Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

[Beifall bei der FDP]

Meine Damen und Herren von den Grünen! Wenn Sie die Grenzen runtersetzen wollen, ich sage Ihnen, wenn sich eine Partei von einer nicht veröffentlichten 9 999-EuroSpende beeinflussen lässt, dann wird sie sich auch –

Herr Dr. Kluckert! Ihre Redezeit ist beendet.

Mein letzter Satz! – von einer 4 999-Euro-Spende, die nach Ihrer Auffassung nicht veröffentlicht werden muss, beeinflussen lassen. Deswegen bringt Ihr Antrag in der Praxis nichts. Ich glaube, wir haben gute Grenzen, und dabei belassen wir es. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Anträge Drucksachen 16/3326 und 16/3325 an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

Erste Lesung

Zwölftes Gesetz zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes – Zwangsmitgliedschaft in der Studierendenschaft beenden!

Antrag der FDP Drs 16/3323

Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP. Herr Abgeordneter Dragowski hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit jährlich 17 Euro an der Freien Universität oder 12 Euro an der Humboldt-Universität sind Sie als Berliner Studierende dabei, finanzieren Sie den AStA, den Allgemeinen Studierendenausschuss Ihres Vertrauens. So kommen in Berlin jährlich über 2 Millionen Euro für die Studierendenschaften zusammen. Bei einer Finanzierung durch alle Studierenden, jedoch nur einer Wahlbeteiligung von 10 bis 15 Prozent der Studierenden frage ich mich, wie weit das Vertrauen der Berliner Studierenden in ihre ASten geht. Immer wieder höre ich von Studierenden Kritik an den Studierendenschaften, genau an den Studentenparlamenten sowie den ASten. Wie wird denn da das Geld eingesetzt, unser Geld, das Geld der Studierenden? – Dann verweise ich auf die Studentenparlamente. Dann höre ich: Demokratische Gepflogenheiten, Beteiligung der parlamentarischen Opposition im Studentenparlament an der Haushaltskontrolle – nein, die Mehrheit bleibt unter sich. Mitglieder des AStA, also der Exekutive, sollen gleichzeitig als Mitglieder des Haushaltsausschusses, der Legislative, des Studentenparlaments die Exekutive und somit sich selbst kontrollieren. Wie soll so die Opposition die sachgemäße Verwendung der Gelder der Studierenden durch den AStA kontrollieren? Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit werden Referenten aus Kuba oder Nicaragua auf Kosten der Studierendenschaften eingeladen. Aber müssen das alle Studierenden mit ihren Zwangsbeiträgen finanzieren? Was können die Studierenden tun, um gegen die aus ihrer Sicht fehlerhafte Verwendung ihrer Gelder vorzugehen? Vor dem Verwaltungsgericht klagen, eine Strafanzeige stellen wegen des Verdachts der Untreue? – Das ist den Studenten nicht zuzumuten.

[Beifall bei der FDP]

Wir Liberalen nehmen die Kritik der Berliner Studenten ernst und handeln. Die Frage ist nur: Was ist zu tun? Was können wir als FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus tun? Und, werte Kolleginnen und Kollegen, was können Sie tun? Für die Kontrolle der ASten sind die Studentenparlamente zuständig. Die Rechtsaufsicht führt die jeweilige Hochschule. Aber wir im Berliner Abgeordnetenhaus sind als Gesetzgeber verantwortlich für den gesetzlichen Zwang, dass alle Studierenden in Berlin Zwangsmitglieder in den Studierendenschaften sein müssen und Zwangsbeiträge zahlen müssen. Als Liberale sagen wir klar, dieser Zwang ist durch nichts gerechtfertigt.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Robbin Juhnke (CDU)]

Daher werden wir ihm die gesetzliche Grundlage entziehen. Das ist unsere Aufgabe als Mitglieder des Berliner

Abgeordnetenhauses. Wir wählen bewusst nicht den Weg, die Studierendenschaften abzuschaffen, denn Aufgaben der Studierendenschaften, wie z. B. die Meinungsbildung in der Gruppe der Studierenden zu ermöglichen, sind uns Liberalen wichtig. Durch ein Austrittsrecht der Studierenden aus den Studierendenschaften nach dem ersten Semester geben wir Liberalen den Studierendenschaften vielmehr die Chance, bei den Studierenden an den Berliner Hochschulen Boden gutzumachen.

