Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

[Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Buchholz von der SPD-Fraktion! – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Auch direkt die Frage: Herr Senator! Bei dem von Ihnen angesprochenen Gesamtkonzept für die energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude und dem zugrunde liegenden Finanzierungskonzept ist ja eine Frage entscheidend, nämlich welche Energiepreissteigerung unterstellt wird für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Ich weiß, es ist jetzt etwas überraschend. Können Sie aus dem Stegreif sagen, was vor allem die Finanzverwaltung bei Kalkulationen über zukünftige energetische Sanierungen für einen Bewertungsmaßstab anlegt, welche Energiepreissteigerungen in den nächsten fünf oder zehn Jahren unterstellt werden?

Herr Senator Dr. Nußbaum – bitte!

Ich muss Ihnen ehrlicherweise sagen, ich kenne jetzt nicht unseren Energiepreissteigerungskoeffizienten. Ich weiß überhaupt nicht, ob wir einen für die nächsten fünf bis zehn Jahre haben. Hätten wir denn einen solchen, würde ich ihn für ziemlich wenig aussagekräftig halten, denn wüsste ich, wie sich die Energiepreise in den nächsten fünf bis zehn Jahren entwickeln, wäre ich ein reicher Mann.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Noch reicher!]

Danke schön, Herr Senator Dr. Nußbaum!

Dann geht es jetzt weiter mit der Mündlichen Anfrage Nr. 10 des Kollegen Dr. Kluckert von der FDP zum Thema

Überwachung des Uwe K. – Spielen Justizsenatorin und Innensenator „Schwarzer Peter“?

Bitte schön, Herr Dr. Kluckert!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche zum Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Inneres und Sport gehörenden Behörden waren dafür zuständig, den weiterhin als gefährlich eingestuften Sexualstraftäter Uwe K. hinsichtlich der Begehung weiterer Sexualstraftaten zu überwachen, seitdem dieser im April 2007 seine Freiheitsstrafe verbüßt hatte und aus Rechtsgründen nicht in Sicherungsverwahrung genommen werden konnte?

2. Welche zum Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz gehörenden Behörden waren für die unter Nr. 1 beschriebene Aufgabe zuständig?

Wer antwortet für den Senat? – Der Innensenator, Herr Dr. Körting, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kluckert! Ich beantworte die Fragen 1 und 2 wie folgt: Aus dem Bereich der Senatsverwaltung für Inneres und Sport war die Berliner Polizei mit der Aufgabe, insbesondere der Überwachung des Betroffenen, beschäftigt. An dem Überwachungseinsatz waren Kräfte des LKA 6, das ist das mobile Einsatzkommando, der Direktion Zentrale Aufgaben, Einsatzbereitschaft, der Direktion 2 und des Landeskriminalamtes, beteiligt. Ich darf

darauf hinweisen, dass es neben einer häufigen Aufsuche des Betroffenen auch längerfristige Überwachungen an insgesamt 32 Tagen gegeben hat. Im Rahmen dieser Observation wurden insgesamt 123 Mitarbeiter eingesetzt.

Aus dem Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz darf ich für die Kollegin von der Aue sagen, dass an der Durchführung der Führungsaufsicht, das heißt an der Überwachung der Einhaltung der dem Betroffenen gerichtlich erteilten Weisungen und an seiner sozialpädagogischen Betreuung, die Führungsaufsichtsstelle bei der Senatsverwaltung für Justiz, die Sozialen Dienste der Justiz mit einem besonders erfahrenen Bewährungshelfer, die Leiterin der dort angesiedelten sozialtherapeutischen Beratungsstelle sowie aufgrund einer Therapieanweisung die forensisch-therapeutische Ambulanz beteiligt waren. Diese Ambulanz war bis Sommer 2009 organisatorisch den Sozialen Diensten der Justiz zugeordnet und ist seitdem in die Charité integriert.

Die Überschriftsfrage, welche Spiele Frau von der Aue und ich zusammen spielen, ist in den Fragen 1 und 2 nicht mehr erwähnt worden, sodass sich eine Beantwortung erübrigt.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Kluckert – bitte schön, Herr Kluckert!

