Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Frau Schneider! Ihre Redezeit ist beendet.

Unterstützen Sie unseren Antrag! – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Kämpfen, Lompscher, kämpfen! – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Frau Lompscher! Sie werden gerügt! – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Wir werden dich enteignen!]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schneider! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Monteiro das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Grünen legten uns im April letzten Jahres einen Antrag zur verbraucherfreundlichen Lebensmittelkennzeichnung vor. Das lesen wir in der Überschrift. Gestatten Sie mir bitte eine kurze Vorbemerkung. Überschrift und Text des Antrags scheinen verschiedene Verfasser zu haben,

[Michael Schäfer (Grüne): Nein, das stimmt nicht!]

denn im Antragstext selbst ist nicht mehr nur von Verbrauchern die Rede, sondern von Verbraucherinnen, natürlich mit großem „I“, versteht sich, und die Grünen setzen ihrer Radikalität noch eins drauf, sie fordern im Antragstext nicht nur eine verbraucherfreundliche, sondern auch noch eine „verbraucherInnenfreundlichere“ Kennzeichnung von Lebensmitteln.

[Ah! von der Linksfraktion]

Wie soll nun dieses revolutionäre Ziel erreicht werden? – Durch eine Bundesratsinitiative, versteht sich.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Das soll jetzt Frau Lompscher machen!]

Aber Spaß beiseite, die SPD-Fraktion unterstützt das Anliegen inhaltlich, auch die Mehrheit der Verbraucher wünscht sich eine Ampelkennzeichnung. Frau Schneider hatte darauf hingewiesen. Die Verbraucher wünschen sich eine Ampelkennzeichnung, die sich am britischen Vorbild orientiert. Verbraucherzentralen, Ärzteverbände und Kammern sprechen sich ebenfalls dafür aus und forderten dies von den EU-Abgeordneten.

Die Entwicklung ist inzwischen weitergegangen. Am 16. März stimmten die Abgeordneten des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments für eine bessere Lebensmittelkennzeichnung. Eine Ampelkennzeichnung wurde jedoch leider abgelehnt. Immerhin soll es nun eine verpflichtende Nährwertinformation auf der Vorderseite der Verpackung geben. Lebensmittelhersteller sind künftig verpflichtet, Angaben zu Energiewert, gesättigten Fettsäuren und Kohlenhydraten mit besonderem Hinweis auf Zucker und Salz anzugeben. Was mich besonders freut, ist, dass gegen den Widerstand der konservativen Mehrheit im Ausschuss durchgesetzt werden konnte, dass auch das Herkunftsland für Produkte aus Fleisch, Geflügel und Milch sowie Obst und Gemüse immer angegeben werden muss.

[Beifall von der SPD – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Fisch auch?]

Nachbesserungsbedarf sehen wir vor allem bei der Festlegung verpflichtenden Portionsgrößen für die Angabe von Nährwerten. Die Europaabgeordnete Dagmar Roth-Behrendt sagte dazu:

Es kann nicht sein, dass ich Rosinen und Haferflocken erst zählen muss, um zu wissen, wie viel Zucker und Kalorien in meinem Müsli enthalten sind.

[Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Recht hat sie!]

Recht hat sie, das kann nicht verbraucherfreundlich sein.

[Beifall bei der SPD]

Aber zurück zum Antrag der Grünen: Er ist gestellt worden, als noch offen war, ob eine Ampelkennzeichnung auf Bundes- und EU-Ebene Aussicht auf Erfolg hat. Er ist inzwischen leider überholt. Das müssen wir feststellen, obwohl wir Sympathien für diesen Antrag haben.

Ich darf außerdem daran erinnern – und deshalb verstehe ich die Vorwürfe von Frau Schneider gar nicht, die doch den Ablauf nicht richtig beobachtet zu haben scheint –, dass das Land Berlin unabhängig von der Initiative der Grünen bei der Verbraucherschutzministerkonferenz 2009 einen Beschlussvorschlag zur Beförderung der Ampelkennzeichnung unterstützte, der mit 11:6 Stimmen abgelehnt wurde. Nur die SPD-geführten Bundesländer hatten zugestimmt.

Frau Monteiro! Entschuldigung! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Schneider?

Nein, danke, nicht! – Frau Schneider! Ihr Antrag ist zwar kurz, aber besteht trotzdem aus zwei Teilen, und der zweite Teil befasste sich mit dem Thema verbindliche Kennzeichnungsvorschriften für die sogenannte ESLMilch. Inzwischen gibt es eine freiwillige Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf der einen Seite und dem Milchindustrieverband und dem Hauptverband des deutschen Einzelhandels auf der anderen Seite über die Kennzeichnung der ESL-Milch. Die tatsächliche Umsetzung muss nun regelmäßig überprüft werden. Auf den Verbraucherschutzministerkonferenzen wird darüber jeweils berichtet werden. Auch hier ist also die Entwicklung inzwischen weitergegangen. Aus diesen Gründen wird die SPD-Fraktion dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Monteiro! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Seibeld das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute auf Wunsch der Grünen einen Antrag,

dessen konkretes Ziel – die verbindliche Lebensmittelkennzeichnung mit der Ampel – sich bereits erledigt hat. Nach der Bundesregierung hat sich – wir haben es heute schon gehört – nun auch der zuständige Ausschuss im EU-Parlament am 16. März festgelegt, und zwar gegen eine Ampelkennzeichnung. Die von den Grünen geforderte Bundesratsinitiative für eine Ampel ist daher in jedem Fall zum Scheitern verurteilt und überholt.

