Protokoll der Sitzung vom 21.03.2002

Der nächste Einwand, den Sie vorbringen könnten, wäre, dass es haushaltspolitisch nicht machbar sei. Da sind wir der Meinung: Wenn es haushaltspolitisch nicht durchsetzbar sein sollte, gibt es die Möglichkeit, private Alternativen der Finanzierung zu prüfen, aber auf der anderen Seite – das beanspruchen wir ganz stark – ist eine Trassenfreiheit erforderlich, damit auf jeden Fall die Option bleibt, diese Straße irgendwann bauen zu können.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben uns im Vorfeld zu diesem Antrag unter anderem mit Vivico zusammengesetzt, und da stellten wir doch fest, dass inzwischen dort Entscheidungen anstehen, die möglicherweise geeignet sind, die Trassenfreihaltung nicht mehr zu gewährleisten.

Wir sind der Meinung, man muss alles dagegen tun, dass das fortgesetzt wird. Halten wir die Trassen frei und schaffen wir die Voraussetzungen, dass diese Nord-Süd-Straße, die gebraucht wird – das ist von vielen Seiten bestätigt –, als Option bleibt.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege von Lüdeke! – Herr Gaebler eilt herbei und hat das Wort. Und kurz, ist der Wunsch!

Kurz, aber ich glaube, man muss nicht alles, was die FDP in den Raum stellt, so stehen lassen.

Ich hatte eigentlich von der FDP-Fraktion eine angemessenere Kleidung erwartet, denn dieser Antrag könnte auch unter der Überschrift stehen „Back to the Sixties“. Das haben nur einige von Ihnen umgesetzt, aber in dem Antrag haben Sie das ganz deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie leben in den 60er Jahren, in der Zeit der autogerechten Stadt. Das ist hier deutlich geworden, und das muss man der Stadt noch einmal klar machen.

[Beifall bei der PDS]

Mit den Konzepten von gestern können wir nicht die Zukunft erreichen und die Stadt von morgen bauen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Der Antrag müsste eigentlich heißen: „verkehrspolitischer Amoklauf der FDP am Gleisdreieck“. Den Amoklauf erkennt man auch schon daran: Letztlich sind die Ampelverhandlungen auch daran gescheitert, dass Sie in diesem Punkt bis zum Schluss versucht haben, Ihre völlig irrationale, durch nichts gedeckte Haltung einzubringen, und damit ganz andere Sachen, die Sie angeblich für die Stadt bewegen wollten, in Frage gestellt haben. Auch das muss hier noch einmal gesagt werden, damit Ihnen klar wird, dass Sie immer noch auf Sachen beharren, die andere Möglichkeiten zunichte gemacht haben, mit denen Sie für die Stadt angeblich Gutes tun wollen.

Ihr Antrag ist finanz- und wirtschaftspolitisch unsinnig. Er blockiert und verteuert Investitionen. Bei einem tatsächlichen Bau hätten Sie weniger Geld für Sanierung und Unterhalt an

derer Straßen. Sie würden damit in sozial gefährdete Bereiche eingreifen. Zusätzliche Erschließungen sind nicht gegeben, sondern Sie würden verwertbare oder gestaltbare Flächen vernichten. Daher ist alles, was Sie gesagt haben, wirtschafts-, verkehrsund stadtpolitischer Unsinn.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Herr Gaebler! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hahn? – Sie bekommen die Zeit dazu, wenn Sie es brauchen.

Herr Hahn, bitte schön!

Aber eine Frage, bitte!

Herr Gaebler! Wollen Sie damit sagen, dass unsere Forderung der eigentliche Grund für den Abbruch der Gespräche war? Würden Sie damit indirekt eingestehen, dass das aufgebrachte Thema der Steuererhöhungen nur davon ablenkte, dass Ihnen offensichtlich die Argumente fehlten gegen unseren Antrag auf Errichtung der Stadtstraße am Gleisdreieck?

Herr Kollege Gaebler!

Herr Hahn! Da Sie selbst bei den Verhandlungen dabei waren, wissen Sie, wie es tatsächlich gelaufen ist. Sie haben jede Menge Dissense aufgemacht, von denen erhebliche Punkte im Bereich der Stadtentwicklung waren. Daher weiß auch jeder, woran die Verhandlungen gescheitert sind, nämlich an Ihren ideologischen Scheuklappen in allen Bereichen, beim Verkehr, bei Steuererhöhungen, bei der Finanz- und Haushaltspolitik.

[Hahn (FDP): Also waren die Steuern doch nur ein Vorwand! Geben Sie es doch zu!]

Zurück zum eigentlichen Antrag. Nicht einmal die Entlastungsund Verbindungseffekte, die Sie erreichen wollen, sind hier zu erreichen. Sie wissen genau, wenn Sie sich intensiv mit dem Thema beschäftigt haben, dass durch eine direkte Anbindung an den Nord-Süd-Tunnel nicht eine Entlastung, sondern ein neues Nadelöhr entsteht, mit den entsprechenden Stauerscheinungen.