Herr Innensenator! Vielen Dank für die Beantwortung! Ich habe eine Nachfrage: Was hätten diese Behörden aus heutiger Sicht einzeln oder gemeinsam abgestimmt besser machen können, um Uwe K. früher aus dem Verkehr zu ziehen oder eventuell den Rückfall zu verhindern?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kluckert! Vorhin hat Herr Kleineidam mit Ernst auf die Debatte hingewiesen, auch Herr Ratzmann – wenn ich das richtig sehe.

Wir haben die Situation, dass wir Sexualstraftäter haben – übrigens insgesamt pro Jahr 56 000 in der Bundesrepublik Deutschland, allein 12 000 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern und davon in Berlin 657 im Jahr. Wir haben eine lange Debatte über Sicherungsverwahrung und nachträgliche Sicherungsverwahrung geführt. Wir haben jetzt die Möglichkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung – durch eine Änderung des StGB seit 2004. Ich darf daran erinnern, dass alle Fraktionen des Bundestages in der Sitzung am 18. Juni 2004 einer nachträglichen Sicherungsverwahrung zugestimmt haben – mit einer

einzigen Ausnahme: Das war die FDP, die eine nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht wollte.

Das geeignete Instrumentarium, solche gefährlichen Täter oder potenzielle Täter aus dem Verkehr zu ziehen, ist nach meiner Einschätzung in der Tat die Sicherungsverwahrung, und es sind nicht Ersatzmaßnahmen anderer Art. Wenn keine Sicherungsverwahrung verhängt werden kann, dann kann das zuständige Strafvollstreckungsgericht Weisungen erteilen. Diese Weisungen hat das zuständige Gericht erteilt. Sie sind in der Öffentlichkeit teilweise falsch kolportiert worden – um dies auch einmal deutlich zu sagen. Es ist zum Beispiel eine Weisung erteilt worden, dass der Betroffene sich nicht auf Kinderspielplätze begeben darf. Es gibt keine Weisung des zuständigen Gerichts, dass er nicht in der Nähe von Schulen, Kinderspielplätzen oder Ähnlichem wohnen darf. Das ist schlichtweg mit der Realität der gerichtlichen Entscheidung nicht zu vereinbaren.

Es gab einen Fall – der zu einem Freispruch des Betroffenen geführt hat –, der die Führungsaufsicht bei der Justiz sofort veranlasst hat, eine Weisungsverschärfung herbeizuführen. Die zuständige Strafvollstreckung des Landgerichts – nicht Berlin, sondern Brandenburg, was jedoch völlig egal ist – hat aufgrund dieses Falls, auch wenn er zu einem Freispruch geführt hat, eine weitere Weisung erlassen, dass er keinen personellen Kontakt zu weiblichen Minderjährigen aufnehmen darf. Das ist am 4. Februar 2009 passiert.

So schrecklich das Ergebnis ist, bei diesem Täter, wie auch bei anderen Sexualstraftätern – ungefähr ein Drittel von ihnen wird einschlägig rückfällig, wie übrigens auch andere Straftäter – vermag ich im Moment weder bei der Senatsverwaltung für Justiz noch bei meiner Senatsverwaltung und der unterstellten Polizei erkennen, wie ein solcher Fall anders als durch eine Sicherungsverwahrung hätte vermieden werden können. Das ist die traurige Realität, insbesondere, wenn Sie sich im Einzelnen angucken, was passiert ist.

Es hat eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen der Justiz und der Polizei gegeben. Es hat Fallkonferenzen gegeben, wo die Beteiligten alle zusammengesessen und erörtert haben, welche Maßnahmen zu welchen Zwecken ergriffen werden. Es hat Ansprachen von betroffenen Eltern oder Müttern gegeben – nicht Gerüchte, die auf dem Spielplatz herumgewabert sind, sondern die persönliche Ansprache von Einzelnen. Mit dieser Ansprache erreichen sie vielleicht nicht alle, weil sie sich dabei sicher auf diejenigen werden begrenzen müssen, bei denen sie eine besondere Gefährdung sehen. Es gab den Vorschlag, dies über Internet zu veröffentlichen und jeden Sexualstraftäter mit Foto und Adresse ins Internet zu stellen. Ich habe den Eindruck, dass dieser Vorschlag in diesem Haus von keiner Fraktion ernsthaft vertreten wird.