Nichtsdestotrotz teilen wir das grundsätzliche Anliegen der Grünen nach einer verständlichen und verbindlichen Lebensmittelkennzeichnung, die auf einen kurzen Blick Auskunft über die wesentlichen Nahrungsmittelbestandteile gibt. Aber richtige und gesunde Ernährung kann man eben nicht mit drei Farben umfassend erklären.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Jutta Leder (SPD)]

Verantwortlicher Verbraucherschutz braucht mündige und verantwortungsvolle Verbraucher. Die Ampelkennzeichnung würde dem gerade nicht gerecht werden. Beispielsweise bekäme Cola light, weil der Zuckeranteil durch Süßstoff ersetzt worden ist, einen grünen Punkt, während naturtrüber Apfelsaft wegen des Fruchtzuckergehalts „rot“ bekäme. Sie sehen also, ganz so einfach ist es nicht und lässt es sich auch nicht darstellen.

Wir wollen mit einem verbindlichen Kennzeichnungssystem die Menschen nicht zusätzlich verwirren und vor weitere Fragen stellen, sondern ihnen praktikable Hilfen an die Hand geben. Gesunde Ernährung besteht aus vielen verschiedenen Komponenten. Auch wer sich ausschließlich von grundsätzlich gesunden Äpfeln ernährt, wird Mangelerscheinungen bekommen. Diese Zusammenhänge müssen bei einer Kennzeichnung Berücksichtigung finden, auch wenn die Kennzeichnung dadurch etwas komplizierter gerät.

Für eine verantwortungsvolle und verbraucherorientierte Information bietet sich das von der Bundesregierung zu Recht präferierte „1 plus 4“-Modell an. Eine sinnvolle Lebensmittelkennzeichnung soll es dem Verbraucher ermöglichen, sich umfassend über die Nährwerte von Lebensmitteln zu informieren. Ziel ist es, dem Verbraucher eine vereinfachte Auswahl von Lebensmitteln für eine ausgewogene Ernährung zu ermöglichen. Das „1 plus 4“-Modell berücksichtigt den Energiegehalt und zusätzlich den Gehalt an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Salz. Diese Angaben, bezogen auf eine Portion, sollen in einheitlichen und wiedererkennbaren Symbolen auf den Lebensmittelverpackungen, und das möglichst auf der Vorderseite, erfolgen.

Anders als die Bundesregierung würden wir es allerdings in der Tat begrüßen, wenn diese Kennzeichnung verbindlich erfolgen würde. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie, Frau Schneider, an dieser Stelle zumindest erläutert hätten, warum Sie das Ampelmodell dem „1 plus 4“-Modell vorziehen und welche Nachteile Sie durch das mehrheitlich präferierte Modell befürchten.

Unser Fazit an dieser Stelle ist: Das Anliegen der Grünen nach einer verbindlichen, transparenten und verständlichen Lebensmittelkennzeichnung teilen wir. Die Hersteller von Lebensmitteln sollen keinesfalls einen Freifahrschein für verwirrende Aufschriften bekommen, aber der Ampel der Grünen müssen wir leider trotzdem „rot“ zeigen und werden deshalb gegen den Antrag stimmen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Schneider von den Grünen.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Frau Schneider! Das würde ich nicht auf mir sitzen lassen!]

Ja, die Kurzintervention wird auch entsprechend kurz.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Ich möchte auf zwei Dinge hinweisen: Das Erste ist, dass die mir nachgefolgten Rednerinnen offensichtlich gar nicht gelesen haben, was der Bericht der EU-Kommission des Ausschusses beinhaltet. Der Bericht beinhaltet nämlich, dass zwar die Ampel EU-weit nicht zwingend vorgeschrieben worden ist, dass aber die Möglichkeit bewusst offengelassen wurde, dass die Nationalstaaten eigene Regeln, auch Ampelregeln, jeweils national einführen können.

[Zuruf von Kai Gersch (FDP)]

Deswegen ist auch jetzt die Möglichkeit gegeben, dass man über eine Bundesratsinitiative das Ziel einer Ampel durchsetzt.

[Beifall bei den Grünen]

Der Vorteil einer Ampel liegt genau darin, dass eben die Mengenangaben für Salz, Fette und Zucker auf 100 g oder 100 ml bei Getränken bezogen dargestellt werden und nicht wie bei dem Vorschlag der CDU, auch der CDUMinisterin Aigner, auf Portionsgrößen. Der Portionsgrößenbezug ist vollständig verwirrend für die Verbraucher und verschleiert mehr als zu erklären,

[Kai Gersch (FDP): Aber Farben klären das auch nicht!]

denn wir alle wissen, dass der Hunger auf Schokolade oder andere Dinge ganz unterschiedlich ist.

[Andreas Gram (CDU): Das ist derselbe Hunger!]

Haben Sie einen großen Mann oder ein kleines Kind, ist es doch eine unterschiedliche Portion. Man muss dann erst mal ein ganzes Lexikon mitschleppen, was für Portionsgrößen denn da nun angenommen werden und wie viel Haferflocken 20, 30 oder 50 g sein könnten. So kann es nicht gehen. Wir setzen uns deswegen für eine klare Kennzeichnung ein und lehnen das „1 plus 4“-Modell ab.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Holzheuer-Rothensteiner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Seibeld! Zu Ihnen möchte ich doch noch sagen: Die Ampel ist nicht die Verwirrung, die Ampelkennzeichnung ist die Klarheit, denn sie besteht aus drei Farben, und das ist ganz einfach.

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]