Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das haben wir doch schon im Ausschuss gemacht!]

und ich habe Ihnen auch im Ausschuss gesagt, dass es Kriterien geben muss, nach denen Therapeutinnen und Therapeuten Zulassungen gewährt werden, wie es bislang in dieser Form noch nicht möglich ist.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Und warum nicht?]

Deshalb ist das, was Sie hier betreiben, eine Blockade. Sie blockieren und verweigern, indem Sie den Menschen die Unterstützung nicht zugestehen. Sie entziehen sich der Verantwortung, die Sie in dieser Stadt für diese Menschen haben, indem Sie einfach nur sagen: Ich habe doch zwei Einrichtungen, da sollen die sich hinwenden! – Bei Kenntnis der Zahl derjenigen, die die Unterstützung tatsächlich brauchen, ist das unaufrichtig und keine verantwortungsvolle Politik.

[Beifall bei den Grünen]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Isenberg das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bayram! Das ist schwach gewesen. Wenn Ihnen die fachliche Diskussion und Erkenntnisgewinnung, die Sie offensichtlich nötig gehabt haben, so sehr am Herzen gelegen hat, stellt sich die Frage, warum Sie im Ausschuss nicht eine Anhörung beantragt haben. Die hätte Ihnen doch niemand verwehrt, auch wenn die Fakten auf dem Tisch liegen. Aber Sie haben sich diesem Diskussionsprozess verwehrt. Sie halten eine Betroffenheitsrede – polemisch. Besser geht es bei Ihnen überhaupt nicht mehr. Das ist keine seriöse Politik. Ich hatte gehofft, wir könnten seriös mit Ihnen zusammenarbeiten.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion und der FDP]

Der SPD und der Koalition ist es ein großes Anliegen, dass Menschen mit Migrationshintergrund gleiche gesundheitliche Rechte und Chancen erfahren, wie es für die Mehrheitsgesellschaft in der Regel selbstverständlich ist. Die Kulturensensibilität, die Themen, die wir mit dem Integrationsgesetz eingeleitet haben, weisen in die richtige Richtung.

Lassen Sie mich auf diesen Antrag eingehen, denn das hat Frau Bayram überhaupt nicht gemacht! Sie hat nur über die Sache allgemein gesprochen, statt auf die Inhalte ihres Antrags einzugehen.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Frau Bayram! Wenn Sie das getan hätten, hätten Sie gemerkt, dass Ihr Antrag erstens teilweise in der Sache erledigt ist, zweitens die falschen Adressaten aufweist, drittens fachlich überhaupt nicht zusammenpasst und schließlich deshalb abzulehnen ist – so, wie wir das heute in diesem Hause tun werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie fordern eine Sonderbedarfszulassung. Der Senat möge sich dafür einsetzen, eine Sonderzulassung für Menschen im Bereich der psychologischen Psychotherapie zu ermöglichen und zu bewirken, die als Anbieter einen entsprechenden sprachlichen Hintergrund haben. Frau Bay

ram! Für diese Entscheidung sind Klaus Wowereit und der Senat gar nicht zuständig. Das kann er gar nicht. Hier ist Ihr Antrag fachlich – lassen Sie mich das sagen – weit weg von der Realität.

Die zuständige Senatorin wird uns demnächst im Ausschuss berichten, welche Position das Land Berlin federführend in den Arbeitsgruppen der Gesundheitsministerkonferenz vorantreibt, die dann mit dem Bundesgesundheitsminister das Versorgungsgesetz diskutieren. Im Rahmen dieses Versorgungsgesetzes gibt es einen neuen Justierungsbedarf für das, wie Bedarfsplanung erfolgen darf. Sie wissen doch so gut wie ich, dass höchstrichterlich entschieden ist, dass allein die Frage, ob jemand eine Sprachkompetenz in einem Bereich hat, als Zulassungsgrund beispielsweise für einen vakanten Arztsitz nicht ausreichend ist. Es wäre eine Ermessensfehlentscheidung, wenn ein zuständiger Ausschuss – wo auch wiederum die Landespolitik gar nicht drin sitzt, sondern das geschieht durch die Selbstverwaltung – entsprechend agieren würde. Vor diesem Hintergrund kann die Forderung in Ihrem Antrag nicht sein, dass hier jemand auf Landesebene etwas zulässt, was er nicht zulassen darf, sondern dass sich die zuständige Senatorin, so wie sie es ja tut, auf Bundesebene dafür einsetzt, dass die Frage, ob jemand Türkisch, Jugoslawisch oder was auch immer als Fremdsprache spricht, ein besonderer Zulassungsgrund für eine Bedarfszulassung in unter Umständen sonst auch geschlossenen Zulassungsbereichen sein kann.