[Beifall bei der FDP]

Wir setzen den ASten und Stupas einen Anreiz, die Studierenden zu überzeugen, nicht auszutreten, sondern Mitglieder der jeweiligen Studierendenschaft zu bleiben. An ihnen allein liegt es, die Studierenden durch eine attraktivere Interessenpolitik mitzunehmen. Unser Antrag bedeutet keinen Abbau studentischer Beteiligung, auch wenn mit dem Austritt aus der Studierendenschaft ein Student das Wahlrecht zu Studentenparlament und Fachschaftsrat verliert. Das aktive und passive Wahlrecht zu den akademischen Gremien bleibt. Unser Antrag auf Änderung des Berliner Hochschulgesetzes ist der richtige Weg, den Berliner Studentinnen und Studenten mehr Freiheit zu geben.

[Beifall bei der FDP]

Wir fordern Sie alle auf, sich im Interesse der Berliner Studierenden unserem Antrag anzuschließen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dragowski! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Oberg das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zehntausende Studierende haben in den letzten zwölf Monaten zweimal in Deutschland demonstriert – für bessere Studienbedingungen, für eine Revision des BolognaProzesses, aber auch für mehr demokratische Beteiligung an den Hochschulen. Sie haben dafür gestritten, dass diejenigen, die betroffen sind, auch beteiligt werden. Die Proteste haben bewiesen: Erstens: Studierende haben gemeinsame Interessen, und zweitens: Diese gemeinsamen Interessen lassen sich am besten auch gemeinsam durchsetzen. Die Solidarisierung ist also der Schlüssel zum Erfolg, wenn es darum geht, studentische Interessen durchzusetzen.

Wir Sozialdemokraten wollen eine breite, demokratische Beteiligung von Studierenden. Unser Leitbild ist das einer demokratischen Hochschule. Hochschulen sind besondere Orte für die Gesellschaft, und sie sind prägende Orte für die Gesellschaft. Darum kann man sie auch nicht wie ein Unternehmen organisieren oder wie eine x-beliebige Behörde. Wir wollen demokratische Aushandlungspro

zesse mit Studierenden als echten und einflussreichen Akteuren. Die verfasste Studierendenschaft ist genau ein solcher Garant dafür, dass Studierende wirkungsvoll ihre Interessen artikulieren und dann am Ende auch durchsetzen können. Wir stehen zu der verfassten Studierendenschaft. Sie ist eine Errungenschaft, um die uns manch anderes Bundesland beneidet. Deswegen werden wir das auch nicht preisgeben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]

Die FDP schlägt nun vor, dass Studierende auf eigene Entscheidung aus der Studierendenschaft austreten können. – Herr Dragowski! Sie wollen, dass Studierende auf Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten verzichten können, weil ihnen 17 Euro im Jahr zu viel sind.

[Björn Jotzo (FDP): Für das, was geboten wird!]

Das ist für mich eine absurde Vorstellung. Das ist ungefähr so, als ob ein Bürger in Deutschland seine Steuerpflicht gegen sein Wahlrecht tauschen könnte. Das ist wirklich absurd. Eine solche Vorstellung von einer Organisation an der Hochschule können wir nicht teilen!

[Beifall von Markus Pauzenberger (SPD)]

Ich habe versucht, Ihren Antrag wirklich ernst zu nehmen, und habe mir überlegt: Was könnte das bringen? Wo könnten Vorteile sein, wenn man den Studierenden die Wahlfreiheit gibt, ob sie nun Mitglieder der Studierendenschaft sein wollen oder nicht?

Da ist zunächst die finanzielle Entlastung, die Sie anführen. – Herr Dragowski! Das können Sie nicht ernst meinen, weil 17 Euro zwar schon ein Betrag sind, aber es ist Ihre Partei, die Studierenden am Liebsten 1 000 Euro im Jahr für Studiengebühren abknöpfen möchte.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Da kann es doch nicht ernsthaft sein, dass man für 17 Euro seine demokratischen Beteiligungsrechte verkauft. Wo leben wir eigentlich?

