Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Albers! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Schillhaneck das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, das ist mal wieder so ein typischer FDP-Antrag. Ich habe eine vage Vorstellung davon, was Sie damit meinten, was Sie wollten oder was die Intention des Ganzen ist. Lassen Sie mich mal kurz eine Interpretation des Ganzen versuchen. Dabei möchte ich insbesondere Ihre Begründung zugrunde legen. Sie haben sich eingangs darüber beschwert, dass niemand Ihre Begründung wirklich würdige. Das werde ich jetzt mal tun.

Zum einen stelle ich fest, dass Sie genau ein Modell, nämlich das, was Sie selbst am eigenen Leib erfahren haben, in einem ganz bestimmten Studierendenparlament, als Mitglied einer ganz bestimmten Oppositionsfraktion, dass Sie das offensichtlich als das einzige Modell wahrnehmen, wie Studierendenschaft im Bundesland Berlin funktioniert. Das finde ich schwierig, dass Sie sich offensichtlich keine Mühe gemacht haben, sich darüber kundig zu machen, ob das wirklich so ist.

[Mirco Dragowski (FDP): Oh, doch!]

Ich wollte Sie vorhin eigentlich kurz dazwischenfragen, aber da waren Sie schon längst beim nächsten Punkt. Vielleicht ist das auch nicht so gravierend. Aber ich kann Ihnen eines sagen: Das, was Sie anmahnen, nämlich Beteiligung der Opposition zum Beispiel am Haushaltskontrollausschuss, wissen Sie, wer das damals in der Studierendenschaft an der TU gekippt hat? – Das war der gewählte gemeinsame AStA von RCDS und an der TU Unabhängige heißenden liberalen Hochschulgruppen. Das waren nicht unsere Leute, die das damals abgeschafft haben!

[Lars Oberg (SPD): Hört, hört!]

Da muss ich ehrlich sagen, da verstehe ich nicht mehr, wie Sie sich eigentlich hinstellen und das in dieser Art und Weise anprangern können, ohne sich vorher kundig zu machen! Es ist übrigens mittlerweile wieder eingeführt. Ich weiß nicht, von welchen Erfahrungen Sie ausgehen, aber offensichtlich übertragen Sie Ihre eigenen negativen Erfahrungen auf die Gesamtheit. Das, lieber Herr Kollege Dragowski, kann nicht Grundlage eines Gesetzänderungsantrags sein!

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Mirco Dragowski (FDP)]

Ich komme ganz kurz zu der Frage, was die Studierendenschaft ist. Die Studierendenschaft, das ist von den rechts

kundigen Vorrednern bereits dargelegt worden, ist eine Teilkörperschaft. Logischerweise funktioniert das nur dann, wenn Mitglieder der Hochschule, die den Status Studierender haben, alle Mitglieder dieser Teilkörperschaft sind. Sonst kommen wir zu einer ganz absurden Situation, denn die teilkörperschaftsverfasste Studierendenschaft ist unter anderem zur Beteiligung und Regelung der Belange der wirtschaftlichen und sozialen Selbsthilfe, wie zum Beispiel das Semesterticket, Beratungsangebote und Unterstützung für Studierende mit Kind usw. zuständig. Was Sie wollen, das ist, dass für den Preis von 17 Euro oder ein bisschen weniger Studierende darauf verzichten, dass das jemand für sie klärt, weil das angeblich politisch falsch ist – so ganz haben Sie das nicht darlegen können. Da frage ich mich, was das soll. Es tut mir leid! Für mich ist das – ganz klar – einfach nur ein typischer Vorschlag der allgemeinen Entsolidarisierung. – Der Kollege Oberg hat das sehr schön auseinandergefriemelt. – Der passt zu Ihnen, aber nicht zu unserem Bild von einer verfassten Studierendenschaft. – Nein!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Darüber hinaus ist die Begründung in einigen Punkten recht erhellend. Ich möchte daraus zitieren:

die Out-Option –

führt dazu, dass sich die Studierenden aktiv mit der Frage der Mitgliedschaft und Tätigkeit des Studentenparlaments sowie des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) auseinandersetzen bzw. die Mitgliedschaft fortbesteht, wenn eine Auseinandersetzung nicht erfolgt.

Dieser Satz legt Folgendes dar: Sie gehen also davon aus, dass in dem Moment, in dem sich jemand kritisch damit auseinandersetzt, was der AStA oder das Studierendenparlament tut, er, sie oder es logischerweise darauf kommen wird, seine Mitgliedschaft in der Studierendenschaft zu kündigen. Was ist denn das für ein Demokratiebild?

