Angesichts der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit in der Region Berlin-Brandenburg ist absehbar, dass im Vorfeld des 1. Mai in der Bevölkerung Befürchtungen artikuliert werden.
Dann folgt sinngemäß, man müsse sich deshalb gemeinsam mit dem Senat dieser Situation stellen, wenn die Ängste in der Bevölkerung ernst zu nehmen seien. Mein erster Gedanke beim Lesen war: Nanu, wer hat denn da in letzter Zeit das Ohr am Mund des Volkes gehabt, um zu dieser Erkenntnis zu kommen? Mein zweiter: Na, bitte, der Senat ist wieder einmal nicht tätig geworden, Frau Michels, und braucht deshalb einen kraftvollen Anschwung durch das Abgeordnetenhaus.
Die Ausführungen der Koalitionsfraktionen werden meine spätere Vermutung bestätigen und uns erklären, dass der Senat nicht so ganz untätig gewesen sein kann und sich vieles bereits in der Umsetzung befindet. Deshalb handelt es sich bei dieser Initiative vielmehr um einen der beliebten Schaufensteranträge von Rot-Rot. Schaufenster nenne ich ihn deshalb, weil man in diesem Fall darin die Verdienste des Senats so richtig zur Bewunderung auslegen kann und zudem die eigenen Aktivitäten gleichwohl widerspiegeln kann.
Nein, danke! – Daher geht es im Wirklichkeit doch um etwas ganz Anderes. SPD und Linke nutzen das Thema, um uns als Landesparlament wieder einmal eine Diskussion über Mindestlöhne aufzudrücken.
Was jedoch die Mindestlohnanforderungen in diesem Antrag betreffen, wird noch einmal versucht, zweigleisig zu fahren. Zum Einen wollen die Antragsteller, dass weitere Branchen in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen werden. Da sind wir ganz bei Ihnen. Doch zum Anderen verharren sie in ihrer alten Forderung nach der Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. Das ist nicht nur unlogisch, sondern widersprüchlich und in seinen Auswirkungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber schädlich.
Vor diesem Hintergrund will die CDU nicht der Steigbügelhalter für Arbeitsplatzvernichtung, für Verteuerung von Arbeit und für eine gleichzeitige Demontage der Tarifautonomie sein. Deshalb sage ich es noch einmal in Kurzform für die Einbringer des Antrags: Die CDU lehnt einen gesetzlich flächendeckenden Mindestlohn ab. Dagegen befürworten wir die Aufnahme weiterer branchenspezifischer Mindestlöhne in das Arbeitnehmerentsendegesetz einschließlich der Umsetzung der im Rahmen des Hartz-IV-Kompromisses ausgehandelten Mindestlöhne für die Zeitarbeit.
Die Forderungen in den Anstrichen drei bis fünf treffen auf unsere Zustimmung. Wir halten sie sogar heute schon für abstimmungsfähig.
Des Weiteren wollen wir der Ordnung und Systematik halber, dass der Antrag auch in den Wirtschaftsausschuss kommt. Es geht den Antragstellern schließlich und endlich auch ganz nebenbei um die Ausgestaltung einer gemeinsamen Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion BerlinBrandenburg-Westpolen. Da wäre ein fachliches Votum des Wirtschaftsausschusses sicherlich nützlich, beispielsweise wie man trotz Arbeitnehmerfreizügigkeit die boomende Schwarzarbeit durch engere Zusammenarbeit der drei Länder erfolgreich eindämmen kann. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen, Frau Kroll, für die offenen Worte. Sie haben noch
einmal belegt, dass Sie es in den letzten Jahren auf Bundesebene sind, die die Übergangsfrist, die bis zum Mai dieses Jahres läuft, ungenutzt verstreichen ließen, ohne vernünftige Regelungen für die betroffenen Bereiche vorzusehen. Es ist Bundesrecht, was hier geändert werden muss. Sie haben es bisher verweigert.
Wir haben übrigens bei uns im Parlament auch schon seit 2006 mehrfach über dieses Problem gesprochen.
Der Senat hat bereits Vorkehrungen getroffen. Wir haben das, was auf Landesebene zu tun ist, hier bereits eingeleitet. Diejenigen, die etwas verschlafen haben, sitzen nicht im Land, sondern sitzen im Bund.
Ich möchte trotzdem nicht immer nur von den Risiken sprechen, sondern möchte zu Beginn tatsächlich auch von den Chancen reden. Das sind Chancen, die Berlin nutzen muss. Wir haben vor, eine gemeinsame Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion mit Westpolen zu bilden. Wir wollen die Herstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts gerade auch zwischen Deutschland und Polen. Dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn die Grenzen offen sind, wenn wir auch die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit haben und einen Austausch in einem gemeinsamen vernetzten europäischen Wirtschaftsraum haben. Das muss unser Ziel gerade als Metropole am Rand und an der Grenze zu dem östlichen Wirtschaftsraum sein.
