Bärbel Holzheuer-Rothensteiner
Sitzungen
16/9
16/13
16/14
16/15
16/19
16/29
16/32
16/33
16/38
16/43
16/49
16/54
16/55
16/61
16/66
16/69
16/70
16/75
16/76
Letzte Beiträge
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Goetze! Erst einmal möchte ich Sie daran erinnern, dass wir uns nicht mehr im alten West-Berlin befinden, sondern wir sind in der Bundesrepublik.
Wir haben ein föderales System, und Berlin ist ein Bundesland in diesem föderalen System.
Ich möchte Ihnen zweitens sagen, dass ich finde, dass Sie hier das Thema verwechselt haben. – Herr Goetze, hören Sie vielleicht bitte einmal zu? – Sie verwechseln Ursache und Wirkung. Für die Lebensmittelsicherheit ist die Wirtschaft zuständig, und wenn bei den Lebensmittelkontrollen Verstöße festgestellt werden, dann liegt das nicht an den Kontrollen, sondern an der Wirtschaft.
Sie verstößt gegen die Regeln, und Sie können noch so viele Kontrollen einsetzen – dadurch werden die Verstöße nicht weniger.
Seit Wochen hält ein neuer Dioxinskandal die Republik in Atem. Zunächst waren Eier aus Betrieben in SchleswigHolstein betroffen, dann auch Schweinefleisch. Noch ist das ganze Ausmaß des Skandals nicht bekannt. Noch immer sind mehr als 500 Futtermittelbetriebe geschlossen. Klar ist aber jetzt schon: Das Verbrauchervertrauen wurde von der Lebensmittelwirtschaft einmal mehr missbraucht und die Gesundheit der Bevölkerung einmal mehr gefährdet.
Ein Gift wie Dioxin hat in Lebensmitteln Langzeitfolgen und muss bei der Produktion verhindert werden. Dafür ist die Wirtschaft zuständig und verantwortlich. Gleichzeitig ersetzt dies aber nicht Kontrollen. Wir brauchen endlich nachvollziehbare Produktionsketten mit staatlichen Kontrollsiegeln für die Transparenz vom Stall bis auf den Tisch der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Wir brauchen – und das betrifft insbesondere den aktuellen Dioxinskandal – Meldepflichten pro Charge und strenge Haftstrafen bei Gesetzesverstößen, um die Sicherheit auf den Märkten zu gewährleisten.
Diese Maßnahmen sind längst überfällig, und hier ist der Bund gefordert. Hier ist Frau Aigner als zuständige Ministerin gefragt. Der beschlossene Aktionsplan „Unbedenkliche Futtermittel, sichere Lebensmittel, Transparenz für Verbraucher“ muss zügig umgesetzt werden.
Die Berliner Prüfbehörden haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Dioxinwarnung sofort reagiert. Zum Glück gab es keine Ergebnisse, die die zulässigen Werte überschritten haben. Es ist aber auch völlig unmöglich, alle Geschäfte zu überprüfen, die z. B. Eier verkaufen. Das heißt, die Grenzen der Kontrollen liegen auch in der Masse und da, wo z. B. Chargen gar nicht gemeldet werden und auch nicht ausgemacht werden können, denn nur da, wo gemeldet wird, kann auch unverzüglich überprüft werden, und nur dann können Verbraucher bei Gefahr auch schnell gewarnt werden. Genau deshalb muss es künftig eine weitere Vernetzung geben, und eine Information muss nachvollziehbar sein. Deshalb wollen wir insbesondere eine schnelle Umsetzung der Internetplattform www.lebensmittelwarnung.de.
Für die Berlinerinnen und Berliner ist es fast schon ein Déjà-vu. Um die Jahreswende herum vor fünf Jahren haben wir uns in diesem Hause auch mit einem Lebensmittelskandal beschäftigt, mit dem Gammelfleischskandal, konkret mit kontaminiertem Putenfleisch und im Laufe des Jahres 2007 dann auch noch mit K3Fleischfunden, die nicht für den Verkauf an der Ladentheke geeignet waren. Zum Glück gab es auch damals keine unmittelbaren ernsthaften gesundheitlichen Schäden, aber es war völlig richtig, dass alle in diesem Hause vertretenen Parteien ein hohes Interesse daran hatten zu erfahren, ob es auch in Berlin Vergiftungsfälle mit schweren Folgewirkungen gibt. Damals hat die zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz unverzüglich Gremien und Arbeitsstäbe eingerichtet, die sich mit möglichen Lücken im Kontrollsystem und mit den nötigen Handlungsfeldern befassten. Dabei ging es um Berliner wie auch bundes- und EU-weite Kontrollinformationen und Berichtswege und natürlich auch um alle Fragen, die sich mit Schwierigkeiten unter anderem aufgrund von Personalmangel befassten. Dies fand im Zeitraum von Januar 2007 bis März 2007 statt. Das Ergebnis war das Berliner „Memorandum Lebensmittelsicherheit“ mit 17 Handlungsfeldern, das bis heute Handlungsgrundlage für den Senat und die bezirklichen Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter ist. Dazu gehört auch die Task-Force Lebensmittelsicherheit und auch das Ziel, die Ordnungsämter zu Verbraucherschutzämtern zu entwickeln, die Kontrollbehörden mittelfristig personell zu stärken und auch die Labore zu offensiv handelnden verbraucherorientierten Einrichtungen zu entwickeln.
Starke, leistungsfähige, offensive Kontrollbehörden sind das Ziel von Rot-Rot, und dafür haben wir uns in allen Haushaltsverhandlungen stark gemacht und werden das auch künftig tun.
Seit 2008 gibt es z. B. jährlich auch einen Lebensmittelbericht, und das Smiley ist – wie Sie sicher wissen – durch den Beschluss der Verbraucherministerkonferenz vom September 2010 und Zustimmung aller Bundesländer auf dem Weg zu einem bundesweiten Siegel. Auch hier ist Berlin mit diesem Smiley Vorreiter in Sachen
Transparenz und Verbraucherinformation. Ich denke, darauf können wir alle stolz sein.
Berlin hatte damals als eines der ersten Bundesländer ein weitreichendes Verbraucherinformationsgesetz verabschiedet, das aber 2008 – nach zwanzigjähriger Debatte allerdings – durch ein bundesweites Verbraucherinformationsgesetz abgelöst wurde. Inzwischen steht die Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes an, Initiativen und Verbände wie Food Watch haben Änderungsvorschläge eingebracht. Berlin ist mit zwei Bundesratsinitiativen offensiv geworden. Es geht bei den Änderungen vor allem um das Auskunftsrecht für Verbraucherinnen und Verbraucher und die proaktive Informationspflicht von Behörden bei der Umsetzung des Lebensmittelrechts. Eine intensive Debatte allerdings muss noch zum verbesserten Informantenschutz geführt werden, wie ihn z. B. die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten fordert. Von uns wird sie dabei unterstützt.
Auch in vielen anderen Verbraucheraspekten ist Berlin offensiv und aktiv. Das Berliner Parlament hat eine verbraucherpolitische Strategie verabschiedet, die Handlungsfelder, Maßnahmen, Zielgruppen und Projekte beschreibt, und zwar von der bezirklichen bis zur EUEbene, von der Stärkung der Verbraucherbildung bis zum aufsuchenden Verbraucherschutz in den Berliner Kiezen, der z. B. derzeit in einem Modellprojekt von der Berliner Verbraucherzentrale erprobt wird und vor allem diejenigen Menschen erreichen soll, die weniger aktiv den Weg zur Berliner Verbraucherzentrale oder zu Verbraucherinformationen finden.
Nur dann, wenn nicht Betriebsgeheimnisse und Amtsgeheimnisse im Vordergrund stehen, sondern Bürgerrechte auf Information, Transparenz und Beteiligung, kann auch die Verwaltung gute Arbeit leisten und aktiv werden. Es geht beim Dioxin- wie beim BSE- und anderen Skandalen nicht um schwarze Schafe, sondern um Folgen – unter anderem um Folgen industrieller Lebensmittelproduktionen – und um einen ruinösen Preisdruck in der Landwirtschaft. Deshalb ist es wichtig, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher selbst aktiv für bessere Lebensmittelstandards und für regionale Produktion einsetzen, und sie tun es. Am 22. Januar demonstrierten mehr als 16 000 Verbraucherinnen und Verbraucher gemeinsam mit Landwirten für eine bäuerliche, ökologische Landwirtschaft. „Wir haben es satt“ war die Losung. „Nein zu Gentechnik, Tierfutter und Dumpingexporten“ war die Forderung, die auch wir von der Linken unterstützen.
