Ich bedauere an dieser Stelle, dass der „Wassertisch“ diese Realität nicht anerkennt und in der Öffentlichkeit falsche Erwartungen in Bezug auf das Volksbegehren erweckt. Das hilft weder der Initiative noch dem Ziel, das wir alle gemeinsam haben. Wir wollen eine rechtssichere und verfassungsgemäße Offenlegung von Verträgen, und diese wird es nun mit dem Informationsfreiheitsgesetz geben.
Das Land Berlin ist federführend bei Bürgerinformationen. Darauf können wir heute stolz sein. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz setzen wir neue Maßstäbe. Ich rufe
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nein, sehr geehrte Abgeordnete der SPD, besonders Herr Müller und Herr Gaebler,
nein, das Volksbegehren Wasser zur Offenlegung der geheimen Verträge der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe hat sich nicht erledigt, denn noch immer schlummern diese Verträge im Tresor. Auch wenn wir heute eine rotgrün-rote Reform des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes verabschieden werden und damit alles Parlamentarische getan haben, um klarzustellen, dass es in Berlin zukünftig keine geheimen Privatisierungsverträge mehr gibt. Staatliches Handeln muss transparent sein, damit es von den Bürgerinnen und Bürgern kontrolliert werden kann.
Zu diesem Zweck haben Bündnis 90/Die Grünen, auch als Antwort auf die erste erfolgreiche Stufe des Volksbegehrens des „Berliner Wassertisches“, eine Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes vorgeschlagen. Die Regierungskoalition folgte diesem Vorschlag mit einem eigenen Antrag, und nach sehr konstruktiven Verhandlungen ist jetzt eine rot-grün-rote Lösung gefunden. Mit diesem neuen Informationsfreiheitsgesetz setzt Berlin bundesweit Maßstäbe.
Im neuen § 7a in Absatz 3 wird geregelt, wie auch geheime Altverträge offengelegt werden. Um das Risiko zu vermeiden, dass das Land Berlin Schadenersatz an die Konzerne zahlen muss, sind Nachverhandlungen über die vertraglichen Geheimhaltungsbestimmungen dieser Altverträge in Absatz 3 geregelt worden. Führen sie innerhalb von sechs Monaten nicht zum Erfolg, werden die Verträge offengelegt, wenn die Privaten nicht erhebliche wirtschaftliche Schäden durch mögliche Verletzungen ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dagegen legen können. Ob ihnen das bei einem Monopol der Wasserwirtschaft gelingt, würde uns wundern. Für uns Grüne ist klar, dass hier das öffentliche Informationsinteresse überwiegt.
Trotzdem wissen wir noch nicht, ob diese Regel auch in der Praxis den von uns gewünschten Erfolg haben wird. Deswegen, Herr Müller, Herr Gaebler, ist die zweite Stufe des Wasservolksbegehrens notwendig und richtig. Denn ohne das Wassertischvolksbegehren hätten Sie sich keinen Millimeter bewegt.
Das IFG, das wir heute hier verabschieden, ist vorbildlich für den Bund. Dies bescheinigt uns der Bundesdatenschutzbeauftragte Dr. Schaar. Ihm und seinen Kollegen sind Geheimhaltungsklauseln in Verträgen und Geheimverträge überhaupt, die der Staat mit privaten Unternehmen abschließt, seit Langem ein Dorn im Auge. Geheimverträge sind aber vor allem eine Kapitulation der Politik vor der Bevölkerung. Geheimes hat immer den Geruch, dass Regierungen nicht den Mut haben zu sagen, was sie da treiben. Die heutige Novelle regelt für fünf Bereiche die automatische Offenlegung von Verträgen, die das Land Berlin in der Grundversorgung mit Privaten schließt. Sie werden von der vertragschließenden Stelle veröffentlicht.
