wenn wir über 17 Euro sprechen, ist es dennoch ein Geldbetrag, den die Berliner Studierenden nicht entrichten wollen, weil sie dafür nicht nur keine Gegenleistung bekommen, sondern damit ein System fördern, welches sie nicht für tragbar halten. Insofern sollen die, die austreten wollen, auch austreten können. Wir werden es ihnen ermöglichen und weiter dafür werben.
Herr Oberg! Wenn Sie für Argumente zugänglich sind – das ist ja gelegentlich der Fall –, dann überlegen Sie noch mal! Ansonsten freuen wir uns auf die Ausschussdiskussion.
Herr Dragowski! Wie Sie aus eigener Anschauung wissen, liegen uns die Minderheiten und Beteiligungsrechte der Opposition sehr am Herzen. Deshalb haben wir auch den Anspruch, dass an den Hochschulen demokratische Gepflogenheiten entsprechend ausgelebt werden. Wenn es dort Mängel geben sollte, so muss man den Finger in die Wunde legen und schauen, wie man Abhilfe leistet. Aber es kann ja wohl nicht die Idee sein, ein Problem dadurch zu lösen, indem man einfach nicht mehr mitmacht. So funktioniert Demokratie nicht!
Demokratie heißt, auch wenn man in der Minderheit und dann in der Opposition ist – damit kennen Sie sich aus – und dies dann ein schmerzhafter – Herr Meyer, ich kann es an Ihrem Gesicht ablesen –, langjähriger Prozess ist, so sollte man dennoch nicht die Flinte ins Korn werfen. Was Sie, Herr Dragowski, machen, ist: Sie rufen alle oppositionellen Kräfte, wer auch immer das an den Hochschulen sein soll, auf, sich durch Enthaltung, durch Nichtbeteiligung dem demokratischen Aushandlungsprozess zu entziehen.
Demokratie braucht Demokraten. Das gilt auch für die Hochschule. Deswegen: Wenn man in einer verfassten Studierendenschaft der Überzeugung ist, dass es anders sein sollte, dann soll man für seine Position kämpfen, dann soll man sich nicht für 17 Euro von der Verantwortung freikaufen und aus der Studierendenschaft austreten.
Herr Dragowski! Irgendwo beschleicht mich dann doch die Idee, dass es Ihnen insgeheim um etwas anderes geht. Eigentlich wollen Sie das machen, was Ihre Kollegen in vielen anderen Bundesländern tun: Sie wollen der verfassten Studierendenschaft an den Kragen.
Sie trauen sich aber nicht, das hier zu sagen. Deswegen versuchen Sie es durch die Hintertür. Wir machen Ihnen diese Hintertür nicht auf. Sie müssen schon durch die Vordertür gehen. Dummerweise sind bei dieser Vordertür auch wiederum die Mehrheitsverhältnisse nicht anders als sonst. Sie sind in der Minderheit. Das tut weh. Aber wir schätzen die demokratischen Gepflogenheiten. Wir schätzen Ihre Minderheitenrechte. Das zwingt uns aber nicht, diesem Antrag zuzustimmen, weil: Am Ende bleibt er Nonsens.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oberg! – Für die CDUFraktion hat jetzt der Abgeordnete Zimmer das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Kollege Dragowski! Ich fürchte, es wird heute in der Tat recht einsam bleiben, wenn es um die Unterstützung Ihres Antrags geht.
Zunächst muss man vielleicht eines klarstellen, denn ich habe den Eindruck, hier geht einiges vom Verständnis her durcheinander: Wir haben die Studierendenschaft. Das ist die Gesamtheit der Studierenden an einer Hochschule. Dann haben wir Gremien und Organe. Nun kann man daran Kritik üben, wie sich Gremien und Organe organisieren und wie sie in ihrem Binnenverhältnis miteinander umgehen. Das Problem liegt doch aber nicht bei dem Umstand, dass wir eine Studierendenschaft haben, sondern darin, wie sich möglicherweise Mehrheiten in Parlamenten bilden und diese mit Minderheiten umgehen. Sie setzen aber meines Erachtens an der falschen Stelle an.