Eine gute Verbraucherpolitik braucht aktive Unterstützerinnen und Unterstützer und ein Leitbild, wie es beispielsweise in der Protokollerklärung von fünf Ländern – das waren Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz – zur gemeinsamen Erklärung der Sonderkonferenz der Verbraucher- und Agrarminister am 18. Januar formuliert wurde. Frau
Monteiro hat das angesprochen. – Ich zitiere einen Absatz daraus:
Die Länder halten daher einen umfassenden und systematischen Diskurs über Grundlinien, anzustrebende Entwicklungsziele und dafür erforderliche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die gesamte Kette der Lebensmittelwirtschaft für dringend erforderlich. Sie bitten das BMELV, hierfür eine Konzeption zu entwickeln, mit den Ländern anzustimmen und den Dialog möglichst rasch zu beginnen. In diesem Dialog sollten Vertreterinnen und Vertreter aus allen relevanten Bereichen wie zum Beispiel Umweltschutz, Tierschutz, Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Kirchen einbezogen werden.
Das ist eine große und zukunftsweisende Aufgabe für eine gute Verbraucherinnen- und Verbraucherpolitik. Der Diskurs sollte bald beginnen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Welche Auswirkungen hatte der Dioxinskandal bislang auf die Berliner Verbraucherinnen und Verbraucher, bzw. in welcher Weise hat die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz die Berliner Verbraucherinnen und Verbraucher informiert, und wie wird der Skandal bewertet?
2. Welche Maßnahmen wurden im Landeslabor BerlinBrandenburg, den bezirklichen Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämtern und in der Senatsverwaltung hinsichtlich des Umgangs mit dem Dioxinskandal eingeleitet, und warum bestand keine Notwendigkeit, die Task-Force Lebensmittelsicherheit im Hinblick auf den Dioxinskandal zu aktivieren?
Danke, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Sie hatten erwähnt, dass sich Berlin mit fünf anderen Bundesländern dafür eingesetzt hat, dass eine Sonderfachministerkonferenz stattfinden wird. Am 18. Januar wird das der Fall sein. Was erwarten Sie von dieser Konferenz?
Meine Frage geht an Frau Senator Lompscher: Frau Lompscher! Am 16. und 17. September hat in Potsdam die 6. Verbraucherministerkonferenz stattgefunden. Dort gab es weitreichende Beschlüsse zur Einführung eines bundesweit einheitlichen Systems zur Transparenz in der Lebensmittelüberwachung. Welche Auswirkungen haben diese Beschlüsse auf Berlin – Berlin ist bereits auf dem weg zu einem Smiley-System?
Frau Lompscher! Können wir davon ausgehen, dass es ab dem 1. oder 2. Januar 2011 an jeder Gaststätte einen Smiley geben wird?
Danke, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
1. Hält der Senat trotz der Kritik, wie sie u. a. am 16. August 2010 in der „Berliner Zeitung“ und in Leserbriefen geäußert wurde, an der Namensgebung „Christlicher Garten“ für einen neuen Themengarten in den „Gärten der Welt“ fest, und wenn ja, wie begründet er dies?
2. Wie nutzt der Senat die Zeit bis zur Garteneröffnung im Oktober, um noch einen Namen zu finden, der dem bisherigen fachlichen Konzept der „Gärten der Welt“ auch in dem Grundsatz entspricht, Gärten nicht nach Religionen zu benennen?
Frau Senatorin! 2004 gab es auf Ihren ausdrücklichen Wunsch für einen neuen Garten nicht den Namen „Islamischer Garten“, weil kein Garten nach einer Religion benannt werden sollte. Was spricht denn heute dafür, von dieser Auffassung abzuweichen?
Ich frage den Senat:
1. Wie bewertet der Senat die am 27. Mai 2010 in den Medien geäußerte Kritik von 30 Schulleitern von Oberstufenzentren, die Schulaufsicht würde zu sehr über ihre Schulangelegenheiten bestimmen?
2. Welche Überlegungen hat der Senat zugunsten von mehr Selbstständigkeit für die OSZ, und welche Gespräche mit den OSZ-Leitungen sind geplant?
Herr Senator Zöllner! Mit „öffentlichem Getöse“ meinen Sie hoffentlich nicht das, was von den Schulleitern in der Presse erschienen ist, denn ich denke, es gibt da offensichtlich eine Klimastörung. Und wenn die Klimastörung der Grund dafür ist, dass die Schulleiter an die Presse gegangen sind, dann müsste man auch mal darauf eine
Antwort geben, wie man denn dieses Klima verbessern könnte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Seibeld! Zu Ihnen möchte ich doch noch sagen: Die Ampel ist nicht die Verwirrung, die Ampelkennzeichnung ist die Klarheit, denn sie besteht aus drei Farben, und das ist ganz einfach.
Frau Schneider! Es ist ja sympathisch, wie engagiert Sie hier über etwas gesprochen haben, das nun gerade vor ein paar Tagen, am 16. März, im EU-Parlament besprochen wurde. Ich finde, wir sollten mal erst ein bisschen ruhig sein, und wir schauen mal, was dann Frau Aigner und andere vorschlagen werden. Dann kann man sich auch noch darüber unterhalten, wie wir das dann angehen können, dass wir z. B. hier in der Bundesrepublik die Ampelkennzeichnung doch noch durchsetzen können. Das macht man nicht mit emphatischen Reden, sondern da muss man sich Mehrheiten suchen, auch im Bundesrat. Die Mehrheiten bleiben auch so, wie sie sind, weil wir zurzeit keine Neuwahlen haben. Vielleicht ändert sich ja was durch die NRW-Wahlen. Schauen wir mal!
Uns liegt ein Antrag von den Bündnisgrünen vor, zu dem ich gleich am Anfang sagen möchte: Wir teilen grundsätzlich das Anliegen des Antrags, eine verpflichtende Ampelkennzeichnung zur Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über Nährwerte für Lebensmittel einzuführen. Wir halten allerdings den hier vorgeschlagenen Weg einer Bundesratsinitiative nicht für erfolgreich.
Das betrifft auch das zweite Antragsanliegen, die Abschaffung der irreführenden Bezeichnung „Frischmilch“ für hocherhitzte, drei Wochen haltbare ESL-Milch. Für eine solche Bundesratsinitiative gibt es derzeit keine politischen Mehrheiten. Das stimmt ganz einfach. Sie bliebe also rein plakativ. Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen. Das haben wir in der Ausschussdebatte auch bereits begründet, denn die Mehrheitsverhältnisse sind nicht so, wie es Linke, Grüne und SPD gerne hätten. Ich sage mal, das ist sehr schade.
Die Lebensmittelwirtschaft ist vehement gegen ein Ampelsystem. CDU/CSU und FDP positionieren sich bisher auch in diesem Sinne. Auf der Verbraucherministerkonferenz im Oktober 2009 wurde ein Beschluss über die Ampel vom Bund und den zehn CDU-geführten Ländern abgelehnt. Zustimmung kam nur von den SPD-geführten Bundesländern. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP heißt es: Ein farblich unterlegtes Ampelsystem zur Nährwertkennzeichnung würde die Verbraucher in die Irre führen. – Das hat Frau Seibeld eben auch schon aus
geführt. Aber genau das sehen wir als Linke nun völlig anders. Wir wollen die Ampel, weil sie eine niedrigschwellige Information liefert, weil sie klar und verständlich und auch für Kinder und Menschen mit weniger guten deutschen Sprachkenntnissen oder Sehbehinderungen leicht erkennbar ist, weil sie nicht klitzekleine Schrift mit viel Text irgendwo auf den Verpackungen lesen müssen. Die Kennzeichnung von Fett-, Zucker- und Salzanteilen in verarbeiteten Lebensmitteln mit Rot für hoch, Gelb für mittel und Grün für niedrig ist ein einfaches System, das jeder versteht. Genau ein solches System wollen wir, will die Linke.
Für eine verbraucherfreundliche Ampelkennzeichnung sprechen sich auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, der AOK-Bundesverband, die Verbraucherzentralen, die Elternverbände, der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte, die Bundesärztekammer, die Deutsche Herzstiftung und diabetesDE, die Dachgesellschaft der deutschen Diabetesorganisationen, aus. In einem Schreiben an die deutschen EU-Abgeordneten im Vorfeld der Abstimmung zur Einführung einer europaweiten Lebensmittelkennzeichnung im federführenden EU-Ausschuss am schon erwähnten 16. März 2010 machten die Verbände auf die hohe Übergewichtigkeit von Männern, Frauen und Kindern und auf Risikofaktoren für Krankheiten wie Diabetes sowie Herz- und Kreislauferkrankungen aufmerksam. Und sie nannten als Grund dafür z. B. die versteckten Fette in Lebensmitteln, in Wurst, Käse, Backwaren, Süßigkeiten, Snacks und Fertiggerichten. Die Kosten, die allein durch ernährungsbedingte Krankheiten verursacht werden, werden für Deutschland auf rund 70 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Der Druck im Vorfeld der Abstimmung im EUAusschuss – jetzt blinkt es hier, muss ich mich schon beeilen – für Umwelt, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit hat offensichtlich auch Eindruck gemacht. Die am 16. März vorgelegten zwei Anträge für eine EU-weite Lebensmittelkennzeichnung wurden nur äußerst knapp abgestimmt. Für den Ampelantrag von SPD, Grünen und Linken gab es ein Patt von 30 zu 30 Stimmen. Der Antrag wurde mit zwei Enthaltungen abgelehnt. Der Antrag der CDU-Abgeordneten Sommer wurde mit knapp 32 zu 30 Stimmen angenommen.
