Es ist tatsächlich so, dass nach einem älteren Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein unverhältnismäßig hoher Aufwand bei den Kommunen dazu führen könnte, auf die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe überhaupt zu verzichten. Das ist unabhängig von allen anderen Bemühungen, die – wie Sie wissen – auf Bundesebene derzeit angestrengt werden, eine rechtssichere Möglichkeit auf gesetzlicher Ebene zu schaffen, um für einzelne Länder und Gemeinden diesen Verzicht herbeizuführen. Das Bundesverfassungsgericht hat sogar ein – für mich erstaunlich – vergleichsweise niedriges Quorum dafür genannt. Es hat mit 15 % der Einnahmen gerechnet, die als Kosten anfallen; 15 % der Einnahmen sind Kosten, die eine Gemeinde bereits dazu berechtigen, diese Überprüfung vorzunehmen und zu einem Verzicht zu kommen. Unglücklicherweise hat es in der Vergangenheit keine nachvollziehbaren Kostenrechnungen im Land Berlin gegeben. Auch der Versuch einer Erhebung auf Grund der Daten der Kosten- und Leistungsrechnung in den Bezirken ist leider noch nicht von Erfolg gekrönt. Hier sind die Fehlerquoten und die großen Differenzierungen in den Aussagen noch so erheblich, dass man nicht von einer gesicherten Grundlage ausgehen kann. Wir sind allerdings zurzeit dabei, dass noch einmal zu vertiefen, um zu sehen, ob schon auf dieser Basis eine Grundlage gefunden werden könnte, einen generellen Verzicht auszusprechen.
Unabhängig davon ist zurzeit das Wohnungsbaureformgesetz in der Erörterung. Hier gibt es allerdings bisher nur einen Vorentwurf eine Referentenentwurfes, der bereits die Gemüter in den Ländern erhitzt. In diesem Vorentwurf eines Referentenentwurfes ist tatsächlich die Möglichkeit für die Länder und Gemeinden verankert, auf eine Fehlbelegungsabgabe verzichten zu können. Wenn die Planungen des Bundesministeriums eintreffen werden, wird man zur Beschlussfassung über das Gesetz im Deutschen Bundestag noch im Laufe dieses Jahres kommen, so dass eventuell im Jahre 2002 auch auf dieser Grundlage eine Entscheidung herbeigeführt werden könnte.
Ich möchte folgende Frage anschließen: Was verlangen Sie von den Hauseigentümern, die Sie im Verhältnis zu anderen, die nicht von der Fehlbelegungsabgabe befreit werden, besser stellen, indem Sie ihnen eher ermöglichen, ihre Wohnungen zu vermieten, als Gegenleistung? Wie werden sich diese in den betreffenden Gebieten in besonderer Weise an der Verbesserung der Situation beteiligen?
Die Frage hat sich zum damaligen Zeitpunkt – die Regelung ist schon deutlich über ein Jahr alt – anders gestellt. Wir haben in einer ganzen Reihe von Gebieten, die überwiegend durch städtische Wohnungsbaugesellschaften repräsentiert waren – allerdings nicht ausschließlich –, eher Tendenzen sozialer Entmischung vorgefunden, die die Stadtqualität in diesen Gebieten sowie die Lebensqualität für die Menschen dort deutlich verschlechtert hat. Es war das Ansinnen dieses Hauses und das Anliegen des Senats, hier eine Abhilfe zu schaffen, um eventuellen Verslumungstendenzen rechtzeitig entgegensteuern zu können. Insofern war diese Maßnahme so, wie sie hier vorgesehen worden ist, in der Vergangenheit eher durch das Eigeninteresse diktiert.
Herr Staatssekretär! Ich habe folgende Frage: Berlin hat eine Bundesratsinitiative zur Fehlbelegungsabgabe eingebracht. Verfolgen Sie diese weiter? – Ich hoffe, Sie tun das mit Vehemenz, obwohl ich auch weiß, dass Sie schon einen Arbeitskreis gebildet haben.
Und noch etwas: In Hamburg ist man mit einem eigenen Modell schon viel weiter als wir. Der Stadtstaat Hamburg ist bereit, die Fehlbelegungsabgabe abzuschaffen, ohne abzuwarten, was die Bundesregierung sagt. Sind Sie auch so mutig, dass Berlin da folgen könnte?
Die von Ihnen angesprochene Bundesratsinitiative ist zurzeit nicht erforderlich, weil wir im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Bundes mit einiger Sicherheit damit rechnen können, dass im Laufe des nächsten Jahres – und wahrscheinlich nicht erst am Ende des Jahres, sondern früher – ein entsprechendes Bundesgesetz verabschiedet wird, das unserem Anliegen voll entsprechen wird. Insofern bedarf es keiner Parallelinitiative, sondern wir können auf die Initiative des Bundes vertrauen.