[Mirco Dragowski (FDP): Das haben Sie falsch verstanden!]

Sie können doch nicht ernsthaft annehmen, dass das sinnvoll und einem Studierendenparlament angemessen wäre. Herr Dragowski! Ich glaube, da sollten Sie noch mal in sich gehen, bevor wir im Ausschuss darüber reden, ob Sie solche Formulierungen wirklich aufrechterhalten wollen.

Und dann noch ein Hinweis: Das von Ihnen dargelegte angebliche Abschaffen der Zwangsmitgliedschaft in Sachsen-Anhalt ist eher ein Prozess in die andere Richtung. Denn was Sie völlig ausblenden, das ist die Geschichte des Aufbaus der verfassten Studierendenschaft in den Bundesländern der ehemaligen DDR ab 1990, die unter anderem mit Namen wie Peer Pasternack verbunden ist. Sie skizzieren selbst, dass das früher ein völlig freiwilliges Modell war. Wir haben dort nämlich die Entwicklung von einer freiwillig basierten Rätestruktur in Richtung einer verfassten Studierendenschaft. Sie sehen das

also genau falsch herum. Wie Sie dazu kommen können, genau das als Beleg für die Richtigkeit Ihrer Thesen und Ihres Vorhabens anzuführen, das müssen Sie mir bitte noch mal im Ausschuss auseinandersetzen. – Danke!

[Mirco Dragowski (FDP): Das mache ich sehr gern, Frau Kollegin! – Beifall bei den Grünen und der SPD]

Danke, Frau Kollegin! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung, wozu ich keinen Widerspruch höre. Dann wird so verfahren.

Der Tagesordnungspunkt 6 ist bereits als Priorität unter Tagesordnungspunkt 4.5 behandelt worden. Den Tagesordnungspunkt 7 haben wir bereits als Priorität unter Tagesordnungspunkt 4.1 beraten. Die Tagesordnungspunkte 8 und 9 stehen auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 10:

Erste Lesung

Gesetz zum Vierzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/3404

Die erste Lesung wird eröffnet. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP in Person von Frau Stieglitz. – Bitte, Frau von Stieglitz, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind zwar alle bereits seit langem mit dem 15. Staatsvertrag befasst, trotzdem ist es wichtig, den 14. Staatsvertrag noch einmal aufzurufen. Geht es hier doch um den Jugendschutz im Umgang mit Medien, vor allem mit Onlinemedien. Die vielfältigen Möglichkeiten und positiven Effekte der voranschreitenden Entwicklung des Internets mit immer neuen Medienformen und Medienangeboten bringen neue Herausforderungen mit sich. Kinder und Jugendliche müssen vor Inhalten, die sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigen können, geschützt werden. Das liegt zuvorderst in der Verantwortung und im Interesse der Eltern und Erziehungsberechtigten. Der Staat ist in der Pflicht, verlässliche Rahmenbedingungen bereitzustellen, um die Eltern in ihrer Verantwortung zu unterstützen. Das ist unbestritten.

[Beifall bei der FDP]

Aber: Der Staat sollte weder an Jugendlichen und ihren Nutzungsgewohnheiten noch an den Möglichkeiten der Anbieter vorbei eine gesetzlich fixierte Medienutopie schaffen.

Leider tun Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, genau das. Sie konstruieren im vorliegenden Gesetzesentwurf ein mediales Paradies, aber eines aus Beschränkungen und Kennzeichnungen. Mit der Realität hat das Ganze leider wenig zu tun.

[Beifall bei der FDP]

Das zeigt sich sowohl bei den Pflichten für die Anbieter als auch bei den Schutzregelungen für die Nutzer. Die Kennzeichnungspflicht ist im Jugendmedienschutzstaatsvertrag so umfangreich, dass eine Kennzeichnungsflut geradezu gefordert wird. Allgemein gilt: Die vertrauten Regelungen aus dem Rundfunk gelten im globalen Kommunikationsmedium World Wide Web nicht. Sie sind dort schlicht nicht anwendbar. Das Internet ist zeitlos, immer verfügbar, und Inhalte entstehen in Permanenz. Eine permanente Kontrolle aller Inhalte ist nicht zu leisten. Da scheint in Ihrem Gesetzestext immer noch der lineare Rundfunkbegriff durch, von dem wir uns in unserer Lebenswelt schon lange verabschiedet haben.

