Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Die Ministerpräsidenten Rüttgers und Tillich – Stichwort: Rent Rüttgers! – haben Firmen angeboten, durch Sponsoring Auftritte dieser Ministerpräsidenten an ihren Ständen zu erwerben.

Mit unserem Gesetzentwurf zur Änderung des Landesabgeordnetengesetzes und unserem Antrag für eine Bundesratsinitiative wollen wir solche Interessenverquickungen zwischen Politik und Wirtschaft aufdecken und Korruption wirksam bekämpfen.

[Beifall bei den Grünen]

Es ist nicht einzusehen, warum Verhaltsregeln im Berliner Abgeordnetenhaus lascher als im Bundestag sind. Während im Bundestag bereits seit 2005 Angaben zur Höhe der Einkünfte bei Nebentätigkeiten veröffentlicht werden müssen, ist dies hier im Landesparlament bisher nicht vorgesehen. Und während es dort bei Verstößen gegen Verhaltensmaßregeln Ordnungsgelder gibt, sieht unser Abgeordnetengesetz bisher keine Sanktion vor. Wir sind der Meinung, was im Bund Recht ist, sollte uns schon lange billig sein.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Die Regeln im Bund haben sich auch bewährt. Seit 2005 sind sie, wie gesagt, eingeführt. Damals wurde geltend gemacht: Solche starken Transparenzregeln könnten den einen oder die andere davon abhalten, erneut für das Parlament zu kandidieren. Zwischenzeitlich haben zwei Bundestagswahlen stattgefunden. Da kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hier um vorgeschobene Argumente handelt, denn mir sind keine Abgeordneten bekannt, die wegen dieser Transparenzregeln auf eine erneute Kandidatur verzichtet haben.

Auch die Obergerichte – sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch das Bundesverfassungsgericht – haben diese Regelung vollumfänglich bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:

Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem und in welcher Größenordnung seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen.

Genau das wollen wir hier in Berlin umsetzen. Wir möchten, dass die Berliner Bevölkerung weiß, wer von uns von wem welche Gelder erhält. Das soll auch bekanntgemacht werden.

[Beifall bei den Grünen]

Weiter führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die parlamentarische Demokratie auf dem Vertrauen des Volkes beruhe und

Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.

Genau für diese Transparenz wollen wir mit unseren Anträgen sorgen.

[Beifall bei den Grünen]

Zudem wollen wir im zweiten Antrag, dass Berlin sich im Bund dafür einsetzt, dass in der Bundesrepublik Deutschland endlich internationale Antikorruptionsstandards eingehalten werden. Dazu ist der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung weiter zu fassen. Es soll nicht nur un

ter Strafe gestellt werden, wenn man ein bestimmtes Abstimmungsverhalten im Plenum kauft, sondern wenn man schon im Vorfeld und danach versucht, Einfluss auf die Willensbildung der Abgeordneten zu nehmen.

Diese Transparenz, die wir wollen, soll auch die Parteispenden – das war ja das Mövenpick-Problem – umfassen. Es soll rechtzeitiger und schneller veröffentlicht werden, wenn es zu Parteispenden gekommen ist. Da ist das bisherige Parteiengesetz unzureichend. Wir wollen auch eine Obergrenze für Parteispenden von 100 000 Euro einführen, damit die Parteien sich nicht zu stark in die Abhängigkeit von Großspendern begeben.

Bei diesen ganzen Regelungen, die wir hier vorschlagen, hatten wir, bevor wir den Antrag eingebracht haben, allen Fraktionen im Haus angeboten, das gemeinsam zu erarbeiten. Dieser Vorschlag gilt weiterhin. Es kamen zum Teil Rückmeldungen, dass Einzelregelungen in Ordnung seien. Wir werden das in den Ausschussberatungen sehen. Wir Bündnisgrüne werden jedenfalls weiter dafür einsetzen, dass mit klaren Regelungen und Sanktionen Korruption und Politikverdrossenheit entgegengetreten wird. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Behrendt! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Gaebler das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben uns zu Beginn dieser Legislaturperiode intensiv Gedanken darüber gemacht, wie wir die Verhaltensregeln entsprechend präzisieren, die bis dahin eine Anlage zur Geschäftsordnung waren, und wie wir sie in das Abgeordnetengesetz hineinnehmen. Es hat dann auch eine gemeinsame Vorlage dazu gegeben. Es hat dabei keine weitergehenden Vorschläge der Grünen gegeben mit Ausnahme der Angabe der Einkünfte in drei Stufen, so wie es im Bundestag der Fall ist. Darüber hinaus gab es keine weiteren Vorschläge. Insofern scheint das auch ein Lerneffekt bei Ihnen zu sein.

Ich glaube, grundsätzlich kann man sich über einzelne Dinge hier immer unterhalten. Sie haben uns den Antrag allerdings parallel zur Einbringung vorgelegt und dann gesagt, wir könnten das ja unterstützen. Das werden wir von Punkt zu Punkt prüfen. Insgesamt stellen wir aber fest, dass es sich um viele komplizierte Einzelregelungen ohne Erkenntnisgewinn handelt. Das heißt, sie machen alles kompliziert, sie bauen eine große Verwaltung für alle Abgeordneten auf, die sich dann immer überlegen müssten, wann sie was wo angeben müssten. Der Erkenntnisgewinn ist dagegen überschaubar.

