Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Kollegin Herrmann. – Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am letzten Samstag war Weltkindertag. Das Motto lau
tete: Alle Kinder haben Rechte. Es wäre schön gewesen, wenn wir hier heute die Kinderrechte in der Berliner Landesverfassung hätten verankern können, aber gut Ding will Weile haben. Wir hoffen sehr, dass dieses Haus bis zum nächsten Kindertag der Initiative meiner Fraktion, Kinderrechte in der Landesverfassung zu verankern, zustimmt.
Auch die Themen der heutigen Debatte sind wichtig. Zunächst geht es um die Bekämpfung der Kinderarmut. Unser Antrag „Kinderarmut bekämpfen I“ ist zumindest auf Berliner Ebene erledigt, da der Bundesrat einstimmig beschlossen hat, die Regelsätze für Kinder zu erhöhen. Aber die Bundesregierung tut nichts. Die SPD und die CDU sollten dringend auf die Bundesregierung Einfluss nehmen, denn auch die unlängst erschienene Studie, die der Paritätische Wohlfahrtsverband vorgelegt hat, zeigt eindeutig, dass das Existenzminimum für Kinder deutlich höher ist, als bisher geregelt. Hier muss die Bundesregierung handeln. Es wäre angebracht, dass die SPD und die CDU, die sich hier immer kinderlieb geben, dies deutlich machen und auf die Bundesregierung Einfluss ausüben würden.
Auch da, wo die Koalition hier etwas tun könnte, nämlich hinsichtlich der Teilhabe von Kindern, passiert nicht viel. Kinderarmut bekämpfen bedeutet für uns nicht nur eine materielle Absicherung, sondern auch, wirkliche gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten. Sie lehnen nicht nur das Kitavolksbegehren ab – zumindest wird es nicht für zulässig erklärt –, sondern auch unsere Vorschläge, beispielsweise die Weiterentwicklung von Kitas zu Familienzentren. Gut reden können Sie, aber handeln sieht anders aus.
Zum Antrag der FDP: Wir begrüßen, dass das Berichtswesen erste zaghafte Einblicke und Vergleiche zur gesundheitlichen Lage von Kindern ermöglicht. Wir halten aber die Vorschläge, die die FDP-Fraktion macht, für Verbesserungen und werden dem Antrag deshalb zustimmen. Was nützen Berichte, die den handelnden Personen keine Handlungsempfehlungen geben und in Fachchinesisch abgefasst sind? – Nichts! Deshalb stimmen wir dem Antrag der FDP zu.
Wer kann Interessen besser vertreten als die Betroffenen? Kindern und Jugendlichen werden zu wenig Teilhabemöglichkeiten eingeräumt. Alibibeteiligungen führen nur dazu, dass Kinder und Jugendliche entmutigt werden und sich nicht ernst genommen fühlen. Wir sollte das Signal aussenden, dass es ausschlaggebend ist, junge Menschen stärker für politische Prozesse zu interessieren.
Aber was machen die Koalitionsfraktionen? – Sie sehen das ein bisschen anders. Das Thema Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen muss ernst genommen werden, ist aber für die Koalitionsfraktionen scheinbar nicht von
Interesse, denn Sie haben unseren Antrag abgelehnt. Dieser beinhaltet u. a., dass die Kinder- und Jugendpartizipation auch in Institutionen wie den Schulen und Kitas stärker ermöglicht werden muss.
Manchmal ist es eine Farce, wie im parlamentarischen Alltag gehandelt wird. Im Ausschuss wurde einvernehmlich eine Anhörung zu dieser Thematik durchgeführt, und Expertinnen und Experten wurden eingeladen. Wir haben uns Zeit dafür genommen. Der Vertreter der LAG Mitbestimmung, Herr Lehmann, sagte wörtlich – ich zitiere aus dem Protokoll –:
Das schert Sie von den Koalitionsfraktionen aber gar nicht. Sie lehnen unseren Antrag ab. Das haben Sie sich vorgenommen. Dann sagen Sie hier wenigstens offen, dass Sie keine wirkliche Beteiligung von allen Kindern und Jugendlichen wollen. Sie reden immer drum herum. Das verstehen wir nicht, und die Fachwelt wird das auch nicht verstehen. Wenn das der normale Umgang ist, können die Berliner Kinder und Jugendlichen vielleicht froh sein, dass unser Antrag abgelehnt wird, denn wenn das Ihre Vorstellung von Partizipation ist, dann „Guten Abend!“.
