Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

Die Sommerferien stehen vor der Tür, sehr richtig, Herr Böger. Sie setzen sich schon in Position, denn ich frage Sie heute, ob Sie die Voraussetzungen getroffen haben, einen reibungslosen und pünktlichen Schulbeginn sicherzustellen, was die Einstellung der Lehrkräfte bis zum 1. August anbelangt, und inwiefern erste Schritte eingeleitet wurden, um die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die Schulleiter der einzelnen Schule die Anwesenheit aller Lehrkräfte drei Tage vor Schulbeginn anordnen können, um einen reibungslosen Schulbeginn zu gewährleisten.

Herr Senator Böger – bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Senftleben! Ich glaube, ich habe in der vorherigen Antwort auf die spontane Frage spontan geantwortet und ausgeführt, dass zumindest uns bewusst ist, dass die Schule im August wieder beginnt. Wir bereiten dementsprechend alles vor. Es hängt mit von Ihrer Entscheidung ab, dass wir einen Haushalt verabschieden. Andernfalls kann ich gar nicht einstellen. Es liegt in Ihrer Verantwortung, dass wir einen Haushalt bekommen. Wir jedenfalls bereiten stellenmäßig alles vor, aber das habe ich bereits ausführlich geschildert.

Ich will aber nicht dem anderen Teil Ihrer Frage ausweichen. Es ist richtig, dass die Koalitionsfraktionen in ihrem Koalitionsprogramm vereinbart haben, dass sichergestellt werden muss, dass nicht nur Schulleiter bzw. Schulleiterin sowie der oder die Stellvertreter und Stellvertreterinnen drei Tage vor Schulbeginn in der Schule anwesend sind, sondern dass dies auch für das gesamte Kollegium gelten soll. Dazu stehe ich. Die Umsetzung dieser Anordnung ist allerdings etwas schwieriger, als ich es mir persönlich vorgestellt habe, aber sie wird erfolgen. Dazu muss man eine Urlaubsordnung ändern, weil dort zwar nicht die gesamten Ferien als Urlaub, aber als potentielle Urlaubszeit gesehen werden. Man muss diesen Prozess in Gang setzen, dabei sind wir.

Es kann aber sein, dass die eine oder andere Kollegin oder der eine oder andere Kollege in diesen Ferien den Urlaub so geplant hat, dass er oder sie erst am Sonntag aus dem Urlaub kommt und am Montag frisch in die Schule zurückkehrt. Da wäre es nicht fair, wenn wir im April oder Mai gesagt hätten, dass das nicht geht. Das heißt, wir sind dabei, diesen Bedarf – hätte ich nie gedacht – eines bürokratischen Aktes umzusetzen. Und ich hoffe, dass wir das dann im nächsten Schuljahr tatsächlich überall haben. Ich will aber auch noch sonst hinzufügen: Es gibt sehr viele Schulen, in denen das ohnehin schon geschieht, insbesondere von den Schulleitungen, die ja immer diese Vorbereitung machen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Böger! – Dann hat Frau Senftleben das Wort für eine Nachfrage!

Ich frage Sie, ob die Schulen in diesem oder im kommenden Schuljahr damit rechnen können, dass sie mit 105 % des Personals ausgestattet werden.

Herr Senator Böger, bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Senftleben! Ja! Damit können die Schulen nicht nur rechnen, sondern das soll auch real so sein.

Danke schön, Herr Senator Böger!

Zu einer spontanen Frage hat nunmehr Frau Dr. Klotz von den Grünen das Wort. – Bitte schön, Frau Dr. Klotz!

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(B) (D)

Danke schön! – Ich habe eine Frage an den Bürgermeister, Herrn Dr. Gysi. – Herr Gysi, was werden Sie tun, damit der Jüdische Kulturverein, der für ein wichtiges und breites Angebot hier in Berlin steht, nicht Mitte nächsten Jahres seine Arbeit einstellen muss, weil ihm 25 000 $ an Miete fehlen?

Herr Bürgermeister Dr. Gysi!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Zunächst fällt das in die Zuständigkeit des Senators für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Darüber hinaus habe ich aber von dem Kulturverein gestern ein Schreiben mit diesem Inhalt bekommen und werde mich unabhängig von Zuständigkeitsfragen auch im Rahmen der Gesamtverantwortung eines Bürgermeisters in den nächsten Tagen dieser Frage widmen, in der Hoffnung, dass wir mit den Parlamentariern im Hauptausschuss, aber auch mit dem Senator dafür eine Lösung finden. Der Betrag ist nicht so erheblich, dass es mir ausgeschlossen scheint, eine Lösung zu finden. Wir haben schwierigere Probleme, aber ich bin natürlich dafür, dass dieser Verein seine Tätigkeit fortsetzen kann.