Schade!
Niedrigschwellige Angebote sind Teil der verbraucherpolitischen Strategie Berlins. Wir wollen, dass die Informationen bei denen ankommen, die sie am meisten benötigen, bei Jugendlichen, Senioren, Migrantinnen und Migranten und Menschen mit geringem Einkommen, und zwar dort, wo diese Menschen leben, wo sie sich aufhalten und wo sie einkaufen.
Die Ampel ist ein niedrigschwelliges Informationssystem, und bei der Ampel geht es auch um praktische Gesundheitsvorsorge, und diese ist dringend nötig. Deshalb werden wir uns als Linke weiterhin für mehr Transparenz, Information und eine Ampelkennzeichnung einsetzen. – Vielen Dank!
Danke, Herr Präsident! Ich frage den Senat:
1. Welchen Stellenwert misst der Senat der Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“ durch die Initiative „mehrwert Berlin“ bei?
2. Mit welchen Projekten beteiligen sich die Unternehmen, und wann kann man eine erste Bilanz ziehen?
Heißt das, Frau Staatssekretärin Liebich, dass man sich zum einen diese Broschüre besorgen, zum anderen als Interessent auf die Internetseite gehen, also man selbst aktiv werden müsste, um über die Projekte etwas zu erfahren? Oder wird es auch eine Öffentlichkeitsarbeit und
Clara Herrmann
laufende Berichterstattung durch die Betriebe geben? Weiß man das?
Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Wirtschaftssenator. –Herr Wolf! In der Presse von heute war zu lesen, dass das Siemens-Schaltwerk in Spandau
Teile seiner Produktion nach Tschechien verlagern will. Ist Ihnen das bekannt?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP hat den vorliegenden Antrag heute zu ihrer Priorität gemacht. Das ist eigentlich auch in Ordnung. Aber aus meiner Sicht ist es ausgesprochen schade, dass wir diesen Antrag heute besprechen. Denn in Kürze, nämlich am 1. Dezember, steht ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Sonntagsruhe durch das Grundgesetz an.
Die beiden großen Kirchen haben gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz geklagt, das als eines der liberalsten Gesetze bundesweit gilt. Der Handel darf in Berlin bis zu zehn Sonn- und Feiertage pro Jahr öffnen. Die Kirchen sehen dadurch den Anspruch auf Sonntagsruhe verletzt. Da ist es natürlich spannend, was das Bundesverfassungsgericht zu den Sonntagsöffnungen sagen wird. Dieses Urteil hätten Sie, meine Damen und Herren von der FDP, eigentlich noch abwarten können, denn nach dem Urteil sind wir möglicherweise in einer völlig anderen Situation.
Aber Sie wollen es anders; Sie wollen die Debatte heute. Nun gut, wir führen sie. Was fordert die FDP hier mit ihrem Antrag? – Die Überschrift sagt es: Die FDP möchte das Berliner Ladenöffnungsgesetz der Realität anpassen. Was ist die Realität? – Aus der Antragsbegründung geht hervor, wen die FDP im Blick hat. Es geht – Herr Thiel hat es ausgeführt – explizit um diejenigen Geschäfte im Hauptbahnhof, die sonntags öffnen, obwohl ihr Angebot nicht dem Bedarf des Gesetzes entspricht. Dies nun möchte die FDP verändern.
Anstatt nun allerdings die Geschäftsinhaber aufzufordern, nicht weiter gegen das Ladenöffnungsgesetz zu verstoßen, möchte die FDP den Verstoß gegen geltendes Recht jetzt noch belohnen. Das ist nun wirklich ein starkes Stück, meine Damen und Herren von der FDP!
Das muss man ganz deutlich sagen. Denn Sie handeln hier nach dem Prinzip, dass man nur lange genug gegen ein Gesetz verstoßen muss, dann ergibt sich ein Rechtsanspruch daraus. Das ist wirklich ein seltsames Politikverständnis.
Es ist nicht so, dass die Händler im Hauptbahnhof nicht abgemahnt worden wären. Sie wurden abgemahnt, und auch der Berliner Handelsverband hat bereits im Sommer des letzten Jahres interveniert und die Sonntagsöffnungen als wettbewerbsverzerrend kritisiert.
Das im November 2006 in Kraft getretene Ladenöffnungsgesetz ist ein mühsam ausgehandelter Kompromiss. Das Gesetz berücksichtigt sowohl die Interessen der Beschäftigten im Handel wie auch das Shoppingbedürfnis in der Metropole Berlin und das veränderte Einkaufsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Im Zuge der Erarbeitung des Gesetzes wurden Wirtschaftsverbände, Kammern, die Gewerkschaft Verdi und die Kirchen angehört. Von allen Angehörten wurde die Auffassung vertre
Heiko Melzer
vertreten, dass für die Bahnhöfe die damals bestehende Rechtslage nach dem Bundesladenschlussgesetz auch im neuen Ladenöffnungsgesetz beibehalten werden solle. Insbesondere die Vertreter des Berliner Handels befürchteten damals, dass es bei einer Änderung der Rechtslage zu deutlichen Wettbewerbsverzerrungen auf Bahnhöfen kommen würde, die dann zu einem Einkaufszentrum ausgebaut werden. Das hat die Bahn dann ja auch in ziemlichen Größenordnungen getan. Das Sortiment an Reisebedarf, das nach § 2 Abs. 3 des Berliner Ladenöffnungsgesetzes in Berliner Bahnhöfen an Sonn- und Feiertagen verkauft werden darf, ist schon groß. Die FDP möchte allerdings das geltende Ladenöffnungsgesetz so ändern, dass auf dem Flughafen Tegel
Wenn Sie das so irritiert, gucken Sie woanders hin! – und allen Fernverkehrsbahnhöfen in Berlin auch Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs, insbesondere Handels- und Haushaltsbedarf, Textil- und Sport- sowie Geschenkartikel angeboten werden können. Allerdings sollte mit der Definition des Reisebedarfs im Gesetz genau dieses verhindert werden. Im Übrigen darf – anders als von der FDP-Fraktion vorhin behauptet – auf den meisten anderen großen Bahnhöfen wie München, Düsseldorf oder Leipzig an Sonn- und Feiertagen nur Reisebedarf verkauft werden, Herr Thiel.
Es ist richtig, dass das Angebot auf Flughäfen, mit denen die FDP die Bahnhöfe gleichstellen will, noch größer ist. Das hat aber Gründe. Beispielsweise gibt es dort auch Kleidung zu kaufen. Oft kommen Reisende aus anderen Klimazonen und können sich so bei Bedarf mit Kleidern eindecken.
Im September ist es durch die Medien gegangen, dass das Landesamt für Gesundheitsschutz und technische Sicherheit inzwischen gegen mehrere Händler auf dem Hauptbahnhof Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet hat. Das LAGetSi wurde aktiv, nachdem es Anzeigen wegen Verstoßes gegen den Arbeitsschutz erhalten hatte. Mehr als ein Jahr lang wurden Händler wegen ihrer rechtswidrigen Praxis der Sonntagsöffnung vorher abgemahnt. Inzwischen gibt es – wie erwähnt – die Ordnungsverfahren. Einige Händler haben mittlerweile angekündigt, dass sie nicht mehr außerhalb der genehmigten Zeiten öffnen werden. Dennoch ist es nicht hinnehmbar, dass Händler in Bahnhöfen weiter gegen geltendes Ladenöffnungsrecht verstoßen, dass sie sich so verhalten, als gälten die Gesetze für sie nicht – so, wie es am Hauptbahnhof der Fall ist –, zulasten der Beschäftigten und zu ungunsten der Wettbewerbsgleichheit im Handel. Es ist nicht hinnehmbar, dass die FDP aus dem Gesetzesverstoß ein Recht auf Sonntagsöffnung machen will.
Meine Damen und Herren von der FDP! Ihren Antrag werden wir noch im Wirtschaftsausschuss und im Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz
diskutieren, aber mit Sicherheit wird meine Fraktion einem Antrag, mit dem eine rechtswidrige Praxis belohnt werden soll, ablehnen.