[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion) – Mieke Senftleben (FDP): Muss man ja auch nicht!]

Die zweite Möglichkeit wäre der Nutzen für die Studierendenschaft – die Studierendenschaft wird revitalisiert durch einen freiwilligen Austritt. Auch das ist Nonsens, also haben auch die Studierendenschaften nichts von Ihrer Regelung. Die dritte Möglichkeit wäre, dass der einzelne Studierende jenseits des monetären Aspekts einen Vorteil hat. Auch da ist mir trotz langen Nachdenkens wahrlich nichts eingefallen, sodass also auch das ausscheidet.

Am Ende bleiben wir bei einem verschrobenen Liberalismusbegriff und einem sehr merkwürdigen Freiheitsbegriff stehen. – Herr Dragowski! Sie wollten mal wieder den Beweis antreten, dass die FDP Freiheit vor allem als Freiheit zur Entsolidarisierung begreift.

[Beifall von Markus Pauzenberger (SPD)]

Sie wollten Ihr merkwürdiges Gesellschaftsmodell auch auf die Hochschulen ausweiten. Es tut mir leid, das ist nicht die Aufgabe dieses Parlaments, und wenn Sie sich hier kraftvoll hinstellen und sagen: Wir werden das durchsetzen! – so schlage ich vor: Schauen Sie sich mal um. Jetzt sind Sie, glaube ich, noch elf Abgeordnete. Sie werden das nicht durchsetzen, und wir werden Ihnen nicht helfen, diesen Blödsinn Wirklichkeit werden zu lassen!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Anja Schillhaneck (Grüne)]

Wenn man Ihren Antrag bis zum Schluss liest, Herr Dragowski, dann stellt man fest: Sie trauen Ihrem Antrag selber nicht. Sie schreiben kleinmütig, in Sachsen-Anhalt wurde das auch gemacht, und es ist da alles nicht so schlimm gekommen. Da sind nur ein paar ausgetreten. – So, als ob Sie Sorge hätten, dass irgendjemand das ernst meint, was Sie da schreiben, und dann wirklich große Zahlen von Studierenden aus der Studierendenschaft austreten. Das trauen Sie sich nicht zu. Das wollen Sie nicht, und deswegen schreiben Sie so einen kleinmütigen Satz am Ende Ihrer Begründung hinein.

Herr Dragowski! Ich rufe Ihnen zu: Sorgen Sie sich nicht! Das, was Sie hier als fixe Idee zu Papier gebracht haben, wird eine fixe Idee bleiben. Wir werden dem nicht zustimmen. Wir werden die verfasste Studierendenschaft in Berlin weiter verteidigen, und Ihr Antrag ist nichts anderes als der hilflose Ausdruck einer intellektuell ausgebluteten FDP-Fraktion, die mit ihrem Liberalismusbegriff nichts mehr anzufangen weiß. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oberg! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Herr Abgeordnete Dragowski! – Bitte sehr!

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Ach nee! Rauben Sie uns nicht unsere Zeit!]

Frau Präsidentin! Herr Kollege Oberg! Ich habe Ihnen interessiert zugehört und habe auch viel zu dem Begriff Entsolidarisierung gehört. Leider sind Sie gar nicht auf die Begründung unseres Antrags insoweit eingegangen,

[Anja Schillhaneck (Grüne): Das mache ich nachher!]

als dass demokratische Beteiligungsrechte in den Studierendenschaften gerade verletzt werden. Schauen Sie sich doch mal an, wie im Studentenparlament mit der Opposition umgegangen wird. Das ist sicher für viele ein Grund zu sagen: Warum sollen wir diese Studierendenschaft unterstützen, wenn da – anders als noch in diesem Haus – knallhart durchgewählt wird – bei der Haushaltskontrolle, wenn sich die Exekutive selbst kontrolliert. Insoweit, Herr

Oberg, sind wir der Ansicht: Auch wenn es vielleicht ein kleinerer Geldbetrag ist,