Frau Abgeordnete, bevor Sie nachfragen, würde Herr Dr. Flierl gern zur Sachaufklärung beitragen, wenn Sie einverstanden sind. – Bitte schön, Herr Dr. Flierl!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Klotz! Sicherlich teilen Herr Gysi und der Senat meine Einschätzung, dass der Verein eine außerordentlich verdienstvolle Arbeit leistet. Ich kenne seine Tätigkeit seit vielen Jahren. Die Frage war an den Kollegen Gysi gerichtet, weil die Tätigkeit bislang über Arbeitsförderinstrumente gefördert wurde. Es gehört zur Situation in dieser Stadt, dass offene Briefe immer schneller in der Öffentlichkeit als bei den Adressaten sind. Deswegen habe ich, nachdem ich auch aus der Zeitung über die aktuelle Situation gehört habe, Kontakt mit Frau Runge aufgenommen. Wir werden uns ins Benehmen setzen, um nach Lösungswegen zu suchen. Es ist ein Problem, das auch schon länger bekannt ist, leider von den Antragstellern uns gegenüber nicht bekannt gemacht wurde, so dass wir es nicht in die Haushaltsberatungen mit aufnehmen konnten. Ich hoffe, dass es eine Lösung gibt. Wir sind zu einem Termin verabredet.

Eine Nachfrage – Frau Dr. Klotz!

Das hatte schon Sinn, dass ich Sie, Herr Arbeitssenator, gefragt habe, weil nämlich die Finanzierung der Stellen bisher ausschließlich über Arbeitsförderungsinstrumente stattgefunden hat. Und deswegen frage ich Sie noch mal in Ihrer Eigenschaft als Arbeitssenator: Neben dem Suchen nach der Möglichkeit einer institutionellen Förderung für den Mietbereich, was werden Sie denn tun, um die Möglichkeiten, die Ihnen als Arbeitssenator zur Verfügung stehen, dahin gehend zu nutzen, dass die Arbeitsförderinstrumente, mit denen die Beschäftigten in diesem Jüdischen Kulturverein bisher gearbeitet haben, verstetigt werden, verlängert werden und nicht auslaufen, und zwar fast auf null, wie es derzeit aktuell der Fall ist?

Herr Arbeitssenator Dr. Gysi, bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Dann hätten Sie mich auch nach den Arbeitsförderinstrumenten fragen können. Sie haben mich aber ausdrücklich nach der Miete gefragt und damit nach einer institutionellen Finanzierung, für die ich logischerweise nicht zuständig bin – unabhängig davon, dass ich mich darum bemühe. Was Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in diesem Bereich betrifft, so sind wir gegenwärtig dabei, das zu

prüfen. Das hat auch mit der Haushaltsberatung nichts zu tun, sondern eher damit, dass bestimmte Maßnahmen, wie Sie wissen, nach einer bestimmten Zeit auslaufen, unter bestimmten Bedingungen nicht so ohne weiteres wieder fortgesetzt werden dürfen. Aber auch dort sind wir selbstverständlich bemüht, eine Lösung zu finden. Ich kenne diese Problematik, ich kenne sie auch von anderen Einrichtungen, die wichtig sind, wo immer dann eine Schwierigkeit entsteht, wenn mittels Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder auch mittels SAM die Einrichtungen sich faktisch daran gewöhnen, über diese Strecke gefördert zu werden und leider die Gesetzgebung, auch seitens der Bundesanstalt, also die entsprechenden Richtlinien, immer nur eine vorübergehende Förderung vorsehen, immer in der Absicht, dass dann diese Institutionen selbst Wege finden, um in finanzieller Hinsicht lebensfähig zu werden. Und da gibt es dann auch gelegentlich Konflikte. Sie wissen ja, dass meine Verwaltung darüber nicht entscheidet, sondern letztlich das Landesarbeitsamt nach den Richtlinien der Bundesanstalt und auch den entsprechenden Gesetzen. Aber wir sind mit ihm in Verhandlung, um auch diesbezüglich zu helfen, dass die Tätigkeit fortgesetzt werden kann.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): An Ihnen scheitert’s nicht!]

Das war die 1. Runde der spontanen Fragestunde. Ich sehe, alle warten mit Spannung darauf, dass ich den Gong betätige. Dann können Sie sich alle eindrücken. Also erst den Gong abwarten und dann melden.

[Gongzeichen]

Frau Dr. Hiller war am schnellsten und hat das Wort zu einer spontanen Frage!

Ich habe eine Frage an den Senator für Bildung. Und zwar habe ich der Presse entnommen, dass er für das Schuljahr 2004/05 den Werteunterricht angekündigt hat. Vorausgesetzt, dass diese Pressemitteilung stimmt: Wie ist der Stand der Vorbereitungen dieses Unterrichts?

Herr Senator für Bildung, Herr Böger!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Hiller! In der Zeitung steht viel. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in einer Presseerklärung für 2004 den Werteunterricht angekündigt habe. Wahr ist, dass mir dieser Unterricht und überhaupt die Erziehung zu Werten sehr am Herzen liegt. Wahr ist auch – das will ich hier freimütig bekennen –, dass ich aus dem politischen Raum von der größten Fraktion hier im Haus, die mir zudem noch politisch überaus nahe steht, eine Anregung entgegengenommen habe, aus den Medien, dass man in diesem Bereich erhöhte Sorgfalt sehen wollte. Und das habe ich wahrscheinlich sofort aufgegriffen und habe mich gekümmert. Aber im Ernst, es ist ein sehr kompliziertes Problem.

