Stattdessen wurden die Verhandlungen verweigert. Aber ich spreche von Verhandlungen, Herr Trapp, und das ist etwas anderes, als alles, was die Gewerkschaften fordern, wörtlich zu übernehmen. Das halte ich auch nicht für glaubwürdig. Verhandlungen bedeuten immer ein Geben und Nehmen.
Solche Verhandlungen hätten auch tarifrechtliche Probleme lösen können, die dem Senat heute auf die Füße gefallen sind. Heute Morgen hat das Landesarbeitsgericht entschieden, dass das Land Berlin verpflichtet wird, einem Kläger nachträglich – seit dem 1. September 2006 – ein Gehalt nach der höchsten Lebensaltersstufe zu vergüten, da seine bisherige Eingruppierung als 39-Jähriger dem Antidiskriminierungsverbot widerspricht. Auch dies hätte in Tarifverhandlungen geregelt werden müssen. Das überkommene System der Lebensaltersstufen, das eindeutig gegen EU-Recht verstößt, gehört vom Tisch. Das hätte man in Verhandlungen klären können.
Die Folgen dieses Urteils könnten deutlich teurer werden als der Abschluss eines Tarifvertrags. Man stelle sich nur vor, die anderen 30 000 Betroffenen reichten eine entsprechende Klage ein. Dann hätten wir im Land Berlin ein erhebliches Problem.
Die starre Haltung des Senats hat ein zweites Unheil angerichtet. Durch den automatischen Anstieg der Personalkosten durch das Auslaufen des Solidarpakts um einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag und den rechnerischen Anstieg der Arbeitskapazität um rund 10 Prozent spitzt sich im Land Berlin – ob man es will oder nicht – die Debatte um einen weiteren Personalabbau massiv zu. In einigen Bereichen wird die Arbeitskapazität wie ein Tropfen auf dem heißen Stein verpuffen, weil sie nicht ausreichen wird. In anderen Bereichen ist die zusätzliche Arbeitskapazität um 10 Prozent nicht notwendig. Statt die verbleibenden Spielräume eines fortgeschriebenen Solidarpakts zu nutzen und endlich einen notwendigen Einstellungskorridor zur Verjüngung zu nutzen, werden die Spielräume aufgegeben und der Stadt wird eine völlig unsinnige neue Personalabbaudiskussion aufgezwungen, die vermieden werden könnte, wenn der Solidarpakt fortgeschrieben würde.
Wer den Solidarpakt nicht fortführt, der muss auch erklären, wie anders die Personalkosten auf ein vergleichbares Maß zurückgeführt werden sollen. Statt Ruhe und Zukunftsdiskussionen in der öffentlichen Verwaltung zu haben, wird diese Arbeit in der jetzigen Diskussion bei RotRot zum Spielball des Machtkampfes zwischen den beiden roten Koalitionspartnern. Erst wird eine Finanzplanung beschlossen, und dann stellt sich der Bürgermeister vor den Koalitionspartner und sagt, eine Finanzplanung hätte sowieso keinen Gesetzescharakter, er akzeptiere keine Personaldiskussionen, die Herr Sarrazin führe. Eine Finanzplanung hat keinen Gesetzescharakter, sondern Verfassungscharakter, Herr Wolf. Es ist keine zwei Jahre her, dass das Verfassungsgericht Ihnen die Bedeutung einer Finanzplanung deutlich machen musste. Hier nun einfach zu sagen, das sei alles nichts wert und die Zahlen würden nicht akzeptiert, kann nicht hingenommen werden.