Über die beiden Anträge, die uns hier vorliegen, wurde hier im Plenum und in den Fachausschüssen bereits ausführlich debattiert. Ich möchte in meinen Ausführungen einen Blick speziell aus Verbrauchersicht auf die Anträge werfen, denn die FDP stellt ja die Verbraucherinteressen in den Fokus ihrer Anträge.
In den bisherigen Debatten wurde im Grunde noch einmal bestätigt, was eigentlich schon hinlänglich bekannt ist und inzwischen auch von der FDP und sogar einzelnen Abgeordneten der CDU so gesehen wird: Die hohen Berliner Wasserpreise sind eine Folge der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe und der Gewinngarantien für die privaten Investoren. Und da sollte auch niemand mehr drumherum reden. Es sind die Gewinngarantien für RWE und Veolia, es ist die hohe kalkulatorische Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals, und es sind die kalkulatorischen Kosten auf Basis der Wiederbeschaffungszeitwerte, die die Preise für das Berliner Wasser in die Höhe treiben.
Genau dies spielt in den FDP-Anträgen aber gar keine Rolle. Hier werden somit die wichtigsten Gründe für die Höhe der Berliner Wasserpreise völlig ignoriert. Um die Wasserpreise zu senken, schlägt die FDP stattdessen vor, das Land Berlin solle auf seine Gewinnanteile verzichten wie auch auf das Grundwasserentnahmeentgelt und die Sondernutzungsentgelte. Abgesehen davon, dass ein Verzicht auf die Gewinnanteile überhaupt keine Auswirkung auf Wassertarifsenkungen hätte, denn die Mittel würden einfach im Unternehmen und damit auch in dessen privaten Teil bleiben und ausschließlich die Einnahmen des Landes reduzieren, wäre die Folge des Verzichts auf Gebühren noch mehr Einnahmeverluste für den Berliner Haushalt und damit auch noch weniger Mittel für Kitas, Schulen, Kultur und vieles mehr.
Bei diesen Vorschlägen der FDP kann also von Verbraucherfreundlichkeit gar keine Rede sein. Denn was auf der einen Seite nicht eingenommen wird, kann auf der anderen nicht ausgegeben werden – wieder zulasten der Berlinerinnen und Berliner. Dabei sollte die FDP bezüglich des Grundwasserentnahmeentgelts auch wissen, dass in den Haushaltsberatungen 2008/2009 das Parlament die Erhebung dieses Entgelts als ökologisches Lenkungsinstrument anerkannt hat. Es soll insbesondere vordringlich zum Schutz der Menge und Güte des vorhandenen Grundwassers, insbesondere zur Abwehr von Gefahren für das Grundwasser oder zur Beseitigung von Schäden
an diesem verwendet werden. Und dies ist Aufgabe der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Liebe FDP, da kann man Ihnen nur raten: Informieren Sie sich besser, bevor Sie hier solche Verzichtsvorschläge machen! Und da eine Ihrer Empfehlungen zur Tarifsenkung ja auch ist, dass einfach mehr Wasser verbraucht werden soll, anstatt schonend und sparend mit diesem kostbaren Gut umzugehen: Gehen Sie mal auf die Internetseiten der Berliner Verbraucherzentrale! Da gibt es ganz andere Empfehlungen für die Bürgerinnen und Bürger, und da können Sie auch gleich noch was über die aktuellen und künftigen Wasserprobleme lernen.
Wie sehen die weiteren FDP-Vorschläge aus? Drei Punkte möchte ich ansprechen. Erstens: Da wird die Einführung einer Konzessionsabgabe auf Wasserpreise erwähnt, auf die der Senat verzichten soll. Aber es gibt eine Konzessionsabgabe bereits, und zwar an die Bezirke in Form des Sondernutzungsentgeltes. Aktuell in den Verhandlungen geht es um die künftige Höhe dieser Abgabe, nicht um eine neue Abgabe.
Zweitens: Es wird eine unabhängige Kommission als Genehmigungsbehörde der Wassertarife gefordert: Hier sollte die FDP zur Kenntnis nehmen, dass von Rot-Rot mit der Neufassung des Berliner Betriebe-Gesetzes 2006 bereits eine klare Anforderung sowohl an die Tarifkalkulation als auch das Tarifgenehmigungsverfahren geschaffen wurde. Die Tarife unterliegen dem Kostendeckungsprinzip. Kostenabweichungen von den geplanten Werten werden durch Nachkalkulationen in den nachfolgenden Kalkulationsperioden ausgeglichen, d. h. dass die Verbraucherinnen und Verbraucher immer nur die tatsächlich entstandenen Kosten tragen. Die neutrale Tarifgenehmigungsbehörde überprüft außerdem im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, ob die gesetzlichen Grundlagen eingehalten wurden. Eine neue unabhängige Kommission ist nicht erforderlich.
Drittens zur Entlastung der Tarifkunden durch Effizienzsteigerung bei den BWB: Der Senat hat sich in den vergangenen Jahren intensiv dafür eingesetzt, und die Berliner Wasserbetriebe haben an der Prozessoptimierung intensiv gearbeitet und werden es weiter tun. In diesem Zusammenhang aber auch noch ein Wort zur Kritik an fehlenden Investitionen: Den Wasserbetrieben werden durch die Rendite für die privaten Anteilseigner über die Kapitalverzinsung Mittel entzogen, die sie für Investitionen brauchen würden. Dazu waren die Ausführungen von Senator Wolf damals in der Plenarberatung zu den FDPAnträgen ja sehr erhellend: Nicht die Privaten haben 2,5 Milliarden Euro in Netze und Anlagen investiert, wie die CDU hier vorgetragen hat. Nein, die Privaten haben einen Kaufpreis von 1,7 Milliarden Euro gezahlt, und die Investitionen wurden von den Berliner Wasserbetrieben selbst erwirtschaftet oder zum Teil auch vom Land finanziert. Wenn die FDP also mehr Investmittel in den Wasserbetrieben halten will, dann muss sie Vorschläge machen, wie die vertragliche Verzinsung reduziert werden kann. Oder noch besser – und für diesen Schritt steht
Heiko Melzer
Senator Wolf, und dafür steht die Linke – soll die FDP Vorschläge dazu machen, wie eine Rekommunalisierung möglich werden könnte.
Verbraucherfreundlich sind Wasserpreise dann, wenn das Wasser eine gute Qualität hat und wenn die Wasserpreise a) bezahlbar und gerecht sind und b) in ihrer Kalkulation transparent und nachvollziehbar sind – und das betrifft alle Kosten, z. B. auch die für Tariferhöhungen für die Beschäftigten oder Aufwendungen für gestiegene Energiekosten oder für die Lösung ökologischer Probleme.
Die Vorschläge, die die FDP hier macht, sind nicht verbraucherfreundlich, und sie sind auch nicht zu gebrauchen für die Lösung der aktuellen und künftigen Herausforderungen für die BWB. Die Vorschläge sind vor allem dazu geeignet, dem Land Berlin Mittel zu entziehen und den Privaten ihre Verantwortung zu nehmen. Den FDPAnträgen können und werden wir nicht zustimmen, wir lehnen sie ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wie bewertet der Senat die unterschiedlichen Methoden Berliner Bezirke, Verbraucher über die Hygiene in Lebensmittelbetrieben und Gaststätten zu informieren?
2. Wie lange laufen die Versuche der Bezirke, und inwieweit ist geplant, für Berlin ein einheitliches System zu installieren?
Vielen Dank! – Frau Senatorin! Sie hatten es schon erwähnt, dass das Modell bereits in der Bund-LänderArbeitsgruppe diskutiert wurde. Das Interesse ist bundesweit sehr groß, möglicherweise hat das damit etwas zu tun, dass von Pankow eine Positiv- und Negativliste veröffentlicht wurde.
Meine Frage lautet: Ist ein einheitliches System für Berlin geplant? Gehen Sie davon aus, dass sich die Bezirke mit dem Senat einigen können? Inwieweit gibt es im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Unterstützung?
Ich habe eine Frage an die Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Frau Lompscher. Es geht um mehr Konsumentensicherheit durch das SmileySystem in Pankow, das zurzeit auch sehr heftig durch die Presse geht. – Ich frage Sie: Wie bewertet der Senat den bisherigen Stand des Smiley-Modellversuchs zur Lebensmittelsicherheit in Berlin?
Frau Senatorin! Wie bewerten Sie angesichts dieses Erfolges die Kritik der DEHOGA an der nunmehr veröffentlichten Negativliste von Gaststätten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Luchterhand! Ich kann mich nur meinen Vorrednerinnen anschließen. Sie haben eine Menge erzählt und eine Menge kritisiert, aber Sie haben eigentlich nicht zu Ihrem Antrag gesprochen, denn Sie fordern mit Ihrem Antrag etwas völlig anderes. Das hat meine Vorrednerin eben beschrieben. Eine Frage an Sie, weil Sie dargestellt haben,
wie schlimm das mit den Hauptschulen und den nicht vorhandenen Hauptschulabschlüssen ist: Warum stellt sich die CDU dann gegen ein Recht auf einen nachholenden Hauptschulabschluss? – Das ist wohl nicht zu erklären.