Erstens: Werteerziehung findet in der Schule nicht nur überall da statt, wo steht, heute sind Werte dran. Sondern Werteerziehung beginnt jeden Morgen um 8 Uhr allgemein in der Schule über Erziehungsprinzipien. Das muss mal in die Köpfe rein.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Sie wissen, ich bin durchaus ein Anhänger von Sekundärtugenden, die sind nicht alles, aber ohne die ist fast alles nichts. Das heißt, wenn man um 8 Uhr da ist, ist das auch ein Hinweis, dass etwas pünktlich beginnt; auch okay.

Zweitens: Der innere Lehrplan einer Schule, das heißt das, was gar nicht auf der Tagesordnung steht, das verbindet sehr häufig in Bewusstseinshaltung. Dazu gehört, dass eine Schule ein Erziehungskonzept hat, und auch einen Kontrakt macht. Dazu gehören die von mir erwähnten Sekundärtugenden, aber natürlich auch die wichtigen Inhalte wie Toleranz, Orientierung auf Persönlichkeiten, die andere achten usw., Solidarität, soziales Handeln, das gehört alles dazu. Das kriegt man nicht in einem Fach, um das mal klarzumachen. Es wäre ein Irrtum, das anzunehmen.

(A) (C)

(B) (D)

Sen Böger

Aber drittens ist es ohne Frage wichtig, dass wir uns in diesem Haus ohne Hektik und ohne Schnellschüsse noch einmal Gedanken darüber machen müssen, wie wir einerseits das behalten, was man sozusagen im Religionsbereich hat, dort ist ja angelegt auf Glaubensüberzeugung, andererseits in dem glaubensneutralen Bereich, dort bieten wir gegenwärtig außer in ein paar Schulversuchen nichts an. Das heißt, es ist wohl wahr, dass wir daran arbeiten, ein Konzept vorzulegen, das eine allgemeine Werteerziehung in Verbindung bringt mit den religiösen Fragen. Sie wissen, das hat vielfältige, komplizierte Umstände.

Ich will auch gleich sagen, um eine andere Frage vorwegzunehmen, wir werden auch sehr energisch prüfen, ob wir ein Fach wie Islamkunde einführen. Sie haben vielleicht gehört, dass in Nordrhein-Westfalen erstmals ein Lehrstuhl dazu eingerichtet wird. Wir werden das auch prüfen. Das ist aber übrigens dann ein Unterricht, der nicht auf Glaubensübernahme, sondern -kunde orientiert ist. Da gibt es ohnehin keine Probleme.

Letzter Hinweis, bevor der Finanzsenator eingreift: All dies muss immer geschehen im Rahmen eines von uns verabschiedeten Haushaltstableaus. Darüber kann ich nicht hinweggehen. Ich bin sehr daran interessiert und setze auf Ihre Hilfe, dass dieses Haushaltstableau so bleibt, wie es ist, dass wir in der Bildung nicht weiter sparen. Da hoffe ich sehr stark auf Ihre Unterstützung.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Und dann kann man sehen, dass man in diesem Rahmen auch diese Fächerkombination vernünftig voranbringt.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Senator! – Frau Dr. Hiller hat im Moment keine Nachfrage.

Dann ist Frau Harant dran. Es bleibt bei der Schulpolitik. – Bitte schön, Frau Harant!

Meine Frage geht auch an den Bildungssenator. Letzte Woche hat sich die Kultusministerkonferenz auf gemeinsame Vereinbarungen zur Qualitätsverbesserung an den deutschen Schulen geeinigt. Ich frage nun: Welche Konsequenzen haben diese Vereinbarungen für den Reformbedarf an den Berliner Schulen?

Herr Senator Böger!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Harant! Die Kulturministerkonferenz hat in der letzten Woche an einem historischen Ort in Deutschland, nämlich auf der Wartburg, stattgefunden. Von der kann man zwar nicht ohne weiteres unterstellen, dass sie ähnlich weitreichende historische Bedeutung hat wie andere Ereignisse auf der Wartburg, das wäre gewiss zu weit gezogen,

[Lorenz (SPD): Das kann man wohl sagen!]

aber ich glaube, dass im Horizont der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, des Kulturföderalismus, der uns am Herzen liegt, die Entscheidungen der Kultusministerkonferenz auf der Wartburg einen Quantensprung nach vorn in der Überlegung bedeuten, einerseits die kulturelle und föderale Selbstständigkeit zu erhalten und andererseits sich verbindlich zu vereinbaren auf gemeinsame Qualitätsstandards in der Bundesrepublik Deutschland – neu und alt. Das ist für sehr viele Menschen in unserer Stadt und in der Bundesrepublik ein sehr interessantes Ziel. Wir werden das sehr schnell im Verbund mit der Kultusministerkonferenz umsetzen. Es gibt eine Kommission Qualitätssicherung, die solche gemeinsamen Ziele formulieren wird. Wir werden sie dann auch in Berlin, wie es neudeutsch heißt, implementieren.