Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Eine verschärfte Situation finden wir derzeit bei dem großen Kreis der unversorgten jungen Migrantinnen vor. Es kann nicht sein, dass es für diese Gruppe ein Sonderprogramm gibt, wo Sie – selbst nach Erweiterung der Zielgruppen – nur 40 Prozent der Mittel ausgeben! Gerade unter dem Aspekt der verschärften Problemlagen, die junge Migrantinnen und Migranten in dieser Stadt vorfinden,

ist das skandalös. Sorgen Sie bitte, Frau Integrations- und Sozialsenatorin, dafür, dass das nicht wieder passiert!

[Beifall bei den Grünen]

Zu den Bildungsgutscheinen: Liebe CDU-Fraktion, das müssen wir im Ausschuss kritisch diskutieren! Zu glauben, jungen Menschen einen Gutschein in die Hand drücken zu können, zu sagen: Suchen Sie sich einen Ausbildungsplatz! –, und dabei die möglichen Mitnahmeeffekte nicht zu beachten, das wird so nicht funktionieren.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Bei Rot-Grün haben sie gut funktioniert!]

Ganz ruhig!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Uwe Goetze (CDU) und Mario Czaja (CDU)]

Es ist ja richtig und gut, dass Sie, Frau Senatorin, die Verantwortung der Privatwirtschaft ansprechen, sich an die im Nationalen Ausbildungspakt vereinbarte Ausbildungsquote von 7 Prozent zu halten.

Aber appellieren Sie bitte nicht nur an die Wirtschaft! Fangen Sie an, vor Ihrer eigenen Haustür zu kehren! Nutzen Sie Ihre direkten Möglichkeiten, und sorgen Sie dafür, dass Ihre eigenen Landesbetriebe die Sieben-ProzentQuote erfüllen!

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Ich hoffe, dass diese Debatte hier und eine ernsthafte Debatte im Ausschuss dazu führen wird, dass wir Sie bei diesem Thema aus dem Tiefschlaf aufrütteln. Trotz aller Freude am Träumen, die ich jeder und jedem hier gönne, auch der Frau Senatorin, geht es darum, sich in einer älter werdenden Gesellschaft nicht mehr leisten zu können, die Potenziale der heutigen Jugend zu vergeuden. Letztlich gibt es ein individuelles Recht auf freie Berufswahl, das ja wohl niemand hier infrage stellt.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat Frau Kollegin Holzheuer-Rothensteiner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berufsausbildung hat für die Koalition und den rot-roten Senat eine herausragende Priorität. Auch wenn die Wirtschaft seit Jahren zu wenig ausbildet: Alle Jugendlichen sollen die Chance auf eine qualifizierte Berufsausbildung haben. Sie sollen nach einem Abbruch Schul- und Ausbildungsabschlüsse nachholen können und einen qualifizierten Beruf ergreifen können. Dafür setzt sich diese Koalition mit Nachdruck ein.

Einige Beispiele für die Aktivitäten des Senats und auch für neue Ansätze hat Frau Senatorin Knake-Werner heute

in der Mündlichen Fragestunde gegeben. Erst vor kurzem wurde im Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales ausführlich über die Förderprogramme und Maßnahmen in der beruflichen Bildung gesprochen, die trotz bestehender Finanzierungsprobleme weitergeführt und kofinanziert werden sollen. Dazu gehören die 3 000 Plätze aus dem Bund-Länder-Sonderprogramm, MDQM, das Programm „Ausbildung in Sicht“ für Jugendliche mit Migrationshintergrund und nicht zuletzt das Landesförderprogramm zur betrieblichen Ausbildungsförderung, das sich an Betriebe richtet, die z. B. im Rahmen von Verbundausbildung für benachteiligte Jugendliche oder weibliche Auszubildende Ausbildungsplätze schaffen. Dies ist alles in den Ausschussprotokollen gut nachlesbar und zeigt, dass berufliche Bildung ein ständiges Thema in diesem Ausschuss ist.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Kommen wir nun zu den vorgelegten Anträgen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Alle Ihre Anträge besprechen wir in der I. Lesung. Sie wissen, dass diese Anträge eine gründliche Erörterung im zuständigen Fachausschuss erfordern würden. Keiner der Fachabgeordneten, die sich heute dazu äußern, kann sich in dieser I. Lesung qualifiziert zu Ihrem Darlehensantrag äußern. Deshalb geht es Ihnen aus meiner Sicht eher um ein Schaulaufen,