Man ist nahezu zwangsläufig Mitglied der Studierendenschaft, wenn man Student ist, und das ist auch richtig so. Genauso wie es richtig ist, dass man mit dem Erwerb der Staatsbürgerschaft Staatsbürger ist. Wenn man Ihren Gedanken konsequent weiterführen würde, dann müsste man im Endeffekt sogar Steuererleichterungen anbieten, wenn man auf sein Wahlrecht verzichtet. Und das kann nicht richtig sein, Kollege Dragowski! Ich erkenne die Missstände auch, die wir an den Hochschulen haben. Ich weiß auch, dass es viel Kritik daran gibt, wie zum Beispiel allgemeinpolitisches Mandat verstanden wird. Auch das ist richtig! Es gibt auch Leute, die sagen, allgemeinpolitisches Mandat sagen die einen, Untreue sagen die anderen. Das ist richtig, das mag so sein. Aber wenn man
es verändern möchte, dann muss man Mehrheiten dafür gewinnen, dann muss man sich in den Parlamenten durchsetzen. Was man nicht machen kann, ist zu sagen, es gefällt mir nicht, was dort passiert, ich verabschiede mich aus dem demokratischen Prozess. So gesehen zugegebenermaßen eine ungewöhnliche Allianz, die sich heute hier zeigt, aber leider kann ich Ihnen an der Stelle nicht folgen. Vor allen Dingen eingedenk des Umstandes, dass wir alle die Diskussion um Bologna, die Proteste der Studierenden noch genau vor Augen und in den Ohren haben. Dort ging es um mehr Beteiligung, dort ging es um mehr Mitbestimmung.
Das Ergebnis kann doch nicht sein, dass man sagt: Wir stellen das denjenigen, die desinteressiert sind, frei, sich dem Meinungsbildungsprozess zu entziehen. Nein, andersherum ist es richtig! Diejenigen, die sich bislang an den Hochschulen nicht engagiert und organisiert haben, müssen aufgerufen sein, das zukünftig anders zu handhaben.
Das hat nichts mit DDR zu tun, sondern das hat etwas damit zu tun, dass unsere Hochschulen Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Diese Körperschaften haben Mitglieder, und diese Mitglieder organisieren sich selbst. Diese Mitglieder gehören unterschiedlichen Statusgruppen an. Das sind Professoren, das sind Studierende, das sind Angestellte. Diese haben unterschiedliche Rechte und Pflichten in einem gedeihlichen Zusammenleben in einer Körperschaft. Nur wenn sie diese Struktur auch beibehalten, kann es funktionieren. Wenn Sie ein alternatives Modell wollen, dann kann man das haben. Nur ist es dann nicht mehr die Hochschule in Form einer Körperschaft, so wie wir sie kennen. Man kann einen Lehrbetrieb, einen Studienbetrieb anbieten, wo jemand nur hingeht, eine Dienstleistung in Anspruch nimmt und dafür Geld zahlt. Das ist ein Modell, aber das ist nicht mein Modell, wie ich mir vorstelle, dass wir unsere Studierenden an unseren Hochschulen ausbilden sollten.
So gesehen, lange Rede, kurzer Sinn: Liebe FDP! Ich glaube, dass dieser Antrag leider völlig an der aktuellen gesellschafts- und auch hochschulpolitischen Diskussion vorbeigeht. Deswegen werden wir ihm nicht zustimmen können. – Herzlichen Dank!
Das Wort für eine weitere Kurzintervention hat erneut der Kollege Dragowski von der Fraktion der FDP.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Zimmer! Nur ganz kurz: Dass Sie nicht so sehr Rücksicht nehmen auf die Gelder
war mir klar, seitdem Sie einen Bildungssoli für Kinderlose fordern. Das ist eine interessante Forderung.
Nur ein Punkt, weil auch Sie einiges zusammengeworfen haben. Sie müssen trennen zwischen der Studierendenschaft und den akademischen Gremien. Das ist unabhängig zu sehen. Studierende, die nicht mehr in der Studierendenschaft sind, können sich dennoch in den akademischen Gremien engagieren. Das tun sie, und das werden sie auch weiterhin tun. Wir haben betont, dass wir Anreize setzen, dass sich etwas ändert. Anders scheinen Sie bei dem Thema nicht weiterzukommen.
Herr Zimmer, möchten Sie antworten? – Nein? – Dann hat jetzt Herr Dr. Albers für die Linksfraktion das Wort. – Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Sie halten Ihren Kopf auch immer wieder aus dem Fenster, Herr Dragowski. So kurz vor FDP-Ladenschluss dann noch so eine hochschulpolitische Offensive, das ist schon mutig!
