Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

Am Deutlichsten wird dies für mich dadurch, dass der Senat bis heute nicht in der Lage ist, auf Fragen zu antworten, wie das aussehen soll. Die CDU schreibt in ihrem Antrag, es soll einen kostenlosen Basisdienst geben. Der Kollege von der SPD sagt, freies WLAN ist das, was man haben will. Aber wie sieht dies genau aus? Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie jemanden finden, der das WLAN, das Sie möglicherweise zu Hause haben, für ganz Berlin allen kostenlos zur Verfügung stellt. In den Presseberichterstattungen und auch bei Äußerungen der Senatsverwaltung in diesem Jahr wurde deutlich, dass es auch darum geht, dass das Internetangebot dann Geld kostet. Also was wollen wir eigentlich?

Ich habe ihnen die Fragen mitgebracht, die der Senat seit drei Monaten nicht beantwortet hat: Welche Leistung soll dieser Basisdienst haben? Kann ich zum Beispiel eine Mail von meinem Thunderbird über SMTP verschicken? Muss ich mich da direkt einloggen? Welche Seiten kann ich aufrufen? Kann ich zum Beispiel die Seite „wikipedia.de“ aufrufen? Kann ich nur „google“ aufrufen? Kann ich alternative Suchmaschinen aufrufen? Kann ich nur „berlin.de“ aufrufen? – Die Fragen sind sehr deutlich.

Wir hatten im letzten Jahr in einer Ausschusssitzung den Senat dazu befragt, und da hieß es immer, alle diese Fragen werden in der Pilotphase geklärt. Die Pilotphase ist ausgefallen, weil es der Senat nicht hinbekommen hat, und jetzt soll ausgeschrieben werden. Aber ich sage ganz deutlich: Wenn wir etwas ausschreiben, müssen wir erst einmal wissen, was wir ausschreiben wollen.

[Beifall bei den Grünen]

Ein freies WLAN auszuschreiben, ohne ein Konzept zu haben: Was soll dabei herauskommen?

Insofern verstehe ich auch, dass die Wirtschaft nicht so begeistert ist. Wenn es ein Geschäftsmodell für die Wirtschaft gibt, werden sie sich bewerben, aber dies muss man ihnen erst einmal aufzeigen. Deshalb sage ich an dieser stelle sehr deutlich: Wir brauchen erst einmal die Klärung, was wir als freies WLAN eigentlich haben wollen. Ich kann mir einen Basisdienst gut vorstellen, bei dem verschiedene Seiten zur Verfügung stehen. Man muss überlegen, wie viele. Man kann auch über Bandbreitenbegrenzung reden. Das sind alles Möglichkeiten, die gehen.

Das Zweite, bei dem ich große Zweifel habe: Ob Berlin so viel gewinnt, wenn eine große Firma – ob es die in der Presse genannte Firma oder am Ende die Deutsche Telekom ist – ganz Berlin mit WLAN bespaßt? Warum schauen wir nicht, was in der Stadt existiert? – Da sage ich Ihnen: Wir haben ein freies WLAN-Netz für Berlin. Die Freifunker bauen – sozusagen mit Bürgerengagement – ihr eigenes Netz in der Stadt auf – aus der Not geboren, weil in Pankow meines Wissens bis heute nicht alle Gebiete mit DSL und mit Breitband-Internet versorgt werden. Da helfen sich die Bürgerinnen und Bürger selber. Warum kann man nicht gucken, ob man diese Initiativen unterstützen kann?

[Beifall bei den Grünen]

Ich habe Ihnen etwas aus der SPD herausgesucht. Da steht beispielsweise aus Aachen, dass man nach langer Vorbereitung und zahlreichen Gesprächen mit lokalen Internetprovidern und Vertretern der Uni so ein WLAN auf den Weg bringt.

Was hat der Senat gemacht? Haben Sie die Gespräche mit der Stadt gesucht? Haben Sie mit den Communities in der Stadt wirklich offen und breit diskutiert, um ein gemeinsames Konzept zu haben? Ich glaube, das ist viel zu wenig passiert. Ich glaube, wir sollten uns überlegen, ob man nicht Netz und Betrieb trennen kann. Sie kennen das von der Bahn und von anderen Debatten, dass die Infrastruk

tur – das Netz, wo die Daten übertragen werden – in öffentlicher Hand gestaltet wird und dass die Inhalte, der content, dann im Wettbewerb gemacht wird.