Außerdem – damit bin ich bei den Schutzrechten der Nutzer angelangt – generieren Zugangscodes bei Sperren – etwa über Altersangaben – massenhaft persönliche Daten. Wer garantiert den verantwortungsvollen Umgang mit diesen Daten? Gerade diese Form der Ausweitung des Schutzraums für Kinder und Jugendliche im Netz durch zusätzliche persönliche Angaben erzeugt eine Datenmasse, die wiederum vor Missbrauch geschützt werden muss.

Dabei gibt es Möglichkeiten, bereits bei den Grundeinstellungen eine zusätzlich notwendige Freischaltung durch den Nutzer anzulegen. Es existieren heute bereits zuverlässige und effektive Filterinstrumente, die eingesetzt werden könnten, um Kinder und Jugendliche vor ungeeigneten Inhalten zu schützen. Diese praktikablen Regelungen sieht dieses Gesetz nicht vor.

Positiv bewerten wir die vorgesehenen Mechanismen der Selbstkontrolle, die sich bisher bewährt haben, wie etwa die FSM, die Freiwillige Selbstkontrolle MultimediaDiensteanbieter. An deren Kriterien halten sich bereits die großen Netzwerke. Das gilt für Social Networks wie studiVZ und Facebook genauso wie für die populären ChatDienste und Messenger wie MSN und ICQ.

Für uns Liberale gilt: Aufklären statt verbieten! So gut ein Gesetz auch sein mag: Dieses ist es nicht! Entscheidend ist die Ausbildung von Medienkompetenz als unverzichtbare Grundvoraussetzung für die Teilhabe an der modernen Informationsgesellschaft.

[Beifall bei der FDP]

Grundsätzlich ist im Umgang mit Jugendschutz in erster Linie auf Aufklärung und Ausbildung zu setzen, um eine Eigenverantwortung erreichen zu können. Hierfür bedarf es aber eines gesetzlichen Rahmens, der tatsächlicher Medienwelt und Mediennutzung gerecht wird, sowohl was die Anbieterseite als auch und vor allem die Nutzerseite betrifft.

[Beifall bei der FDP]

Hier erscheint uns der vorliegende Staatsvertrag als ungenügend. Jugendschutz im Internet muss für uns Liberale dem globalen, freien und partizipativen Netzwerk und dessen rasantem Wandel gerecht werden. Das leistet diese Vorlage nicht. Deshalb lehnen wir den 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ab. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP]

Danke, Frau Kollegin! – Jetzt hat der Kollege Zimmermann von der SPD-Fraktion das Wort. – Bitte, Herr Zimmermann, ergreifen Sie es!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag, Frau von Stieglitz, verbietet nichts, sondern der Staatsvertrag möchte ein Kennzeichnungssystem einführen, das die Anbieter von Inhalten verpflichtet, ihre Programme entsprechend zu klassifizieren, woraufhin die Eltern ein Filtersystem einbauen können, das diese Altersklassifizierung erkennt. Das ist der Gedanke des Vertrags des neuen Medienschutzes im Internet und kein Verbot oder Gebot, sondern basiert im Grunde auf freiwilligen Klassifizierungsmechanismen. Deswegen ist der Ansatz im Prinzip nicht verkehrt, dass versucht wird, in unserer Landeszuständigkeit eine gemeinsame Regelung zu finden, wie alle Anbieter im Internet ihre Inhalte einschätzen, wie sie sie einsortieren und dass wir den Eltern ein Instrument in die Hand geben, um einen Filter einzubauen. So haben es die 16 Länder und die Ministerpräsidenten aller 16 Länder auch beschlossen, und wir haben es nun in erster Lesung vorliegen. Seien wir ehrlich, wir werden vermutlich an diesem Staatsvertragsentwurf als Land Berlin nicht mehr viel ändern können, um nicht zu sagen, wir werden gar nichts ändern können, ohne das Ding zu Fall zu bringen.

[Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]

Wir müssen uns überlegen, ob wir es zu Fall bringen wollen oder ob wir ein Jugendmedienschutzinstrument installieren wollen, das über eine Phase von drei Jahren erprobt wird.

Sie wissen, dass wir im Medienausschuss und gerade auch wir als Regierungsfraktion diesen Entwurf äußerst kritisch betrachtet haben. Nach wie vor gibt es Kritik, die man an diesem Staatsvertragsentwurf berechtigterweise äußern kann. Das eine ist, dass die verpflichteten Anbieter nicht klar genug definiert sind. Wir hätten sehr gerne die Verpflichtung für eine Klassifizierung, beschränkt auf die Inhalteanbieter und nicht auf alle anderen, nicht auch auf die Access Provider, weil das für diese unüberwindliche Probleme darstellt.

[Beifall bei der SPD]