Protokoll der Sitzung vom 10.04.2003

che Mängel in der gesundheitlichen Fitness der Kinder auf. Das Wissenschaftliche Institut der Ärztlichen Vereinigung Deutschlands sagt, dass die Fitness der Kinder weiter im Abwärtstrend ist. Deswegen müssen wir etwas tun. – Geben Sie dem Senat durch unseren Antrag die Chance, etwas zu tun. Kommen Sie nicht mit dem – – Ich hätte fast gesagt „blöden“ Argument“, aber das darf man hier nicht sagen.

Nein, das darf man hier nicht sagen!

Kommen Sie nicht mit dem Argument, es sei schon alles bestens. Das ist nicht der Fall. Überwinden Sie sich und stimmen Sie unserem Antrag zu Gunsten unserer Kinder und Jugendlichen und deren Gesundheit zu. – Besten Dank!

Danke schön, Herr Kollege Rabbach! – Für die Fraktion der SPD erhält Frau SeidelKalmutzki das Wort. – Bitte schön!

(D – Ja. Das merkt man ihm an. Auch Sie von der CDU müssten wissen, dass Jugendfreizeiteinrichtungen nicht dem Senat, sondern den Bezirken unterstehen. Wir können den Senat nicht einfach auffordern, die bezirklichen Angebote zu diktieren. Das ist schon ein Grund, nicht zuzustimmen. – Falls Sie es im Ausschuss nicht mitbekommen haben: Dort wurde der Tagesordnungspunkt vom Vorsitzenden Borgis ohne Aussprache aufgerufen. Deswegen haben wir uns nicht geäußert. Das war der Grund dafür, dass ich Ihnen nicht schon damals die passende Antwort gegeben habe.

Elke Wittkowski, die wir letztens im Ausschuss hatten und auch zu dieser Frage lange angehört haben, wurde gefragt, was wir daraus lernen, und sie antwortete: „Wenig! Wir müssen endlich handeln.“ – Aber Sie lernen nichts, Sie wollen nämlich nicht handeln. Deswegen haben Sie auch unseren Antrag abgelehnt. Sie müssten sich mit dem Thema an sich intensiv beschäftigen. Frau Wittkowski wurde auch gefragt, warum die Kinder unbedingt fit sein müssten. „Ganz einfach“, sagte Frau Wittkowski, sie ist auch Präsidentin des Deutschen Sportlehrerverbandes, „Gehirntätigkeit wird durch Bewegung angeregt. Sport macht nicht schlau, eher Bewegung hilft beim Denken.“ – Weil Sie hier immer in großer Zahl nachmittags auf Ihren Stühlen sitzen,

[Frau Seelig (PDS): Nicht freiwillig!]

das zeugt auch davon, dass Sie an sich mehr Bewegung haben müssten, aber ich rede ja jetzt nicht über Ihre Bewegung.

[Heiterkeit bei der CDU – Zurufe der Abgn. Brauer (PDS) und Krüger (PDS)]

50 % stehen zwischendurch einmal auf, Herr Brauer! Und Sie, Herr Brauer, laufen offenbar alle halbe Stunde zur nahe gelegenen Broilerstation, und das ist dann Ihre Bewegung.

[Brauer (PDS): Döner!]

Döner! Na, dann haben Sie Ihren Geschmack in den letzten zehn Jahren irgendwie geändert.

[Brauer (PDS): Genau!]

Ja, gut! – Wir werben dafür, dass dieser Antrag heute angenommen wird. Ich kann auch aus der Studie des Deutschen Sportbundes und der Presseerklärung zitieren, dass nach den Untersuchungen allein in den letzten Jahren die Fitness der Kinder und Jugendlichen um 20 % zurückgegangen ist, insbesondere bei den Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren. Deshalb ist es völlig unverständlich, dass die Senatskoalition nach der üblichen Masche – Anträge der Opposition werden entweder bis zur Unkenntlichkeit verändert oder abgelehnt – verfährt, wenn es hier um die Gesundheit unserer Jüngsten in dieser Stadt geht. Wenn Sie einen einfachen Beitrag leisten können, dass der Senat zusammen mit den Bezirken, den Sportfachverbänden, dem Landessportbund und dem Jugendring Berlin – die wollen das auch – hier diesen Maßnahmeplan erstellt und den Trägern an die Hand gibt, ist es unverständlich, warum Sie das nicht wollen.

[Beifall bei der CDU]

Das werden Sie uns gleich erklären. Und deswegen hat unsere Fraktion auch Wert darauf gelegt, dass dieser Tagesordnungspunkt hier nicht wegverhandelt wird.

[Beifall bei der CDU]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rabbach! Ihren eilig formulierten Antrag abzulehnen, fällt uns nicht schwer.

[Rabbach (CDU): Eilig?]

[Frau Jantzen (Grüne): Da kann man aber widersprechen!]