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

zumindest um den Versuch eines Schaulaufens. Sie wollen dem Parlament zeigen, wie toll Ihre Vorschläge sind, ohne dass eine kritische Debatte möglich ist. – Lieber Kollege Luchterhand! Den Vorwurf des Schaulaufens müssen auch Sie sich machen lassen, auch wenn Sie noch nicht lange im Parlament und ziemlich neu sind; aber Sie können ja noch dazulernen. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg!

[Mario Czaja (CDU): An Hochnäsigkeit nicht zu überbieten!]

Freut mich, dass Sie sich so erregen! Da kommt richtig Tempo hinein!

Unsere Fraktion teilt das Anliegen der vorliegenden Anträge, alle Möglichkeiten auszuschöpfen und nach Neuem zu suchen, wodurch die Ausbildungskapazitäten quantitativ und qualitativ verbessert werden können.

Den Vorschlag, die Arbeitsagenturen dazu zu bewegen, mehr Mittel für berufliche Erstausbildung einzusetzen, unterstützen wir vom Ansatz her, denn genau dafür setzen sich die Koalition und der Senat ein, dass Ausbildung Priorität haben sollte vor dem Einsatz aller anderen Instrumente für Jugendliche unter 25 Jahren ohne Berufsausbildung.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Auch jungen Menschen mit Kindern eine duale Ausbildung zu ermöglichen, gegebenenfalls in Teilzeit, ist Anliegen und bereits auch Praxis in Berlin. Berlin hat sich zusammen mit anderen Bundesländern für eine Bundes

ratsinitiative eingesetzt, über die die Möglichkeit für die Änderung des § 8 Berufsbildungsgesetz geschaffen wurde, auf den Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sich beziehen. Über Ihre weiteren Vorschläge ist, wie gesagt, im Fachausschuss zu diskutieren.

Nun noch kurz zum Antrag über zinslose Darlehen für betriebliche Erstausbildung. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Die Idee, die Wirtschaft für die Schaffung von Ausbildungsplätzen, zu deren Bereitstellung sie verpflichtet ist, zu belohnen, ist nicht neu und hat nach den bisherigen Erfahrungen, z. B. mit den bekannten Kopfprämien, nicht zum Erfolg geführt. Im Übrigen ist es in diesem Zusammenhang besonders angebracht, zu erwähnen, dass die Koalition weiterhin für eine Umlagefinanzierung der Wirtschaft eintritt, mit der ausbildungswillige, aber nicht ausbildungsfähige Betriebe von solchen unterstützt werden, die nicht ausbilden wollen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die Steigerung der Ausbildungsfähigkeit bei Betrieben und Jugendlichen hat für Rot-Rot in der Berufsausbildungspolitik Priorität. Ob die vorliegenden Anträge einen sinnvollen Beitrag dazu leisten und in den anstehenden Ausschussberatungen Mehrheiten finden, wird sich in der Fachdebatte zeigen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Holzheuer-Rothensteiner! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Sebastian Czaja das Wort. – Bitte, Herr Czaja!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Berlin sind fast 6 000 Jugendliche weniger arbeitslos als noch vor einem Jahr. Diese positive Entwicklung scheint sich Gott sei Dank fortzusetzen. Man darf nach wie vor nicht übersehen, dass ca. 26 000 – wenn man die Verschiebemaßnahmen, die vorhin im Detail ausgeführt wurden, mit einrechnet, 28 000 – junge Menschen in dieser Stadt ohne Arbeit sind. Ungefähr dieselbe Anzahl hat sich bereits bei den Arbeitsagenturen auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz gemacht. Somit kann man allenfalls von einer leichten Entspannung sprechen, die wir nicht dem rot-roten Senat, sondern der bundesweit anziehenden Konjunktur zu verdanken haben.

[Mario Czaja (CDU): Und Frau Merkel!]

