Wir sehen in diesem Urteil sicher eine grundsätzliche Bedeutung. Dabei geht es um die Frage – das ist der Grund dafür, dass wir dieses Verfahren angestrebt haben –, inwieweit durch einen Volksentscheid der Haushaltsgesetzgeber in einer Dimension gebunden werden kann, die letztlich Gestaltungsspielräume des Parlament entscheidend einschränken würde.
Herr Prof. Zöllner! Unabhängig von der Tatsache, dass es wünschenswert wäre, die Kitas mit mehr Personal auszustatten, frage ich Sie: Wissen Sie, wie die Ausstattung mit Kinderbetreuungsangeboten in Berlin und der Kitapersonalschlüssel im Vergleich zu anderen Bundesländern ist?
[Martina Michels (Linksfraktion): Sehr gute Frage! – Zuruf von den Grünen: Aber nicht wieder schwindeln!]
Die statistische Vergleichbarkeit im Bereich Kindergarten ist nicht so detailliert und zuverlässig wie im Schulbereich. Es gibt aber keinen Zweifel daran, dass das Land Berlin zu den Ländern gehört, die am meisten im Kita- und Vorschulbereich investieren. Das ist vornehmlich darauf begründet, dass der Anteil der unter Dreijährigen, die in Berlin solche Einrichtungen besuchen, weitaus größer ist als in allen anderen Bundesländern.
In Bezug auf den Personalschlüssel liegt Berlin bezogen auf das Verhältnis von Personal zu den zu betreuenden Kindern im Bundesländervergleich sicher im oberen Bereich.
Nun geht es mit einer Frage der Kollegin Villbrandt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen weiter, und zwar zu dem Thema
1. Wie schätzt der Senat die Mobilitätseinschränkungen von Rollstuhlfahrern/-fahrerinnen und anderen Menschen mit Gehbehinderungen durch das S-Bahndesaster ein?
2. Was hat der Senat konkret unternommen, um diesen Personengruppen wenigstens ein Mindestmaß an Mobilität und Stressfreiheit, zum Beispiel durch ein verstärktes Angebot bei den Sonderfahrdiensten, zu ermöglichen?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Villbrandt! Zu Ihrer ersten Frage: Nein! Die Menschen mit Behinderung sind natürlich nicht im S-Bahnchaos vergessen worden. Dennoch können wir natürlich nicht ausschließen, dass die Situation für sie ganz besonders schwierig ist. Menschen mit Behinderung, die auf die Nutzung der S-Bahn angewiesen sind, weil sie zur Arbeit, ihren Arzt aufsuchen oder an einer Therapie teilnehmen müssen, können in der aktuellen Situation verstärkt in ihrer Mobilität eingeschränkt sein, wenn sie
nicht die Möglichkeit haben, auf andere Beförderungsarten auszuweichen. Das kann Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern in besonderer Weise betreffen, aber auch andere Menschen mit Gehbehinderung.
Ich habe die Hoffnung, dass durch die zunehmende Barrierefreiheit der BVG die Mehrzahl der Betroffenen die Chance hat, eine alternative Beförderungsmöglichkeit im ÖPNV zu finden. Wenn es sich um Freizeitfahrten handelt – das ist der Bereich, der besonders in meiner Zuständigkeit liegt –, steht den Berechtigten natürlich der Sonderfahrdienst für Menschen mit Behinderung zur Verfügung.
Zu Ihrer zweiten Frage: Wir haben den Sonderfahrdienst für Menschen mit Behinderungen schon bei den ersten Problemen in der S-Bahn verstärkt. Das haben wir weiter ausgebaut, damit eine intensivere Nutzung möglich wird. Es gibt ein zusätzliches Angebot an Fahrzeugen. Der Betreiber ist aufgefordert worden, dass er bei steigendem Bedarf entsprechend schnell reagieren und Maßnahmen mit meinem Haus absprechen soll.