Die Frage zu den Aktivitäten in Hamburg stellt sich ein klein wenig anders: Es ist durchaus mit einem Fragezeichen zu versehen, ob die Initiative, die Hamburg gestartet hat, um die Fehlbele
gungsabgabe zu senken – Sie wissen, dass dort in vier Jahresschritten jeweils 25 % reduziert werden – so gesichert ist. Sie steht – zumindest bis der Bund anders beschlossen hat – rechtlich durchaus auf einem schmalen Grat. Deswegen hat in Hamburg die Initiative zu diesem Gesetz das dortige Landesparlament ergriffen und nicht der dortige Senat. Ich stelle anheim.
1. Wie bewertet der Senat die Ankündigung der Arzneimittelfirma Femagen, den Vertrieb der sogenannten Abtreibungspille „Mifegyne“ einzustellen, weil die zu niedrige Bewertung dieses Medikaments durch den Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 3 SGB V dazu führt, dass die Abtreibungspille durch Ärzte nicht verschrieben wird und sich damit wirtschaftlich nicht rechnet?
2. Wie und wann hat sich der Senat dafür eingesetzt, dass der Bewertungsausschuss die Kostenerstattung für einen Schwangerschaftsabbruch „kritisch im Sinne einer erhöhten Bewertung überprüft“, wie er es in der Antwort auf die Mündliche Anfrage Nr. 14 vom 24. Februar 2000 angekündigt hat, und was wird er – ggf. mit den anderen Ländern und der Bundesregierung – tun, um auch weiterhin den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch als eine Alternative und Wahlmöglichkeit zum chirurgischen Schwangerschaftsabbruch zu erhalten?
Zur Beantwortung hat Frau Staatssekretärin Junge-Reyer – für Frau Senatorin Schöttler – das Wort – bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Baba! Ich beantworte Ihre Mündliche Anfrage wie folgt:
Der Vollzug der Entscheidung der Firma Femagen als deutschem Lizenznehmer, den Vertrieb von „Mifegyne“ zum Jahresende einzustellen, würde tatsächlich einen frauen- und gesundheitspolitischen Rückschritt darstellen. Die Ursachen für diese Entscheidung liegen, wie Sie dies bereits geschildert haben, tatsächlich in der zu geringen Zahl der Verordnungen durch die Ärzteschaft. Diese geringe Zahl der Verordnungen – sie liegt übrigens unter 4 % aller in Frage kommenden Fälle – ist wiederum eindeutig auf die zu geringe Vergütung für die ärztliche Leistung zurückzuführen. Hierfür trägt, wie Sie dargestellt haben, die Selbstverwaltung – namentlich der zuständige Bewertungsausschuss auf Bundesebene – die alleinige Verantwortung und die alleinige Kompetenz.
Frau Senatorin Schöttler hat sich mit Schreiben vom 23. März 2000 persönlich an den Bewertungsausschuss gewandt und gebeten, die von ihm vorgenommene Bewertung zu überprüfen.
Besonders hat sie dabei auf den medizinisch notwendigen Betreuungs- und Beobachtungsumfang beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch hingewiesen. In der Antwort vom 30. März hat der Bewertungsausschuss seine Bewertung verteidigt. Wir haben dies in der Antwort auf die Mündliche Anfrage, die Sie zitiert haben, dargestellt.
Das Land Berlin hat daraufhin zusammen mit Bremen auf der Gesundheitsministerkonferenz Ende Juni einen Beschluss herbeigeführt, mit dem der Bewertungsausschuss dringend aufgefordert worden ist, auch unter Berücksichtigung der europäischen Erfahrungen und unter Hinzuziehung von Berechnungsgrundlagen eine neue Bewertung der ärztlichen Leistungen vorzunehmen, die eine Kostendeckung dieser ärztlichen Leis
tung ermöglichen würde. In gleicher Richtung hat sich auch die Gleichstellungs- und Frauenministerinnnenkonferenz verhalten. Darüber hinaus ist die Bewertungsproblematik im Rahmen der Bund-Länder-Treffen der Kostenerstattungsbehörden eingehend behandelt worden. Auf Initiative Berlins hat eine Länderarbeitsgruppe dem Bewertungsausschuss am 6. Juli sehr konkrete Änderungsvorschläge zugeleitet. Deren Umsetzung hätte zu einer Verdoppelung der ärztlichen Leistung geführt. Leider haben die Länder bis heute vom Bewertungsausschuss dazu keine Antwort erhalten.