Eine Berufsausbildung soll Jugendliche in den Beruf einführen und nicht von ihnen Leistungen erwarten, die nur erfahrene und vollwertige Mitarbeiter bringen können. Hier ist die Wirtschaft in der Verantwortung. Sie stellt zu wenig Ausbildungsplätze zur Verfügung, weil die Erwartungen an Jugendliche viel zu hoch sind. Die Bereitschaft der Unternehmen, auszubilden und Jugendlichen auf dem Weg in den Beruf zu helfen, nimmt immer mehr ab.
Meine Damen und Herren von der CDU! Sie fordern in ihrem Antrag den Senat auf, einen Bericht zu erstellen, der die Entwicklung der letzten zehn Jahre darstellen soll. Abgesehen davon, dass völlig unklar ist, was Sie unter „Qualität der Ausbildungs- und Berufsfähigkeit“ wissen wollen – Sie fragen nach der Fähigkeit an der Qualität; es ist völlig unverständlich, was Sie damit meinen. Es ist unverständlich, was Sie eigentlich messen wollen und woran Sie etwas messen wollen. Die Frage stellt sich, was für den Blick in die Zukunft und auf die Anforderungen der Zukunft ein Blick zurück auf die letzten zehn Jahre bringen soll. Unklar bleibt überhaupt, welches Ziel Sie verfolgen mit dem, was dann an Bericht erstellt wurde. Welche Schlüsse können wir daraus ziehen?
Was nötig ist – das wurde vorhin schon diskutiert –, ist eine andere, eine bessere Schule für alle. Wie die CDU dazu steht, hat sie vorhin in der Debatte deutlich gemacht. Aus Ihrem Antrag geht nicht hervor, wie sich die Schule verändern soll und was sie tun soll, um den sich wandelnden Anforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft zu entsprechen. In der Stadt wird über ein Demografiekonzept diskutiert. Neue Anforderungen stellen sich bei einer älter und internationaler werdenden Gesellschaft. Die Umsetzung des zweiten Integrationskonzepts stellt Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungschancen und der beruflichen Chancen von jungen Migrantinnen und
Migranten in den Mittelpunkt. Hier ist insbesondere die Wirtschaft gefragt, neue Formen der Zusammenarbeit mit der Schule zu entwickeln, insbesondere auch für den Übergang von der Schule in den Beruf und natürlich für die Ausbildung. Es geht also um den Blick nach vorn und nicht um den Blick zurück, wie Sie das in Ihrem Antrag fordern. Ausbildungsfähigkeit herzustellen ist ein Prozess. Fähigkeiten können junge Menschen nur erwerben, wenn sie in den Arbeitsprozess einbezogen sind.
Meine Damen und Herren von der CDU! Ihr Antrag wird noch im Bildungsausschuss diskutiert werden. Aus meiner Sicht trägt er überhaupt nicht dazu bei, die Forderungen, die die Zukunft an uns stellt, zu erfüllen. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nirgendwo anders entwickelt sich die Attraktivität für Kreative schneller als in Berlin.
Wir haben schon eine Menge Zahlen gehört. Ich will nicht noch eine vierte Interpretation hinzufügen. Aber zu dieser positiven Entwicklung tragen auch die positiven Rahmenbedingungen bei, die Rot-Rot geschaffen hat und weiter schafft.
Auch wenn es Ihnen nicht gefällt! – Zu den Rahmenbedingungen gehört insbesondere die Ausrichtung der Förderpolitik auf die sehr unterschiedlichen Bedarfe bei den Kreativen und Kulturschaffenden: an Räumen, Finanzierung, Coaching und Kontakten.
Liebe Bündnisgrüne! Liebe Frau Paus! Lassen Sie es sich noch einmal sagen, was wir schon in den Ausschussberatungen gesagt haben: Was Sie in Ihren Anträgen fordern,
ist bereits gängige Praxis, was nicht heißt, dass nicht alles noch viel schöner, besser und mehr werden kann. Wir brauchen aber keine neuen Aktionsprogramme. Wir wollen auch keinen Systemwechsel in der Finanzierung der Kreativwirtschaft durch einen von Kreativen selbst verwalteten Fonds, wie Sie ihn hier vorschlagen, der dann noch auf Kosten der bestehenden und der angenommenen Programme aufgelegt werden soll. Ihre Anträge lehnen wir heute wie schon in den Ausschüssen ab.
Die Kreativen, über die wir hier reden, sind bei Film, Funk, Fernsehen, bei Verlagen, Musik und Entertainment tätig, in der Werbung, in der Mode, im Design, in der Architektur, bei Multimedia, Games, Software, in der Kunst und Kultur. Diese heterogene Branche ist angewiesen auf eine Vielzahl von Förderangeboten. Genau deshalb setzt die Wirtschaftsförderung auf die Unterstützung von Netzwerken, von Verkaufsplattformen oder z. B. bei der Außendarstellung. Sie setzt auf ganz verschiedene Förderelemente wie z. B. Darlehensprogramme, Bürgschafts- und Garantieprogramme, Beteiligungsfinanzierung, GAInvestitionszuschüsse, Technologie und Innovationsförderprogramme und arbeitsmarktpolitische Programme.
Zu den neuen Programmen gehört der Venture-CapitalFonds Kreativwirtschaft. Aus diesem Fonds können kleine und mittelständische Unternehmen durch die Bereitstellung von Beteiligungskapital unterstützt werden z. B. bei der Finanzierung von Wachstumsschüben oder der Vorfinanzierung von Aufgaben für die Erfüllung von Aufträgen. Bis Ende Februar 2008 waren bereits 70 Anfragen aus sechs Branchen eingegangen.
Auch bei den Mikrokrediten hat es neue Entwicklungen gegeben. Das Mikrokreditprogramm der IBB wurde auf den Kreativbereich erweitert. Es können nun auch kurzfristige Kredite bis 10 000 € – unbürokratisch, wie die IBB sagt und will – mit kurzer Laufzeit und ohne Sicherheiten aufgenommen werden.
Junge, kreative Unternehmen brauchen insbesondere Beratung und Coaching. Dieses Coachingangebot wird von der Investitionsbank geleistet. Die IBB ist auch eine Leitstelle, die die Anfragen nach Coachingsangeboten an die richtigen Stellen weiterleiten.
In Bezug auf die Erfassung und den Erhalt von Räumen für Kultur- und kreativ Arbeitende ist der Senat ebenfalls aktiv. Seit Januar werden die Liegenschaften aufgelistet und nach Nutzungsarten differenziert. Zum Beispiel geht es in den Quartiers- und Stadtteilmanagementgebieten des Programms „Soziale Stadt“ auch um den Erhalt bestehender kultureller Angebote.
Seitdem im Jahr 2004 die Kulturwirtschaftsinitiative ins Leben gerufen worden ist, die die Kultur als Wirtschaftsfaktor und die Kooperation von Wirtschaft und öffentlich geförderter Kultur zum gegenseitigen Vorteil stärken soll, sind eine Fülle von Aktivitäten und Netzwerken in Branchen und Teilmärkten entstanden. Seit 2005 werden in
Abstimmung mit der IHK und der Senatskanzlei jährlich Maßnahmepläne für die einzelnen Branchen der Kreativwirtschaft auf der Basis der Handlungsfelder der Kulturwirtschaftsinitiative erarbeitet. Das touristische Kulturmarketing mit der Ausrichtung auf das Incoming ist ausgebaut worden, kreative Metropole ist eines der vier Themenfelder, die das BerlinBoard aufgreifen will, um Berlin als internationales Zentrum für Kreative aus allen Bereichen zu etablieren.
Der erste Berliner Kulturwirtschaftsbericht hat 2005 erstmals aufgezeigt, wie die Berliner Kulturwirtschaft geprägt ist und hat Stärken und Schwächen der räumlichen, finanziellen, personellen und Vernetzungs- sowie Förderungsbedarfe in den einzelnen Branchen und Teilmärkten dargestellt. Der zweite Bericht wird im Herbst folgen. Wir werden dann erfahren, welche Entwicklungen sich vollzogen haben, welche neuen Anforderungen es in den verschiedenen Bereichen und Teilbranchen gibt. Dazu gehört dann sicher auch die genaue Bewertung der Kulturberufe, denn sie sind Vorreiter bei den flexiblen Erwerbsformen.
