Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nach reiflicher Überlegung nach bestem Wissen und Gewissen entschieden, dem Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes und des Berliner Datenschutzgesetzes nicht zuzustimmen. Es gehört selbstverständlich zu den politischen Spielregeln im Fraktionsalltag, auch einmal Mehrheitsentscheidungen mitzutragen, selbst wenn sich die eigene Position darin nicht widerspiegelt. An dieser Stelle habe ich mich dafür entschieden, dies nicht zu tun. Ich habe mir die Entscheidung, mich zu enthalten, nicht leicht gemacht. Es waren die schwierigsten Momente meiner bisherigen parlamentarischen Laufbahn. Dass ich mich der Stimme enthalten habe, hat nichts, aber auch gar nichts mit dem angeblichen Entgegenkommen bzw. den als Zugeständnis verkauften Änderungen seitens des Innensenators zu tun. Vielmehr hat es damit zu tun, dass ich davon ausgehen muss, dass eine Ablehnung meinerseits bei zukünftigen Verhandlungen zwischen den Koalitionsfraktionen in
strumentalisiert werden könnte. Diesen Vorwand möchte ich nicht liefern. Der vorliegende Gesetzesentwurf ist sowohl in der SPD als auch im Landesverband der Linken und von Bürgerrechtsorganisationen inhaltlich und handwerklich kritisiert worden.
Es gibt keinen Grund, sich nicht ausreichend Zeit für diesen neuerlich gründlich diskutierten vorliegenden Gesetzentwurf zu nehmen, bevor wir diesen Beschluss gefasst haben.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um noch einmal darauf hinzuweisen, dass die vorgenommene Änderung des ASOG, insbesondere im Bereich der Videoaufzeichnung in öffentlich zugänglichen Räumen, des öffentlichen Personennahverkehrs durch die Polizeibehörden, der Videoüberwachung zur Eigensicherung und der medizinischen und molekulargenetischen Untersuchungen, eine Einschränkung von Freiheitsrechten bedeutet, die aus meiner Sicht in keinem angemessenen Verhältnis zu ihrem Ertrag stehen. Deshalb ist eine Evaluation der Maßnahmen bis zum 31. Januar 2010 zwar ganz nett, macht aber in diesem Fällen nur im Zusammenhang mit einer Befristung der betreffenden Regelung Sinn. So bleibt die Evaluation – unabhängig von ihrem Ergebnis – letztlich folgenlos.
Anders als gelegentlich kolportiert wurde, habe ich nicht nur bei Einzelfragen meine Meinung in die Waagschale geworfen, sondern ebenfalls das sogenannte Große und Ganze mitbedacht. Verantwortung zu übernehmen, heißt in diesem Falle für mich, einen Entschluss nicht mitzutragen – nicht nur, weil ich ihn selbst inhaltlich falsch finde. Richtig ist, dass die ASOG-Änderung in keiner Weise mit dem Überwachungswahn auf Bundesebene und den Wünschen der hiesigen CDU-Fraktion, ja nicht einmal mit den geänderten Polizeigesetzen anderer Bundesländer gleichgesetzt werden kann oder sollte. Auch wenn das ASOG damit nach wie vor weniger unerträglich ist, bleibt für mich neben der inhaltlichen Kritik und den verfassungsrechtlichen Bedenken noch etwas anderes fragwürdig: die Logik, einer solchen Gesetzesänderung erst einmal zuzustimmen, damit Fraktion- und Koalitionsfrieden nicht gestört werden, –
Ich komme zum Ende. – und dann zu sagen: Wenn wir bei den Grundrechten etwas übersehen haben, wird es das Verfassungsgericht schon richten. – Das kennen wir bisher von den anderen Parteien. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Welche Aufgabe hat ein Parlament? – Diese Frage musste ich mir vor der Abstimmung stellen. Die Antwort darauf wird Ihnen mein Abstimmungsverhalten erklären. Parlamente machen Gesetze, und Gesetze sind in einer Gewaltenteilung dazu da, den Bürger und die Bürgerin vor Willkür der Exekutive zu schützen. Im Grundkurs Staatsorganisationsrecht nennt man das bekanntlich Gesetzesvorbehalt. Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier sollen dafür sorgen, dass wir bei Eingriffen in die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger Beschränkungen derart fassen, dass die Exekutive weiß, was sie darf und was sie nicht darf, und dass die Judikative auf diese Einhaltung der Beschränkungen achten kann. Diese Aufgabe haben wir mit dem neuen ASOG nicht vollständig erfüllen können. Deshalb konnte ich dem Gesetzesentwurf auch nicht zustimmen. Wir werden die Exekutive, in diesem Fall die Polizei, bitten müssen, unbestimmte Paragrafen grundrechtskonform auszulegen. Wir werden die Betroffenen bitten müssen, im Falle eines ihrer Meinung nach zu weiten Eingriffs zu klagen, und wir werden die Gerichte bitten müssen, diese Verfahren schnell zu behandeln, damit ein klares Bild über Eingriffsbeschränkungen entsteht. Aus diesen Gründen – und weil ich nicht möchte, dass ein Parlament auf die anderen beiden Gewalten hoffen muss – konnte ich nicht zustimmen.
