1. Weshalb ist es dem Senat bislang nicht gelungen, den Entwurf eines den Absprachen der Fraktionen aus der vergangenen Legislaturperiode entsprechenden Ausführungsgesetzes über Volksbegehren und Volksentscheide im Land Berlin vorzulegen – nachdem die Volksabstimmung zur Verfassungsänderung mit so überzeugender Mehrheit angenommen wurde, was das Bedürfnis nach direkter Demokratie im Land Berlin zum Ausdruck bringt?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Lederer! Ein bisschen hat mich die Diskussion über ein Ausführungsgesetz verwundert, weil mit Inkrafttreten der geänderten Verfassung automatisch alle Erleichterungen, die die Verfassung vorgesehen hat, mit Zahl der Unterstützungsunterschriften automatisch in Kraft war, ohne dass das Ausführungsgesetz geändert wurde. Das ist so. Verfassungsrecht bricht Gesetzesrecht. Die Vorbereitungen zum Volksbegehren etwa zum Flughafen Tempelhof sind so behandelt worden, wie es in der Verfassung steht. Behindert wird an der Stelle überhaupt nichts.
Wir haben in der Koalitionsvereinbarung über die Verfassung hinaus vereinbart, dass wir bei Volksabstimmungen noch etwas erleichtern wollen. Das hat aber nichts mit dem Ausführungsgesetz zur Verfassung an sich zu tun. Wir wollten vielmehr die einfachgesetzliche Regelung verbessern. Dazu gehört unter anderem, dass wir die freie
Unterschriftensammlung zulassen wollen. Das haben wir seinerzeit in der Begründung der Verfassungsänderung gelesen. Das werden wir auch tun. Man muss aber nüchtern betrachten, dass daran gearbeitet wird. Die Arbeiten sind weitestgehend abgeschlossen. Es hat dazu Kontakte zu der Initiative „Mehr Demokratie e. V.“ im Februar und März gegeben, weil sie bestimmte Wünsche hinsichtlich ihrer Vorstellungen an uns gerichtet hatten. Wir haben eine ganze Reihe von Sachprüfungen dazu vornehmen müssen. Das muss man bei einer solchen Sache auch tun, weil es sich hier um ein Gesetz handelt, das die künftigen Volksbegehren für die nächsten 10 oder 15 Jahre regelt. Dazu gehört unter anderem die Frage, sich darüber Gedanken zu machen, wie bei einer freien Unterschriftenliste zu verfahren ist, wenn eine Unterschrift nicht bei einer Behörde abgegeben und der Personalausweis vorgelegt wird, damit diese Unterschrift gültig ist. Wir werden es entsprechend regeln, dass auch bei einer freien Unterschriftenliste demjenigen, der diese Liste ausfüllen lässt, der Personalausweis vorzulegen ist und er sich davon zu überzeugen hat, dass die Unterschrift von dem Wahlberechtigten geleistet wird. Das halte ich auch für selbstverständlich.
Eine zweite Frage war, ob eventuell die Unterschriften, die früher schon einmal für das Volksbegehren geleistet worden sind, einfach zugerechnet werden können oder ob diese neu abgegeben werden müssen. Auch dazu hat es in meiner Behörde eine Diskussion gegeben, die mit unserem Vorschlag endet, dass man neu unterschreiben muss. Wenn ich ein Volksbegehren einleite und es eine Diskussion gibt, die nach unserer Verfassung vorsieht, dass der Senat dem Abgeordnetenhaus eine Stellungnahme vorlegt und das Abgeordnetenhaus darüber diskutiert, zu einer Entscheidung kommt und dann über die Entscheidung des Abgeordnetenhauses mit einem Volksbegehren neu entschieden wird, kann man in demokratischer Weise nur handeln, wenn man diesen Diskussionsprozess mitgemacht hat oder die Möglichkeit hatte, ihn mitzumachen.
Man kann nicht eine Unterschrift, die ein Jahr vor dem Diskussionsprozess abgegeben wurde, als nach dem Diskussionsprozess für das Volksbegehren werten. Dementsprechend gab es eine Reihe von Fragestellungen. Diese haben wir gründlich abgearbeitet. Wir legen jetzt höchstwahrscheinlich noch im Juli dem Senat zur Beteiligung im Rat der Bürgermeister das geänderte Gesetz mit 44 Änderungen vor. Das ist nicht nur ein Handstrich, mit dem eine Änderung vorgenommen wird. Es handelt sich hierbei um ein gründlich vorbereitetes Gesetz. Wenn Sie davon ausgehen, wann wir diesen Senat gebildet haben, ist das eine angemessene Zeit, um ein vernünftiges Gesetz vorzulegen.