Ich glaube, dass die Chance besteht, dass es für die Stadt Innovation gibt. Sie erleben bei „Apple“ und dem I-Phone ganz intensiv, wie der store für die applications für das I-Phone super lebt. Warum kann nicht Berlin als öffentliche Hand mit den Bürgerinnen und Bürgern ein Netz zusammen auf die Beine stellen und dann schauen, dass der Wettbewerb und die Innovation genau über diese Anwendung für dieses Netz entsteht. Das wäre innovativ. Das würde Berlin ein bisschen voranbringen. Ich glaube, da sollten Sie sich Gedanken machen.

Gehen Sie noch einmal einen Schritt zurück! Überlegen Sie, was Sie wirklich haben wollen! Nehmen Sie die Stadt mit, und suchen Sie das Gespräch mit den Initiativen! Dann kommen wir in Berlin auch ein Stück weiter und stärken die vorhandenen Ressourcen in der Wirtschaft, nehmen die Leute mit und sind in Berlin innovativ. Ich glaube, das würde dem Senat guttun. Gehen Sie ein Stück auf diese Stadt zu, und nehmen Sie die Menschen mit! Das ist mein Aufforderung an Sie, und ich freue mich auf die Ausschussberatung. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Das Wort für die Linksfraktion hat Herr Zotl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der CDU-Antrag berührt – wie schon mehrfach gesagt worden ist – ein sehr wichtiges Thema. Das Internet ist schon lange kein Extra mehr, sondern es ist längst eine Hauptform schneller, weltweiter Kommunikation geworden. Zugleich erwachsen mit dem Internet und seinen Chancen völlig neue Möglichkeiten für eine bestens informierte Bürgergesellschaft. Angesichts dieser Potenziale ist die Forderung mehr als gerechtfertigt, dass man überall, also auch drahtlos, ins Internet gehen kann. Insofern trifft der Antrag der CDU auf Ausschreibung einer flächendeckenden WLAN-Infrastruktur auf unsere grundsätzliche Sympathie.

Auf keine Sympathie hingegen trifft die Intention des Antrags, die auch schon eine Rolle in der Diskussion spielte, dass man nämlich den Senat zum Jagen tragen müsse. Denn natürlich hat es nationale und internationale Vergleiche gegeben. – Kollege Ziller! Es hat viele Gespräche mit Experten, Firmen und auch mit den unabhängigen freien Initiativen gegeben, die Sie eben ansprachen. Es gab notwendige Abstimmungen unter den Verwaltungen. Und es gab auch die Prüfung vieler Vorschläge, sodass man sagen kann, dass die von der CDU angemahnte Entscheidung, soweit ich weiß, nunmehr unmittelbar bevorsteht. Allerdings sind auch die Behauptungen, die

Stefan Ziller

auch soeben eine Rolle spielten, dass Berlin bei diesen Vergleichen wieder einmal hinterherhinke, wie eine Seifenblase geplatzt.

Zugleich sollten wir zur Kenntnis nehmen – und darum bitte ich Sie in aller Sachlichkeit –, dass es schwerwiegende Fragen gibt, die vor einer Ausschreibung berücksichtigt werden mussten und die zum Teil noch nicht ausreichend beantwortet sind. In der Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage des Kollegen Ziller wurden zumindest zwei gravierende und widersprüchliche Sachverhalte dargelegt – zum einen die Tatsache, dass etwa 50 Prozent der infrage kommenden Lampenmasten und Lichtsignalanlagen aus technischen oder denkmalschützerischen Gründen nicht geeignet sind, mit der Technik bestückt zu werden, die für den umfassenden WLAN-Einsatz erforderlich sind. Das Problem wird in den innerstädtischen Bereichen noch größer, denn hier ist der Bedarf sehr hoch, aber gleichzeitig sind die nicht geeigneten Anlagen ebenfalls konzentriert. So haben wir relativ große zusammenhängende Stadtgebiete, die für eine flächendeckende WLAN-Versorgung entsprechend den bisherigen Vorstellungen nicht nutzbar erscheinen.

