Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Gersch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bayram! Sie wollen unbedingt noch mal zu diesem Antrag sprechen. Da kann ich Ihnen auch noch mal sagen: Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Allerdings ist genau das Ihr Antrag.

[Beifall bei der FDP]

Sie sprechen ein Problem an, das zweifellos vorhanden ist. Insbesondere Flüchtlinge leiden unter den Gründen und den Rahmenbedingungen ihrer Flucht. Sie müssen Verwandte, Freunde und die gewohnte Umgebung hinter sich lassen und sich auf ein neues Umfeld einlassen. Da müssen psychosoziale Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Das ist – glaube ich – Konsens in diesem Haus.

Allerdings gibt es dazu bereits eine Reihe von Hilfen. Ich erinnere da nur an das Behandlungszentrum für Folteropfer, und wenn ich mich recht erinnere, hat das im Rahmen der letzten Haushaltsberatung zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt bekommen.

Im Antrag steht viel von muttersprachlichen Informationen und Therapeuten für Zuwanderer. In Ausklammerung der Flüchtlinge, die zu uns kommen, erlaube ich mir hier die Frage: Inwieweit nehmen wir den Zuwanderern, die seit Jahrzehnten hier leben, jegliche Möglichkeit und Notwendigkeit zum Spracherwerb und zur Integration, wenn ich alle Bereiche der staatlichen Daseinsvorsorge mehrsprachig anbiete?

Der Antrag der Grünen ist aus meiner Sicht nicht der richtige Ansatz, um mehr Chancengerechtigkeit in der psychosozialen Versorgung von Migrantinnen und Migranten herzustellen. Ich bin nicht dafür, im Rahmen einer Sonderbedarfsförderung die Zulassung muttersprachlicher Therapeuten zu vereinfachen. Das bedeutet doch letztlich: Wer mehr Sprachen beherrscht, muss fachlich weniger gut sein. Im Interesse aller kranken Menschen stellt sich meine Fraktion gegen alle Maßnahmen, die eine Absenkung der ärztlichen Betreuungsqualität bedeuten.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Außerdem ist es wie in vielen anderen Berufen bei der Polizei, in der Verwaltung und eben auch im medizi

nischen Sektor eher nötig, Menschen mit Migrationshintergrund dazu zu bringen, dort eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren.

Ich vermisse in dem Antrag allerdings auch den präventiven Ansatz. Die hier gemachten Vorschläge beziehen sich größtenteils auf den Fall, dass die Krankheit schon ausgebrochen ist. Aus meiner Sicht ist es besser, wenn wir die Entstehung psychosozialer Erkrankungen erst gar nicht zulassen, übrigens egal, ob bei Migranten oder Deutschen.

In beträchtlichem Maße werden psychosoziale Erkrankungen durch die sozialen Lebensumstände ausgelöst. Diese müssen entsprechend gestaltet und verbessert werden, und hier hat der Senat in den Jahren versagt. Nicht nur aber im beträchtlichen Maße sind Menschen mit Migrationshintergrund von Arbeitslosigkeit und den daraus resultierenden Folgen betroffen. Insbesondere Migranten verfügen oftmals über keine Berufs- oder gar keine Schulabschlüsse. Wer länger als 12 Monate arbeitslos ist, trägt im Durchschnitt ein doppelt so hohes Krankheitsrisiko wie ein Berufstätiger. Unter dieses Risiko fallen dann auch insbesondere psychische Erkrankungen. Auch andere Umstände wie Zwangsheirat und innerfamiliäre Gewalt belasten die Seele.

Für die daraus resultierenden sozialen und auch psychischen Folgen ist der Senat verantwortlich, denn er hat sich in den letzten Jahren schlichtweg geweigert, dieses Problem zu lösen, von der verfehlten Integrationspolitik, die Rot-Rot und die Grünen verfolgen, ganz zu schweigen. Mit Ihrem jahrelangen Laisser-faire in Fragen der Integration und Ihrer Multikultifixierung sind Sie dafür verantwortlich, dass Menschen zwischen zwei Kulturen und Wertewelten

[Özcan Mutlu (Grüne): Sie haben ja keine Ahnung!]

mehr als Sie, Herr Mutlu – hin und hergerissen sind, was auch zu psychischen Erkrankungen führen kann. Nachhaltige Hilfe ist eher durch eine Verbesserung der Lebenslage als durch muttersprachliche Informationen und Therapeuten sicherzustellen. Darum können wir uns bei diesem Antrag nur noch enthalten. – Danke!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Gersch! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Zum Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/2418 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen Grüne bei Enthaltung der CDU und der FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Grünen. Danke! Die Gegenprobe! – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit.

Dann ist der Antrag abgelehnt. Es enthalten sich die FDP und die CDU. – Danke schön!

Die lfd. Nr. 23 steht auf der Konsensliste.

