Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Die Fraktion der CDU hat die Besprechung beantragt und eröffnet die Rederunde. Das Wort hat der Kollege Steuer.
Wir dürfen nicht nachlassen, Gewalt, Intoleranz und Gleichgültigkeit entgegenzuwirken, und wir dürfen nicht nachlassen, unsere Vorstellungen von Zusammenleben zu vermitteln.
Ethik und Religion leisten hierzu einen wichtigen Beitrag. Beide Fächer wirken aber anders. Die eigene Religion besser kennen zu lernen und auf dieser Grundlage Werte zu entwickeln, ist genauso gut und notwendig für die konfessionell gebundenen Schüler wie es gut und notwendig für die konfessionslosen Kinder ist, einem Ethikunterricht beizuwohnen.
Der Senat hat den Berliner Schülern und Eltern aber das Wahlrecht genommen, indem er das Schulfach Ethik in den Schulalltag integriert, das Fach Religion dagegen an den Rand gedrängt hat.
Wir wollen den Berlinerinnen und Berlinern das Wahlrecht zurückgeben, denn die Wahlfreiheit ist ein hohes Gut, das wir nicht einfach so aufgeben werden. Die „Pro Reli“-Gegner sprechen von einem Wahlzwang – auch heute wieder in der Vorlage. Das ist völlig absurd und zeigt, wie wenig Rot-Rot von der Mündigkeit der Bürger hält.
Die Fächer Ethik und Religion sollen deshalb Wahlpflichtfächer ab der Klasse 1 werden. Sie finden gleichzeitig statt und sind gleichberechtigt; kein Kind, von der Grundschule an, wird danach keinen Werteunterricht in der Schule haben, alle Kinder erhalten eine Form von Werteunterricht.
[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wir brauchen einen gemeinsamen Werteunterricht, verstehen Sie das nicht?]
Herzlichen Dank! Sie haben zwei Mal davon gesprochen, Sie möchten die Wahlfreiheit zurückgeben. Wann gab es in Berlin je ein Wahlpflichtfach, das dann von irgendeinem Senat abgeschafft worden sein soll, sodass Sie den Berlinern jetzt etwas zurückgeben wollen, das es früher angeblich schon einmal gegeben hätte?
Die Tatsache aber, dass Sie den Ethikunterricht in den Schultag integrieren, den Religionsunterricht aber an den Rand drängen, stellt eine Nachrangigkeit dar, und wir wollen die Gleichberechtigung beider Fächer wie
Besonders kritisch ist der desintegrative Religionsunterricht der Islamischen Föderation. Die Berliner Sonderregelung ermöglicht es dieser Vereinigung, weitgehend unkontrolliert in den Berliner Schulen zu unterrichten. Mit der Einführung eines Wahlpflichtfaches Ethik und Religion wäre auch eine notwendige Kontrolle des Islamunterrichts gegeben, und wir hätten einen anderen Islamunterricht als wir ihn heute haben. Nichts anderes sagt übrigens auch das Gutachten, das der Wissenschaftliche Parlamentsdienst vorgelegt hat – entgegen allen Interpretationen dazu. Er sagt nichts zu dem Themenbereich, dass Lehrer, die an deutschen Universitäten ausgebildet wurden, die die Befähigung zum Lehramt haben und dadurch Religionsunterricht erteilen, natürlich völlig anders unterrichten als die Lehrer der Islamischen Föderation.
Die Gegner des Volksbegehrens wollen die Berlinerinnen und Berliner an der Nase herumführen. Sie haben einen Verein gegründet, der das Fach Ethik verteidigen soll, und sie ignorieren dabei, dass die Befürworter des Volksbegehrens den Ethikunterricht bereits ab der ersten Klasse in der Grundschule haben wollen. Das ist eine Ausdehnung des Ethikunterrichts, niemand will das Fach Ethik bekämpfen! Hören Sie also endlich auf, den Berlinerinnen und Berlinern Märchen zu erzählen!
Berlin geht auch hier mal wieder einen Sonderweg – in 14 von 16 Bundesländern ist Religion ein ordentliches Unterrichtsfach und für Hunderttausende von Schülern in der Bundesrepublik Deutschland eine Normalität. Nur wer nach Berlin zieht, wundert sich über die Diskriminierung des Religionsunterrichts in der deutschen Hauptstadt.
Von einer besonders fortschrittlichen Regelung zu sprechen, wie Sie es in Ihrem Entschließungsantrag tun, ist nichts anderes als rot-rote Dialektik.
