Berlin befürwortet mit fünf weiteren Ländern die Einberufung einer gemeinsamen Fachministerkonferenz der Agrar- und Verbraucherschutzminister der Länder für Dienstag, 18. Januar 2011. Auf dieser Konferenz sollen zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in der Lebensmittelkette beschlossen werden. Die Diskussionen darüber laufen bereits. Es liegen unterschiedliche Vorschläge vor. Dazu gehört auch die zeitnahe Freischaltung der Internetplattform www.lebensmittelwarnung.de, an deren Erstellung sich Berlin beteiligt.
Das gemeinsame Landeslabor hat die eingelieferten Proben mit höchster Priorität bearbeitet. Nach fachlicher Einschätzung besteht die wirksamste Prävention der Ber
liner Bevölkerung derzeit darin, die risikoorientiert genommenen Verdachtsproben auf Dioxin zu untersuchen. Da aktuell keine Informationen über Lieferungen von betroffenen Erzeugnissen nach Berlin vorliegen, ist eine andere, zielgerichtete Probenentnahme nicht möglich. Außerdem weise ich darauf hin, dass die Untersuchungskapazitäten im Landeslabor auch durch externe Aufträge derzeit ausgelastet sind.
Im Landeslabor Berlin-Brandenburg wurde im ersten Quartal 2009 mit der Bildung des gemeinsamen Landeslabors ein neues Dioxinlabor mit modernster Geräteausstattung in Betrieb genommen. Auch bei dieser vorliegenden optimalen technischen Voraussetzung werden von der Aufarbeitung der Probe bis zum Ergebnis derzeit fünf Arbeitstage benötigt. Aus diesem Grund wird zurzeit durch das Labor die mögliche Etablierung von rechtssicheren, das heißt gerichtsfesten Schnelltests zur Dioxinanalytik geprüft.
Die von Ihnen nachgefragte Task-Force Lebensmittelsicherheit, die wir etabliert haben, soll bei besonderen Vorkommnissen in Berlin zum Einsatz kommen. Für deren Einberufung haben wir folgende Kriterien definiert: Die Dimension des Geschehens kann nicht durch ein bezirkliches Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt allein bewältigt werden. Von einem Lebensmittel geht ein ernstes, unmittelbares oder mittelbares Risiko aus bzw. das Risiko kann nicht durch die bereits getroffenen Vorkehrungen verhütet, verringert oder beseitigt werden. Aufgrund der soeben dargestellten aktuellen Berliner Situation besteht zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus unserer Sicht keine Notwendigkeit zur Einberufung der Task-Force.
Zu den ergänzenden Fragen bezüglich der Personalausstattung nehme ich wie folgt Stellung: Die generelle Personalsituation der Berliner Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter ist nicht optimal, wobei im Vergleich der Bezirke durchaus erhebliche Unterschiede bestehen. Berlin ist jedoch bisher – wie ich ausgeführt habe – nur in geringem Umfang von dem aktuellen Dioxinskandal betroffen. Aufgrund der bekannten Problematik hat der Senat gemeinsam mit den Bezirken Schritte zur Verbesserung der Personalausstattung eingeleitet. So wurden infolge des Gammelfleischskandals 2006 ab 2008 fünf zusätzliche Stellen Lebensmittelkontrolleure und Tierärzte beim Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt Mitte zur Überwachung des Berliner Fleischgroßmarkts geschaffen. Im Schlussbericht zu den personalwirtschaftlichen Auswirkungen der Reform der Struktur des öffentlichen Gesundheitsdienstes vom Februar 2010 wurde zudem festgelegt, dass die Personalausstattung der Berliner Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter ab dem Jahr 2015 auf insgesamt 220 Stellen von momentan 197 besetzten Stellen steigen soll. Zur Unterstützung der Bezirke kann darüber hinaus im Bedarfsfall wie dargestellt die Task-Force Lebensmittelsicherheit einberufen werden.
Zur Organisation der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Berlin verweise ich darauf, dass die erforder
lichen Standards, die seit dem Jahr 2007 im Qualitätsmanagement festgelegt sind, aktuell umgesetzt werden. Dazu gehört auch die im Jahr 2009 als zentrale Landeslösung eingeführte neue Fachsoftware, die durch eine moderne Datenerfassung und -verwaltung die Effektivität der Lebensmittelüberwachung in Berlin weiter erhöht. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt geht es weiter mit der Nachfrage von Frau Kollegin Holzheuer-Rothensteiner. – Bitte!
