Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD- und Linksfraktion! Wissen Sie, was die Menschen wirklich wütend macht? – Das ist die Tatsache, dass sie in ihrer besonderen Situation und den damit verbundenen Problemen nicht ernst genommen werden. Dabei rede ich nicht von jungen, wendigen Rollstuhlfahrerinnen und -fahrern und Menschen mit Behinderungen, die den ÖPNV nutzen können, ich rede von denjenigen, die auf Hilfe angewiesen sind. Um sich einmal wirklich in die Situation der Betroffenen hinein zu versetzen, empfehle ich Ihnen, einen praktischen Feldversuch zu machen. Versuchen Sie einmal, sich als Rollstuhlfahrer im Straßenverkehr und im öffentlichen Personennahverkehr zu behaupten. Ich garantiere Ihnen, dass Sie bereits bei der Suche nach der nächsten abgesenkten Bordsteinkante in die erste Krise geraten werden. Sie werden sich ganz allein und degradiert fühlen, wenn Sie an einer Ecke stehen und stundenlang vergeblich auf den Abholdienst warten.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Thomas Birk (Grüne)]

Mein Fazit lautet: Für den Personenkreis, der auf Hilfe angewiesen ist, bietet Ihr Antrag wenig Greifbares mit Ausnahme der Forderung, wie durch eine Öffnung der Taxikonten im Rahmen des vorhandenen Budgets andere Alternativen genutzt werden könnten. Dazu gibt es bereits so viele widersprüchliche Aussagen von der Verwaltung, dass ich die Sorge habe, dass Sie dieses Problem nicht mehr in den Griff bekommen. Ich stelle deshalb fest, dass Sie mit Ihrem Vorgehen gerade dabei sind, die Belange der Menschen, die auf besondere Hilfe angewiesen sind, völlig aus den Augen zu verlieren. Das, meine Damen und Herren, sollte Sie wirklich nachdenklich machen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann! – Bevor Frau Radziwill das Wort erhält, hat zunächst Herr Liebich das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Hoffmann! Sie haben auf meine Frage mit einem Wort reagiert, mit Erfurt.

[Zurufe von der CDU und den Grünen: Herford!]

Erfurt, ja, genau, habe ich verstanden.

[Weitere Zurufe: Herford!]

Erfurt, ja genau. Ich habe nachgesehen, worin in Erfurt das Angebot des Behindertenfahrdienstes besteht.

[Thomas Birk (Grüne): Herford, in Westdeutschland! – Mario Czaja (CDU): Setzen Sie sich wieder hin!]

Nein, ich setze mich nicht wieder hin. Ich nehme jetzt das Recht auf Kurzintervention wahr. Weshalb Sie hier schreien, hat einen Hintergrund, weil Sie – die CDU, die FDP und alle, die sich aufregen – genau wissen: Ein Angebot wie das des ehemaligen Telebusses, des Sonderfahrdienstes, gibt es nur in einem Bundesland, in Berlin. Deshalb werden wir vom Rechnungshof kritisiert und müssen uns jedes Jahr erneut damit auseinandersetzen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das gibt es nirgendwo sonst. In Erfurt gibt es einen Behindertenfahrdienst, der auf 30 festen Touren – Herr Hoffmann, festen, vorgegebenen Linientouren – 280 Menschen befördert. In Berlin haben wir 14 000 Berechtigte, die täglich 500 Fahrten auf individuellen Touren wahrnehmen. Natürlich ist es Ihr gutes Recht zu kritisieren, dass das nicht genug ist. Aber ich ermuntere Sie zunächst einmal, in einem der Bundesländer, in einer der Kommunen, in denen Sie irgendetwas zu sagen haben, ein ähnliches Angebot auf die Beine zu stellen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Wäre besser gewesen, Sie hätten sich gleich wieder hingesetzt!]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Liebich! – Herr Hoffmann, möchten Sie antworten? – Bitte sehr!

Herr Liebich! Es wäre schön, wenn Sie nicht sofort in reflexartige Reaktionen verfallen, wenn ich spreche, sondern zuhörten. Erstens habe ich die Stadt Herford genannt und nicht die Stadt Erfurt.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Ich kann es Ihnen auch buchstabieren, wenn Sie es wollen. Ist Ihnen das wichtig?

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Thomas Birk (Grüne)]

Es war auch nur ein Beispiel. Es gibt noch mehr, und es werden noch andere Redner darauf eingehen. Zu Ihrer Kritik: – –

Herr Hoffmann! Entschuldigen Sie, ich muss Sie unterbrechen. Gestatten Sie ein Zwischenfrage von Herrn Liebich?

[Mario Czaja (CDU): Das geht doch gar nicht bei einer Kurzintervention!]

Das ist doch eine Kurzintervention. – Die Union hat den Sonderfahrdienst eingeführt. Ihre Glanzleistung hat darin bestanden, die Anzahl der Fahrten zu halbieren. Dazu muss man nicht mehr viel sagen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Thomas Birk (Grüne)]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann! – Jetzt hat für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Radziwill das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hoffmann! Wir bewegen uns. Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Da Sie nur nach hinten schauen, sehen Sie unsere Vorwärtsbewegung nicht. Dafür kann ich nichts, das ist Ihr Problem. Die von Ihnen vorgetragenen Kritikpunkte sind uns alle bekannt.

[Mario Czaja (CDU): Aber Sie machen nichts!]

Deshalb ist dieser Antrag sehr wichtig. Wissen Sie, was mich wütend macht? – Dass Herr Hoffmann immer reflexartig aus dem einen Beschwerdebrief zitiert, auch im Ausschuss. Das ist peinlich.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von der CDU: Wie viele wollen Sie denn noch haben?]