Wir Grünen hätten gern den Geltungsbereich weiter auf alle Verträge gefasst, die die Grundversorgung betreffen. Unser ursprünglicher Gesetzentwurf sah zudem ausdrücklich den Bereich der Wohnungswirtschaft vor. Aber ein Kompromiss ist kein Wünsch-dir-was. Die Grünen sind heute zufrieden, dass wir mit der Koalition zusammen diese Novelle des IFG erarbeitet haben, weil es ein Schritt in die richtige Richtung ist und weil die Bedingungen für Transparenz erheblich verbessert wurden. Wir danken für die konstruktive Zusammenarbeit und ziehen unseren Antrag zurück.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kohlmeier! Sie haben vorhin die Frage gestellt, warum FDP und CDU nicht geklatscht haben, als Sie am Anfang sagten, es sei ein großer Tag für Berlin, ein großer Tag für Deutschland, ein großer Tag für das deutsche Volk usw., dass dieses IFG heute beschlossen werden wird. Es hat zwar auch kaum jemand anders geklatscht, aber ich will Ihnen sagen, warum wir nicht geklatscht haben. Das kann ich recht einfach tun. Das, was Ihnen gelungen ist, ist aus meiner Sicht nicht etwas Armstrongeskes, indem man sagt: ein kleiner Schritt für das Abgeordnetenhaus, aber ein großer Schritt für die Menschheit. Man muss einfach konstatieren: Das, was Sie jetzt hier mit diesem Kompromiss verwirklicht haben, ist relativ kurz gesprungen.
Sie sind als Informationsfreiheitstiger gestartet und als Wassertischvorleger gelandet, meine Damen und Herren von der Koalition.
Es ist kein großer Wurf, sondern ein Trippelschritt. Vor allem sind Ihnen wichtige Dinge nicht gelungen, die wir in der ersten Lesung schon gefordert haben. Erstens ist es Ihnen nicht gelungen, eine umfassende Erweiterung des Anwendungsbereichs des IFG herbeizuführen. Sie beziehen sich in Ihrer Erweiterung ausschließlich auf eine winzig kleine Gruppe von ausgewählten Verträgen, nämlich nur Privatisierungsverträge und auch nur in ganz wenigen Sektoren. Nur für diese Verträge wollen Sie eine neue, bürgerfreundlichere Interessenabwägung schaffen.
Herr Jotzo! Wie erklären Sie sich eigentlich vor diesem Hintergrund, dass der Bundeswirtschaftsminister, der aus Ihrer Partei kommt, dafür gesorgt hat, dass der Vertrag über sein Lieblingsprojekt eines Kreditmediators im Geheimschutzraum des Deutschen Bundestages verschwunden ist?
Herr Ratzmann! Ich gehe davon aus, dass wichtige Sicherheitsgründe dafür ausschlaggebend waren. Aber ich freue mich, dass unsere Bundesminister dabei sind, auch wichtige Fortschritte auf dem Gebiet der Informationsfreiheit innerhalb der Bundesregierung voranzutreiben. Ich bin mir sicher, dass wir an diesem Punkt noch erhebliche Fortschritte gemeinsam mit unserem Koalitionspartner im Rahmen dieser Legislaturperiode im Deutschen Bundestag erreichen werden. Ich danke Ihnen für die Nachfrage.
Mit Ihrer Novelle werfen Sie mehr Fragen auf, als Sie beantworten. Warum also soll diese neue Regelung nur für Verträge des Landes Berlin gelten, wenn sie zu Privatisierungszwecken geschlossen werden? Warum gilt es nicht für die Verträge des Landes Berlin, die zur Vorbereitung von Privatisierungszwecken oder zur Nachbereitung von Privatisierungen mit diesen Privaten geschlossen werden? Warum sind nur diese einzelnen Verträge damit erfasst? Warum beziehen Sie auch nur solche Privatisierungsvorgänge mit ein und nicht andere Vorgänge, die mindestens genauso interessant und mindestens genauso wichtig für die Bürger sind, die ihren Informationsfreiheitsanspruch geltend machen wollen?
Herr Jotzo! Sie sagen hier seit drei Minuten, es sei alles zu wenig, was geregelt wird. Warum haben Sie in den sämtlich stattgefundenen Beratungen, die mindestens ein dreiviertel Jahr gedauert haben, nicht einen einzigen Änderungsvorschlag unterbreitet und nicht die Möglichkeit gesucht – wie beispielsweise die Grünen –, mit der rotroten Koalition gemeinsam ein Gesetz zu erarbeiten?
Herr Kohlmeier! Ich danke sehr für die Nachfrage. Ich habe bereits in der ersten Lesung deutlich gemacht, dass auch eine Bereitschaft der FDP-Fraktion darin bestand, sich sehr konstruktiv einzubringen. Ich habe es in den Ausschussberatungen auch jeweils getan. Ich habe Ihnen auch die Gelegenheit gegeben, entsprechende Änderungen dort vorzunehmen. Ich habe aber durchaus Verständnis dafür, wenn Sie hier den rot-rot-grünen Schulterschluss gesucht haben und keinen Kontakt zu der Fraktion gesucht haben, die nachhaltig für Bürgerrechte und eben für Informationsfreiheit steht. Das ist ein Signal in die rotrot-grüne Ecke. Aber das können Sie geschenkt haben, Herr Kohlmeier.