Nein, denn ich bin bei meinem letzten Satz. – Statt einen erweiterten Einstellungskorridor, einen solidarischen Umbau der Verwaltung und die Fortführung des Solidarpakts zu ermöglichen, hat Rot-Rot mit der bisherigen Politik nur den Stillstand und Unfrieden in der Verwaltung verstärkt, und das ist das Letzte, was wir jetzt brauchen.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Schruoffeneger! Vielleicht erläutern Sie mir noch einmal, an welcher Stelle der Finanzplanung Ihrer Ansicht nach die Personaleckzahl 93 500 ausgeführt wird. Sie erinnern sich vielleicht, dass der Staatssekretär für Finanzen, Herr Teichert, gestern im Hauptausschuss erläuterte, dass es eine solche Eckzahl nicht gibt. Das Gegenteil ist der Fall: Die vorliegende Finanzplanung schreibt die Personaleckzahl 100 000 fest, und zwar exakt so, wie es der Wirtschaftssenator ausgeführt hat.
Herr Kollege Wechselberg! In Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass der Solidarpakt weitergeführt und dabei ein Ergebnis von 150 Millionen Euro erreicht werden soll. In der Finanzplanung steht, dass sich die Koalition davon hätte verabschieden müssen, weil es nicht mehr durchsetzbar war. Letzteres liegt ja wohl an der Linksfraktion.
Ach so, Herr Wowereit! Dann haben in dieser Frage beide Koalitionspartner eine gleich schlechte Haltung. – Ich halte das in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung für eine Katastrophe. Denn es nimmt uns genau die Spielräume, die wir zur Ermöglichung von Einstellungskorridoren zur Verjüngung der Verwaltung bräuchten.
Das verfassungsrechtliche und politische Problem besteht nicht in den 93 000, 95 000 oder 96 000, sondern es liegt darin, dass in diesem Senat mittlerweile die Diskussion
darüber verweigert wird, was für Berlin angemessene Personalausstattungen sind. Wenn Sie sich hinstellen und von Tabugrenzen sprechen, ohne inhaltlich zu erklären, warum wir beispielsweise in der Schulverwaltung – nicht bei den Lehrern – 25 Prozent mehr brauchen als Hamburg, dann ist das verantwortungslos. Ich hätte diese Stellen lieber zusätzlich in den Schulen und im Unterricht als in der Verwaltung.
Diese Diskussion töten Sie ab. Wenn dann ein Senator sagt: Was interessiert mich die Finanzplanung – er hat ja wohl wörtlich gesagt, sie hätte keinen Gesetzescharak- ter –, dann hat dieser Senator seine Aufgabe verfehlt. Er akzeptiert ein Instrument von Verfassungsrang nicht. Damit ist er nicht würdig, Senator zu sein.
Vielen Dank, Herr Schruoffeneger! – Für die FDP hat jetzt der Abgeordnete Jotzo das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte auch gern Frau Hertel angesprochen, aber sie hatte angesichts Ihrer Priorität schon den Saal verlassen. Ich hatte gehofft, dass Sie – die Regierungsfraktionen – uns mit Ihrer Priorität aufzeigen wollen, wo Ihre tarif- und personalpolitischen Ziele liegen, die Sie mit der jetzigen Sonderzahlung angehen. Ich hatte auch gehofft, dass Sie uns eine Perspektive für das aufzeigen, was Sie hierbei entwickeln wollen. Ich hatte gehofft, Sie würden, weil Sie dieses Thema zur Priorität machen, wenigstens irgendetwas an perspektivisch Sinnvollem in der Debatte beitragen, das dieses Parlament etwas weiterbringt. Aber zu meinem großen Erstaunen haben Sie zu dieser Frage überhaupt nichts beitragen können.
Im Gegenteil: Sie belassen es dabei, den Beschäftigten ein Almosen vorzuwerfen. Das hat Herr Trapp sehr richtig gesagt. Es ist ein einmaliges Almosen. Sie haben sich keine Gedanken über die Perspektiven für die Entlohnung im öffentlichen Dienst gemacht. Sie haben sich keine Gedanken über die langfristige Tragfähigkeit Ihrer Personal- und Tarifpolitik gemacht. Mit diesem Gesetzentwurf stellen Sie sich ein Armutszeugnis aus. Ihrer Personal- und Tarifpolitik fehlt jegliche Perspektive, und das ist bedauerlich, denn Sie hatten in der letzten Legislaturperiode so gut angefangen. Mit der jetzigen Personal- und Tarifpolitik werfen Sie die Errungenschaft, die Sie unbestreitbar erreicht haben, zum Fenster hinaus.
