Staatssicherheitsmajors in der Charité, die die Opfer der SED-Diktatur auf unerträgliche Weise brüskiert hat?
2. Trifft es zu, dass der zuständige Fachsenator schon vor Öffentlichmachung über den Vorgang Bescheid wusste, und wie hat er wann gehandelt?
Danke schön Frau Kollegin! – Der Herr Senator Dr. Flierl, der Senator für Wissenschaft, hat das Wort. – Bitte!
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Apelt! Die Einstellungsentscheidung wurde im Rahmen einer Einzelfallprüfung vom Vorstand der Charité ohne Beteiligung meiner Verwaltung getroffen. Dies entspricht der geltenden Rechtslage, da nach dem Vorschaltgesetz die Charité in eigener Zuständigkeit über Personaleinzelvorgänge in den im Vorschaltgesetz genannten Ausnahmen, das sind die Vorstandsmitglieder selbst, entscheidet. Ich bin entschieden dafür, dass das Prinzip der Prüfung im Einzelfall beibehalten wird. Allerdings gehört zu solch einer Prüfung nicht nur das Gespräch mit dem Betroffenen, das Studium der Aktenlage in der Birthler-Behörde, sondern auch Kenntnis und Sensibilität im Hinblick auf Zumutbarkeit, und das vor allem dann, wenn es sich um herausgehobene Leitungsfunktionen im öffentlichen Dienst handelt. Dies unterstreicht auch die deutliche und schnelle Empfehlung der vom Vorstand eingesetzten Ehrenkommission. Der Vorstand hätte sich vor der Einstellung in seiner Entscheidung durch den Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR beraten lassen müssen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Nach der Rechtsposition der Charité wurde eine Probezeit wirksam vereinbart. Sollte das zutreffen und eine Abfindungssumme nicht fällig werden, so wäre für Regressprüfungen oder ähnliches keine Veranlassung gegeben. Der Abschluss des Verfahrens ist somit zunächst abzuwarten. Meine Verwaltung lässt sich fortlaufend im Rahmen der Aufsicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses informieren.
Herr Senator! Wenn ich das richtig sehe, haben Sie vor der Einstellung bereits von dem Sachverhalt gewusst. Teilt der Senat dennoch die Auffassung, dass es sich bei dem Vorgang um einen Rechtsverstoß handelt? Was wollen Sie tun, damit die Abfindungssumme, die jetzt im Raum steht, möglicherweise nicht oder wenn, dann von denen bezahlt wird, die das verschuldet haben?
Nach meiner Darstellung haben Sie nachvollziehen können, dass ich über den tatsächlichen Hergang nicht informiert war. Deshalb ist Ihre Frage rein rhetorischer Natur, ob ich hätte eingreifen können. Ich habe die Verantwortlichen der Charité auf die Rechtslage hingewiesen. Inwiefern die Rechtslage einen Rechtsbruch darstellt, ist gerade Gegenstand der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung. Ich habe Ihnen die Position der Charité dargestellt, dass, da der Vertrag in Anlehnung des BAT geschlossen wurde, eine Probezeit rechtswirksam vereinbart wurde. Die Charité wird diese Rechtsposition einnehmen und wird versuchen zu erreichen, dass keine Entschädigungszahlungen zu leisten sind.
In einen breiteren Kontext gestellt, zeigt dieser Vorgang aber auch, wie wichtig die historische Aufklärungsarbeit über reale Herrschafts- und Machtstrukturen in der DDR bleibt. Es waren nicht alte Seilschaften, die diese Entscheidung getroffen haben, sondern gestandene, verdienstvolle Vorständler, denen niemand eine unlautere politische Absicht unterstellt hat oder unterstellen kann. Professionelle Aufarbeitung, lebendige Vermittlung von DDR-Geschichte bieten die beste Gewähr dafür, dass solche Prüfungen im Einzelfall zu Ergebnissen führen, die weder von pauschaler Verurteilung oder Skandalierung noch von, wenn auch absichtsloser, Verharmlosung gekennzeichnet sind.
Wenn Sie nach Konsequenzen fragen, dann weise ich an dieser Stelle auf die vom Senat auf den Weg gebrachten Konzepte zum Gedenken und Erinnern an die deutsche Teilung, die Herrschafts- und Machtverhältnisse in SBZ- bzw. DDR-Gesellschaften hin.
Eine weitere Konsequenz wird im künftigen Hochschulmedizinstrukturgesetz formuliert, nämlich die, dass der Aufsichtsrat bei außertariflichen Einstellungen hinzugezogen werden muss.
Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Apelt: Weder meine Verwaltung noch ich waren – wie ich bereits ausgeführt habe – in die Entscheidung zur Einstellung einbezogen. Sie war auch nicht Gegenstand der regelmäßigen Monatsgespräche zwischen Vorstand und Aufsichtsrat der Charité, nachdem die Einstellung zum 1. Januar 2005 erfolgt ist. Ich bin lediglich am Rand eines solchen Monatsgespräches von einem Vorstandsmitglied darauf angesprochen worden, dass der Vorstand beabsichtige, einen Mitarbeiter mit MfS-Vergangenheit einzustellen, und habe daraufhin sowohl auf die gesetzlichen Grundlagen als auch auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen Einzelfallprüfung verwiesen.