Ich komme zum Schluss. – Auf die flexiblen Erwerbsformen sind die Sozialsicherungssysteme überhaupt nicht eingestellt. Hier ist besonders viel zu tun. Das wird RotRot besonders intensiv angehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag legen die Grünen ein Gesetz zur Abstimmung vor, das die Einführung einer Abgabe zur Förderung des Tourismus in Berlin vorsieht. Damit greifen die Grünen eine alte Idee neu auf und gleichzeitig einen in Berlin schon einmal gescheiterten Versuch. Am 10. Juni 1993 wurde zur Förderung des Tourismus ein Tourismusförderungsgesetz beschlossen. Ein gutes Jahr später, am 30. Juni 1994 ist dieses Gesetz vom Oberverwaltungsgericht Berlin wieder außer Kraft gesetzt worden. Bedenken hatte das OVG vor allem hinsichtlich der Abgabegerechtigkeit und das insbesondere, weil nur die Beherbergungsbetriebe zur Abgabe herangezogen worden waren.
In dem jetzt vorliegenden Antrag wird der Kreis der Abgabepflichtigen durch die Einbeziehung der Gastronomie und der Vermietungen für Tagungen, Kongresse und Veranstaltungen erweitert. Bei Beherbergungsunternehmen sollen 1 bis 2 € pro Übernachtung und bei gastronomischen Einrichtungen ein prozentualer Anteil am Umsatz erhoben werden. Aber auch in diesem Gesetz wird, wie die Stellungnahme der Wirtschaftsverwaltung und des IHK-Ausschusses Tourismus zum Gesetzentwurf darlegen, das Problem der Abgabegerechtigkeit nicht gelöst. Nach wie vor werden nicht alle am Tourismus partizipierenden Unternehmen erfasst. Die Bemessung der Umsätze aus dem Tourismus aus Gastronomie und Vermietung ist nicht ausreichend belegbar.
Meine Damen und Herren der Grünen, der von Ihnen eingereichte Vorschlag droht, wie schon das Gesetz zuvor, vor Gericht zu scheitern. Das hat Herr Senator Wolf im Wirtschaftsausschuss ausführlich erläutert.
Ein zweites Risiko ist mit diesem Gesetz verbunden: Das jetzige gut funktionierende System der Kooperation aller am Tourismus Beteiligten könnte zerstört, zumindest aber gefährdet werden. Und das, meine Damen und Herren von den Bündnisgrünen, wollen Sie nicht und das wollen wir auch nicht!
In der Antragsbegründung heißt es unter anderem, dass aus den Einnahmen der Tourismusabgabe Veranstaltungen, Events, Kongresse und Tagungen gefördert werden sollen. Diese Bereiche sind aber genau die Bereiche der Tourismuswirtschaft, die schon jetzt und auch ohne Förderung boomen. Gerade für das Incoming, für Tagungen,
Kongresse und Incentives enthält die strategische Marketingplanung 2006 bis 2010 eine Fülle von Marketingzielen.
Der Tourismus ist einer der wichtigsten Berliner Wirtschaftsfaktoren. Die Kooperation im Tourismus umfasst die gesamte Servicekette, von der Werbung im Ausland über die Anreise bis zur Abreise, vom Übernachten und Wohnen über Essen und Trinken, Kultur und Ausflüge bis hin zum Shoppen. All diese Bereiche entwickeln sich dynamisch. Zu dieser Dynamik trägt auch das Tourismuskonzept 2004 bis 2010 bei. Das Tourismuskonzept hat eine Fülle von Aktivitäten und neuen Kooperationen ausgelöst, neue touristische Handlungsfelder und Wachstumsziele formuliert sowie Strategien, diese auch zu erreichen. Das Parlament hat einen Koalitionsantrag zur Evaluierung des Tourismuskonzepts beschlossen. Der Bericht über die bisher erreichten Ergebnisse Berlins sowie aktuelle und geplante Maßnahmen zur Förderung und Vermarktung des Tourismus wird dem Parlament in Kürze vorgelegt.
Die Entwicklung des Tourismus in Berlin ist ein ständiger Prozess. Es ist ein Prozess in Abstimmung aller Partner miteinander, es ist ein Prozess in der Verbesserung der Arbeitsteilung und der noch besseren Abstimmung der Angebote. Tourismus ist eine ständige Aufgabe mit immer neuen Herausforderungen, immer wieder neuen Ideen und Initiativen. Wir brauchen keine völlig neuen Strukturen in der Tourismusförderung. Wir brauchen kein neues System. Dieses jedoch würden wir durch das vorgelegte Gesetz bekommen. Auch deshalb lehnt die Linksfraktion den vorliegenden Antrag ab. – Vielen Dank!
Danke, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
1. Wie bewertet der Senat das zum 1. Mai 2008 in Kraft getretene Bundes-Verbraucherinformationsgesetz, und welche Auswirkungen hat das Gesetz auf das bereits seit 2003 bestehende Berliner Verbraucherinformationsgesetz?
2. Welche Vorzüge bzw. Nachteile ergeben sich für die Berlinerinnen und Berliner durch die neue Gesetzeslage?
Vielen Dank, Frau Senatorin! – Die Verbraucherorganisation Food Watch kritisiert, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in den meisten Bundesländern mit überhöhten Gebühren für Anfragen zum Verbraucherinformationsgesetz rechnen müssten. Welche Spielräume gibt es bei der Festlegung von Gebühren?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Bündnisgrüne! Ich denke, dass Sie mit Ihren Forderungen zur Förderung der Kreativwirtschaft ganz schön aufdrehen, wenn Sie z. B. Programme und finanzielle Mittel in zweistelliger Millionenhöhe fordern – und das sofort. Sie tun nämlich so, als würde in Berlin nichts für Kultur als Wirtschaftsfaktor und nichts für die Unterstützung der oft prekär Beschäftigten im Kulturbereich und der Einzelunternehmen getan. Das ist eine Unterstellung, das ist falsch, und so geht das nicht.
Was in diesem Zusammenhang in Berlin getan wird, möchte ich an dieser Stelle mit zwei Beispielen erwähnen. Zum einen gibt es den Fonds zur Förderung der Kreativwirtschaft in Berlin, zum anderen die Landesinitiative Projekt Zukunft, die Unternehmen und Aktivitäten, die dort gemeinsam mit Projektpartnern durchgeführt werden, z. B. realisierte Infrastrukturvorhaben wie Portale, Weiterbildungsveranstaltungen oder Präsentationen im Ausland. In Berlin erreichen die Umsätze im Kulturwirtschaftsbereich fast das Niveau des verarbeitenden Gewerbes. Im Bereich Kultur arbeiten mehr als 90 000 Beschäftigte, ihre Zahl erhöht sich stetig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Bündnisgrünen, Sie fordern 50 Millionen € für ein Aktionsprogramm für Berlins Kreativwirtschaft, und zwar – aus meiner Sicht – ohne dass Sie an dieser Stelle sagen und in irgendeiner Weise definieren, was und wer für Sie überhaupt zur Kul
tur- und Kreativwirtschaft gehört – und zwar in Abgrenzung zur staatlichen Kulturförderung. Sie differenzieren auch nicht nach Branchen, nach Zielgruppen und Personen in diesem so sehr heterogenen Bereich der Kreativwirtschaft. Aber genau darüber, was Kreativwirtschaft eigentlich ist, welche differenzierte Struktur sie hat und wie sie entwickelt und gefördert werden kann, darüber gibt es eine große Debatte, nicht nur in Berlin, nicht nur in der Bundesrepublik, sondern europaweit. Da kann man nach Wien schauen und sagen: Die machen es gut so, so wollen wir es auch. Aber so geht das eben nicht. Unsere eigenen Probleme müssen wir schon mit eigenen Ansätzen lösen, so wie sie hier passen. Das müssen wir schon alleine tun.
Dazu, Frau Ströver, gehören z. B. Debatten und Diskussionen, wie die Kulturwirtschaftsinitiative von Wirtschafts- und Kultursenat, die bereits vor einem Jahr gestartet wurde und den europäischen Austausch der Creative Industries fördern soll.
Deshalb sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Bündnisgrünen: Bitte beteiligen Sie sich an diesen Debatten und Aktivitäten
machen Sie nicht irgendwelche großen Wunschanträge, die nicht zu erfüllen sind! –, die es in der Stadt zur Stärkung und wenn nötig zur Veränderung bestehender Förderpolitiken, Förderprogramme und -strukturen gibt.
Nichtsdestotrotz haben die Anträge der Grünen ein wichtiges Wirtschaftsthema auf die Tagesordnung gesetzt.
