Protokoll der Sitzung vom 18.01.2001

Die Zusatzfrage – Herr Abgeordneter Schlede!

Herr Senator Böger! Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass ein um eine Woche reduzierter Ansatz für die Winterferien diese ad absurdum führen? Wenn Wintersportmöglichkeiten genutzt werden sollen, bieten einwöchige Ferien wegen nötiger An- und Abreise praktisch keine Urlaubsmöglichkeiten mehr.

Herr Senator Böger!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schlede! Zunächst einmal glaube ich, dass jede Art von Ferien für die Betroffenen als Erleichterung empfunden wird, gleichgültig ob man verreisen kann oder nicht.

[Beifall bei der SPD]

Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass auch bei vierzehntägigen Winterferien vermutlich nicht die überwiegende Mehrheit der Berliner Kinder diese tatsächlich für einen Urlaub im Alpenbereich nutzen kann.

[Beifall bei der SPD]

Auch dies ist, wie Sie wissen, eine nicht einfache finanzielle Angelegenheit. Insofern denke ich, in diesem Abwägungsprozess sind auch diejenigen, die sich das leisten können und wollen, immer noch in der Lage, in Wintersportgebiete zu fahren.

(A) (C)

(B) (D)

Bm Böger

Im Übrigen, Herr Abgeordneter Schlede, können wir beide und die Politik insgesamt, selbst bei größter Geschlossenheit, nie im Voraus feststellen, wann wir eine geschlossene Schneedecke haben.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir sind jetzt bei der nächsten spontanen Frage von Herrn Abgeordneten Gaebler. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Regierenden Bürgermeister angesichts des Ausbruchs des Igor Pikus nach seiner generellen Einschätzung zu diesem Ausbruch und nach der Zuständigkeit für die Entscheidung über Fahndungstaktik und Information der Öffentlichkeit.

Herr Regierender Bürgermeister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Zunächst darf ich feststellen, dass es sicherlich – so hat die Kollegin Schöttler es auch formuliert – ein bedauerlicher Fehler war, dass nicht sofort, und zwar von der Anstalt aus, die Öffentlichkeit angemessen unterrichtete wurde. Das kann man am besten institutionell dadurch sichern, indem man immer wieder darauf drängt, dass schnelle Informationen notwendig sind und übrigens aus diesen Anstalten auch schnelle Informationen – so, vermute ich, ist das Problem auch in der Gesundheitsverwaltung gewesen – an die politisch Verantwortlichen gegeben werden; klare Hinweise dabei!

Zweitens: Der Senat hat sich bereits im Oktober 2000 mit der generellen Sicherheit im Maßregelvollzug beschäftigt. Dabei ging es vor allem um die Ausführung. In Berlin sind die Regeln sehr strikt. Im konkreten Fall werden wir in der Verantwortung der Kollegin Schöttler überprüfen – so vermute ich –, inwieweit die Sicherheit in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs verstärkt werden kann, und zwar mehr durch technische Maßnahmen.

Der nächste Punkt: Im Hinblick auf die weitere Verfolgung eines Ausgebrochenen gelten die normalen Regeln. Da ist die Polizei in der Vergangenheit im Regelfall ziemlich erfolgreich gewesen. Ich hoffe, sie wird auch diesmal erfolgreich sein.

Ich nutze die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass es sich hier um einen Vorgang handelt, der in der Grundposition, ob ein Betroffener im Maßregelvollzug oder in einem anderen Vollzug ist, ausschließlich eine Angelegenheit der unabhängigen Richterschaft ist.

Die Zusatzfrage von Herrn Gaebler – bitte!

Es bleibt die Frage, von wem die Entscheidung über die Fahndungstaktik und die damit verbundene Information der Öffentlichkeit getroffen wird.

Herr Regierender Bürgermeister!

In dem Augenblick, wo nach den normalen Zuständigkeiten über eine besondere Fahndungstaktik zu entscheiden ist, ist es eine Sache der Polizei. Aber ich glaube, hier gibt es dazu keine Fragestellung. Die Polizei ist in diesem konkreten Fall sehr aktiv auf dem Wege. Ich hoffe, auch bald erfolgreich. Sie hat alle Informationen eingeholt, die irgend möglich sind. Ich hoffe, dass alle Informationen von den jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit dem Ausgebrochenen beschäftigt sind, also von Ärzten bis zum Sicherheitspersonal, vorliegen – davon gehe ich aus –, dass die Betroffenen dies vorgetragen haben. Dafür sorgt die zuständige Verwaltung, was sie auch sehr deutlich getan hat. Insofern ist die weitere Form, wie versucht wird, die Öffentlichkeit einzuschalten, jeweils in Zusammenarbeit mit Polizei und – in dem Punkt, wo es um psychisch Kranke geht – auch nach Rat von Ärzten zu wählen.

Die nächste spontane Frage kommt von Frau Dr. Schulze, Fraktion der PDS. – Bitte sehr!

Ich frage Herrn Diepgen als zuständigen Senator für diese Angelegenheit, die eben besprochen wurde: Wie lange braucht die Verwaltung, um Anträge der Sozial- und Gesundheitsverwaltung und der Ärzte der Bonhoeffer-Nervenklinik zu bearbeiten, dass betreffende kranke Leute vom Krankenhaus in den Maßregelvollzug überführt werden wenn die medizinische Indikation einen Aufenthalt in einer Klinik nicht rechtfertigen?.

Frau Abgeordnete! Da Sie den Zuständigen innerhalb des Senats gefragt haben, darf ich den Präsidenten fragen, ob er erlaubt, dass die Kollegin eine ergänzende Frage an die Kollegin Schöttler stellen darf.

Ich habe eine eindeutige Frage an Herrn Diepgen gestellt. Ich denke, er ist dafür zuständig.