[Niedergesäß (CDU): Das ist absoluter Quatsch!]

Sie wären der Stauproduzent.

Deshalb sage ich Ihnen ganz klar: Einer Partei, die unter dem Motto antritt, Leistung muss sich wieder lohnen, kann ich nur sagen: Mit Leistungen dieser Qualität werden Sie statt 18 % 18 Jahre Opposition innerhalb oder außerhalb des Parlaments erreichen, aber nichts weiter. Deswegen werden wir den Antrag im Ausschuss zwar beraten, aber dort ablehnen, wie es sich auch gehört. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Das Wort hat nunmehr für die Fraktion der CDU der Kollege Kaczmarek. – Bitte schön!

[Doering (PDS): Direktverbindung zum Flughafen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum wiederholten Mal müssen wir uns hier mit der Aufarbeitung schwerer psychologischer Schäden, die die Koalitionsverhandlungen hinter sich gelassen haben, beschäftigen. Ich würde

Ihnen allen empfehlen, auch nach der Rede vom Kollegen Gaebler, eine gruppentherapeutische Behandlung aufzusuchen. Vielleicht hilft das weiter und spart uns jetzt Zeit.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Wieland (Grüne): Die große Koalition muss verarbeitet werden! Alle auf die Couch!]

Natürlich müssen wir uns auch mit der Frage, die diesem Antrag zu Grunde liegt, auseinandersetzen, Herr Gaebler, auch wenn wir es schon mehrfach getan haben. Es würde Ihnen auch gut zu Gesicht stehen – auch wenn Sie im Moment die Mehrheit haben, hoffentlich nicht mehr allzu lange, aber im Moment doch –, sich inhaltlich mit Themen auseinanderzusetzen. Das habe ich bei Ihrer Rede etwas vermisst.

Nun sind wir ja gute Verkehrspolitiker – Herr Doering, Sie nicht, aber wir schon. Durchbruch am Gleisdreieck, das heißt, wir wollen dem Feierabend der Abgeordneten zum Durchbruch verhelfen und deswegen die Sache so kurz wie möglich machen.

Erstens: Klar ist – das wird Sie nicht überraschen –, die Westtangente findet unsere volle und ungeteilte Zustimmung. Das haben wir immer schon gesagt.

[Beifall bei der CDU]

Das halten wir verkehrspolitisch für ein gutes Projekt. Und natürlich, Herr Gaebier, ist es sinnvoll, die Straße – Hauptstraße und Potsdamer Straße – vom Durchgangsverkehr zu befreien

[Niedergesäß (CDU): Richtig!]

und sie nur noch als Geschäftsstraße zu entwickeln und sie vielleicht auch für eine Straßenbahnlinie frei zu bekommen – das soll ja auch in Ihrem Interesse sein –

[Beifall bei der FDP]

und den Verkehr, der sein Ziel eben in anderen Stellen der Stadt hat, auf einer leistungsfähigen Straße zu bündeln. Das ist verkehrspolitisch sinnvoll. Nur wer ideologische Scheuklappen trägt – und das mit Vorliebe und auch schon andauernd seit vielen Jahren –, kann das übersehen.

Nun muss ich allerdings den Kollegen von der FDP sagen: Ob es gut war, diesen Antrag jetzt zu stellen, ist fraglich. Es ist ehrenvoll, aber es haben sich schon andere an dem Thema verhoben. Wir haben mit denen ja auch schon einmal Koalitionsverhandlungen geführt. Es gibt ein paar ideologische Themen, da ist mit den Damen und Herren nicht so richtig zu reden. Da rastet es denn ein, und da bringt man leider Sachargumente nicht mehr hinüber. Die Westtangente gehört zu diesen Themen. Da sind viele Alt68er-, 69er- und 70er-Befindlichkeiten, die man mit realen Dingen nicht zufriedenstellen kann. Es wird wohl auch bei der Behandlung im Ausschuss beim Austausch von Feindseligkeiten bleiben und am Ende zu keiner wirklich vernünftigen Lösung für die Stadt kommen. Aber das sind wir bei diesem Senat auch nicht anders gewohnt.

Ansonsten haben Sie, Herr von Lüdeke, schon versucht, alle Gegenargumente, die kommen, aufzuzählen, in die Argumentation einzubeziehen und zu entkräften. Eines haben Sie noch vergessen, und Herr Cramer, wenn er denn redet, wird es gleich sagen: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. – Ich sage dazu: Wer Phrasen sät, wird Unfug ernten. Und deshalb machen wir jetzt einmal Schluss. – Viel Vergnügen!

[Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Heiterkeit]

Das Wort hat nun Frau Matuschek.

[Zuruf]

Nicht! Auch in Ordnung. – Dann ist schon Herr Cramer von der Fraktion der Grünen an der Reihe. Sie können es ja auch kurz machen, Herr Cramer. – Bitte!