Manchmal geschehen aber noch Wunder: Sie sind auf unsere Forderung nach einer Kinderfreundlichkeitsprüfung auf Landes- und Bezirksebene eingegangen und sind dieser im Ansatz gefolgt. Nun wollen wir gemeinsam dafür sorgen, dass Senat- und Bezirksverwaltungen der Empfehlung einer Kinder- und Jugendfreundlichkeitsprüfung folgen, damit die Belange von Kindern und Jugendlichen auch im Alltag mehr berücksichtigt werden – nicht nur an Weltkindertagen. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge befassen sich im weiteren Sinne allesamt mit dem Thema „Bekämpfung von Kinderarmut und Teilhabe von Jugendlichen in der Gesellschaft“. Kinderarmut ist ein gesamtdeutsches Problem. Auch in Berlin haben wir an vielen Stellen nach wie vor sehr viele Probleme mit Kinderarmut. In Berlin gibt es viele Ursachen für Kinderarmut: Zum einen ist die hohe Arbeitslosigkeit zu nennen, andere Gründe sind die niedrigen Einkommen und die prekären Beschäftigungen, aber auch der hohe Anteil von Alleinerziehenden.
Wer arm ist, lebt mit dem Risiko, an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. Damit sind vor allem Risiken
für die Entwicklung und für die Perspektiven der Jugendlichen und Kinder verbunden. Politik darf sich nicht damit abfinden, dass Kinder aufgrund von Armut weniger Chancen im Leben erhalten.
Fragt man Kinder, wie man Armut definiert, so sagen sie: einfache Kleidung, Eltern ohne Arbeit, Hunger! – Kinder sehen ihre Situation oft anders und erkennen ihre Armut oftmals erst dann, wenn die Außenwelt – die Elternhäuser, die Lehrer, die gesamte Umwelt – quasi die Armut definiert. Für uns gilt: Trotz schwieriger Verhältnisse müssen die Kinder die Möglichkeit erhalten, ihr Leben so gut wie möglich aufzubauen. Benachteiligungen müssen überwunden werden. Finanzarmut muss man – und das ist auch die Kernaussage unserer Politik – mit Bildungsreichtum kompensieren.
Wir sagen ja zum Mindestlohn. Kinderarmut ist oftmals – und das dürfen wir nicht vergessen – unmittelbar mit Elternarmut verbunden, und deshalb unser Ja zum Mindestlohn. Wir treten ein für den frühen Zugang zur Bildung, für die Stärkung der Kinderbetreuungseinrichtungen, für die Kostenfreiheit im letzten Jahr und den Ausbau der Ganztagsschule. Hierbei nimmt Berlin im Bundesvergleich einen Spitzenplatz ein. Die Einführung der Gemeinschaftsschule ist ebenfalls eine Möglichkeit, wie man Kinderarmut begegnen kann.
Ferner sind die Lehrmittelfreiheit, der Essenszuschuss an Schulen und das Starterpaket, das wir eingeführt haben, zu nennen. Ich möchte auch ein kleines Beispiel dafür anführen, wie man im Kiez immer wieder versucht, Kinder in schwierigen Situationen einzubinden. Mit dem Ferienpass bietet man den Kindern, denen es finanziell schlecht geht, Möglichkeiten, damit sie nicht den Anschluss an die Gesellschaft verlieren.
Kurzum: Kinder sollen im Alltag in der Schule so wenig wie möglich mit ihrer Armut konfrontiert werden. Sie sollen hinsichtlich der wichtigsten Ressourcen – vor allem der Bildung – die gleichen Chancen erhalten wie alle anderen Kinder.
Für die Zukunft wichtig ist ein ressortübergreifendes Handeln bei der Bekämpfung der Kinderarmut. Ich möchte hierfür das Beispiel „Soziale Stadt“ anführen. Das Programm „Soziale Stadt“ wird von der Koalition gut ausgestattet. Man berücksichtigt dabei in den QM-Gebieten bestimmte Aspekte, und zwar u. a. auch die Frage, wie man dort dem Problem der Kinderarmut begegnen kann. Dort greift auch die Jugendbeteiligung. Im Rahmen der „Sozialen Stadt“ versucht man, einen Bereich wie die Jugendbeteiligung optimal zu nutzen. Man sagt den Jugend
lichen: Macht mit bei Projekten! Macht mit bei Initiativen! Beteiligt euch, wenn es um euren Kiez geht! Beteiligt euch, wenn es um die Gestaltung eures Umfeldes geht!