Vielen Dank, Herr Senator Dr. Körting! – Herr Dr. Lederer, Sie haben die Möglichkeit für eine Nachfrage. Bitte sehr!
Wie reagieren Sie auf diejenigen, die unterstellen, der rotrote Senat habe verhindern wollen, dass das Volksbegehren über Tempelhof – Herrn Pflügers Lieblingsvolksbegehren – schon mit freien Sammlungen begonnen werden kann? Werden Sie diesen entgegensetzen, dass es deshalb so lange gedauert hat, weil so gründlich darüber diskutiert worden ist?
[Andreas Gram (CDU): Das ist ja scharf, dass Sie die Antwort schon vorweg nehmen. Ist das Ihr neuer Sprecher?]
Fragestellungen, wie wir künftig mit Volksbegehren umgehen – Sie können davon ausgehen, dass der Senat das tut –, sollten nicht mit kleinlichen taktischen Vorteilen für ein kleines Volksbegehren oder etwas anderes verbunden werden. Mir geht es um eine Lösung, die meinem Demokratieverständnis entspricht. Deshalb habe ich Einzelpunkte genannt. Diese Lösung muss man gründlich vorbereiten. Wir wollen Ihnen einen Gesetzentwurf vorlegen, zu dem Sie entweder ja, ja, aber oder nein sagen können. Sie erwarten jedoch einen vernünftigen Gesetzentwurf von uns. Den können Sie nicht in einer Woche aus dem Ärmel schütteln.
Vielen Dank, Herr Senator Dr. Körting! – Die Möglichkeit für eine weitere Nachfrage hat jetzt der Abgeordnete Behrendt.
Herr Körting! Ich wollte Sie fragen, wann Sie konkret mit den Prüfungen für diese schwierigen Fragen der Weitergeltung der Unterschriften oder der Übertragbarkeit angefangen haben?
Herr Kollege Ratzmann! Wenn ich mich richtig erinnere, hat mir meine Behörde vor ungefähr vier oder fünf Wochen den ersten Entwurf eines Gesetzes vorgelegt. Dazu hatte ich Rückfragen. Ich muss es unterschreiben, wenn es in den Senat geht. Ich muss dahinter stehen. Es war beispielsweise die Frage enthalten, ob Leute mit Zweitwohnsitz geprüft würden. Das geht jedoch nach dem Text der Verfassung nicht, weil dort Wahlberechtigte aufgeführt sind. Leute mit Zweitwohnsitz in Berlin sind nicht wahlberechtigt in diesem Sinn. Ich habe das zurückgegeben und vor wenigen Tagen mit den zuständigen Mitarbeitern vereinbart, nun grünes Licht geben zu können. Der Entwurf wird nun in den Senat gegeben. Danach wird er dem Rat der Bürgermeister vorgelegt. Im September – wenn sich alle zügig beeilen – kann das Abgeordnetenhaus beschließen.
1. Können Langzeiterwerbslose – nachdem sie vergeblich auf den vom Senat angekündigten Beschäftigungssektor gewartet haben – jetzt darauf hoffen, dass der Senat die von der Bundesregierung beschlossenen Änderungen des SGB II und SGB III nutzt, um ihre Beschäftigungschancen zu verbessern, und er dafür die notwendige Kofinanzierung zur Verfügung stellt?
2. Wie gedenkt der Senat sein Modellprojekt zur „Öffentlich geförderten Beschäftigung“ trotz fehlender gesetzlicher Grundlage und fehlender Finanzierung zusätzlich zu den o. g. Maßnahmen des Bundes zur Verbesserung der Beschäftigungschancen von Langzeiterwerbslosen noch umzusetzen?
Vielen Dank, Frau Pop! – Es antwortet die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales. – Bitte Frau Senatorin Dr. Knake-Werner!