Ihre Kritik an den Sportangeboten ist sicher teilweise berechtigt. Die von Ihnen erwähnte Studie, die schon mehrfach angesprochen wurde, hat aber insbesondere festgestellt, dass die Berliner Schülerinnen und Schüler weit über dem Bundesdurchschnitt liegen.

[Sen Böger: Stimmt!]

Das liegt sicher auch daran, dass wir die drei Sportstunden haben.

Vielleicht sollten Sie sich einmal anhören, was wir sonst noch so alles anbieten: Das Programm „Schule und Verein“ beinhaltet Talentförderung, Bewegungs- und Sportangebote und wird an 251 Schulen mit 149 Sportvereinen und zwei Sportverbänden von insgesamt 44 500 Schülerinnen und Schülern angenommen. An 130 Veranstaltungen im Rahmen des Schulsportwettkampfs beteiligen sich ca. 230 000 Schülerinnen und Schüler. Neben unseren vier Sportschulen gibt es

Danke schön, Frau Kollegin Seidel-Kalmutzki! – Für die FDP-Fraktion hat nun Frau Senftleben das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sport steht selten im Interesse des Plenums. Viele reduzieren die körperlichen Anstrengungen auf das Anschauen der Sportschau und halten sich an das Motto von Churchill „no sports!“. Aber Mr. Churchill war in seiner Jugend ein herausragender Sportler, und trotz Whiskey und Zigarren ist er ziemlich alt geworden.

Zu Berlin: Der Zustand der hier lebenden Kinder und Jugendlichen ist verheerend. Fettleibigkeit, Bewegungsarmut und die Neigung zu Erkrankungen verschiedenster Art sollten aufmerksam machen. Berichte der Krankenkassen und des Landessportbundes schrecken auf und weisen auf die Folgewirkungen hin. Und was kommt danach? – Fragezeichen. Untersuchungen hat es reihenweise gegeben. Die der letzten Woche gab uns noch einmal einen Denkanstoß. Eigentlich wissen wir nicht erst seit kurzem, dass ein gesunder Körper einem gesunden Geist zuträglich ist, sich positiv auf Gemütszustand und sich auf die Verfassung von Kindern auswirkt. – Das ist übrigens auch bei Erwachsenen der Fall. – Wir wissen auch, dass die tägliche Bewegung Verletzungen vorbeugt, die Konzentrationsfähigkeit steigert und – wenn das nicht nur auf dem Hometrainer stattfindet – sich positiv auf das soziale Leben auswirkt.

31 Grund- und 34 Gesamtschulen mit sportbetonten Zügen. Es gibt 17 Gymnasien und 59 Gesamtschulen mit dem Wahlpflichtfach Sport. Profilkurse werden in den elften Klassen an 57 und Leistungskurse Sport an 59 Schulen angeboten. Es gibt weitere Sport-AGs und fakultativen Sportunterricht.

Für Kinder im Kleinkindalter sind Bewegung, Wahrnehmung und Selbstbildungsprozesse nicht voneinander zu trennen. In dem zur Zeit erarbeiteten Bildungsprogramm für Kitas gehört Bewegung als Teil der Gesundheitserziehung zu den konzeptionellen Schwerpunkten. Ein gelungenes Beispiel dafür ist das Förderprogramm „Kleine kommen ganz groß raus“ unter der Zusammenarbeit von Kitas und Sportvereinen. Im Jahr 2002 haben sich daran 31 Vereine mit 35 Projekten beteiligt.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rabbach?

Nein. Herr Rabbach hatte schon Gelegenheit, sich unqualifiziert zu äußern. – Die Sportjugend Berlin hat ein Bildungskonzept für die bewegungsfreudigen Kindertagesstätten erarbeitet. Jetzt gilt es, die Bezirke zu ermuntern, diese Konzeption umzusetzen.

Auch wenn ich eine beeindruckende Bilanz vorweisen konnte, täuscht diese nicht darüber hinweg, dass unsere Kinder sich immer schlechter bewegen können und mit Übergewicht und motorischen Defiziten in die Schule kommen.

Ich nutze die Gelegenheit, um nicht immer nur nach den staatlichen Angeboten zu fragen. Ich richte auch einen Appell an die Eltern: Am Computer sind unsere Kinder fit, aber ihren Körper beherrschen sie nicht mehr. Die Anstrengungen von Kitaerzieherinnen, Sportlehrerinnen, Vereinen und Verbänden, die zum lebenslangen Sporttreiben animieren, genügen nicht. Zu allererst sind die Eltern gefragt. Es müssen nicht immer kostspielige Angebote sei. Wenn Vater oder Mutter fernsehen, dann tut das der Sprössling auch. Mit den Kindern in den Wald zu gehen, über Bäume zu balancieren, eine kleinen Wettlauf zu organisieren und vieles mehr, sind möglich. Das Kinderzimmer sollte nicht mit elektronischem Spielzeug und Möbeln überfrachtet werden. Es sollte Bewegungsraum lassen. Das wäre ein guter Anfang.