Und – das ist, glaube ich, das Hauptproblem, das ich gerade wieder aus dem Beitrag von Herrn Behrendt ergeben hat – Sie vergleichen immer den Bundestag als Vollzeitparlament mit dem Berliner Abgeordnetenhaus als Teilzeitparlament. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Fehler, weil es dort Unterschiede gibt. Vergleichen Sie bitte Gleiches mit Gleichem, aber nicht Ungleiches! Das Berliner Abgeordnetenhaus ist ein Teilzeitparlament. Das ist bei Ihnen anders, ich weiß, Sie haben mehr oder weniger ein internes Betätigungsverbot außerhalb des Parlaments. Aber so ist es von der Verfassung nicht vorgesehen. Und viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus sind in ihrem ganz normalen Beruf auch weiterhin tätig und haben ein Recht darauf, dass das von Ihnen auch entsprechend anerkannt wird.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der FDP]

Eine kleine Nebenbemerkung zu Ihrem Hotelausflug kann ich mir nicht verkneifen. Das werden Sie sicherlich auch erwartet haben. Wer hier über die FDP und MövenpickHotels redet, muss natürlich auch über den Inhaber der Victor’s-Hotelkette sprechen, der auch der FDP angehört,

[Mirco Dragowski (FDP): Schöne Hotels!]

im Saarland beheimatet ist und ganz zufällig auch Arbeitgeber des Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Saarland ist, der ganz zufällig mit diesem zusammen am Koalitionsverhandlungstisch eine Jamaika-Koalition ausgehandelt hat, ganz zufällig.

[Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Was sind das denn für Zufälle? – Zuruf von Lars Oberg (SPD) – Michael Schäfer (Grüne): Damit so etwas nicht passiert, stellen wir diesen Antrag!]

Dass in dem Zusammenhang umfangreiche Neuwahlen von Delegierten für den Landesparteitag der Grünen stattgefunden haben und Ähnliches, ist sicherlich alles auch ganz zufällig, aber, lieber Herr Behrendt, ein bisschen haben Sie Ihre grüne Unschuld doch verloren. Das kann man hier festhalten.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Zurück zu Ihrem Antrag im Detail.

[Anja Kofbinger (Grüne): Wer ist Ihr Informant? – Joachim Esser (Grüne): Woher wissen Sie, was Herr Behrendt im Saarland macht?]

Warum sind Sie denn so unruhig? Das kann man alles in der Zeitung lesen. Ich wusste nicht, dass das für Sie neu ist. Es wirkt so.

[Volker Ratzmann (Grüne): Wir fahren trotzdem ins Saarland!]

Jetzt kommen wir zu den Details, die Sie hier aufgelistet haben. Sie wollen die Höhen der Einkünfte grundsätzlich veröffentlichen, wenn sie den Betrag von 1 000 Euro im Jahr übersteigen. Dazu sage ich Ihnen: Da kann man sicherlich über Nebeneinkünfte reden, auch über ein Stu

fenmodell eventuell, wobei der Erkenntnisgewinn relativ gering ist. Aber nicht akzeptabel ist, dass Sie sagen, dass das Berufseinkommen aus der normalen Berufstätigkeit grundsätzlich auch unter diese Regelung falle. Was ist da der Erkenntnisgewinn?

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Das ist eine Ausforschung des persönlichen Bereichs der Abgeordneten und geht Sie gar nichts an.

[Beifall von Kai Gersch (FDP)]

Es geht Sie an, in welchem Bereich er oder sie tätig ist und was er oder sie dort macht, aber alles Weitere ist das, was Sie auch von anderen Arbeitnehmern nicht ernsthaft verlangen können, Herr Behrendt. Sie als Jurist wissen das sicherlich besser.

Dann wollen Sie, dass Menschen, die für Unternehmen des Landes Berlin tätig sind und bei denen die Erträge einen bestimmten Teil des Jahreseinkommens überschreiten, das angeben müssen. Ich nenne das vereinfacht Lex Hillenberg, weil das ja darauf zurückzuführen ist. Jetzt frage ich Sie: Gilt das auch für Anwälte, die für das Land Berlin tätig sind, weil die das ja nicht angeben müssen, lieber Herr Behrendt?

[Andreas Gram (CDU): Wäre ja noch schöner! – Volker Ratzmann (Grüne): Oder gegen das Land Berlin!]

Dann ist die nächste Frage: Leute, die gegen das Land Berlin tätig sind, sowohl als Gutachter als auch als Anwälte, müssen die das angeben? Nach Ihrer Gesetzesvorlage nicht. Da messen Sie wieder mit zweierlei Maß. Das halte ich für außerordentlich problematisch.

Einen Satz noch zu den Widersprüchlichkeiten: Sie wollen in Zukunft, wenn gegen Abgeordnete Vorwürfe vorliegen, das Verfahren ändern. Sie wollen einfügen, dass das betroffene Mitglied des Abgeordnetenhauses an den Sitzungen des Präsidiums im Rahmen dieses Verfahren nicht mehr teilnimmt. So weit, so gut. Weiterhin ist es aber nach wie vor so, dass die Anhörung des betroffenen Mitglieds im Gesetz vorgesehen bleibt. Wie soll denn das Mitglied angehört werden, wenn es an den Sitzungen nicht teilnehmen darf?

Herr Gaebler!

Das müssen Sie uns noch erklären, spätestens im Rechtsausschuss, da werden wir uns das im Detail angucken. Vielleicht gucken Sie vorher auch noch einmal rein, was Sie da teilweise für einen Unsinn geschrieben haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gaebler! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Gram das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es kommt selten vor, dass der Kollege Gaebler und ich in vielen Teilen einer Meinung sind, aber heute sind wir es mal.

[Michael Schäfer (Grüne): Das sollte Ihnen zu denken geben!]