Darüber hinaus haben wir uns mit der BVG auf einen verstärkten Einsatz und vor allen Dingen einen zielgerichteten Einsatz von Mobilitätshelferinnen und -helfern verständigt. Die Fahrgastbetreuer der BVG sind an vielen Knotenpunkten des öffentlichen Personennahverkehrs im Einsatz. Auch die Fahrgastbetreuer können Menschen mit Einschränkungen, hilfebedürftige Menschen in Bus und Bahn begleiten. Ähnlich ist es mit den Mobilitätshelferinnen und -helfern des VBB. Auch hier konnte die Maßnahme aufgestockt werden. Auch hier ist die Unterstützung für Hilfebedürftige in der aktuellen Situation gewährleistet.
Danke, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Meine Recherchen ergeben, dass Rollstuhlfahrer und -innen nach wie vor sehr stark eingeschränkt sind. Ihnen entstehen für ihre Mobilität höhere Kosten und größerer Zeitverlust. Die Aufstockung der Sonderfahrdienste ist offensichtlich nicht zu merken, weil sie oft nicht erreichbar sind. Deshalb frage ich Sie: Werden Sie sich in der Zukunft noch mehr um dieses Problem kümmern? Offensichtlich wird ja das S-Bahnchaos weitergehen. Die Rollstuhlfahrer und -innen haben starke finanzielle Verluste und dazu noch Stress hinnehmen müssen.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Abgeordnete Villbrandt! Es ist nach wie vor gerade für die Rollstuhlfahrer und -innen ein Problem. Das will ich auch nicht wegdiskutieren. Wir haben gemacht, was notwendig ist. Wir haben gesagt, dass wir den Fahrzeugpool der größeren Nachfrage anpassen wollen. Aber wir machen eine andere Erfahrung, die ich als bedrückend empfinde: Zurzeit nimmt die Nachfrage ab. Ich habe den Eindruck, dass viele Rollstuhlfahrer und -innen sich nicht mehr auf die Straße wagen, sich im Augenblick nicht in den öffentlichen Personennahverkehr begeben. Das bedauere ich, darauf muss stärker geachtet werden.
Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt gibt es eine Nachfrage von Frau Hämmerling. – Bitte schön, Frau Hämmerling!
Schönen Dank, Herr Präsident! – Der Senat hatte angekündigt, dass die S-Bahnmillionen, die jetzt nicht gezahlt werden, weil die S-Bahn keine Leistung gebracht hat, für barrierefreie Maßnahmen eingesetzt werden. Wie viele Aufzüge sollen gebaut werden und an welchen Stellen?
Es ist sinnvoll, dass diese Frage an meine kompetente Kollegin Frau Junge-Reyer gestellt wird, weil sie diese sicherlich im Blick hat und auch öffentlich erklärt hat, dass das Geld für Barrierefreiheit eingesetzt wird. Es gibt in diesem Ressort einen Plan darüber, welche Maßnahmen in Angriff genommen werden sollen. Sie kann Ihnen sicher detailliertere Auskünfte geben, als ich das im Augenblick kann.
Frau Senatorin! Gefragt ist immer der Senat. Wer für den Senat wie antwortet, ist in das Ermessen des Senats gestellt. Wenn Frau Junge-Reyer dazu etwas sagen oder ergänzen möchte, dann erhält sie das Wort, keine Frage.
Jetzt geht es weiter mit der Mündlichen Anfrage Nummer 10 des Kollegen Albert Weingartner von der Fraktion der FDP zu dem Thema
1. Beabsichtigt der Senat Änderungen an seinem strategischen Nahverkehrskonzept aufgrund der aktuellen Erfahrungen aus dem S-Bahnchaos und den massiven Problemen im überlasteten Straßenverkehr?
2. Welchen Einfluß haben die aktuellen Erfahrungen im ÖPNV und im motorisierten Individualverkehr – MIV – bzw. gesamten Straßenverkehr auf die aktuelle Fortschreibung des Nahverkehrsplans – NVP – sowie den Stadtentwicklungsplan – StEP – Verkehr?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Weingartner! Zu Ihrer Information eine Zahl: Der öffentliche Personennahverkehr hat einen Anteil von fast 30 Prozent am Verkehrsaufkommen in Berlin.