Trotzdem spreche ich sicherlich im Namen meiner Koalition, wenn ich sage, dass wir die Evaluationsklausel sehr ernst nehmen und in zwei Jahren nicht einfach, wie es von der FDP gefordert wird, die Änderung zurücknehmen, sondern den Mut beweisen werden, ggf. – ich gehe davon aus, dass uns der Evaluationsbericht bestätigen wird – bestimmte Verfahren komplett für unzulässig zu erklären, weil sie u. U. unnütz oder falsch sind.
Denn auch das kann ein ASOG, und dann gilt auch nicht mehr die generelle Eingriffsnorm und das permanente: „Die Polizei darf es doch eh!“
Damit linke Politik auch das und noch viele ganz andere Sachen in zwei Jahren leisten kann, möchte ich, dass die Koalition bis dahin handlungsfähig bleibt. Deshalb und trotz anderer politischer Überzeugung heute kein Nein von mir.
Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung: Meine Partei hatte sich im Zuge der Gespräche über das ASOG darauf verständigt, das Thema Bürgerrechte innerparteilich und öffentlich noch stärker in den Mittelpunkt zu setzen.
Das ist uns ja offensichtlich mit dem ASOG auch gelungen. – Daran wird sich auch die „Linksjugend [solid]“ beteiligen und offensiv Demonstrantinnen und Demonstranten dabei unterstützen, sich vor Polizeiwillkür zu schützen. Wenn Sie das ähnlich sehen, können Sie jetzt einmal in ihren Portemonnaies kramen und schauen, wie viel Geld Sie zum Beispiel für die Rote Hilfe übrig haben, denn ich werde dafür spenden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Das ist die Priorität der FDP, und das Wort für die CDUFraktion hat der Abgeordnete Ueckert! Bitte schön, Herr Ueckert!
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Park & Ride ist ein Thema, das wechselseitig von FDP und CDU in diesem Hause aufgerufen wird, ein Thema, das Sie, meine Damen und Herren von der rotroten Koalition, aber eigentlich nicht ernst nehmen. Das hat der Redebeitrag von Herrn Gaebler hier auch wieder bewiesen.
Sie nennen es ein interessantes Thema, Herr Gaebler, und sagen, man müsse wohl abgewogen darüber reden. Schön reden kann jeder – aber was tun Sie? – Sie tun das Gegenteil. Ich werde es Ihnen gleich belegen. Es bleibt nämlich dabei: Im Grunde genommen haben Sie ein Feindbild, und das ist das Auto.
Dabei muss es unser aller gemeinsames Ziel sein, den ÖPNV in Berlin zu stärken, und da müssen wir froh über jeden Kunden sein, den wir gewinnen, den wir zum Umsteigen in die Bahn oder den Bus bewegen können. Aber wir müssen ihn gewinnen, das heißt, wir müssen ihn durch ein attraktives Angebot überzeugen. Dazu sind Park & Ride und die dazu gehörende Umfeldgestaltung ein ganz wichtiges Instrument.
Schauen Sie sich doch einmal anderswo um – im Ruhrgebiet, im Rhein-Main-Gebiet, in Hamburg, im Großraum München! Da finden Sie genau die Punkte, die die FDP in ihrem Antrag angesprochen hat: netzartiges und ausreichend großes Angebot von Stellplätzen am Schnellbahnnetz, gut funktionierendes Wegeleitsystem, private Bewirtschaftung der Stellplätze einschließlich möglicher Einkaufs- und Serviceangebote mit Rabattkombinationen bei der ÖPNV-Nutzung.