Wir brauchen zweitens auch eine Antwort auf die demografische Zeitenwende, die inzwischen auch den Ausbildungsmarkt erreicht hat. Die IHK rechnet vor, dass wir inzwischen eine Tendenz haben, dass bis 2030 15 Prozent weniger junge Erwachsene auf dem Ausbildungsmarkt sein werden und wir dort gegensteuern müssen.
Wir müssen drittens etwas gegen die Abwanderung von Fachkräften tun. Deutschland hat die schlechteste Bilanz, was Zuwanderung im OECD-Raum betrifft. Wir sind über die letzten Jahre zurückgefallen. Auch das zeigt, dass wir etwas für vernünftige Zuwanderung tun müssen. Auch dem dient die Öffnung der Grenze für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Osten Europas.
Wenn wir die Nettozuwanderung also erhöhen müssen und ein eigenes Interesse als Berlin haben, müssen wir diesen Prozess gestalten. Dafür brauchen wir die Kooperation mit Brandenburg und Westpolen, am besten noch mit anderen. Es gibt dafür die Instrumente der OderPartnerschaft und anderes. Sie können sicher sein, dass der Senat diese Chancen ergreifen wird.
Es geht aber auch um die Sorgen, die viele Menschen haben, wenn die Grenzen offen sind. Die Sorgen sind natürlich überhaupt nicht unberechtigt. Und sie werden
die Bereiche im geringer qualifizierten Segment betreffen, sie werden Grenzregionen betreffen, und es wird übrigens auch Druck auf den Flächentarif geben. Wir müssen Antworten darauf finden, dass unsere Strukturen, die Tarifverträge und Lohnstrukturen betreffen, nicht ausgehöhlt werden. Deswegen sind einige Maßnahmen nun mal unverzichtbar, Frau Kroll und alle anderen, die das immer bezweifeln. Es ist unverzichtbar, dass wir Mindeststandards auf dem Arbeitsmarkt einziehen. Die Zeitarbeitsregelung ist ein Anfang, aber wir brauchen am besten für die gesamte Leiharbeitsbranche eine Aufnahme dieser Branche in das Arbeitnehmerentsendegesetz, damit dort der § 3 vollständig auch für diese Arbeitnehmer gelten kann.
Wir brauchen daneben aber auch als zweitbeste Lösung – falls das nicht klappt – Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen. Da müssen wir gemeinsam vorgehen, damit an der Stelle die Verwerfungen am Arbeitsmarkt verhindert werden können. Das Problem ist nur: Das Arbeitnehmerentsendegesetz ist viel besser, weil dann der Zoll an der Grenze agieren kann und bei Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen nicht.
Ich möchte als dritte Forderung nennen: Gerade bei den Tarifstrukturen, die im Osten leider teilweise brüchig geworden sind, fahren wir am allerbesten, wenn wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn für sämtliche Branchen einführen. Dann kann man allen, die vor der Öffnung der Grenzen Sorgen haben, ernsthaft entgegensetzen und begründet entgegenhalten, dass hier die nötigen Schutzstandards greifen und sie diese Sorgen nicht haben müssen.
Letzte Bemerkung: Lassen Sie uns nicht kleinkariert in irgendwelchen Schuldzuweisungen ergehen, sondern lassen Sie uns versuchen, die Chance, die für unsere Stadt darin liegt, gemeinsam zu ergreifen, und gemeinsam nach Regeln suchen, damit die Sorgen in der Bevölkerung dann auch behoben werden können. – Danke!
Vielen Dank, Herr Kollege Zimmermann! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat die Kollegin Schillhaneck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, der Antrag hätte vielleicht früher kommen sollen, kommen können. Wir hätten uns schon früher darüber gefreut. Wir haben dieses Thema im zuständigen Ausschuss für Europaangelegenheiten durchaus mehrfach und immer wieder dann, wenn die Verlängerung der 2+3+2-Regelung anstand, angesprochen und diskutiert. Ich fand in den vergangenen Jahren die Zögerlichkeit auch vonseiten der Koalition – ja, na ja und überhaupt – und gelegentlich auch mal ein
bisschen auf die Diskursform wie den berühmtberüchtigten polnischen Klempner einzuschwingen, immer etwas unangenehm. Ich freue mich jetzt, endlich einmal ein klar formuliertes Bekenntnis Ihrerseits zu hören.
Da sind wir an einem Punkt, wo wir sehr gut miteinander weiter diskutieren können, denn der 1. Mai 2011 ist bald da. Ich glaube, wir haben hier eine ganz gute Grundlage, auf der wir dann auch im Ausschuss die Auseinandersetzung führen können.