Es ist offenbar geworden, welche Probleme Sie mit einer offenen und ehrlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema haben. Sie interessieren sich nicht für die Inhalte, Sie tricksen und stolpern von einer Peinlichkeit zur nächsten. Erst übernimmt der Parlamentspräsident die Patenschaft für einen Verein „Pro Ethik“ und engagiert sich ganz klar auf einer Seite. Dann wird der Abstimmungstermin entgegen dem Geist der Verfassung vorgezogen und auf den 26. April verlegt, sodann hält Herr Gaebler in der letzten Plenarsitzung eine unglückliche Rede, weil er sich offensichtlich so in das Thema hineinsteigern muss, um alle auf Linie zu halten, dass er an den Inhalten vorbeiredet. Heute legen Sie nun mitten in der laufenden Plenarsitzung einen Entschließungsantrag vor – das hätte
bereits getan werden können, es ist nicht richtig, dass Sie das heute im Laufe der Plenarsitzung erst tun. Das zeigt ganz deutlich, dass Sie nicht in der Lage sind, souverän und korrekt mit der Thematik umzugehen. Souveränes Handeln sieht anders aus!
Wir rufen alle Berlinerinnen und Berliner auf, am 26. April zur Abstimmung zu gehen und sich ihr Wahlrecht zurückzunehmen. Tragen Sie dazu bei, dass die Wahlfreiheit in Berlin Gesetz wird!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Steuer! Zunächst einmal waren Sie es, der in der letzten Plenarsitzung per Tischvorlage eine Gesetzesänderung zum Schulgesetz eingebracht hat, die wir demnächst wahrscheinlich noch beraten werden – da müssen Sie sich an die eigene Nase fassen zu dem Thema wer nicht weiß, wann er was macht.
Wir haben bereits in der letzten Plenarsitzung einen Grundsatzbeschluss des Abgeordnetenhauses herbeigeführt, um die Abstimmung am 26. April abzusichern und durchführen zu können, denn dann sollen die Berlinerinnen und Berliner das Wort haben. Sie können dann abstimmen, und dazu sollten wir eine sachliche und inhaltlich fundierte Debatte führen. In den letzten zwei Sitzungen haben wir uns darum bemüht. Sie, Herr Steuer, haben zumindest in der ersten Hälfte Ihres Beitrages heute tatsächlich versucht, einige inhaltliche Argumente zu finden, dafür vielen Dank und auch Anerkennung, dass das im dritten Anlauf geklappt hat. Nichtsdestotrotz bleibt es dabei, dass die Berlinerinnen und Berliner entscheiden müssen. Dazu haben die Fraktionen von SPD, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen einen Text vorgelegt, der im Abstimmungsheft als Position des Abgeordnetenhauses das unterstützen soll, was wir letztes Mal beschlossen haben: dass wir die Berlinerinnen und Berlin auffordern, mit „Nein“ zu stimmen, „Nein“ zum Wahlpflichtbereich Ethik und Religion, „Ja“ zum gemeinsamen Ethikunterricht.
Es ist wichtig, dass diese inhaltliche Diskussion noch einmal in die Stadt getragen wird, denn es geht eben nicht um eine Machtprobe zwischen Kirche und Staat, um einen Beliebtheitstest für den Regierenden Bürgermeister oder gar um eine Machtprobe zwischen Volk und Regierung. Es geht um eine Sachfrage, die eine fundierte inhaltliche Diskussion lohnt, sie zwingend erfordert. Gerade in einer Auseinandersetzung um Ethik und Wertevermittlung sollten wir auch nicht das fortsetzen, was im politischen Alltag vielleicht üblich ist, ich meine Diffamierungen, Halbwahrheiten und Unterstellungen.
Es ist wichtig, klar, inhaltlich und wahrhaftig zu argumentieren, und darum möchte ich auch die beiden großen christlichen Kirchen bitten, weil das in den Zeitungsartikeln der vergangenen Tage nicht immer der Fall war. Bischof Zollitsch, Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz, spricht zum Beispiel davon, es erinnere an vergangene Zeiten, wenn ein Senat klären will, was Werte sind. Was soll denn das heißen? Welche vergangenen Zeiten meint er denn? – Das Berliner Modell, das haben Sie zu Recht gesagt, gibt es nirgendwo anders, und es hat es auch in der Vergangenheit nirgendwo gegeben, dass wir einen gemeinsamen Ethikunterricht haben, ergänzt durch den freiwilligen Religionsunterricht, den alle Schülerinnen und Schüler belegen können.
Das gab es noch nie, das gibt es hier in Berlin, und das ist ein fortschrittliches, zukunftsweisendes Modell, das wir auch erhalten wollen. Wenn Herr Zollitsch hier also versucht, offensichtlich auf DDR- oder Nazi-Vergangenheit hinzuweisen – was ja auch Teile der evangelischen Kirche in der vergangenen Diskussion schon gemacht haben –, dann muss man dies mit aller Schärfe zurückweisen. Es hat nichts mit DDR-, auch nichts mit Nazi-Diktatur zu tun, wenn man sagt: Kinder brauchen eine gemeinsame Wertevermittlung, in der sie sich gemeinsam mit den Werten unseres Grundgesetzes und unserer Gesellschaft auseinandersetzen.
Dass dieses dann noch ergänzt wird, mit 50 Millionen Euro pro Jahr vom Staat finanziert, durch einen Religionsunterricht in Trägerschaft der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, das ist fortschrittlich, das ist breite Auswahl, das ist echte Wahlfreiheit.