auch das wurde in den Gesprächen entsprechend beleuchtet. Von der Direktvergabe der Verkehrsleistungen wurde abgesehen. Eine Direktvergabe hätte aus unserer Sicht zu erheblichen Mehrkosten geführt und die mit dem wettbewerblichen Verfahren verbundenen möglichen Innovationen verhindert. An Mehrkosten haben wir 2 Millionen Euro je Jahr ermittelt. Für eine Vertragslaufzeit von neuneinhalb bis knapp zehn Jahren würde das knapp 20 Millionen Euro bedeuten. Das ist aus der Sicht eines Aufgabenträgers eine große Summe.

Bei Direktverhandlungen mit der DB AG hätten gegebenenfalls auch nicht die Qualitätsstandards in diesem ausgeschriebenen Umfang umgesetzt werden können. Weitergehende Sozialstandards - also über das Thema des Betriebsübergangs nach § 613a BGB hinaus - können im Rahmen von Vergaben nicht rechtssicher vorgeschrieben werden, insbesondere nicht die Anwendung eines für die Branche repräsentativen Tarifvertrages bzw. Tarifniveaus. Die Ausgestaltung des Verhältnisses von Arbeitgebern und Arbeitnehmern obliegt in allererster Linie den Tarifparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie. Bisher das bedauern auch wir - ist es den Gewerkschaften nicht gelungen, ein einheitliches Tarifniveau durch Abschluss eines einheitlichen Branchentarifvertrages zu erreichen. Die Aufgabenträger können dieses Anliegen zwar unterstützen, wir können es jedoch nicht ersetzen.

Es gibt Nachfragen. Zuerst die Fragestellerin, Frau Wehlan. Bitte.

Schönen Dank, Frau Lieske. Mich würde interessieren, was die Landesregierung tut, um die Bahngewerkschaften wieder an den Verhandlungstisch zu holen, und ob in diesem Zusammenhang von der Landesregierung erwogen wird, die Ausschreibung auf Eis zu legen, um möglicherweise noch Ausschreibungskriterien nachzuverhandeln, zum Beispiel das von Ihnen hier deutlich vermittelte Personalübergangsgebot.

Wir haben in der nächsten Woche ein Gespräch mit den Gewerkschaften zu diesem Bereich. Es steht aus unserer Sicht nicht zur Debatte, die Ausschreibung auf Eis zu legen.

Die nächste Nachfrage kommt von der Abgeordneten Schier. Herr Baer war vorher dran? - Bitte.

Ich möchte nachfragen: Ist Ihnen bekannt, dass es sich bei den von Ihnen dargestellten Standards zur fachlichen Eignung des Personals, also bei dem Ausbildungsgang „Fachkraft im Verkehrsservice“, um einen Wochenlehrgang des VBB handelt, der einmal für Busfahrer konzipiert wurde?

Auch das ist mir bekannt.

Die nächste Frage stellt Frau Schier.

Frau Ministerin, die Gewerkschaften werfen Ihnen bei der Ausschreibung Lohndumping vor. Sie sagen jetzt, dass in der Ausschreibung von einem branchenüblichen Tarifvertrag, also von einer branchenüblichen Vergütung die Rede ist. Wie passt das zusammen? Es muss doch einen ganz konkreten Grund gegeben haben, warum die Gewerkschaften den Verhandlungstisch verlassen haben.

Ich glaube, Ziel der Gewerkschaften muss es weiterhin sein, einen einheitlichen Branchentarifvertrag zu bekommen. Der liegt derzeit nicht vor. Für die einzelnen Verkehrsunternehmen gelten unterschiedliche Tarifverträge, die auch unterschiedlich ausgehandelt worden sind. Es kann nicht darum gehen, diese Unterschiede durch die Ausschreibungsbedingungen auszugleichen.

Wir können nur Bedingungen aus Branchentarifverträgen oder Tarifverträgen aufnehmen, die üblich sind. Wir können nicht sozusagen in Vorausschau auf einen einheitlichen Branchentarifvertrag auf einen solchen abzielen, bzw. den höchsten Branchentarif, den es gibt, zur Anwendung bringen.