Im Ausschuss erfolgte eine Aussprache über die vorliegenden Anträge. Wie Frau Herrmann bereits gesagt hat, stimmen wir dem Antrag „Kinderfreundlichkeitsprüfung auf Landes- und Bezirksebene einführen“ selbstverständlich zu. Die andere Anträge sind entweder bereits von uns umgesetzt worden, oder sie bedürfen noch einer weiteren Diskussion. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben im Ausschuss diese Anträge gründlich diskutiert. Ich möchte daran erinnern, dass wir sie auch im Plenum besprochen haben. Insofern kann ich mir heute die inhaltliche Debatte dazu sparen. Die Anträge wurden im Ausschuss abgelehnt, und wir haben deutlich gesagt, warum. Wir sind vor allem der Meinung, dass mit diesen Anträgen die Verwaltung beschäftigt, aber nicht deren Ziel, zu mehr Kinder- und Jugendfreundlichkeit zu kommen, erreicht wird. Wir haben uns deutlich dazu verständigt, dass in den Sozialräumen und in den Einrichtungen weitaus mehr in dieser Richtung passiert. Wir brauchen dafür aber keinen Bericht, um noch einmal extra die Verwaltung zu beschäftigen.
Auch Ihre anderen Anträge ändern nichts an der Situation. Wie gesagt, die inhaltliche Debatte ist dazu bereits geführt worden. Das Thema Kinderarmut wurde breit erörtert. Wir können aber nicht feststellen, dass diese Anträge zur Minderung der Kinderarmut und ihrer Folgen beitragen. Es tut mir leid, aber insofern kann ich für heute meinen Beitrag schnell beenden: Wir lehnen aus diesem Grund die vorliegenden Anträge ab – das zum dritten Mal, zweimal im Plenum und einmal im Ausschuss. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kinder- und Jugendbeteiligung stärken – das wollen wir Liberale auch.
Dem Antrag der Grünen unter der Überschrift: „Kinder- und Jugendbeteiligung stärken“ werden wir zustimmen. Er ist richtig. Durch die Antrag fordern wir vom Senat eine Berichtspflicht über die Senats- und Bezirksaktivitäten ein. Das ist eine wichtige Grundlage, um über das Thema Kinder- und Jugendbeteiligung intensiver zu diskutieren und die Kinder- und Jugendbeteiligung weiterzuentwickeln. Lieber Kollege Saleh, liebe Kollegin Dr. Barth! Insofern frage ich mich, warum Sie sich dagegen sträuben. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Ich würde auch gern ausführlicher auf Ihre Redebeiträge eingehen, aber Sie haben sich zu dem Thema inhaltlich leider kaum geäußert.
Kollegin Herrmann hat es schon angesprochen: In der Expertenanhörung ist deutlich geworden, dass ein solcher Bericht – ein vernünftiger, konstruktiver Bericht, der die im Antrag aufgeführten Forderungen erfüllt – hierbei weiterhilft. Man muss sich schon fragen, warum wir eine Expertenanhörung durchführen, wenn wir daraus keine Konsequenzen ziehen.
Es sind in der Anhörung auch Themen aufgekommen, über die wir sicherlich noch einmal sprechen müssen. Es sind kontroverse Themen, über die man noch nachdenken muss. Das gilt z. B. für die Freistellung von Kindern und Jugendlichen für das Ehrenamt, sodass sie auch als Schüler während der Schulzeit ehrenamtlich tätig sein können. Ein anderes Thema wäre die Etablierung einer Anerkennungskultur des Ehrenamtes beispielsweise durch Vorteile bei der Studienplatzbewerbung aufgrund des ehrenamtlichen Engagements.
Über diese Fragen müssen wir noch diskutieren. Allerdings ist zunächst einmal die Frage, ob uns im Bildungs- und Jugendausschuss, der vierzehntäglich zwei Stunden lang tagt, dafür genügend Zeit bleibt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese Zeit nicht ausreicht. Deshalb möchte ich noch einmal an unsere Forderung erinnern, eine Berliner Kinderkommission nach dem Vorbild der Kinderkommission des Deutschen Bundestages einzurichten. Dort beschäftigt man sich querschnittsorientiert mit den Themen der Kinder, und genau das fehlt uns im politischen Dialog.
Die Rückmeldung der Experten bezüglich einer Berliner Kinderkommission war auch eindeutig. Diese Kinderkommission soll mehr sein als ein weiteres Gremium. Wir können dort noch stärker fraktionsübergreifend und ohne allzu großen Zeitdruck als Lobbyisten der Kinder und Jugendlichen wirken. Kollege Saleh! Sie haben selbst gesagt, dass man beim Thema Kinderarmut fraktionsübergreifend diskutieren müsse.
Ich möchte noch näher auf das Thema Kinderarmut eingehen. Zu dem Antrag enthalten wir uns, weil in der Ausschussberatung immer noch nicht klar geworden ist, was Sie mit dem Aspekt des Gender Mainstreaming in Ihrem Antrag bezwecken wollen. Auch wir sind für eine bessere