Ja! – Kultur ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Berlin. Das hat insbesondere der 1. Kulturwirtschaftsbericht belegt, der im Mai 2005 veröffentlicht wurde und mit dem übrigens Berlin als eines von vier Bundesländern damals und auch noch heute mit an der Spitze der Bundesländer stand und steht. Auf der Basis dieses Berichts können Aktivitäten zur Förderung der Kultur als Wirtschaftsfaktor aufbauen. Was wir tun müssen, ist, punktgenauer zu untersuchen und das sichtbar zu machen, was kleinteilig in den Bezirken wirklich ist. Das hat beispielsweise der Bezirk Pankow mit seiner Kulturstudie gemacht. Das meiner Meinung nach wirklich Erhellende an dieser Studie ist, dass noch einmal sehr kleinteilig in einem Bezirk und in Stadtteilen aufgezeigt wird, wie heterogen die Kulturszene und die Beschäftigten im Bereich Kultur sind, welche höchst unterschiedlichen Ansprüche, Anforderungen sie an Förderpolitiken stellen. Deshalb reicht es auch nicht, beispielsweise nach Schweden zu blicken, sondern schauen wir kleinteilig auf das, was bei uns in den Bezirken passiert, was wir hier tun müssen.
Über die Anträge der Bündnisgrünen und das Thema Kreativ- oder Kulturwirtschaft werden wir noch in den Aus
schüssen diskutieren. Wir werden auch diskutieren über Kultur als Wirtschaftsfaktor und als Bildung, über gesellschaftliche und staatliche Aufgaben und über Formen der Wirtschaftsförderung im Rahmen der Kultur. Dieses Thema wird uns ganz sicher in den Ausschüssen und im Parlament noch sehr lange beschäftigen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Berlin befindet sich inmitten eines kolossalen Veränderungsprozesses in Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie und Märkten. Die demografische Entwicklung ist ein weiteres zu bewältigendes Problem und über allem steht die Aufgabe, die durch die bisherigen Produktions- und Konsumtionsformen hervorgerufenen Schäden für Lebensbedingungen, Klima und Umwelt künftig zu vermeiden. Die Herausforderungen, die sich unter diesen Bedingungen für die Wirtschaft und ihre wichtigste Ressource, die Fachkräfte, stellen, sind groß. Bei einer Befragung von 20 000 Unternehmen durch den Deutschen Industrie- und Handelskammertag haben 23 Prozent der Betriebe angegeben, trotz hoher Arbeitslosigkeit ihre aktuellen offenen Stellen nicht besetzen zu können. 30 Prozent der Betriebe kommen aus der pharmazeutischen Industrie, ein Viertel aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau. Das heißt: Trotz hoher Arbeitslosigkeit gibt es einen Mangel an Fachkräften. Genau dieses Problem muss man sich sehr genau ansehen.
Für den Wirtschaftsraum Berlin-Brandenburg ergeben die Prognosen einen Anstieg des Fachkräftemangels bis 2010 von über 100 000 Stellen. Von diesem Fachkräftemangel ist der Gesundheitsbereich ebenso betroffen wie die Industrie und die Informations- und Kommunikationstechnologie. Wenn diese Prognosen richtig sind, stellt das insbesondere an die Aus- und Weiterbildungsaktivitäten der Unternehmen künftig höchste Anforderungen, denn bei der Behebung eines eventuellen Fachkräftemangels wollen derzeit nur 6 Prozent auf ausländische Fachleute, 15 Prozent auf das Potenzial älterer Arbeitnehmer zurückgreifen und fast Zweidrittel der Unternehmen setzen auf ein verstärktes Engagement in der Aus- und Weiterbildung. Diese Vorhaben sind zu würdigen. Allerdings investieren Unternehmen in Aus- und Weiterbildung derzeit vor allem, um auf die aktuellen Marktveränderungen reagieren zu können, nicht aber im Rahmen einer langfristigen Beschäftigungsplanung auf der Basis von Analysen. Insbesondere vernachlässigt die Wirtschaft auch die berufliche Erstausbildung junger Menschen und ganz genau hier beginnt das Problem des künftigen Fachkräftemangels. Genau hierfür, für die Erstausbildung, muss die Wirtschaft sehr viel mehr tun.
Allen Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen, die Beschäftigungsfähigkeit von erwerbslosen Menschen zu erhalten und die Qualifikation von Beschäftigten in Unternehmen unter sich verändernden strukturellen Bedingungen zu verbessern, das alles steht im Mittelpunkt der Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Qualifizierungspolitik von Rot-Rot. Zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses gehört es auch, die Zahl der Studierenden weiter zu erhöhen, keine Studiengebühren einzuführen, die universitäre Lehre zu verbessern, mehr Juniorprofessuren zu fördern
sowie Frauen den Weg in die Wissenschaft und Forschung zu ebnen. Das genau tut Berlin. Dies sind wichtige Schritte zur Behebung des künftigen Fachkräftemangels insbesondere im akademischen Bereich. Nicht unerwähnt lassen möchte ich in diesem Zusammenhang den Industriedialog mit dem Wirtschaftssenator, das Eintreten für die Etablierung der Weiterbildung als vierte Bildungssäule, das Eintreten für einen Mindestlohn und gegen die Abschottung von europäischen Arbeitsmärkten.
Anliegen dieses Antrags ist es, gemeinsam mit der Berliner Wirtschaft die aktuelle und die prognostizierte Fachkräftelücke für die einzelnen Branchen zu betrachten, Lösungen zu finden und anschließend Maßnahmen zur Befriedigung des Fachkräftebedarfs zu ergreifen.
Im Vordergrund künftiger Gespräche muss dabei auch stehen, welche neuen Strategien Wirtschaft und Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik gemeinsam zur Bekämpfung des Fachkräftemangels entwickeln können. Wie können die Ausbildungspotenziale der Schulen, Fachhochschulen, Universitäten, außeruniversitären Einrichtungen und Unternehmen besser gebündelt werden? Wie kann das System der dualen Ausbildung wieder zu einer wichtigen Ressource der Unternehmen werden? Wie könnten die gemeinsam mit der Wirtschaft ermittelten Bedarfe an Fachkräften ggf. über gezielte Anwerbekampagnen gedeckt werden?
Der letzte Satz: Ich hoffe sehr, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen zu einer intensiven ressourcenübergreifenden und ressortbündelnden Debatte über die Deckung des künftigen Fachkräftebedarfs in Berlin führen wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt wohl keine Fraktion in diesem Hause, die das Problem fehlender Ausbildungsplätze in Berlin nicht für ein sehr gravierendes Problem hält. Aber dass Sie, meine Damen und Herren von den Grünen und der FDP, immer wieder dem Senat den Vorwurf machen, zu wenig zu tun und Jugendliche in Warteschleifen zu parken, trägt zwar zur ständigen Wiederholung von falschen Argumenten bei, allerdings kaum zur Lösung.
Auch die beiden Anträge von der FDP und den Grünen sind nicht besonders hilfreich.
Erst in der letzten Plenarsitzung hat Senatorin KnakeWerner sehr ausführlich auf eine Mündliche Anfrage des Kollegen Lehmann von der FDP zu Ausbildungsplätzen geantwortet. Ich nenne hier noch einmal insbesondere das Programm „Jobstarter“ zur Erschließung von weiteren Ausbildungsplätzen in Unternehmen der ethnischen Ökonomie, das Projekt „Ausbildung in Sicht“ für Jugendliche mit Migrationshintergrund und die 3 000 zusätzlich zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätze im Rahmen des Bund-Länder-Sonderprogramms. Frau Knake-Werner hat auch angemahnt, dass landeseigene Unternehmen aus ihrer Sicht – und so sehe ich das auch – Vorbild sein und nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern möglichst darüber hinaus ausbilden sollen.
Nun wissen aber auch Sie, meine Damen und Herren von den Grünen und der FDP, dass in Berlin noch immer das Problem besteht, dass der Personalbestand höher ist als anderswo und die Haushaltslage angespannt bleibt. Deshalb kann der Senat nur immer wieder Unternehmen ermutigen, mehr auszubilden und trotz Personalabbaus die Zahl der Ausbildungsplätze weiter zu erhöhen. Da gibt es gute Beispiele.
So ist die Ausbildungsquote bei der BSR zwischen 1999 und 2006 von 3,13 auf 3,71 Prozent gestiegen, bei der BVG von 3,15 auf 3,8 Prozent und bei den Wasserbetrieben und den Stadtgütern liegt sie bei 8 Prozent. Das sind gute Beispiele, und das ist auch ermutigend.
In diesem Zusammenhang ein Wort an die FDP: Dass gerade Sie sich in Ihrem Antrag so vehement für mehr Ausbildungsplätze und die Qualifizierung des Nachwuchses im öffentlichen Dienst und den landeseigenen Betrieben einsetzen, erstaunt mich etwas, wo Ihre Partei doch eigentlich am liebsten sofort gerade die landeseigenen Betriebe privatisieren würde. Da stimmt doch etwas nicht in Ihrer Fraktion.