Die Langzeitarbeitslosen können nicht nur hoffen, sondern sie können sich ganz sicher sein, dass der Senat alles tut, um die Chancen von Langzeitarbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Wir sind der Auffassung, dass es allemal besser ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Deshalb wollen wir das Geld, das ein Arbeitsloser für Unterhalt und Wohnung bekommt, bündeln und damit sinnvolle, existenzsichernde Arbeit in einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor schafen. f Dass so etwas funktioniert, haben wir längst unter Beweis gestellt. Wir haben bereits vor einem Dreivierteljahr mit vier Modellprojekten begonnen. Die Ergebnisse dieser Modellprojekte können sich durchaus sehen lassen. Sie machen eines ganz deutlich: Diese Form der Beschäftigung in einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor ist nicht nur gut für die Langzeitarbeitslosen, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt.
Der soziale Zusammenhalt, die Verbesserung des öffentlichen Angebots, die Erwerbsfähigkeit – all das wird gestützt und gefördert. Wir werden diese Projekte fortsetzen, aber – in der Tat – wir wollen mehr.
Sie wissen, Frau Pop, dass der dafür notwendige rechtliche und finanzielle Rahmen leider nicht vom Senat allein bestimmt werden kann. Dazu brauchen wir die Bundesregierung, dazu brauchen wir gesetzliche Veränderungen. Deshalb haben wir zwei Dinge parallel betrieben:
Erstens verhandeln wir seit Monaten mit der Bundesregierung, um die Spielräume zu einer breiteren Einführung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors durch die von mir genannte Bündelung aktiver und passiver Leistungen für Langzeitarbeitslose zu erweitern – leider bisher mit sehr mäßigem Erfolg. Da wünschte ich mir etwas mehr Beweglichkeit.
Zweitens: Deshalb haben wir gleichzeitig mit der Regionaldirektion vereinbart, im Vorgriff auf ein Bundesprogramm die bestehenden Instrumente der Arbeitsmarktpolitik zu nutzen und noch in diesem Jahr 1 300 Arbeitsplätze in von uns festgelegten Handlungsfeldern zu schaffen. Um eine existenzsichernde Bezahlung zu gewährleisten, werden wir diese Maßnahmen durch Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds und durch Landesmittel ergänzen. Sie sollen sozialversicherungspflichtig sein, freiwillig und mehrjährig.
Nun hat die Bundesregierung mit dem sogenannten Hunderttausender-Programm eine Entscheidung getroffen – nicht die, die wir uns gewünscht hätten, aber es sind Schritte in die richtige Richtung, hin zu öffentlich geför
derter Beschäftigung im gemeinwohlorientierten Sektor. Das ist gut und wichtig. Dieses Programm können wir nutzen, und wir werden es nutzen.
Der Bund finanziert hier nicht allein, sondern das Land muss 25 Prozent dazugeben. Das eröffnet uns auch Gestaltungsspielräume, die wir im Interesse einer sinnvollen Arbeit für Langzeitarbeitslose ausfüllen werden.
Vielen Dank, Frau Senatorin! – Frau Pop! Möchten Sie eine Nachfrage stellen? – Dann haben Sie jetzt die Gelegenheit dazu. – Bitte sehr!
Habe ich richtig verstanden, dass Sie ohne die Entscheidung der Bundesregierung, ein neues Programm zu starten, in Berlin nicht in der Lage gewesen wären, die jetzt kommenden 1 300 Stellen zu finanzieren und auch umzusetzen?
Vielen Dank! – Frau Pop! Sie haben richtig verstanden. Wir wären in Berlin in der Lage gewesen, diese 1 300 Plätze zu den Konditionen, wie wir sie in unseren Papieren formuliert haben, zu finanzieren. Das werden wir übrigens jetzt trotz Bundesprogramm auch tun müssen. Wenn Sie es genau angeschaut haben, wissen Sie, dass dieses Programm ab 1. Oktober bundesweit mit 5 000 Plätzen laufen wird. Das heißt, 400 Plätze entfallen auf Berlin. Diese werden wir auch nutzen, und damit werden wir die 1 300 Plätze im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einrichten.
1. Wie gedenkt der Senat den – sich aus dem demografischen Wandel und dem Anstieg des VBL-Beitrages von derzeit 9,86 % auf mindestens 17 % ergebenden – zukünftigen Finanzbedarf in einem nicht kapitalgedeckten System der VBL bei den öffentlichen Arbeitgebern zu decken?