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Genilke.

Frau Ministerin, Sie sprachen gerade davon, dass Sie eine Direktvergabe in Höhe von 2 Millionen Euro pro Jahr in dem Vertrag vereinbart haben, also 20 Millionen Euro über die gesamte Laufzeit von zehn Jahren. Ich frage Sie: Wie hoch wären die Kosten des Fairness-Abkommens über zehn Jahre gewesen?

Das kann ich derzeit nicht ermitteln, weil das Fairness-Abkommen noch nicht zu dem Ziel gekommen ist, das es eigentlich hat.

(Zuruf der Abgeordneten Wehlan [DIE LINKE] - weitere Zurufe)

Nein, so geht das nicht. Zwiegespräche führen wir nicht. Sie haben eine Frage gestellt und eine - wenn auch vielleicht unbefriedigende - Antwort bekommen. Vielleicht ist die Ministerin so großzügig und sagt Ihnen zu, das nachträglich schriftlich zu beantworten, wenn sie die Zahlen ermitteln kann.

Sehr gern.

Danke sehr. - Meine Damen und Herren, das Thema Ungeduld und Ausdauer hatten wir gerade beim vorigen Tagesordnungspunkt. Ich bin der Ungeduld erlegen.

Ich unterbreche den Tagesordnungspunkt 2 und kehre zum Tagesordnungspunkt 1 zurück. Die Abstimmung über den Entschließungsantrag steht bei mir auf der Seite 2, ich habe sie schlichtweg übersehen. Ihnen ist das sicher schon aufgefallen.

Ich stelle also den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 5/281 zur Abstimmung. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Die gibt es nicht. Gibt es Enthaltungen? - Es gibt eine Reihe von Enthaltungen. Der Antrag ist aber trotzdem mehrheitlich angenommen. Ich schließe damit endgültig den Tagesordnungspunkt 1.

Wir kehren zum Tagesordnungspunkt 2 zurück, und zwar zur Frage 75 (Möglichkeiten für eine Erhöhung der Impfbereit- schaft zur „Neuen Grippe“) der Abgeordneten Prof. Dr. Heppener.

Bisher ist die Impfbereitschaft zur „Neuen Grippe“ auch in Brandenburg nicht zufriedenstellend. Gleichzeitig muss damit gerechnet werden, dass es mittelfristig zu einer zweiten Welle von Erkrankungen kommen wird. Insofern besteht ein öffentliches Interesse an einer Steigerung der Impfbereitschaft.

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung: Welche konkreten Maßnahmen hält sie mit Blick auf eine Erhöhung der Impfbereitschaft zur „Neuen Grippe“ für geboten?

Darauf wird die Ministerin Tack antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Prof. Heppener, ich erinnere daran, dass wir am 6. Januar 2010 in der öffentlichen Ausschusssitzung Gelegenheit hatten, uns sehr ausführlich darüber auszutauschen. Deshalb stelle ich jetzt nur noch einmal in aller gebotenen Kürze die Veranlassung dar, die die Landesregierung sieht, hier zu reagieren.

Zum einen möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen: Impfen ist die beste Prävention! Diesen Appell können wir gemeinsam aussprechen. Ansonsten ist es eine sehr individuelle Ent

scheidung jedes Einzelnen, ob er sich impfen lässt. Ein Teil der Bevölkerung war bereits impfen. Ich möchte hier noch einmal unterstreichen: Insbesondere Kinder, Jugendliche, junge Menschen, sollten unbedingt zum Impfen gehen, ebenso chronisch Kranke - auch das ist geboten. Wir haben gemeinsam mit den Ärzten dafür appelliert und darauf aufmerksam gemacht, dass das unbedingt erfolgen sollte.

Frau Heppener, ansonsten sind wir alle gemeinsam sehr froh darüber, dass die Impfung bisher sehr erfolgreich war und die Grippewelle milde verläuft. Sie haben es aber auch schon gesagt, die Experten rechnen damit, dass es im Frühjahr eine neue Grippewelle geben wird. Deshalb noch einmal der Appell: Gehen Sie zum Impfen! Das ist der beste Schutz, persönlich und für das Umfeld, weil man dann niemanden anstecken kann.