Sie legen uns einen Antrag vor, das Berliner Hochschulgesetz zu ändern und die Zwangsmitgliedschaft in der Studierendenschaft zu beenden. Ihr bayerischer FDPKultusminister Heubisch hält die Regelung, die Sie hier im Wortlaut für den § 18 unseres Berliner Hochschulgesetzes vorschlagen, in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 5. Juni 2010 juristisch für zumindest bedenklich und lehnt sie für Bayern ab. Für Berlin schlagen Sie uns das vor. Das muss man nun auch erst einmal verstehen. In Bayern wurden die verfassten Studentenschaften 1973 abgeschafft. Dort ist der AStA ein Unterausschuss des Senats, und der Rektor ist momentan offizieller Vorsitzender des AStA. Er muss die Beschlüsse der Studentenvertretungen genehmigen und kann dementsprechend die Genehmigung auch verweigern. Der AStA besitzt nicht einmal die Befugnis zur rechtlichen Überprüfung solcher Nichtgenehmigungen durch den Rektor. Es gibt dort seit Längerem Auseinandersetzungen um die Wiedereinführung einer verfassten Studierendenschaft. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen war der von Ihnen für Berlin formulierte Vorschlag ein Kompromissvorschlag, den die Studierenden in die Diskussion einbrachten, der dann allerdings auf keinerlei Gegenliebe bei Ihren bajuwarischen FDP-Kollegen in Verantwortung stieß.
Das ist Bildungsföderalismus! Das ist das Mosaik in Ihren Träumen! – Wesentliche Aufgabe der verfassten Studierendenschaft ist die gebündelte Vertretung der Interessen der Studierenden mit möglichst einheitlicher Stimme gegenüber der Hochschule und ihren Gremien, aber auch gegenüber Gesellschaft und Politik, zum Beispiel wenn es darum geht, Missstände zu benennen, Positionen zu beziehen zu Studienreformen, zu Studiengebühren oder zu BAföG-Regelungen. Die Verfasstheit als Körperschaft des öffentlichen Rechts und die damit verbundene Zwangsmitgliedschaft sind dabei der einzig gangbare Weg.
Ihr Antrag läuft in seiner Konsequenz – das ist schon gesagt worden – auf die Abschaffung der verfassten Studierendenschaft als Organ einer einheitlichen Interessenvertretung hinaus. Eine fakultative Mitgliedschaft würde beinahe zwangsläufig zur Gründung von Parallelmodellen studentischer Interessenvertretung führen. Das Resultat wäre die politische Zersplitterung studentischer Interessenvertretung durch Kleinstgruppen. Das können Sie nicht ernsthaft wollen!
Klare Ansage: Wir werden einen solchen Weg bei der Hochschulgesetznovellierung in Berlin nicht gehen. Wir halten gerade unter dem Aspekt einer demokratisch verfassten Hochschule die verfasste Studierendenschaft auch mit politischem Mandat für unverzichtbar.
Sie begründen Ihren Vorschlag unter anderem mit der geringen Wahlbeteiligung bei den Wahlen zu den Studierendenparlamenten. Dazu hat Herr Zimmer ja schon einiges gesagt. In der Tat lassen das Engagement für die eigene Interessenvertretung und die Teilnahme an den Selbstverwaltungsgremien der Studierenden zu wünschen übrig. Das war leider auch in früheren Zeiten so. Die aktuelle Debatte zur Situation der Studierenden zeigt, dass die Bedingungen für ein solches Engagement nicht wirklich besser geworden sind. Hier bleiben wir in der Verantwortung, die Missstände nicht nur ständig zu beschreiben, sondern sie tatsächlich auch zu beseitigen. Das wird bei der Novellierung unseres Hochschulgesetzes mit Sicherheit berücksichtigt werden. Das Problem niedriger Wahlbeteiligung bei Zwangskörperschaften gilt im Übrigen nicht nur für die Studierendenwahlen. An den letzten Wahlen der IHK – ich darf daran erinnern, im Juni 2007 – haben sich von 218 000 Mitgliedern 9 800 Mitglieder beteiligt. Das sind 4,8 Prozent. Da liegt die Wahlbeteiligung an unseren Hochschulen in der Regel immerhin noch 100 Prozent höher.
Ich will zum Schluss noch einmal auf die Begründung kommen. Auch das ist schon gesagt, Herr Oberg hat es gemacht. Sie relativieren in Ihrer Begründung bereits