Ein zweites Problem ist noch schwerwiegender – Kollege Ziller hat es eben angesprochen. Die CDU fordert die freie und kostenlose – verkürzt dargestellt – WLANNutzung. Das ist seit zwei Jahren auch Beschlusslage unserer Fraktion, um die digitale Spaltung der Gesellschaft nicht noch weiter voranzutreiben. Experten schätzen, dass zurzeit etwa 25 Prozent der Bevölkerung vorwiegend aus sozialen und finanziellen Gründen keinen persönlichen privaten Zugang zum Internet haben. Würde nun auch noch die Nutzung der WLAN-Infrastruktur mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein, können noch mehr Menschen an der modernen Kommunikation nicht teilnehmen. Das kann man wohl nicht wollen. Ich will allerdings nicht verhehlen, dass die derzeitigen Überlegungen unsere Fraktion mit den im Senat existierenden Vorstellungen noch nicht harmonisch zusammenwirken.

Natürlich wollen potenzielle Anbieter mit ihren Lösungen auch Geld verdienen. Das ist ganz klar. Es liegt auf der Hand, dass das Interesse, Berlin flächendeckend zu versorgen, nicht gerade anwächst, wenn die Politik die Bevölkerung finanziell gar nicht oder nur wenig belasten möchte. Das ist eine Konfliktlage, die wir noch klären müssen. Es ist eine sehr komplizierte Frage, ob es sich die Stadt finanziell leisten kann – das ist in dem Antrag der CDU ein wenig intendiert –, die Kosten für eine WLANStruktur zu übernehmen und diese für die Nutzer kostenfrei anzubieten.

Es sei an dieser Stelle nur angemerkt – da wir uns in der Endphase der Haushaltsberatungen befinden –, dass in nicht unbeträchtlichem Maß aus dem IT-Topf heraus eine Reihe sozial- und bildungspolitischer Maßnahmen finanziert wird, ohne neue Schulden aufnehmen zu müssen. Das ist ja auch gerechtfertigt. Ich sage das nur, um zu

begründen, warum vor der Bestellung klar sein muss, wer danach bezahlt.

Angesichts der neuen Erkenntnisse, aber auch der Problemlage möchte ich anknüpfend an das, was Kollege Ziller zum Schluss vorgeschlagen hat, sagen, dass wir es für angemessen halten, in der Ausschussberatung zunächst eine folgenkritische Analyse darüber vorzunehmen, was ein freier und flächendeckender WLAN-Zugang beinhaltet und was er nach sich ziehen würde. Erst dann sollten wir zu Entscheidungen kommen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Vielen Dank! – Nun erhält der Kollege Thiel für die FDPFraktion das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der CDU ist die Konsequenz einer unakzeptablen Langsamkeit des Wirtschaftssenats, allen voran des Wirtschaftssenators Wolf. Er ist die Konsequenz einer fehlenden Führung durch den Regierenden Bürgermeister, der sich hierzu gar nicht äußert, und er dokumentiert auch die Unfähigkeit zur Umsetzung von Projekten dieses Senats.

[Beifall bei der FDP]

Man mag ja in diesem Zusammenhang gar nicht das Wort Projektmanagement in den Mund nehmen, um nicht ernsthaft Projektmanager zu beleidigen.

[Beifall bei der FDP]

Was hier gelaufen ist, muss man sich einmal der Reihe nach vorstellen. Im März 2007 verabreden auf Staatssekretärsebene Herr Strauch und Frau Krautzberger einen Pilotversuch für eine freien WLAN-Zugang. Sie sind überzeugt davon, dass es den Bürgerinnen und Bürgern, den Dienstleistern, Studentinnen und Studenten, Touristen und vielen anderen Menschen in Berlin nutzen würde. Darin war man sich einig. Tatsächlich hat es ab März 2007 noch 14 Monate gedauert, bis man im Mai 2008 zu einer Rahmenvereinbarung und einem Pilotversuch kam. Ende 2008 hat dann sogar Herr Senator Wolf darauf hingewiesen, dass man langsam mit dem Pilotversuch starten müsste. Im März 2009 – fast genau zwei Jahre nach der Verabredung – hat man 14 Tage lang an zwei verschiedenen Stellen in Berlin den Versuch durchgeführt. Im Ergebnis gab es nichts zu beanstanden. Es gibt keine technischen Probleme und keine Beeinflussungen.