Es stellt sich also die Frage, ob nur dann der Informationsfreiheitsanspruch besteht, wenn der Staat agiert. Sie stellt sich bei solchen Unternehmen, insbesondere bei interessanten Wohnungsbaugesellschaften, die interessante Verträge mit Privaten schließen – und zwar am laufenden Band – und die sich erstaunlicherweise zu 100 Prozent im Landeseigentum befinden und die insbesondere mit Unternehmern sehr erfolgreich zusammenarbeiten, manchmal ohne Ausschreibung, manchmal mit, manchmal in Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen, manchmal ohne. In dem Moment aber, in dem Sie die Unternehmen in eine hundertprozentige Landestochter ausgliedern und dort Ihre Verträge abschließen, ist Ihr IFG – auch das, was Sie heute beschließen – schon Makulatur. Deswegen, Herr Kohlmeier, ist es eben nur ein kleiner Trippelschritt, den Sie heute machen.
Ich kann nur bei dem bleiben, was ich anfangs gesagt habe. Es tut mir leid, dass Sie es nicht geschafft haben, die Chance zu nutzen, das IFG wirklich zu ertüchtigen und zu einem Niveau zu verhelfen, um zu einem transparenten und überall gleich hohen Niveau von Informationsfreiheit im Land Berlin zu kommen. Sie haben sich hier auf ganz wenige Verträge konzentriert. Es wird sich nur auf eine zwei, drei handvoll Verträge auswirken, was wir hier heute beschließen. Da von einer neuen Qualität von Informationsfreiheit zu reden, Herr Kohlmeier, es tut mir leid, aber das kann man selbst beim besten Willen nicht erkennen.
Sie sind sehr gefragt. Der Kollege Lederer möchte Ihnen eine Frage stellen. Es ist für mich sehr schwer, immer Ihr Satzende zu erwischen, weil Sie immer weiter ausführen. – Bitte schön, Herr Lederer!
Lieber Kollege Jotzo! Sie sind auch Jurist. Würden Sie mir nicht an dieser Stelle zustimmen, dass alles umfasst ist, wenn dort steht „vollständig“ oder „teilweise, „mittelbar“ oder „unmittelbar“? Dies gilt für Vorverträge, Nachverträge, Mittelverträge, Nebenverträge. Es ist all das umfasst. Argumentieren Sie jetzt vielleicht ein bisschen am eigentlichen Problem vorbei, statt über das Gesetz zu sprechen?
Nein, lieber Kollege Lederer. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil! Sie zeigen eben einen ganz besonderen wichtigen Mangel Ihres Entwurfs auf. Das ist eben der, dass insbesondere all diese Fragen aufgrund des geringen Wirkungsbereichs gerichtlich geklärt werden müssen. Das bringt mich genau zu dem Punkt, Frau Kosche, den Sie adressiert haben. Ich bin mir gar nicht so sicher – muss ich ganz ehrlich sagen –, dass der Zweck, den Sie hiermit verfolgen, eine mehr oder weniger umfassende Offenlegung der Wasserverträge zu erreichen, durch dieses Gesetz auch erreicht werden wird. Das, was wir dadurch auf jeden Fall erreichen werden, wird eine erhebliche rechtliche Auseinandersetzung möglicherweise über mehrere Instanzen sein, die wir beobachten werden. Wir werden das mit Interesse verfolgen. Aber sich hier hinzustellen und zu sagen, wir haben das alles auf ein ganz neues Niveau gehoben, da haben Sie sich, meine Damen und Herren, lieber Herr Kohlmeier, wirklich etwas selbst überhöht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Aber wir zeigen unseren guten Willen, indem wir uns gegenüber diesem Entwurf enthalten. – Vielen Dank!
Der Antrag der Fraktion der Grünen Drucksache 16/2928 – Stichwort: Publizitätsgesetz – ist soeben zurückgezogen worden.
Zum Antrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 16/2939 – Stichworte: Berliner Informationsfreiheitsgesetz – empfiehlt der Fachausschuss einstimmig bei Enthaltung von CDU und FDP die Annahme mit Änderungen. Wer dem Antrag mit den Änderungen gemäß Drucksache 16/3340 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der Grünen. Wer enthält sich? – Es enthalten sich die Fraktionen von CDU und FDP. Damit ist so beschlossen.
Damit ist das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin angenommen.