Darüber hinaus brauchen wir in Berlin eine Kleinteiligkeit dieser Bedarfsplanung. Es muss viel mehr als bisher möglich sein, dass Zulassungen erfolgen. Sie wissen so gut wie ich, dass das Land bisher überhaupt keine Initiativrechte hat. Es hat keine Mitspracherechte bei diesen Entscheidungen. Das ist auch mal zu ändern – bei all dem, wofür sich das Land Berlin mit unserer Gesundheitssenatorin auf Bundesebene gegenwärtig einsetzt.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Kommen wir zu dem nächsten Punkt in Ihrem Antrag. Sie fordern leicht verständliches Informationsmaterial. Nun gut, die Senatorin hat im Rahmen der Landesinitiative eine entsprechende Publikation herausgegeben, die mehrsprachig im Internet vorhanden ist. Sie fordern Mediatoren im multikulturellen Bereich. Auch hier sind wir mit den Dometscherdiensten sehr weit vorangekommen. Wir wollen keine Parallelstrukturen.

[Canan Bayram (Grüne): Interkulturell – das ist doch schon sprachlich ein Unterschied!]

Wir wollen, dass sie diese Dolmetscherdienste noch besser als bisher nutzen können, damit dann dort auch kultursensibel sprachlich übersetzt werden kann, wo ein Zugangsproblem besteht.

Schließlich möchte ich Sie bitten, mal in das Wahlprogramm der SPD zu gucken. Dort steht ganz klar, dass wir erfolgreich den Weg fortsetzen wollen, der für die vier- oder fünftausend Fälle besteht, wo Migrantinnen und Migranten, die offiziell keinen Aufenthaltsstatus in

Deutschland haben, Zugangsprobleme zur medizinischen Versorgung haben. Da wäre das anonyme Rezept die Lösung, die Sie fordern müssten.

Deshalb das Fazit: Der Antrag ist in dieser Form fachlich überholt, jenseits der Realität und einfach nur abzulehnen. Dennoch freue ich mich auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Czaja das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Isenberg! Dass Sie sich bei einem solch fachlichen Antrag dann auf die Zusammenarbeit mit den Grünen freuen, wundert mich. Ich halte das für ein bisschen verlogen, was Sie gerade eben gesagt haben.

[Heiterkeit – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Aber das obliegt ja Ihnen.

[Torsten Schneider (SPD): Das war ein Superlativ!]

Wir haben im Ausschuss über diesen Antrag beraten, und ich wundere mich, dass wir es an dieser Stelle noch tun, denn die Intention haben wir alle miteinander geteilt. Chancengleichheit bei der psychosozialen Versorgung von Migrantinnen und Migranten – da gab es keinen Dissens, auch was die Notwendigkeit betrifft, hierbei mehr zu leisten und mehr zu tun. Aber die große Betroffenheit, die die Grünen in ihrem Redebeitrag in das Plenum getragen haben und die auch im Ausschuss gezeigt wurde – teilweise wurde von menschenverachtender Politik in Berlin gesprochen –, ist jedenfalls mit diesem Antrag nicht zu begründen. Denn fachlich ist er wenig geeignet.

Man muss sich das einmal vorstellen: Man möchte, dass man bei der Kassenärztlichen Vereinigung nur aus dem Grund eine Zulassung als Psychotherapeut bekommt, weil man eine besondere Sprache spricht, obwohl man die anderen Ausgangsvoraussetzungen als Psychotherapeut nicht hat. Denn das ist uns im Ausschuss klar und deutlich gesagt worden. Eine Anhörung hätte das noch einmal deutlich gemacht, aber das wollte man nicht. Man wollte gern in die eigene Klientel gehen und einen solchen Antrag formulieren, der aber fachlich wenig geeignet ist.

[Beifall bei der CDU]

Eine reine Zulassung nur aufgrund von Sprachkompetenz wird es nicht geben und kann es auch gar nicht geben, da die Kassenärztliche Vereinigung hierfür zuständig ist und nicht das Parlament. Und auch der Senat ist nicht zuständig, so gern wir Frau Lompscher für viel Fehlverhalten kritisieren. Aber an dieser Stelle läuft das wirklich fehl. Deswegen bekommen Sie von uns einen kurzen Redebei

trag und eine nachsichtige Enthaltung zu diesem Antrag. Inhaltlich ist dem, was Kollege Isenberg zu diesem Antrag gesagt hat, nicht viel hinzuzufügen. Von uns gibt es eine nachsichtige Oppositionsenthaltung zu diesem Antrag.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die Linksfraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Albers das Wort. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Keine nachsichtige Enthaltung, sondern eine klare Absage, Herr Czaja! Der vorliegende Antrag schildert zwar in der Tat ein Problem im psychosozialen Hilfe- und Versorgungssystem. Allerdings existiert dieses Problem nicht erst, seit die Grünen es als Problem erkannt haben. Anders, als es ihr Antrag suggeriert, ist ja auch bereits einiges geschehen. So sind Ihre Forderungen nach verständlichem Informationsmaterial und entsprechender Öffentlichkeitsarbeit längst erfüllt. Und seit 2003, Herr Isenberg hat es erwähnt, steht z. B. der Gemeindedolmetscherdienst zur Verfügung, um Sprachbarrieren auch bei einer medizinischen Behandlung mit speziell dafür ausgebildetem Personal zu verringern.