Meine Damen und Herren! Mobilität ist für uns alle heute selbstverständlich. Wir alle brauchen für unsere Mobilität unterschiedliche Hilfsmittel, vom Schuh angefangen über das Fahrrad, Mofa, Auto, Bus, Bahn und Rollator. Oft brauchen wir gleichzeitig mehrere Hilfsmittel für unseren Mobilitätsanspruch. Die Auswahl ist je nach Tagesform und Vorhaben unterschiedlich. Menschen mit Behinderung brauchen auch unterschiedliche Mobilitätshilfen. Diese sind notwendig, um für sie mehr Chancengleichheit zu erreichen. Wir sollten nicht aus dem Auge verlieren,

dass gerade Menschen mit Behinderung mehr Unterstützung für ihre Mobilität benötigen.

Frau Radziwill, entschuldigen Sie bitte! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hoffmann?

Herr Hoffmann! Wir werden uns anschließend noch ausgiebig unterhalten können, wir haben auch genügend Gelegenheit, das Thema noch ausführlich im Ausschuss zu behandeln. Vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Rede!

Trotz knapper Kassen haben wir an diesem Sonderfahrdienst immer festgehalten. Sie sagten vorhin, der Fahrdienst sei aufgrund einer CDU-Intitiative entstanden. In meinen Unterlagen steht etwas anderes. Es ist peinlich, wenn Sie alles nur für sich in Anspruch nehmen.

[Mario Czaja (CDU): Da hat Ihnen Herr Gaebler etwas Falsches aufgeschrieben!]

Der Sonderfahrdienst soll durch eine bessere Verzahnung mit dem öffentlichen Personennahverkehr gestärkt werden. Deshalb ist es mir und meiner Fraktion ein wichtiges Anliegen, mit diesem umfassenden Mobilitätskonzept das in Berlin Vorhandene weiter zu entwickeln und zu verbessern.

Entschuldigen Sie, Frau Radziwill! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jotzo?

Vielen Dank auch an Sie für das Interesse an meiner Rede. Aber meine Redezeit läuft weiter, auch während Sie, Frau Präsidentin, mich danach fragen.

[Mario Czaja (CDU): Das ist ja unerhört, dass Sie die Präsidentin kritisieren!]

Die öffentlichen Verkehrmittel investieren mit öffentlichen Geldern viel in die Fortentwicklung eines barrierefreien öffentlichen Personennahverkehrs. Das ist gut so, wird konsequent fortgeführt und von Rot-Rot unterstützt. Aber es ist aus meiner Sicht nicht mehr hinnehmbar, dass beide öffentlich geförderten Mobilitätsangebote – ÖPNV und der Sonderfahrdienst – getrennt parallel laufen. Sie müssen besser als bisher miteinander verknüpft werden. Ich gehe davon aus, dass es auch im Interesse der öffentlichen Personennahverkehrsanbieter ist, neue Kunden zu werben und zu gewinnen. Insbesondere die BVG muss dabei als starker Partner mitmachen. Sie kann mit Schulungen im Alltag und vor Ort, also in der Realität, viele Menschen mit Behinderungen, die durchaus Busse und Bahnen nutzen können, von Ihren Angeboten überzeugen.

Ihre bisherigen Anstrengungen sind zu loben, aber sie sind ausbaufähig.

Ich hebe einige Punkte des Mobilitätskonzepts hervor: Es ist wichtig, dass behindertengerechte Informationsmedien stärker einbezogen werden und dass die telefonische Beratung verbessert wird. Mit dem Einsatz von Menschen mit Behinderung in der Beratung kann man Verbesserungen erzielen, weil sie eigene Erfahrungen einbringen und sensibler vorgehen können. Eine Regiezentrale ist aus meiner Sicht weiterhin nötig. Es muss überprüft werden, inwieweit über eine Öffnung des Taxikontos unter der Hinzuziehung sogenannte Mietwagen mehr Flexibilität in das System gebracht werden kann.

Den Einsatz von speziellen Mobilitätshelfern hält die SPD-Fraktion für sinnvoll. Sie können den Betroffenen mehr Flexibilität bieten, beispielsweise in Form der Treppenhilfe, wenn sie unkompliziert arbeiten. Diese Angebote sollen die Mobilitätshilfedienste erweitern und stärken. Durch den Einsatz der Mobilitätshelfer können mehr Menschen mit Behinderung die Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs nutzen. Hier sei auf das Leipziger Begleitserviceprojekt hingewiesen, das Grundlage unserer Planungen sein könnte.

In den letzten Wochen hat sich die Situation des Sonderfahrdienstes im Vergleich zu den Vormonaten verbessert. Das bekommen wir alle mit. Es liegen nicht nur Beschwerden vor, sondern auch zustimmende Briefe und E-Mails. Bei der Weiterentwicklung des Sonderfahrdienstes müssen wir das veränderte Verbraucherverhalten mit den Stoßzeiten und Leerläufen stärker berücksichtigen. In einem Mobilitätskonzept ist die Verbesserung des Qualitätsmanagements, die Qualitätsüberprüfung zu integrieren. Beschwerden dürfen nicht nur verwaltet, gezählt und abgeheftet werden, sondern müssen bei Verbesserungen konsequent beachtet werden.

Frau Radziwill! Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich bin bei meinem letzten Absatz. – Die bisherigen Anstrengungen der Senatsverwaltung gehen in die richtige Richtung. Ein umfassendes Mobilitätskonzept ist daher dringend nötig. An dem Ziel, Mobilität für alle Bürgerinnen und Bürger, ob mit oder ohne Behinderung, zu ermöglichen, halten wir fest. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herzlichen Dank! – Für die Fraktion der Grünen hat nun die Abgeordnete Villbrandt das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Koalitionsfraktionen! Die politische Arbeit mit Ihnen ist, wie