Natürlich ist es erfreulich, dass mehr junge Menschen in Arbeit kommen. Die, denen das wiederholt nicht gelingt, haben nichts davon und sind weiter auf Sozialleistungen angewiesen. Ihre Chancen sinken von Jahr zu Jahr, in dieser Stadt einen regulären Ausbildungsplatz zu finden. Außerdem wissen wir, dass Müttern und Vätern nach der Elternzeit der Berufseinstieg schwerfällt, da Kinderbetreuung und Arbeitszeit oft nicht in Einklang zu bringen sind. Deshalb bedürfen gerade Eltern, die noch nicht mal

auch diese gibt es in der Stadt – eine Ausbildung haben, besonderer Unterstützung.

[Beifall bei der FDP]

Dazu müssen alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, um junge Eltern, insbesondere Mütter, beim Erwerb einer Berufsqualifizierung zu unterstützen. An dieser Stelle ist der Senat gefordert, auf Unternehmen und Ausbildungsträger zuzugehen, zumal er viele durch Ausbildungsplatzzuschläge unterstützt. Statt eigene Ausbildungsplätze unbesetzt und Mittel verfallen zu lassen, hätte sich der Senat um die Einstellung junger Eltern bemühen müssen. Warum sorgen Sie sich also um die Gleichberechtigung in der Chefetage, wenn viele Frauen noch nicht einmal eine Ausbildung machen können? Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, wenn Frau Senatorin Knake-Werner die „außerordentlichen Bemühungen“ ihrer Verwaltungen lobt. An dieser Stelle sollten vielmehr die Bemühungen all der engagierten Lehrer erwähnt werden. Der Senat hat vieles nachzuholen. Aus diesem Grund werden wir diesen Antrag der CDU unterstützen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Jedoch ist es nicht nachvollziehbar, dass Sie nur Unternehmen ein Darlehen gewähren wollen, die zum ersten Mal ausbilden. Was ist mit denen, die seit vielen Jahren junge Menschen qualifizieren, aber durch wirtschaftliche Schwierigkeiten keine oder wenige Ausbildungsplätze anbieten können? Unternehmer dieser Stadt haben der rotroten Regierung eine erhöhte Abgabelast zu verdanken, sodass für Ausbildung oft kein Geld vorhanden ist.

[Markus Pauzenberger (SPD): Papperlapapp!]

Zunächst müssen die hohen Preise für Wasser, Strom und Grundsteuer gezahlt werden. Hierzu kommt die insgesamt hohe Steuerlast. Gerade diese Unternehmen haben über viele Jahre einen großen gesellschaftlichen Beitrag geleistet, müssen deshalb auch an der Unterstützung teilhaben und haben sie verdient.

Eine solche Benachteiligung ist aus liberaler Sicht nicht vertretbar.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Die Verwendungsmöglichkeiten für Investitionen sehe ich in diesem Zusammenhang im Übrigen kritisch. Hier besteht die Gefahr, dass diese nicht unmittelbar für Ausbildungszwecke verwendet werden. Wenn der Sinn des Darlehens die Förderung von Ausbildungsbereitschaft sein soll, wird dieses Ziel damit leider nicht verfolgt.

Herr Czaja! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pauzenberger?

Nein! – Wie bereits erwähnt, müssen alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, um gerade junge Menschen in dieser Stadt zu qualifizieren.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ausbildungsplatz- abgabe?]

Auch dafür können Sie, werter Herr Pauzenberger, Ihren Beitrag leisten. Die verstärkte Nutzung des Bildungsgutscheins trägt wesentlich dazu bei, jungen Menschen zu einer beruflichen Qualifizierung zu verhelfen. Da dieser darauf ausgerichtet ist, besonders benachteiligte Jugendliche zu fördern, muss diese Möglichkeit unserer Auffassung nach noch mehr genutzt werden.

[Beifall bei der FDP]

Eine Ausbildung ist zur dauerhaften Integration ins Berufsleben besser geeignet als kurzfristige Schulungen. Die Zahl ist Ihnen sicherlich allen bekannt, sie wurde vorhin noch von der Kollegin Herrmann dargelegt. Da Jugendliche, die allein keinen Ausbildungsplatz finden, so die Möglichkeit haben, später selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, kann die FDP-Fraktion diesen dritten Antrag der CDU nur befürworten.