Ich möchte darauf verweisen, dass wir am 9. Dezember 2009 im Ministerium eine große Werbe- und Aufklärungsveranstaltung mit dem Personal der Krankenhäuser und Rehakliniken durchgeführt haben, um darüber aufzuklären, wie wichtig es ist, sich impfen zu lassen. Wir vom Ministerium haben die Öffentlichkeitsarbeit immer sehr offensiv gestaltet, um darauf hinzuweisen, dass der Impfschutz das Sinnvollste ist und sich die Menschen impfen lassen sollten. Wir haben unsere Meldungen an die Presse und das Fernsehen auch darauf ausgerichtet, dass die Impfaktion weiter läuft und alle aufgefordert sind, sich impfen zu lassen.

Die Gesundheitsämter bieten für die Bevölkerung und auch für die Fachkreise fachliche Beratung an.

In Gesprächen mit der Kassenärztlichen Vereinigung und der Landesapothekerkammer haben wir noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass die Ärzte, die impfen - über 1 000 im Land Brandenburg -, ihre Werbekampagnen weiterfahren und die Bevölkerung auffordern sollen, sich impfen zu lassen. Die Apotheken und auch Ärzte sind mit ausreichenden Argumentationshilfen ausgestattet, zum Beispiel mit Werbematerial und Plakaten. Die Kassenärztliche Vereinigung hat eine Telefonhotline geschaltet - auch das wissen Sie -, um Bürgeranfragen zu beantworten.

In dieser Woche werden noch einmal alle impfenden Ärzte vom Ministerium angeschrieben, auch, um auf die widersprüchlichen Medienberichte einzugehen. Dabei machen wir deutlich: Impfen ist die beste Prävention. Ich kann das nur immer wieder wiederholen. Die Arzteinrichtungen bekommen auch Plakate und Werbematerialien in die Hand. Der Bund wird Ähnliches tun.

Ich kann nur noch einmal sagen: Gehen Sie zum Impfen!

Vielen Dank. Es gibt weiteren Fragebedarf. - Frau Prof. Dr. Heppener, bitte.

Frau Ministerin, haben Sie Kenntnis darüber, ob es in den verschiedenen Altersgruppen eine unterschiedliche Bereitschaft, sich impfen zu lassen, gibt? Wahrscheinlich ist es offenkundig, wonach ich insbesondere frage: Gibt es eine besondere Zurückhaltung bei den Älteren, sich impfen zu lassen?

Darauf würde ich gern antworten. Im Übrigen ist die Statistik über den aktuellen Verlauf des Krankheitsbefalls auf der Website des Ministeriums abrufbar. Der größte Anteil der an der Grippe Erkrankten ist in der Altersgruppe der unter 50-Jährigen festzustellen. Offensichtlich haben wir Älteren uns im Laufe des Lebens schon ein gutes Immunsystem erarbeitet, sodass wir nicht ganz so anfällig sind. Die Älteren sind demzufolge auch zurückhaltender beim Impfen.

(Frau Prof. Dr. Heppener [SPD]: Die Älteren sind also zurückhaltender. Ich fragte nicht nach den Erkrankungen, sondern nach der Bereitschaft!)

Frau Kollegin, Sie begeben sich wieder in ein Zwiegespräch, wissen jedoch, dass das nicht zulässig ist. - Herzlichen Dank für die Beantwortung dieser Frage.

Ich setze wieder Ihre Akzeptanz dafür voraus, dass die beiden folgenden Fragen zu den Lehrerstellen gemeinsam beantwortet werden können.

Zuerst hören wir die Frage 76 (Schaffung neuer Lehrerstellen zum nächsten Schuljahr) des Abgeordneten Domres.

Zeitungsberichten zufolge hat der Landeselternrat gefordert, zum nächsten Schuljahr mindestens die geplanten 260 neuen Lehrerstellen zu schaffen; denn laut der Sprecherin des Landeselternrates würden Bildungschancen ohne genügend Lehrer nicht gewahrt.