Danke, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Sie hatten erwähnt, dass sich Berlin mit fünf anderen Bundesländern dafür eingesetzt hat, dass eine Sonderfachministerkonferenz stattfinden wird. Am 18. Januar wird das der Fall sein. Was erwarten Sie von dieser Konferenz?
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Holzheuer-Rothensteiner! Eine Sonderfachministerkonferenz ist in der Lage, dann auch Beschlüsse zu fassen, die für alle Länder verbindlichen Charakter haben und die bundesweit abgestimmt sind. Die werden derzeit vorbereitet. Ich erwarte mir tatsächlich eine verbindliche Beschlussfassung über die Maßnahmevorschläge zur Verbesserung insbesondere der Futtermittelsicherheit und der Lebensmittelsicherheit.
Da seien nur einige Beispiele genannt: Es gibt derzeit keine Anzeigepflicht für private Labore, wenn sie Überschreitungen von Grenzwerten bei Untersuchungen feststellen, die sie im Auftrag der Firmen machen. Das muss dringend geändert werden. Es gibt derzeit keine Positivliste für die Bestandteile von Futtermitteln. Es gibt lediglich lange Ausführungen, die relativ unappetitlich sind, darüber, was nicht in Futtermittel gehört. So könnte ich die Reihe noch fortsetzen.
Nun hat Kollege Gersch die Möglichkeit, eine Nachfrage zu stellen, wenn er möchte. – Das ist nicht der Fall. Dann hat Herr Isenberg von der SPD-Fraktion das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!
Frau Senatorin! Ich möchte Sie sogar bitten, die Liste der Maßnahmen, die aus Ihrer Sicht für die Beschlussfassung der Landesverbraucherministerkonferenz prioritär sind, noch fortzusetzen. Das ist doch von großer Bedeutung für uns – insbesondere auch mögliche rechtliche Fragestellungen.
Ich bitte um Nachsicht, wenn mir jetzt auf die Schnelle nicht alle Punkte einfallen. Die Positivliste und die Anzeigepflicht hatte ich erwähnt. Selbstverständlich brauchen wir eine räumliche Trennung von technischen und Lebensmittelfetten. Wir brauchen eine Verbesserung der Verbraucherinformation. Hier lauten die Stichworte: Warnplattform – bundesweit einheitlich – und Nachbesserung des Verbraucherinformationsgesetzes. – Wir brauchen eine Verschärfung der Eigenkontrollanforderung für die Unternehmen. Wir brauchen auch im Futtermittelbereich eine risikoorientierte Überwachung und überhaupt eine stärkere Fokussierung, denn da beginnt die Lebensmittelkette. Hier liegt für die Lebensmittelsicherheit ein Handlungsfeld, das bisher zu wenig beachtet worden ist.
Sehr geehrte Frau Senatorin! Sie hatten gerade aufgezählt, dass für die Einberufung der Task-Force für Lebensmittelsicherheit ein ernstes unmittelbares oder mittelbares Risiko bestehen müsste. Können Sie heute ausschließen, dass durch die dioxinverseuchten Lebensmittel – z. B. auch durch das Schweinefleisch –, die wahrscheinlich auch Berlin erreicht haben, keine ernste mittelbare Gefahr besteht, denn die Dioxinaufnahme stellt ja ein erhöhtes Krebsrisiko dar? Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie keine erhöhte Anzahl von Proben an möglicherweise belasteten Lebensmitteln in Berlin aufgrund dieses aktuellen Skandals genommen haben?