Es gab also eine Ansprache bei denjenigen, bei denen man eine besondere Gefährdung angenommen hat. In dem

einen Fall, der zum Freispruch führte, und in dem einen Fall, der insbesondere Gegenstand der neuen Haftanordnung ist, hat es solche Ansprachen gegeben.

Herr Dr. Kluckert! Sie haben das Wort zu einer weiteren Nachfrage!

Vielen Dank! – Ich wollte gar keine Vorwürfe erheben, Herr Innensenator. Ich wollte letztendlich nur wissen, ob man aus heutiger Sicht etwas hätte besser machen können. Darf ich Ihre Beantwortung so verstehen, dass Sie auch aus heutiger Sicht keine Anhaltspunkte dafür haben, wie man in Zukunft etwas besser machen kann, um anders mit den Fällen umzugehen? Das wollte ich nur wissen und keine Vorwürfe erheben.

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kluckert! Dieser Fall und auch andere Fälle werden immer wieder dazu führen, dass wir uns genau überlegen müssen, wo man noch zusätzliche Rädchen einfügen kann: Nobody is perfect! Keiner von der Polizei kann sagen: Da kann man eventuell noch irgendwo ein bisschen mehr machen. Das wird auch zu prüfen sein. Es sind nur zwei verschiedene Sachen, ob ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern frage: Habt ihr alles getan, was aus eurer Sicht erforderlich und nötig war? – Nach meiner heutigen Kenntnis würde ich diese Frage bejahen. Und die zweite Frage ist, ob man zukünftig noch mehr tun kann, wenn wir sehen, dass die Fälle weiter passieren. Diese Frage würde ich auch bejahen. Ich würde sagen, dass wir uns Gedanken machen werden, wie wir das System perfektionieren können.

Danke schön, Herr Senator! – Damit ist die Fragestunde beendet. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden mit einer von der Geschäftsordnung abweichenden Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen wieder schriftlich beantwortet.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Fragestunde – Spontane Fragestunde

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der Fraktion mit je einer Fragestellung. Das Wort hat der Kollege Gaebler von der SPD-Fraktion. – Bitte schön, Herr Gaebler!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Frage geht an den Regierenden Bürgermeister: Herr Wowereit! Sie hatten heute Vormittag ein Treffen mit dem Bahnchef Herrn Grube, auf das viele in der Stadt gewartet haben. Es wäre gut, wenn Sie dem Parlament darstellen könnten, was dabei an konkreten, greifbaren Ergebnissen herausgekommen ist.

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Sehr geehrter Abgeordneter! Heute gab es in der Tat ein Treffen des Vorstands der Bahn, Herrn Dr. Grube und seinen Mitarbeitern, mit der Stadtentwicklungssenatorin, ihren Mitarbeiten und mir. Wir haben gemeinsam mit der Bahn versucht, Lösungen für die Entschärfung der S-Bahnproblematik zu finden. Wir wissen, dass bereits seit über einem Jahr erhebliche Probleme bestehen, die im Verkehrsvertrag festgelegten Dienstleistungen zu erbringen. Die Bürgerinnen und Bürger hatten zu Recht die Hoffnung auf eine Verbesserung dieses Zustands verloren, zumal mehrere Ankündigungen der Bahn, Abhilfe zu schaffen, – aus welchen Gründen auch immer – erfolglos blieben und sich die Situation eher noch verschlechterte. Auch der heutige Zustand ist unbefriedigend. Der Leistungsumfang ist deutlich reduziert.

Dem Senat geht es nicht darum, Gelder für die Bahn einzubehalten. Unser Ziel ist vielmehr, einen Normalbetrieb herzustellen. Dabei ist die Bahn in einer Bringschuld. Das haben wir auch betont. Es geht um die Leistung und die schnellstmögliche Herstellung des Normalbetriebs. Außerdem geht es um eine vernünftige Entschädigung der Nutzerinnen und Nutzer der S-Bahn, die eine Mangelleistung erhalten, aber den vollen Preis zahlen sollen. Es geht um zusätzliche Werkstattkapazitäten und um die Ergänzung des S-Bahnvertrags, da sich Mängel gezeigt haben, die beseitigt werden müssen.

[Ramona Pop (Grüne): Wer hat den Vertrag denn unterschrieben?]

Natürlich geht es auch um die Einnahmeaufteilung zwischen S-Bahn und BVG.