Bewegung ist nicht in erster Linie eine Frage des Wohnorts oder der Finanzen. Es gibt genügend Herausforderungen, die die Kultur des Körpers fördern, Lernerfolge mit sich bringen und die mehr sind als nur Sport: Die Kinder lernen, dass Üben Erfolge mit sich bringt, dass man selbst verantwortlich ist für das Tun und dass Anstrengung die Leistung verbessert. Bewegung muss zum Lebensprinzip werden.

[Frau Jantzen (Grüne): Die SPD könnte jetzt mal klatschen! – Beifall bei der SPD]

Das alles wurde im Ausschuss thematisiert. Es bestand bei allen Parteien kein Zweifel daran, dass die Auswirkungen des Sports positiv für die Kinder sind. Umso merkwürdiger fand ich das Verhalten von SPD und PDS, die sich gegenüber dem Antrag verschlossen zeigten.

Herr Böger, es wäre zu kurz gedacht, würde man die Anzahl der Sportstunden einfach erhöhen. Sie haben völlig Recht: Berlin hat wöchentlich drei Sportstunden und liegt damit an der Spitze innerhalb der Bundesrepublik. Wir müssen an die Wurzeln des Problems, und das sind der Computer und die Glotze. Davon müssen wir die Kinder und Jugendlichen wegbekommen. Wir müssen versuchen, das Interesse am Sport zu wecken. Und wo können wir das, Herr Wieland? – Am besten in den Kitas, nämlich über mehr Bewegung. Das Motto Ihres schönen Besprechungspunkts „Toben macht schlau“ ist sicher nicht verkehrt.

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Aber ein bisschen fehlt noch, Herr Böger. In Ihrem Referentenentwurf des Schulgesetzes ist zwar von Kooperation mit dem Umfeld die Rede. Notwendig ist eine Vernetzung zwischen Kitas und Schulen, aber auch die konkretere Zusammenarbeit zwischen Schule, Vereinen und Trainern. Diese Ansätze sind mir im Referentenentwurf zu kümmerlich. Der Landessportbund verkörpert das Bürgerengagement, und das unterstützen wir immer. Hier finden wir das von Frau Seidel-Kalmutzki erwähnte Beispiel bezüglich der Kitas: Durch die Vernetzung mit den Kitas ist die Zahl der Mitglieder unter sieben Jahren im

Herr Kollege Kaczmarczyk! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rabbach?

Herr Rabbach! Ich habe lange darüber gegrübelt, denn vom Ansinnen her ist das, was Sie im Einzelnen beschreiben, richtig, nur Ihre Schlussfolgerung ist so nicht praktikabel. Eine Eier legende Wollmilchsau, Herr Rabbach, ist eine Spezialeinheit gegenüber dem, was Sie mit diesem Antrag praktizieren wollen.

Danke schön, Herr Kollege Kaczmarczyk! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Jantzen das Wort. – Bitte schön, Frau Jantzen!

letzten Jahr um neun Prozent gestiegen. Die Sportjugend hat erkannt, dass sie die Kinder und Jugendlichen dort abholen muss, wenn sie sie an sich binden will. Dieses Bürgerengagement sollten wir – insbesondere angesichts der verheerenden Haushaltslage – beachten, wenn es mal wieder um Kürzungen geht.

Aber es ist nicht nur ein Problem von Schule und Kita, es ist auch ein familiäres Problem. Es gibt Familien, in denen wird der Fernsehsport groß geschrieben und die einzige körperliche Betätigung besteht darin, Chips aus der Küche zu holen. Es gibt aber auch eine Reihe von Familien – wer sich im Sportbereich ein wenig auskennt, weiß das –, die generationsübergreifend aktiv in einem Sportverein tätig sind. Genau hierauf muss sich unser Augenmerk richten. Dies müssen wir fördern und an diese Eltern müssen wir appellieren.

[Frau Jantzen (Grüne): Appellieren hilft nicht viel!]

Noch einmal: Vielleicht können SPD- und PDSFraktion noch einmal Ihre Haltung überdenken. Für mich ist es völlig schleierhaft, weshalb die Koalition gegen diesen Antrag gestimmt hat. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Frau Senftleben! – Das Wort für die Fraktion der PDS hat nunmehr der Kollege Dr. Kaczmarczyk – bitte schön!

Vielen Dank! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen Recht, Frau Senftleben, ich gebe Ihnen Recht, Herr Rabbach, ich gebe Ihnen Recht, Frau Seidel-Kalmutzki, dass die körperliche Verfassung unserer Kinder zu wünschen übrig lässt. Das rechtfertigt aber nicht, Herr Rabbach, dass Sie zwar die richtigen Zutaten zusammenrühren, aber insgesamt kein schmackhaftes Gericht daraus herstellen können, sprich einen beschlussfähigen Antrag. Herr Rabbach, ich muss Ihnen widersprechen, Wortakrobatik ist noch lange keine sportliche Disziplin und schafft auch noch keine Bewegung, außer die Ihres Mundes. Sie haben inhaltlich mit diesem Antrag nichts bewegen können.

[Rabbach (CDU): Sie verhindern das ja!]