Sehr geehrte Frau Schneider! Ich hatte ja schon sehr ausführlich Stellung genommen. Die Informationskette in diesen Fällen ist eindeutig. Wir werden von den betroffenen Ländern informiert, wenn dort etwas aufgefunden
worden ist – anders haben wir auch gar keine Chance, solche Lebensmittel zu finden –, und dann machen wir es natürlich. Was wir jetzt aktuell tun, ist Folgendes: Wir kontrollieren bei den Verdachtsproben, die risikoorientiert genommen werden, verstärkt auf Dioxin. Insofern kontrollieren wir hier also auch verstärkt. Aber es besteht nach derzeitigem Erkenntnisstand kein erhöhtes Risiko, was selbstverständlich nicht bedeutet, dass man das für immer ausschließen könnte.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich frage den Senat: Wie hoch ist der neuerliche Hartz-IV-Klagerekord des letzten Jahres in Berlin, und wie ist in diesem Zusammenhang die Situation des Berliner Sozialgerichts einzuschätzen?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Lehmann! Die Belastung des Sozialgerichts Berlin durch Verfahren auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe nimmt weiterhin kontinuierlich zu. Die Zahl der neu eingegangenen Verfahren in diesem Bereich ist im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr erneut angestiegen. Waren es im Jahr 2009 noch 26 837 Klagen und Eilanträge, so sind es im Jahr 2010 31 876 Verfahren. Das ist eine erneute Steigerung der Eingangszahlen um 17,3 Prozent. Seit dem Jahr 2005 nimmt die Zahl der jährlich eingehenden Klagen und Eilanträge in den sogenannten Hartz-IVVerfahren beständig zu. Gingen im Jahr 2005 lediglich 6 826 Klagen und Eilanträge ein, ist die Zahl seitdem durch enormen jährlichen Anstieg auf einen neuen Eingangsrekord von 31 876 Verfahren im Jahr 2010 gestiegen. Seit der Einführung der Reform am 1. Januar 2005 bis Ende 2010 sind beim Berliner Sozialgericht über 117 000 Verfahren eingegangen. Ein Eingangsrückgang oder eine Stabilisierung der Eingangszahlen ist bisher nicht absehbar.
Die Beschäftigten beim Sozialgericht Berlin arbeiten unter einer sehr hohen Arbeitsbelastung. Ich würde sogar sagen, die Grenze der Belastbarkeit ist inzwischen erreicht. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt sind die Richterinnen und Richter am Berliner Sozialgericht über
durchschnittlich mit Hartz-IV-Verfahren belastet. Im Jahr 2009 hatte ein Berliner Sozialrichter 515 Hartz-IV-Verfahren zu bearbeiten. Im Bundesdurchschnitt waren es 441 Verfahren jährlich. Für das Jahr 2010 liegt zwar noch keine Zahl im Vergleich zum Bundesdurchschnitt vor. In Berlin liegt die Belastung mit Eingängen jedoch erneut über der 500-er-Grenze jährlich pro richterlicher Arbeitskraft.
Parallel zur Steigerung der Eingangszahlen ist die stetige Zunahme der Bestände festzustellen. Die Zahl der noch offenen, nicht erledigten Hartz-IV-Verfahren hat sich von 3 325 Verfahren im Jahr 2005 auf 23 296 Verfahren im Jahr 2010 vervielfacht. Zum Ende des Jahres 2010 sind beim Sozialgericht insgesamt 38 927 unerledigte Verfahren festzustellen gewesen. Das ist die Zahl der unerledigten Eingänge im Jahr 2010 insgesamt – in allen verschiedenen Sachbereichen des Sozialgerichts.
Die hohen Bestände werden das Sozialgericht auch künftig erheblich belasten, selbst wenn die Zahl der Eingänge in Hartz-IV-Verfahren zurückgehen sollte. Der Senat hat in den letzten Jahren auf die Belastung beim Sozialgericht reagiert und den Personalbestand erheblich verstärkt. Trotz der bekannten Haushaltslage ist es gelungen, den Personaleinsatz der Richterinnen und Richter am Sozialgericht von 64,5 im Jahr 2005 auf 127,14 im Jahr 2010 zu verdoppeln. Diese personelle Aufstockung hat das Sozialgericht allerdings auch räumlich an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht. Vorhandene Raumreserven sind erschöpft.
Danke schön, Herr Präsident! Danke schön, Frau Senatorin! – Welche grundlegenden gesetzgeberischen Änderungen müssten Ihrer Meinung nach auf Bundesebene erfolgen, damit wir wieder auf ein normales Maß an Klagen zurückkommen?