Wir freuen uns über das Entstehen der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit und teilen einen Teil Ihrer Bedenken, wie zum Beispiel das Problem, dass wir auf jeden Fall gemeinsam dafür eintreten müssen – auch auf Bundesebene –, dass die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden, damit es nicht durch die Hintertür zu Lohndumping und schlechten Arbeitsbedingungen kommt. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir auf jeden Fall in diesem Antrag teilen.
Nichtsdestotrotz bringen wir einen Änderungsantrag ein, der von Ihnen bereits angesprochen worden ist, weil uns zum einen der Aufbau eines dauerhaften MonitoringInstruments wichtig ist, denn die EU-Erweiterung war nicht 2002 beendet, und sie ist auch jetzt nicht definitiv beendet. Das ist durchaus auch etwas Positives, aber wir brauchen ein dauerhaftes Monitoring-Instrument, wie sich solche Dinge entwickeln und welche Auswirkungen das für die Arbeitsmarktregion Berlin bzw. BerlinBrandenburg-Westpolen hat. Wir würden uns freuen, von Ihnen zu hören, wie Sie dazu stehen und ob Sie das mittragen würden, denn wir halten das für eine wichtige Sache, um einen Gesamtüberblick zu haben und das Beste für die gemeinsame Region zu erreichen – ob es um die Fachkräfte, die Beschäftigungsbedingungen oder um die Frage geht, wie wir zu einem sinnvollen Mindestlohn kommen. Denn zumindest ein größerer Teil dieses Hauses ist sich einig, dass die Mindestlohnfrage an dieser Stelle die zentrale Frage ist. Wir alle wissen, wer das in den letzten Jahren immer blockiert hat.
Wir wissen aber auch, dass zum Beispiel bei Strukturen wie dem Charité-Facility-Management gelegentlich kreative Begründungen da sind, warum man allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge unterlaufen darf. Ich glaube, hier gibt es noch einen gewissen Handlungsbedarf – wenn ich das mal anmerken darf.
Der zweite Punkt, den wir in unserem Änderungsantrag einbringen, betrifft die Beratungsstrukturen. Ja, die gibt es bereits. Worum es uns geht, das ist die dauerhafte Absicherung, denn die Beratungsarbeit, die insbesondere der Deutsche Gewerkschaftsbund macht, in der Muttersprache der entsandten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen,
ist eine sehr wichtige. Was nützt es uns, wenn wir wissen, dass es eigentlich Regelungen gibt, dass die ein Anrecht auf den gleichen Lohn für gleiche Arbeit haben, wenn die das selbst nicht wissen? Was nützt es uns, wenn wir wissen, dass diese Rechte einklagbar sind, wenn niemand sie darin unterstützt, ihr Recht auch durchgesetzt zu bekommen? – Dann haben wir eine Lohndrückerei durch die Hintertür, und das kann nicht in unserem Interesse sein. Das ist vor allem schlicht und ergreifend ein Rechtsbruch. Deswegen ist uns die dauerhafte Absicherung dieser Beratungsstrukturen – auch mit unserer Unterstützung – sehr wichtig, weshalb wir dafür werben, dass Sie unsere beiden Punkte vielleicht übernehmen könnten. Ich glaube, dann kommen wir zu einer breiten Mehrheit in diesem Haus.
Was den Änderungsantrag der FDP betrifft – sorry, jetzt nicht, ich bin gleich am Ende –, so ist der wieder typisch FDP: Der Markt wird es schon regeln, und alles andere – juchhu! – wird sich schon irgendwie finden. Ich glaube, dass es für Sie nachvollziehbar ist, dass wir da nicht mitgehen können. – Danke!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als ich die Überschrift dieses Antrags las, habe ich mich gefreut und gedacht: Mal sehen, was da noch kommen wird. Denn ich war daran erinnert, dass am 9. Mai 2007 meine Fraktion einen Antrag in dieses Hohe Haus einbrachte, der von der Tendenz her das Gleiche forderte,
nämlich die Koalition aufforderte – ich gebe Ihnen diesen Antrag nachher, Frau Michels –, auf eine Prolongierung 2009 der Zugangsbeschränkungen zu verzichten. Was hat die Koalition mit ihrer Mehrheit gemacht? – Sie hat es geschafft, dass dieser Antrag von uns in diesem Hohen Haus am 30. April 2009 aufgerufen, beraten und natürlich abgelehnt worden ist mit der Mehrheit dieses Hauses. Damit müssen wir von der Opposition leben, und das können wir auch. Aber was wir nicht akzeptieren, das ist, dass Sie nicht nur diese zwei Jahre, sondern auch noch weitere zwei Jahre, bis heute, gar nichts unternommen haben. Sie haben nichts unternommen! Wir haben Sie aufgefordert, tätig zu werden auf Bundesratsebene, wir haben Sie aufgefordert, die Möglichkeiten, die Sie im Land Berlin haben, auszunutzen. Was haben Sie gemacht? – Sie haben bis heute abgewartet.