In unserer Stadt muss auch für Menschen mit Migrations- und Immigrationshintergrund, die einen wachsenden Teil unserer Stadtgesellschaft bilden, der Zugang zu den entsprechenden Hilfesystemen gewährleistet sein. Bei der Vielfalt der ethnischen Herkunft dieser Menschen, bei ihren unterschiedlichen Migrationshintergründen und den daraus resultierenden ganz unterschiedlichen Versorgungsbedürfnissen stößt das ganz natürlich auch auf objektive Schwierigkeiten. Wir sind dennoch bestrebt, unser Versorgungssystem so anzupassen, dass es angemessen und kultursensibel auf die Behandlungs- und Betreuungsbedürfnisse auch von Migrantinnen und Migranten reagieren kann.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sie fordern in Ihrem Antrag, in Kooperation mit der KV eine Sonderbedarfsförderung für muttersprachliche Psychotherapeuten zu „ermöglichen“ – steht da wörtlich. Auf diese Idee sind vor Ihnen auch schon andere gekommen. Zwei Urteile – Herr Isenberg hat auch das erwähnt – aus den Jahren 2007 und 2008 des Bundessozialgerichts stehen dem leider entgegen. Für psychologische Psychotherapeuten und Nervenärzte bestehen in Berlin seit längerem Zulassungsbeschränkungen. Nach § 103 Abs. 4 SGB V hat der Zulassungsausschuss für das Auswahlverfahren zur Nachbesetzung von Arztsitzen zwischen den Bewerbern nach fachlichen Kriterien auszuwählen, zu denen entsprechende Sprachkenntnisse nach Ansicht dieser Richter nicht gehören. Mir fehlt für eine solche Entscheidung zwar jedes Verständnis, bedeutet das doch nichts anderes, als dass ich nach fachlichen Kriterien die Zulassung zur Behandlung von Patienten bekomme, deren

Sprache ich zwar nicht spreche und die ich deshalb auch eigentlich nicht behandeln kann, aber zu deren Behandlung ich fachlich fähig wäre, wenn ich denn ihre Sprache spräche. Das ist absurd. Angeblich sei eine auf Sprachkenntnisse gestützte Auswahlentscheidung ermessensfehlerhaft. – Das mag ja sein. Aber wenn es die Möglichkeit einer Sonderbedarfszulassung gibt, dann muss es auch möglich sein, die Kriterien dieses Sonderbedarfs zu definieren. Da wären dann die besonderen Sprachkenntnisse aufzunehmen, weil ein entsprechender muttersprachlicher Versorgungsbedarf für diese Klientel besteht. Aber die Rechtssituation ist nun mal eine andere, und sie ist wie sie ist.

Ich habe die Zahlen in der Plenardebatte vom Juni 2009 bereits genannt. Von den 1 419 niedergelassenen psychologischen Psychotherapeuten mit einer Kassenzulassung verfügen gerade 142 über Sprachkenntnisse der größten Einwanderungsgruppe Berlins. Die Niederlassung von Psychotherapeuten und -therapeutinnen mit Migrationshintergrund und entsprechenden Sprachkenntnissen muss also vorrangiges Ziel bleiben. Allerdings befand sich unter den 187 psychologischen Psychotherapeuten, die in den Jahren 2002 bis 2006 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – eine Berufserlaubnis erhalten haben, niemand mit ausländischem Pass. Und unter den 375 psychologischen Psychotherapeuten, die in Berlin eine Approbation erhielten, waren im gleichen Zeitraum ganze acht Ausländer und Ausländerinnen.

Da mache sich allerdings auch niemand Illusionen. Bei geschätzten 82 Sprachen in dieser Stadt und einer noch weit höheren Zahl von unterschiedlichen kulturellen Migrationshintergründen werden Sie eine muttersprachliche Therapie nur schwerlich in allen diesen Fällen gewährleisten können. Umso wichtiger ist es zu betonen, dass in unserem medizinischen Versorgungssystem ein entsprechender kultursensibler Umgang mit Migranten ein grundlegendes Prinzip sein muss und natürlich nicht allein eine Sache der Muttersprache sein kann.

Es gilt in diesem Zusammenhang, kurzfristig entsprechende Lösungsansätze, z. B. in Form von Angeboten zu Fortbildungen in interkulturellen Fragestellungen, im Rahmen des vorhandenen Versorgungssystem zu fördern, wie es bereits geschieht. Mittelfristig müssen wir allerdings mehr Menschen mit Migrationshintergrund zu den entsprechenden Studienabschlüssen bringen. Das heißt aber z. B. auch, dass wir endlich intelligentere Zulassungskriterien als eine Abiturnote von 1,0 zum Medizinstudium entwickeln müssen, damit auch mehr Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit erhalten, ein entsprechendes Studium aufzunehmen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Also alles wie gehabt: grüne Tünche, moralingeschwängertes Empörtsein ohne reale Alternative. Sie beschreiben in Ihrem Antrag ein Problem, –

Herr Dr. Albers! Ihre Redezeit ist beendet.

tragen aber zur Lösung dieses Problems wie gewohnt in Ihrem Antrag überhaupt nichts bei. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]