Herr Abgeordneter Lehmann! Wie Sie wahrscheinlich wissen, haben wir als Berliner eine Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz angeregt und auch die Federführung in derselben gehabt, um Vorschläge für eine Reform des Sozialgesetzbuchs II zu erarbeiten. Wir haben mit den Ergebnissen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister dann weitere Vorschläge erarbeitet, die leider nicht in entsprechendem Umfang Eingang in die jetzige Novelle der entspre
chenden Gesetze gefunden haben. Wir haben beschlossen, weiterhin auf der Basis dieser Arbeit, die ja nicht umsonst sein soll, über die Justizministerkonferenz möglicherweise Bundesratsinitiativen zu ergreifen. Das betrifft eine sehr große Palette von Maßnahmen. Wir hatten beispielsweise vorgeschlagen, die bisherige horizontale Berechnung des Bedarfs der Bedarfsgemeinschaften in eine vertikale umzuwandeln. Wir haben bei der aktuelle Novelle gefordert, dass der Lernbedarf so präzise formuliert werden soll, dass es nicht wieder zu weiteren Klagen führt. Wir wollen eine Vereinfachung der komplizierten Einkommensanrechnung. Auch sind wir für die Abschaffung der in meinen Augen bedenklichen Sonderregelung von Sanktionen bezüglich unter 25-Jähriger.
Ich könnte sicherlich noch eine Weile fortfahren. Wir sind jetzt gerade verabredet, die Sozialgerichte in Berlin und Brandenburg und das Landessozialgericht noch einmal anzuschreiben, welche der vorhandenen Vorschläge wir prioritär in Angriff nehmen sollten, um möglichst eine Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit zu erreichen.
Danke schön, Frau Senatorin! – Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Braun von der CDU-Fraktion. – Bitte schön, Herr Braun!
Frau Senatorin! Nun lese ich in der Zeitung, dass viele Klagen erfolgreich sind. Wenn ich richtig informiert bin, sind es über 50 Prozent. Es stellt sich die Frage, warum man nicht von vornherein in Mediationsverfahren oder vielleicht im Zusammenspiel mit der Verwaltung darauf hinwirkt, dass diese tatsächlich auch Bescheide erlässt, die nicht erst durch die Gerichte aufgehoben werden müsse, wenn man die Klagewut der Hartz-IV-Empfänger reduzieren will.
Herr Abgeordneter Braun! Sie haben vollkommen recht. Wir haben in Berlin eine außerordentlich hohe, jedenfalls teilweise Erfolgsquote von über 50 Prozent. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Hartz-IV-Verfahren in ungefähr 80 Prozent der Fälle ohne ein Urteil erledigt werden. Es werden in der Regel Vergleiche geschlossen, oder die Klagen werden zurückgenommen. Das liegt hauptsächlich auch daran, dass nach unserer Auffassung in den Jobcentern zu wenig Zeit dafür vorhanden ist, dass die Mitarbeiter den betroffenen Bescheidempfängern die Bescheide auch wirklich erklären können, sodass diese Arbeit nachher von den Gerichten durchgeführt werden muss. Insofern haben Sie hinsichtlich der Mediation vollkommen recht. Wir plädieren auch sehr dafür, dass sich
die Jobcenter eine Möglichkeit oder eine Organisationsform überlegen, wo sich die einzelnen Betroffenen bei Mitarbeitern im Jobcenter informieren können. In diesem Zusammenhang hat auch die Präsidentin des Sozialgerichts Berlin die Forderung erhoben, wiederum diese Pauschalgebühr einzuführen, um die Jobcenter „zu motivieren“ hier doch mehr in der Beratung und Aufklärung tätig zu werden.
Missbrauch personenbezogener Daten für Parteiinteressen oder Umsetzung des Kindertagesförderungsgesetzes
1. Auf welcher rechtlichen und gesetzlichen Grundlage und mit welchen politischen Absichten hat der Senat die Eltern mit Kindern im Kitaalter angeschrieben, um über die Veränderungen der Kostenbeitragspflicht in der Kindertagesbetreuung zu informieren?
2. Wie viele Briefe wurden insgesamt versandt, und wie viele der versandten Briefe konnten nicht zugestellt werden?