Schon komme ich zur

lfd. Nr. 23 A:

Dringliche Beschlussempfehlung

Volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 gemeinsam in der Region Berlin-Brandenburg-Westpolen gestalten

Beschlussempfehlung EuroBundMedienBerlBra Drs 16/3954 Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/3901

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Für die Beratung mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten liegt mir bisher nur eine Wortmeldung der FDPFraktion vor. Die FDP-Fraktion hat in Person von Herrn Dragowski das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Uns als FDP-Fraktion ist es wichtig, zu diesem Punkt noch einmal zu sprechen,

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

und wir können, Kollege Gaebler, auch nicht nachvollziehen, warum die Angelegenheit so dringlich durchgezogen werden muss und man sich keine Zeit mehr für eine Diskussion nimmt. Wir hätten gerne noch einmal das Protokoll aus dem Europaausschuss hinzugezogen und analysiert, da gab es äußerst interessante Wortbeiträge.

[Christian Gaebler (SPD): Von Ihnen vor allen Dingen!]

Ja, Herr Kollege Gaebler, ich glaube, Sie haben sich nicht einmal zu Wort gemeldet, da können Sie jetzt auch ruhig sein.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Folgendes Problem möchte ich festhalten: Mit Ihrem Antrag stellen Sie Ihr angebliches Eintreten für die Arbeitnehmerfreizügigkeit dar, und hier muss klar festgehalten werden: Sie haben sich nicht einmal vorbehaltlos, Frau Kollegin Michels, Herr Kollege Zimmermann, für die Arbeitnehmerfreizügigkeit eingesetzt! Sie stellen das immer so geschickt dar,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Oh, geschickt!]

aber wir lassen Ihnen das nicht durchgehen.

[Beifall bei der FDP]

Sie haben alles an Ihre Mindestlohnforderung gekoppelt, und ich erinnere mich noch an die Ausschussdiskussion mit Herrn Wirtschaftssenator Wolf. Nachdem die Bundesratinitiative für einen Mindestlohn gescheitert war, haben wir als FDP-Fraktion ihn aufgefordert, zumindest separat eine Initiativer für die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu star

ten. Das hat er mit dem Verweis auf die Position von RotRot abgelehnt, dass man die Arbeitnehmerfreizügigkeit nur dann haben will, wenn man auch den Mindestlohn hat.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Böse!]

Das ist eine Europapolitik, die wir als Liberale ablehnen, und das ist auch keine Willkommenskultur gegenüber den neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Europa, das können Sie sich echt sparen!

[Beifall bei der FDP]

Als wir dann ein wenig Sachlichkeit in die Diskussion gestern im Ausschuss bringen wollte, gab es Empörung ohne Ende – von Frau Staatssekretärin Helbig, von Kollegin Michels

[Beifall von Uwe Doering (Linksfraktion)]

und von Kollegin Schillhaneck. Das ist wirklich beeindruckend – ohne Faktenkenntnis wurde die FDP aufs Übelste beschimpft,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Gemein!]

man würde jetzt endlich sein wahres Gesicht zeigen. Was war passiert? – Wir haben die Nutzung des Begriffs Lohn- und Sozialdumping kritisiert. Unserer Ansicht nach spielt das genau den Leuten zu, die Sie angeblich aufklären wollen, Sie wollen ja angeblich gegen die Ängste vorgehen, die in der deutschen Bevölkerung vor der Öffnung am 1. Mai existieren. Mit der Begrifflichkeit Lohn- und Sozialdumping schüren Sie aber solche Ängste, und das lehnen wir als Liberale ab.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben den Versuch unternommen, uns sachlich mit dem Thema zu beschäftigen, und in der ersten Rederunde gesagt, was das Institut der Bundesagentur für Arbeit formuliert hat, dass durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit kurzfristig die Lohnkosten sinken und die Arbeitslosenquote steigt – da gab es Empörung, und das war der Anlass für die Beschimpfung. In der zweiten Rederunde habe ich die Zahlen genannt: Es ging um 0,1 Prozent kurzfristiges Sinken des Lohnniveaus, um 0,1 Prozent kurzfristig steigende Arbeitslosigkeit, aber mittel- und langfristig profitiert die deutsche Bevölkerung außerordentlich von der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Solche Punkte lassen Sie bewusst weg, denn es hilft Ihrer Sozialdumping- und Lohndumpingrhetorik nicht, und das müssen wir auch mal ansprechen!

[Beifall bei der FDP]

Im Übrigen bin ich dem Kollegen Scholz von der CDU dankbar, denn er hat dargestellt – und das können wir nur unterstreichen –, dass es diesen Mythos vom billigen Polen oder wie auch immer man diese Legende nennen möchte, einfach nicht mehr gibt. Auch in Polen wird zum Glück gutes Geld verdient, auch da ist der Aufschwung und das Wirtschaftswachstum angekommen. Wenn Sie nun Ihre Idee einer gemeinsamen Arbeitsmarktregion formulieren, die unter sogenannten fairen Bedingungen und sozialen Standards laufen sollen, dann können wir