[Beifall bei der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Wegen der Zahlung von 300 Euro im Jahr! Das ist doch Quatsch!]
Sie führen einen personal- und tarifpolitischen Eiertanz auf. Ich erinnere an den Sommer 2007: Der Finanzsenator
verkündet eine Zielgröße von 93 500 Beschäftigten. Der Finanzsenator verkündet, er wolle das Weihnachts- und Urlaubsgeld kürzen und damit dazu beitragen, dass der Personalkörper im Land Berlin langfristig finanzierbar bleibt. – Herr Finanzsenator! Ich kann Ihnen nur sagen, dass Sie mit diesen Zielen die FDP-Fraktion an Ihrer Seite haben. Wir werden an Ihrer Seite dafür kämpfen, dass die Personal- und Tarifpolitik in diesem Land nachhaltig bleibt und dass wir unseren öffentlichen Dienst heute und morgen bezahlen können, und zwar auch morgen wieder gut und angemessen bezahlen können, sodass die Beamtinnen und Beamten sagen können: Ja, wir sind gern für das Land Berlin tätig.
Aber der finanzpolitische Eiertanz geht weiter, und Sie führen ihn heute wieder im Extrem selber auf. Sie scheinen selbst nicht zu wissen, welche Ziele Ihr Senat sich setzt. So ist es kein Wunder, wenn im Sommer 2008 völlig unklar ist, wie es weitergeht. Zwar verkündet der Finanzsenator immer noch die Zielgröße von 93 500 Stellen – bzw. Vollzeitäquivalente, wie auch immer Sie es ausdrücken wollen –, aber andererseits ist immer noch unklar, wie sich die Entlohnung nach 2009 gestalten soll. Da liegt der Hase im Pfeffer. Sie haben es nicht geschafft, sich langfristige Perspektiven zu überlegen, sich mit den Gewerkschaften ins Benehmen zu setzen und über die Zeit nach 2009 zu reden. Das ist die tatsächliche Frage, die geklärt werden muss. Aber vor diesen langfristigen und systematischen Weichenstellungen im öffentlichen Dienst drücken Sie sich.
Der rot-rote Senat muss endlich ein schlüssiges Personalabbaukonzept und vor allem ein schlüssiges Personalkonzept für den Zeitraum ab 2010 vorlegen. Denn ein Personalabbau entlang der natürlichen Fluktuation wird nicht ausreichen, um die Nachhaltigkeit des Haushalts herzustellen. Der rot-rote Senat baut in der Verwaltung des Landes Stellen ab, ohne Aufgaben zu streichen, und das führt zu einer langsamen, unprofessionellen und bürgerfernen Verwaltung. Darunter leiden die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmer in unserer Stadt.
Berlin muss deshalb die Verwaltungsaufgaben radikal entschlacken und sich auf die staatlichen Kernaufgaben konzentrieren. So kann das Land durch gezielten Personalabbau erhebliche Einsparungen erzielen und sogar gleichzeitig das Serviceniveau für die Bürgerinnen und Bürger verbessern. Und ich sage dazu ganz klar: Teile dieser Einsparsummen müssen dann unbedingt dafür verwendet werden, die Bezüge der Beamtinnen und Beamten sowie die Gehälter und Löhne der Angestellten und Arbeiter leistungsorientiert auszugestalten. Wir wollen einen schlanken, angemessen bezahlten und anständig ausgestatteten öffentlichen Dienst, der schnell, motiviert, effizient und professionell für die Bürgerinnen und Bürger Berlins arbeitet.
Hierfür bedarf es keiner einmaligen Almosen, sondern einer vernünftigen Personalpolitik und Personalkonzeption. Sie führen stattdessen einen personal- und tarifpolitischen Eiertanz auf. Bei diesem Eiertanz wird meine Fraktion Sie nicht begleiten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Gesetzesvorlage auf Drucksache 16/1711 an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie an den Hauptausschuss. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.