Es hat darüber hinaus Gespräche der beiden im Wesentlichen betroffenen Bundesministerien mit dem Bewertungsausschuss auf Fachebene gegeben. Zielrichtung muss es nun sein, auf weiteren politischen Ebenen noch einmal an die Selbstverwaltung heranzutreten. Dies tun die Vertreterinnen der Bundesministerien bereits. Aus hiesiger Sicht empfehlen wir und stärken wir eine offensive Haltung des Bundesgesundheitsministeriums gegenüber dem Bewertungsausschuss ebenfalls. Eine Lösung kann, wie Sie wissen, nur auf Bundesebene erfolgen. Sollte der Bewertungsausschuss nicht kurzfristig den dargelegten Kritikpunkten Rechnung tragen, werden zusätzliche gesetzgeberische Maßnahmen zur Sicherung der Alternative medikamentöser Schwangerschaftsabbruch zu prüfen sein.
Dabei ist allerdings darauf zu verweisen – wir haben dies in einem Ausschuss bereits miteinander betrachtet –, dass auf die Gleichbehandlung bei der Vergütung von Schwangerschaftsabbrüchen mit „Mifegyne“ und der Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung im Wege der Kostenerstattung ganz wesentlich zu achten ist.
Abschließend müssen wir betonen, dass wir uns auch weiterhin – auch die Senatorin persönlich – dafür einsetzen, dass der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch als Wahlmöglichkeit für die Frauen in Deutschland nicht nur erhalten bleibt, sondern dass die tatsächlichen rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
Frau Staatssekretärin! In einigen Bundesländern, wie beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, gibt es einen einheitlichen Eingriff, der mit 490 DM gleich honoriert wird. Meine Frage lautet: Sehen Sie die Möglichkeit, dass dies für Berlin Modellcharakter haben könnte?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Baba! Die Aufsichtsbehörden der Sozialversicherungsträger haben sich ausführlich mit dieser und anderen Fragen auseinandergesetzt. Sie haben festgestellt, dass es in den Fällen, in denen ein Bezug zur gesetzlichen Krankenversicherung hergestellt ist, außerordentlich schwierig ist, davon abweichend Beträge festzusetzen. Es gibt erhebliche rechtliche Bedenken. Folglich, so haben die Aufsichtsbehörden der Sozialversicherungsträger festgestellt, sind die für das Kostenerstattungsverfahren zuständigen Länder auf die Festlegung des Bewertungsausschusses verwiesen und können grundsätzlich keine anderen Beträge schaffen.
Ich will Ihnen dazu sagen, dass auch das Bundesministerium für Gesundheit sich mit Gegenvorstellungen befasst und festgestellt hat:
Aus den vorliegenden Stellungnahmen kann ich nicht entnehmen, dass die Bewertungen der Leistungen fehlerhaft sind. Zu einer Einflussnahme auf die Entscheidung der Selbstverwaltung sehe ich
Deshalb glaube ich, dass die zum Schluss in meiner Antwort auf Ihre Mündliche Anfrage dargestellte Prüfung der Frage einer gesetzlichen Veränderung vielleicht zielführend sein könnte.
Frau Junge-Reyer! Kann ich davon ausgehen, dass der Weg, den die drei genannten Bundesländer Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gegangen sind, also eine gleichberechtigte Bewertung der unterschiedlichen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs zu empfehlen, kein Weg ist, den Berlin gehen wird?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Freundl! Die Handlungsweisen anderer Bundesländer vermag der Senat von Berlin selbstverständlich nicht zu bewerten oder zu relativieren. Ich will Sie darauf hinweisen, dass uns zur Zeit bekannt ist, dass solche Bewertungen zu Stande gekommen sind ohne die Beteiligung der Aufsicht über die Krankenkassenverbände. Ich halte es persönlich deshalb für außerordentlich kritisch, zu einer solchen Haltung zu kommen.
Zunächst einmal sehr herzlichen Dank, weil aus der Antwort deutlich wurde, dass offenbar gerade von Berlin aus eine Menge Aktivitäten in Sachen „Mifegyne“ auf den Weg gebracht worden sind. Das finde ich bemerkenswert und möchte es an dieser Stelle festhalten.
Meine Frage, Frau Junge-Reyer, lautet: Wenn alle die von Ihnen geschilderten Bemühungen scheitern sollten, auch gerade die Initiativen, die auf der ministeriellen Ebene erfolgten, könnten Sie sich dann vorstellen, dass das Land Berlin, vielleicht sogar im Konzert mit anderen Bundesländern, noch einmal über eine Bundesratsinitiative aktiv wird, weil sich offenbar die Selbstverwaltung nicht in der Lage sieht, dieses Problem zu klären?