Nun dachte man, alles sei auf einem guten Weg, nun käme die Implementierung und Auftragsvergabe. Was geschah? – Wieder einmal – nicht zum ersten Mal – griff die Senatorin Junge-Reyer in die Wirtschaftspolitik dieser Stadt ein. Sie hat dafür gesorgt, dass im August dieses Jahres plötzlich die ganze Sache gestoppt wurde, und zwar mit dem Hinweis, wir müssten die 5 000 Standorte

Dr. Peter-Rudolf Zotl

möglichst per Einzelvergabe überprüfen lassen. Damit war das Vorhaben erst einmal auf Eis gelegt. So weit, so gut!

Im März hatte ich eine Kleine Anfrage gestellt. Darauf hat Staatssekretärin Nehring-Venus geantwortet, dass man die Einbeziehung Privater – Herr Ziller, Sie nannten Öffentliche – nicht wolle. Man wolle ein öffentliches WLAN haben, es aber nicht selbst betreiben – was wir sehr gut finden. Zudem antwortete sie im März, man werde nach der Pilotphase mit der Ausschreibung beginnen.

Kollege Treichel! Man hat Sie heute schon öfter angeführt. Ich werde es auch tun. Auf Ihre Mündliche Anfrage hier im Hause am 25. Juni sagte Senator Wolf:

Eine Ausschreibung ist notwendig. Wir können keine Direktvergabe machen.

Das sehen wir auch so. Aber dafür hätten wir keine zwei Jahre Bedenkzeit gebraucht. Bei dem Umfang hätte man das vorher wissen müssen.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Beifall von Uwe Goetze (CDU)]

Sie haben hier auch zugesagt:

Die Ausschreibung wird erfolgen, nachdem wir uns mit SenStadt abgesprochen haben.

Das haben Sie vor ziemlich genau fünf Monaten hier gesagt. Was ist nun passiert? – Nichts! Der Buschfunk meldet, dass eine Ausschreibung vielleicht im ersten Quartal 2010 kommt. Wir alle wissen, dass ausgeschrieben nicht mit vergeben gleichgesetzt werden kann. Wann wird diese Strecke eröffnet? – Wir sind Optimisten. Wir hoffen im Jahr 2011, pünktlich zu den nächsten Abgeordnetenhauswahlen. Es ist blamabel, dass ein Senator und der Regierende Bürgermeister, der von dem Nutzen für unserer Stadt und unsere Gäste überzeugt ist, sich hier derartig verzetteln. Das kann so nicht sein. Diese Geschwindigkeit kann man nicht akzeptieren. So kann man keine Politik machen.

Deswegen wird der Antrag der Fraktion der CDU von uns unterstützt. Er enthält einige Punkte, über die wir noch einmal diskutieren wollen, insbesondere die Forderung einer Pilotregion. Wir meinen, dass es eine Ausschreibung und keine Pilotregion geben muss. Was bedeutet die kostenfreie Nutzung aller Internetangebote des Landes Berlin? – Wir wollen die kostenfreie Nutzung des gesamten Internets. Wenn Sie wollen, dass die Berliner Angebote für alle kostenfrei sein sollen, dann muss man das so formulieren. Eine kostenneutrale Nutzung ist nicht das Problem, sondern das Verfahren. Wir werden den Antrag unterstützen und erwarten, dass der Senat schneller handelt, als wir den Antrag verabschieden.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/2797 federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen sowie mitberatend an den Ausschuss für Verwaltungsreform, Kommunikations- und Informationstechnik und an den Hauptausschuss. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann wird so verfahren.

Ich rufe die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf, nämlich die

lfd. Nr. 4 b:

a) I. Lesung

Zehntes Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin

Antrag der SPD, der CDU und der Linksfraktion Drs 16/2807

b) I. Lesung