Beim Senat gibt es eine klare Geschäftsverteilung. Sie können den Senat fragen. Wenn der Regierende Bürgermeister eine Antwort gegeben hat, kann man damit zufrieden sein oder nicht; die Antwort ist erteilt worden. Aber er möchte trotzdem noch eine Antwort geben. – Bitte sehr!

Ich will die Kollegin beruhigen: Ich werde mich sofort, wenn ich dazu Zeit habe, mit der Kollegin Schöttler zusammensetzen und die Informationen, die mir die Kollegin Schöttler gibt, an Sie weitergeben. Sind Sie damit einverstanden? Ich hoffe.

[Frau Schaub (PDS): Was soll denn der Sarkasmus?]

Dann kommen wir zur nächsten spontanen Frage von Herrn Berger von Bündnis 90/Die Grünen.

Meine Frage richtet sich an den Innensenator, Herrn Werthebach. – Herr Werthebach, Ihr neben Ihnen sitzender Kollege Herr Strieder hat mit erfrischender Klarheit die Woche mit der Erklärung begonnen, dass diese Stadt weitere Einwanderer aus anderen Ländern braucht. Aber auch Sie haben sich erfreulicherweise letzte Woche für weitere Zuwanderung ausgesprochen.

Darum meine Frage: Warum fangen Sie denn nicht hier an? Warum gewähren Sie dann nicht den breiten Kreisen von Flüchtlingen, die wir in dieser Stadt haben, ein Aufenthaltsrecht – denjenigen, die jung sind, die qualifiziert sind, die arbeiten wollen? Warum machen Sie weiter eine Politik, die diese Menschen weiter an den Rand der Gesellschaft drängt?

Herr Senator Werthebach, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Berger! Wenn ich Herrn Strieder richtig verstanden habe, dann hat er darauf hingewiesen, dass wir eine gesteuerte Zuwanderung brauchen. Ich füge hinzu: Eine solche Aussage ist zum Teil richtig; aber in welchem Maße eine solche gesteuerte Zuwanderung erfolgen muss und kann, wird man erst dann festlegen können, wenn man den Gesamtrahmen dessen, was notwendig ist, um hier eine Zuwanderung von außen zuzulassen, festgesetzt hat.

Zu Ihrer konkreten Frage füge ich hinzu: Entscheidend wird in Zukunft sein, ob diese Zuwanderung im Interesse des Gemeinwohls erfolgt, oder ob sie ausschließlich im Interesse des Ausländers, der entweder hierher zuwandert oder sich bereits hier aufhält, liegt.

(A) (C)

(B) (D)

Bm Dr. Werthebach

Meine ganz klare Position dazu ist, dass wir in Zukunft in erheblich größerem Umfang als bisher gesteuerte Zuwanderungen zulassen sollten, die aber vorrangig im Interesse des Gemeinwohls zu erfolgen haben – oder der Staatsräson, wenn Sie lieber wollen. Das ist meine Position dazu, und Ihre Frage berücksichtigt eben nicht das Interesse des Gemeinwohls.

Zusatzfrage von Herrn Abgeordneten Berger, bitte sehr!

Herr Senator, Ihre Antwort zwingt mich dazu, meine erste Frage noch einmal zu präzisieren: Wenn Sie auf das Gemeinwohl abheben, frage ich Sie ganz konkret: Ist es nicht auch im Sinne des Gemeinwohls in dieser Stadt, wenn Sie endlich den Menschen, die als unbegleitete Kinder vor 10 Jahren in diese Stadt gekommen sind – es sind übrigens etwa 100 –, die hier ausgebildet worden sind, die glänzend deutsch sprechen, die Zukunft ausstrahlen und für deren Verbleib sich Vertreter des Gemeinwohls wie die Bischöfe der Katholischen und der Evangelischen Kirche und auch Herr Diepgen einsetzen, ein Bleiberecht gewähren?

[Beifall bei den Grünen]

Herr Senator, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Berger! Wenn Sie meiner Antwort zugehört hätten, hätten Sie durchaus verstanden, dass ich künftig ganz eindeutig unterscheiden will zwischen fremdnützigen und eigennützigen Zuwanderern und dass ich durchaus der Auffassung bin, dass wir in der Vergangenheit in erheblich zu hohem Maße fremdnützige Zuwanderungen hatten. Von da her möchte ich das steuern.

Ihre Aspekte der humanitären Aufnahme von Ausländern nach Deutschland bzw. nach Berlin liegt auf einer ganz anderen Plattform, hat einen ganz anderen Hintergrund. Wenn Sie wollen, erkläre ich ausdrücklich noch einmal – weil das gefestigte Position auch in diesem Senat ist: Selbstverständlich sollen alle, die wirklich verfolgt sind, auch in aller Zukunft ein Asylrecht in Deutschland, in Berlin erhalten.

Aber eine ganz andere Frage ist, wenn Ausländer – auf welche Art und Weise auch immer – zuwandern – zum Teil auch illegal –, wie mit ihnen umgegangen wird. Hier bin ich dann der Auffassung, dass dieses vorrangig unter dem Interesse des Gemeinwohls zu behandeln und zu entscheiden ist.

Die nächste spontane Frage kommt von Herrn Abgeordneten Czaja.

Ich frage die Senatorin Schöttler: Sind Sie weiterhin der Meinung, dass der entflohene Sexualstraftäter Igor Pikus für die Öffentlichkeit keine Gefährdung darstellt, wie Sie das der Öffentlichkeit mitgeteilt haben?

Die Geschäftsordnung ist nicht dafür offen, dass zweimal zum selben Sachverhalt in der Spontanen Fragestunde gefragt wird. D. h., es ist nicht zulässig. Sie müssten sich zu einer anderen Frage melden.