Die S-Bahn hat daran wiederum einen Anteil von 36 Prozent, also 36 Prozent der Gesamtfahrten. Die Erfahrungen, die wir zurzeit machen, heißen, dass im Wesentlichen das Rumpfangebot der S-Bahn nach wie vor außerordentlich gefragt ist. Das führt zu den bekannten Überlastsituationen, die für die Kundinnen und Kunden nur sehr schwer zu ertragen sind. Allerdings nutzt ein nicht unerheblicher Anteil der Fahrgäste der S-Bahn alternative Möglichkeiten, z. B. sehr intensiv die Angebote der BVG, die sie zusätzlich bietet. Die U 2 ist ein bekanntes Beispiel für eine solch außerordentlich hohe Belastung, die die U-Bahn in Berlin trägt. Es gibt weitere Angebote der Regionalverkehre, aber es gibt natürlich auch eine Zunahme des Verkehrsaufkommens im motorisierten Individualverkehr.
Es ist wichtig – das müssen wir bei dieser Gelegenheit noch einmal feststellen –, dass die S-Bahn ein unverzichtbares Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs ist und auch bleiben wird. Das Verkehrssystem ist in seiner Gesamtheit leistungsfähig, auch wenn wir die unglaublichen Einschränkungen und Beeinträchtigungen im Augenblick hinnehmen müssen. Deshalb gibt es keinen Anlass, aus dieser Situation Konsequenzen zu ziehen etwa für das Ziel, den Anteil des öffentlichen Personennah
verkehrs in Berlin am Gesamtverkehrsaufkommen noch zu vergrößern. Deshalb sage ich ausdrücklich, dass im Rahmen der Fortschreibung des Nahverkehrsplans, aber auch anlässlich der Nachverhandlungen zum SBahnvertrag und anlässlich der Vorbereitung von möglichen Varianten zur weiteren Ausschreibung von Verkehren, der Stadtentwicklungsplan Verkehr dieses Ziel, den Vorrang und den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs weiter verfolgt, und zwar unter den jetzigen Erfahrungen vom Grundsatz her intensiver als je zuvor.
Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Weingartner. – Bitte schön!
Besten Dank für die Beantwortung der Fragen! – Können wir dann davon ausgehen, dass es nach dem Hinter-unsLassen der chaotischen Verhältnisse bei der S-Bahn und dem Nachverhandeln der Verträge niemals wieder zu einer solchen Situation im Schienennahverkehr kommen kann?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kenne niemanden, der eine Garantie dafür abgeben würde, dass es nie wieder zu einer Situation kommt, in der S-Bahnwagen ausfallen. Ich glaube, dass unter dem Druck des Senats und unter dem neuen Vorstand der Deutschen Bahn alles dafür getan wird, um derartige Vorfälle für die Zukunft zu vermeiden. Es handelt sich nicht allein um die Klärung der Frage, was bei der Wartung der S-Bahnzüge geschehen ist, was vernachlässigt worden ist bei der Instandhaltung, sondern es handelt sich um die grundsätzliche Vorgabe der Deutschen Bahn an die S-Bahn auf eine Weise gewinnbringend fahren zu wollen und den Betrieb betreiben zu wollen, die nach meiner Einschätzung ursächlich zu dieser Katastrophe geführt hat.
Da muss man ansetzen, und da muss der politische Ansatz sein, die Deutsche Bahn zu verpflichten, mit der S-Bahn so umzugehen, dass sie als Unternehmen den öffentlichen Personennahverkehr unter Berücksichtigung jeder Vorschrift zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und vor allem der vollen Umfänglichkeit des Verkehrs in Quantität und Qualität durchführt. Das sind Fragestellungen, die sich an ein zukünftiges Unternehmen Deutsche Bahn und ein zukünftiges Unternehmen S-Bahn, wer auch immer der Betreiber sein mag, richten müssen.