Aber wie sieht Ihre Politik aus, meine sehr verehrten Damen und Herren von der rot-roten Koalition? – Sie wollen die Menschen immer nur zu ihrem vermeintlichen Glück zwingen. So ist es denn im Nahverkehrsplan 2006 bis 2009 auch auf der Seite 107 zu lesen: Es wird kein weiterer Ausbau von P-&-R-Anlagen in Berlin angestrebt.
Andererseits ist, wie es auf Seite 104 steht, die Kombination von Fahrrad und ÖPNV im Vergleich zum MIV, also dem Autoverkehr, und zu Park & Ride platzsparender und umweltschonender. Auf derselben Seite steht dann weiter unten:
Für periphere Schnellbahnstationen in Brandenburg und Berlin ohne adäquaten Buszubringer erweitert das Fahrrad den fußläufigen Einzugsbereich und somit die Wirksamkeit des Schnellbahnangebots, sowohl durch Bike & Ride als auch durch Fahrradmitnahme.
So weit zu Ihrem Konzept, das Sie mit Brandenburg abgestimmt haben, Herr Gaebler! Das ist Ihre Politik, und diese setzen Sie rigoros gegen die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung durch.
sondern ich nenne Ihnen einmal zwei andere Beispiele: einmal das neue Aussichtsrad. Da entscheiden Sie, mit welchem Verkehrsmittel der Besucher zu kommen hat. Sie nennen das vielleicht steuern – ich nenne das bevormunden.
Für Fahrradfahrer werden 200 zeitlich unbefristete Abstellplätze geschaffen – ein völliges Überangebot, weil es überhaupt nicht auf die Personen, die zum Aussichtsrad wollen, bezogen ist.
Für Touristenbusse, die eine Zielsetzung haben, werden in einem Zeitfenster von 120 Minuten 17 Stellplätze zur Verfügung gestellt. Das ist ein Unterangebot. Und für den privaten Autofahrer gibt es null Stellplätze.
Nun hören Sie einmal gut zu! – Das liegt in der Umweltzone, und diejenigen, die von auswärts kommen und auf dieses Aufsichtsrad wollen, die von einem Bürger dieser Stadt mit dem Pkw mitgenommen werden, finden dort keinen Parkplatz. – Das ist Ihre Politik!
Das zweite Beispiel ist die Parkplatzsituation am S-Bahnhof Rahnsdorf. Da parken nun seit geraumer Zeit mit steigender Tendenz die S-Bahnnutzer, die mit ihrem Pkw zum Bahnhof kommen, im angrenzenden Wald, weil es weit und breit keine organisierten Stellplätze gibt, und die zuständige Senatorin erklärt im Ausschuss dazu, sie wer
de diese Situation nicht ändern. Wörtlich: Für einen Parkplatz werde ich nicht einen einzigen Baum fällen.
Aber Vorschläge, wie sie das Problem ansonsten angehen wolle, kommen von der Senatorin auch nicht, zum Beispiel, einen Park-&-Ride-Parkplatz an der Strecke nach Erkner an einem anderen Bahnhof anzulegen, damit man ausweichen kann. Gespräche mit der Deutschen Bahn oder mit der S-Bahn, dass man vielleicht den Tarifbereich B nach Erkner ausweitet, um die Situation in Rahnsdorf zu entspannen, gibt es nicht, machen wir nicht. Wir schreiben vor, wie Sie da zu fahren haben. – Nein! So kann es nicht gehen, so kommen wir nicht weiter. Das ist keine kundenorientierte Problemlösung.
Diese Beispiele lassen sich leider noch endlos fortsetzen. Das Fazit ist deshalb: Sie sind auf dem falschen Weg. Kehren Sie um! Betrachten Sie den FDP-Antrag als dringend erforderlich! Wir werden ihm deshalb zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind ja nicht mehr viele im Raum. Aber lassen Sie mich versuchen, zu dem Antrag etwas zu sagen. Es gibt Sprechblasen und, Herr von Lüdeke, Ihre Rede habe ich nun schon zum 50. Mal gehört, und immer mit denselben Sprechblasen. Dazu gehört: Parkraumbewirtschaftung ist schlecht; freie Fahrt für freie Bürger; Temporegelungen sind auch schlecht. – Das ist einfach die immer wiederkehrende Sprechblase. Und bei der CDU? – Ich glaube, selbst wenn wir über Kartoffelbrei reden würden, würden Sie auch noch Tempelhof! dazurufen.