Ich glaube, die Bahn hat verstanden, dass das Vertrauen in sie beschädigt ist und nur wenig Zeit bleibt, um dieses Vertrauen wiederzugewinnen. Die S-Bahn ist wichtig für unser Nahverkehrssystem. Sie wurde von den Bürgerinnen und Bürgern besonders intensiv in Anspruch genommen. Die Bürgerinnen und Bürgern haben nichts gegen die S-Bahn. Sie fordern vielmehr, dass dieses wichtige verkehrspolitische Instrument gut funktioniert.

Herr Dr. Grube hat heute angekündigt – ich glaube, das dies ein Schritt in die richtige Richtung ist, obwohl damit nicht das ganze Vertrauen wiedergewonnen werden

kann –, Entschädigungen für die Fahrgäste in Höhe von 70 Millionen Euro zu zahlen. Das ist eine Verdoppelung der im letzten Jahr geleisteten Entschädigungszahlungen. Für Karteninhaber bedeutet das zwei Monate Freifahrt und andere Ermäßigungen. Das System ist differenziert und sieht an bestimmten Tagen, beispielsweise an Ostern und Pfingsten – das muss von der S-Bahn noch detailliert festgelegt werden –, die Möglichkeit vor, mit einem Einzelfahrschein einen ganzen Tag lang fahren zu können. Diese Entschädigungen sollen so schnell wie möglich erfolgen und nicht erst am Jahresende – Herr Dr. Grube konnte es noch nicht genau sagen. Ich betone: Das ist kein Geschenk der Bahn und der S-Bahn, sondern eine Notwendigkeit aufgrund einer schlechten Leistung. Es ist ein richtiges und notwendiges Signal, das der Entschädigung der Kundinnen und Kunden dient, die momentan und auch künftig Schwierigkeiten in Kauf nehmen müssen.

Neben der Entschädigungszahlung ist es wichtig, dass eine Perspektive geboten wird. Im zuständigen Ausschuss wurden noch nebulöse Angaben gemacht. Man hatte den Eindruck, vor dem Jahr 2013 könne der Normalbetrieb nicht hergestellt werden. Jetzt hat die Bahn nach eigenem Bekunden den Reparaturbedarf jedes einzelnen Zuges analysiert. Sie war sehr detailliert bereit, die Ist-Situation mit den eingesetzten 317 Viertelzügen und die Erhöhung der Kapazität in den nächsten Monaten darzustellen. Einige Zahlen dazu: 339 Viertelzüge Mitte Februar, 361 im März, 413 im Mai, 442 im Juni, 468 im September und 501 im Dezember. Mit 501 Zügen ist der Normalbetrieb noch nicht hergestellt. Das muss gesagt werden. Aber im Vergleich zu den 317 Viertelzügen, die derzeit im Einsatz sind, ist es eine deutliche Steigerung. Damit kann auf einigen Strecken der Normalbetrieb geleistet werden, aber es ist noch nicht die volle Kapazität. Diese liegt nach Auskunft der Bahn bei 546 Zügen, nach unserer Berechnung sogar darüber. Das ist im Jahr 2010 noch nicht zu erreichen, sondern erst im Jahr 2011. Ein genaues Datum konnte nicht genannt werden, aber es wird auf jeden Fall im Jahr 2011 und nicht erst 2012 oder 2013 sein. Das war eine verbindliche Zusage der Bahn. Insgesamt müsste mit diesem Zusagen der Bahn eine Verlässlichkeit gegeben sein.

Die Bahn hat auch glaubhaft versichert, dass sie bei der Reparatur der Züge neue technische Möglichkeiten nutzt – bis hin zur Entwicklung eigener Radsätze. Damit wird nicht nur das getan, was das Eisenbahnbundesamt als Auflage formuliert hat. Hinzu kommt irgendwann auch der normale Wartungsrhythmus, der durch zusätzliches Personal und zusätzliche Werkstattkapazitäten besser gewährleistet werden soll als in der Vergangenheit.

Die Bahn hat erklärt, sie werde der Öffentlichkeit am 23. Februar ihren internen und externen Untersuchungsbericht, wie es zu diesem Dilemma kommen konnte, vorlegen und daraus schonungslos Konsequenzen ziehen. Das ist auch eine wichtige Aussage für die Zukunft.