Ihr Kollege Herr Thiel hat erst kürzlich wieder erklärt und vehement gefordert, alle Wohnungsbaugesellschaften, die BSR und die BVG zu privatisieren. Das sollten sie dann doch einmal in Ihrer Fraktion klären, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, was Sie dort wirklich wollen.
Ja!
Ich würde mich sehr freuen, wenn der öffentliche Dienst sehr viel mehr ausbilden würde und könnte. Dazu bräuchten wir dann auch die Mittel, weil Jugendlich ganz zu recht fordern, dass sie nach der Ausbildung auch übernommen werden. Niemand möchte eine Ausbildung im öffentlichen Dienst machen und hinterher gehen und arbeitslos sein. Das ist der Kampf, den wir in jedem Jahr haben, und wir setzen uns auch immer dafür ein, dass Jugendliche nach der Ausbildung möglichst übernommen werden. Wenn Sie sich die Kleinen Anfragen hierzu anschauen, wird dies auch noch einmal deutlich.
Bei den nicht ausgeschöpften Ausbildungsmitteln – das wissen auch Sie, Herr Czaja – kommt es auch auf die Bezirke und die Fachverwaltungen an, was diese abfragen. Der Senat hat hier nur zu einem bestimmten Teil Einfluss, dass er sagt: Liebe Verwaltung, bilde aus, es gibt hier noch Mittel. Wenn die Verwaltungen dies nicht tun, gibt es kein Druckmittel. Das Geld verfällt allerdings auch nicht. Das konnten Sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Frau Pop lesen. Die Mittel werden dann umgeschichtet.
Ich möchte Sie auch noch darauf hinweisen, dass 500 Jugendliche pro Jahr in Ausbildungsberufen ausgebildet werden, die nicht für die Verwaltung gedacht sind, sondern für die Wirtschaft, und die hinterher nicht übernommen werden können.
Aber zumindest sind es Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst.
Ich widerspreche mir nicht.
Zum Antrag der Grünen: Liebe Frau Pop, eine Ausbildungsquote von sieben Prozent gibt es nicht. Das wissen Sie. Das war eine Forderung der Gewerkschaften und der Linken. Die Quote war mit der Forderung nach einer Umlagefinanzierung durch die Wirtschaft und nach einem Umlagefinanzierungsgesetz verbunden. Dieses Gesetz hat Ihre Partei, als sie in der Regierungsverantwortung war, nicht realisiert. Es schmort noch immer in den Schubladen des Bundesrates. Stattdessen wurde der Ausbildungspakt verlängert, inzwischen bis zum Jahr 2010.
Dann tue ich das.
Vielen Dank! – Ich frage die Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz: Wie bewertet die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz das Verbraucherinformationsgesetz, das am Freitag im Bundesrat zur Abstimmung steht und einerseits eine 20-jährige Debatte abschließt, andererseits aber im Vorfeld als nicht weitgehend genug kritisiert wurde?
Die hat sich damit erübrigt. Ich wollte nach dem Abstimmungsverhalten fragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berufsausbildung hat für die Koalition und den rot-roten Senat eine herausragende Priorität. Auch wenn die Wirtschaft seit Jahren zu wenig ausbildet: Alle Jugendlichen sollen die Chance auf eine qualifizierte Berufsausbildung haben. Sie sollen nach einem Abbruch Schul- und Ausbildungsabschlüsse nachholen können und einen qualifizierten Beruf ergreifen können. Dafür setzt sich diese Koalition mit Nachdruck ein.
Einige Beispiele für die Aktivitäten des Senats und auch für neue Ansätze hat Frau Senatorin Knake-Werner heute
in der Mündlichen Fragestunde gegeben. Erst vor kurzem wurde im Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales ausführlich über die Förderprogramme und Maßnahmen in der beruflichen Bildung gesprochen, die trotz bestehender Finanzierungsprobleme weitergeführt und kofinanziert werden sollen. Dazu gehören die 3 000 Plätze aus dem Bund-Länder-Sonderprogramm, MDQM, das Programm „Ausbildung in Sicht“ für Jugendliche mit Migrationshintergrund und nicht zuletzt das Landesförderprogramm zur betrieblichen Ausbildungsförderung, das sich an Betriebe richtet, die z. B. im Rahmen von Verbundausbildung für benachteiligte Jugendliche oder weibliche Auszubildende Ausbildungsplätze schaffen. Dies ist alles in den Ausschussprotokollen gut nachlesbar und zeigt, dass berufliche Bildung ein ständiges Thema in diesem Ausschuss ist.
Kommen wir nun zu den vorgelegten Anträgen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Alle Ihre Anträge besprechen wir in der I. Lesung. Sie wissen, dass diese Anträge eine gründliche Erörterung im zuständigen Fachausschuss erfordern würden. Keiner der Fachabgeordneten, die sich heute dazu äußern, kann sich in dieser I. Lesung qualifiziert zu Ihrem Darlehensantrag äußern. Deshalb geht es Ihnen aus meiner Sicht eher um ein Schaulaufen,
zumindest um den Versuch eines Schaulaufens. Sie wollen dem Parlament zeigen, wie toll Ihre Vorschläge sind, ohne dass eine kritische Debatte möglich ist. – Lieber Kollege Luchterhand! Den Vorwurf des Schaulaufens müssen auch Sie sich machen lassen, auch wenn Sie noch nicht lange im Parlament und ziemlich neu sind; aber Sie können ja noch dazulernen. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg!
Freut mich, dass Sie sich so erregen! Da kommt richtig Tempo hinein!
Unsere Fraktion teilt das Anliegen der vorliegenden Anträge, alle Möglichkeiten auszuschöpfen und nach Neuem zu suchen, wodurch die Ausbildungskapazitäten quantitativ und qualitativ verbessert werden können.
Den Vorschlag, die Arbeitsagenturen dazu zu bewegen, mehr Mittel für berufliche Erstausbildung einzusetzen, unterstützen wir vom Ansatz her, denn genau dafür setzen sich die Koalition und der Senat ein, dass Ausbildung Priorität haben sollte vor dem Einsatz aller anderen Instrumente für Jugendliche unter 25 Jahren ohne Berufsausbildung.
Auch jungen Menschen mit Kindern eine duale Ausbildung zu ermöglichen, gegebenenfalls in Teilzeit, ist Anliegen und bereits auch Praxis in Berlin. Berlin hat sich zusammen mit anderen Bundesländern für eine Bundes
ratsinitiative eingesetzt, über die die Möglichkeit für die Änderung des § 8 Berufsbildungsgesetz geschaffen wurde, auf den Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sich beziehen. Über Ihre weiteren Vorschläge ist, wie gesagt, im Fachausschuss zu diskutieren.
Nun noch kurz zum Antrag über zinslose Darlehen für betriebliche Erstausbildung. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Die Idee, die Wirtschaft für die Schaffung von Ausbildungsplätzen, zu deren Bereitstellung sie verpflichtet ist, zu belohnen, ist nicht neu und hat nach den bisherigen Erfahrungen, z. B. mit den bekannten Kopfprämien, nicht zum Erfolg geführt. Im Übrigen ist es in diesem Zusammenhang besonders angebracht, zu erwähnen, dass die Koalition weiterhin für eine Umlagefinanzierung der Wirtschaft eintritt, mit der ausbildungswillige, aber nicht ausbildungsfähige Betriebe von solchen unterstützt werden, die nicht ausbilden wollen.
Die Steigerung der Ausbildungsfähigkeit bei Betrieben und Jugendlichen hat für Rot-Rot in der Berufsausbildungspolitik Priorität. Ob die vorliegenden Anträge einen sinnvollen Beitrag dazu leisten und in den anstehenden Ausschussberatungen Mehrheiten finden, wird sich in der Fachdebatte zeigen. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Welche zusätzlichen Maßnahmen zum Schutz und zur Information der Bürgerinnen und Bürger in Sachen Lebensmittelsicherheit will der Senat im Rahmen des am 15. März 2007, am Weltverbrauchertag, angekündigten „Memorandums Lebensmittelsicherheit“ ergreifen?
2. Welche organisatorischen, rechtlichen und ggf. materiellen Voraussetzungen sieht der Senat als erforderlich an, damit der Anspruch auf mehr Lebensmittelsicherheit auch tatsächlich umgesetzt werden kann?
Frau Senatorin! Sie hatten erwähnt, dass der Handel für die Kontrolle der Lebensmittel und die Qualität der Lebensmittel selbst verantwortlich ist. Hat sich die Lebensmittelwirtschaft seit den Vorkommnissen im Dezember – bzw. seit September, dem Zeitpunkt, wo das kontaminierte Fleisch sichergestellt wurde – bisher mit eigenen Vorschlägen zu Wort gemeldet, da die Lebensmittelindustrie hier ein hohes Eigeninteresse hat?