Die konkreten Umstände dieses Falls habe ich wie auch Sie der Presse entnommen und daraufhin umgehend vom Vorstand eine entsprechende Stellungnahme eingefordert. In dieser Stellungnahme, die vom Tag der erstmaligen Veröffentlichung der Nachricht am 3. Juni datiert, begründet der Vorstand seine Entscheidung und weist nach, dass er sich bei der Einstellung an die gesetzlichen Regelungen inklusive Einzelfallprüfung und Regelanfrage bei der Birthler-Behörde gehalten habe. Ich habe dann meine Verwaltung angewiesen, im Weg der Aufsicht eine Prüfung vorzunehmen und sich vom Landesbeauftragten beraten zu lassen. Noch vor Abschluss dieser Prüfung hat der Vorstand seine Einstellungsentscheidung korrigiert.
Zur Frage der Frau Abgeordneten Lisa Paus möchte ich wie folgt antworten: Die Einstellungsentscheidung wurde im Rahmen einer Einzelfallprüfung vom Vorstand ohne Beteiligung meiner Verwaltung getroffen. Das entspricht der geltenden Rechtslage. Für ein Tätigwerden im Rahmen der Aufsicht bestand somit für meine Verwaltung bereits zum Zeitpunkt der Einstellung mangels
Kenntnis keine Veranlassung. Nach Mitteilung des Vorstandes sind weitere Fälle in der Charité nicht bekannt.
Jetzt wird sicherlich Frau Paus eine Nachfrage stellen wollen. – Sie haben das Wort. Bitte, Frau Paus!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator Flierl! Gesetzt den Fall, dass dennoch eine Abfindungssumme in sechsstelliger Höhe fällig wird: Können Sie ausschließen, dass vom Vorstand geplant wird, das Problem Stasimajor in einer öffentlich-rechtlichen Institution dadurch zu umgehen, dass er zwar faktisch in der Charité bleibt, aber formalrechtlich eine leitende Funktion in der demnächst zu gründenden Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft bekommt?
1. Wie gestalten sich der Sachstand der Einführung des Bund-Länder-Exzellenzprogramms für die Hochschulen, dessen Inhalte, Laufzeit und finanzieller Umfang?
Ich war von Anfang an der Auffassung, dass wir diese zusätzlichen Mittel vom Bund dringend benötigen, um die Förderung von Forschung und wissenschaftlichem Nachwuchs und Exzellenznetzwerken voranzubringen. Es ist gelungen, einen Entwurf für eine Bund-Länder-Vereinbarung sowohl zwischen den A- und B-Ländern als auch mit dem Bund abzustimmen.
Danke schön, Herr Senator! – Jetzt geht es weiter mit dem Kollegen Hoff, der eine Nachfrage und jetzt auch das Wort hat. – Bitte sehr!
Herr Senator! Wie viel Informationspflicht hat die Charité eigentlich gegenüber dem Senator? Muss sie den Senator als Aufsichtsratsvorsitzenden über jede Art Einstellung informieren? – Weil, wenn festgestellt wird, dass Sie eine entsprechende Aufsichtspflicht haben, dann auch die Frage zu stellen ist, wie viel an Information Sie zwangsläufig bekommen müssen, um dieser Aufsichtspflicht nachkommen zu können.
Nach der jetzt geltenden Rechtslage, die verändert werden soll, besteht eine solche Informationspflicht an den Aufsichtsrat und den Aufsichtsratsvorsitzenden nicht. Dennoch ist die Aufsichtspflicht der Senatsverwaltung natürlich gegeben, d. h., wenn es eine hinreichend detaillierte Darstellung des Falls gegeben hätte, hätte die Senatsverwaltung von sich aus eingreifen können und müssen. Da das aber nicht der Fall war, war diese Veranlassung nicht gegeben. Sowohl der Vorstand als auch meine Verwaltung haben nach meiner Auffassung durch die Einschaltung des Landesbeauftragten bzw. die Etablierung der Ehrenkommission nun alle Maßnahmen ergriffen, um eine angemessene Lösung des Falls zu erreichen.
Herr Senator! Sehen Sie im Rahmen des Einstellungsverfahrens dieses Stasimajors einen Verstoß gegen den Einigungsvertrag, wonach sozusagen der öffentliche Dienst für ehemalige Stasimitarbeiter tabu ist?
Ich sehe mich nicht in der Lage, hier eine Rechtsprüfung abzugeben, sondern der entscheidende Punkt ist, dass die Charité als Dienststelle dieses geprüft hat und nach Einschaltung der Ehrenkommission zu einer Lösung gekommen ist. Es kommt darauf an, an dem Rechtsgrundsatz festzuhalten, dass es Einzelfallprüfungen geben sollte und dass natürlich für öffentliche Institutionen besondere Sensibilität geboten ist.