Protokoll der Sitzung vom 24.05.2012

Mit allen Verbesserungsvorschlägen, die der Tätigkeitsbericht auch an uns, den Gesetzgeber, richtet, vor allen Dingen aber mit den Erfolgen, die er aufführt, macht er deutlich, mit welchen differenzierten und herausfordernden Fällen es die Behörde des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen zu tun hat. In den fast 20 Jahren ihrer Existenz hat sich hier ein Expertenwissen angesammelt, auf das wir nicht mehr verzichten können.

Ich wünsche Ihnen, Herr Gutzeit, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin viel Erfolg. – Sie liebe Kolleginnen und Kollegen rufe ich ausdrücklich auf, den

Bericht zu lesen, die Arbeit der Behörde zu verfolgen und zu unterstützen, denn es ist unser aller Geschichte, um die es hier geht, und sie ist noch lange nicht überwunden. Wir müssen als Demokraten alle klar Stellung beziehen.

Auch eine Überprüfung der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin auf eine hauptamtliche und inoffizielle Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit halte ich nach wie vor für richtig.

[Beifall von Monika Thamm (CDU)]

Die Einsetzung eines parlamentarischen Ehrenrats, der gegebenenfalls eine weitere Bewertung von Erkenntnissen vornimmt und diese erörtert, halten wir weiterhin für das richtige Instrument.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Otto das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Gutzeit! Ich möchte Ihnen auch im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen danken für die Arbeit, die Sie im letzten Jahr für die Aufarbeitung der Diktatur hier in Berlin geleistet haben, und hoffe, dass Sie diese Arbeit auch fortsetzen können. Die Kollegin von der SPD hat ja eben schon darüber gesprochen, dass das Gesetz ausläuft, das zum Inhalt hat, dass es einen Landesbeauftragten überhaupt gibt. Ich denke, wir sollten das sehr positiv diskutieren und uns dann zeitnah auch über die Verlängerung verständigen.

Sie haben uns den 18. Bericht des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes vorgelegt. 18 Berichte gibt es schon! 23 Jahre nach der friedlichen Revolution haben wir jetzt schon. Ich stelle mir dann manchmal die Frage: Wie lange wirkt eigentlich Diktatur nach? Wie lange wirken Lebenserfahrungen nach, die man in einem Staat gemacht hat, der eine Mauer um sich gezogen hat, um die Menschen daran zu hindern, ihn zu verlassen, ja, wie lange dauert das? Was gibt es für Schäden? Was tragen Menschen, die politisch verfolgt waren, die vielleicht Häftlinge waren, noch mit sich herum? Wie kann man denen helfen? Und wie lange muss man das tun? – Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass man das noch sehr lange tun muss, möglicherweise, solange diese Menschen leben.

Es gibt nach wie vor erheblichen Bedarf an Beratung in Rehabilitierungsfragen. Auch das kann man in dem Bericht nachlesen. Wieso kommt das? Wieso fällt Leuten nach 23 Jahren ein, eine Rehabilitierung zu beantragen? –

Das liegt zum einen daran, dass viele vielleicht keine Kenntnisse über die Möglichkeiten hatten. Das liegt zum anderen daran, dass es vielleicht neue Gesetze gibt. Und es liegt vielleicht auch daran, dass Menschen einfach in anderen Lebenslagen waren. Wer beruflich eingespannt war und erst im Alter nach vielen Jahren anfängt, darüber nachzudenken, was in seinem Leben passiert ist, und dann darauf kommt – all das sind Gründe, die Leute dazu kommen lassen, über 20 Jahre nach dem Ende der DDR Rehabilitierung zu beantragen, Entschädigung zu beantragen, eine Opferrente, auch die gibt es ja, zu beantragen. Also ich bin der Überzeugung, dass wir diese Beratung noch brauchen, und zwar nicht nur durch den Landesbeauftragten, sondern natürlich auch von den freien Trägern, die es gibt.

In dem Bericht kommt wieder die psychosoziale Beratungsstelle Gegenwind vor, wo Leute hinkommen können, die wirklich psychische Schäden davongetragen haben, nicht nur aus Haftgründen, sondern vielleicht auch, weil sie beruflich unter Druck gewesen sind, vielleicht auch, weil die Familie durch Einwirkungen von Staatssicherheit und anderen Repressionsorganen zerstört wurde. All diese Dinge schleppen viele Menschen noch mit sich rum. Ich glaube, für die braucht es solche Beratung, braucht es solche Unterstützung. Wir tun als Abgeordnetenhaus gut daran, dergleichen auch weiterhin positiv zu begleiten.

In dem Bericht ist noch ein interessanter Aspekt drin: Da tauchen Leute auf, nehmen wir mal an, irgendjemand, der von der Staatssicherheit verfolgt war, muss zu irgendeiner Stelle, Behörde oder zu irgendeinem Amt oder so oder vielleicht bei irgendeiner Firma oder einem freien Träger, und er trifft da auf Leute, die Stasi-Mitarbeiter waren, die vielleicht bei der politischen Kriminalpolizei waren, mit denen er direkt zu tun hatte. Ich habe mal so einen Fall erlebt, da hat ein Bürger jemanden aus der Abteilung Inneres des Stadtbezirks – das waren die, die für die Ausreiseanträge zuständig waren –, da hat er den getroffen, der damals seinen Ausreiseantrag abgelehnt hat. Der arbeitete mittlerweile im Sozialamt. Da ist Folgendes passiert: Der Bürger ist sozusagen über den Schreibtisch und hat den Täter da rübergezogen. Das war sozusagen eine handfeste Selbsthilfe. Aber auch so was passiert. Leute treffen Menschen, von denen sie früher terrorisiert wurden. Auch damit muss man umgehen. Auch darüber muss man sich Gedanken machen. In dem Bericht steht, dass es solche Fälle gibt, dass man dann dergleichen dem Landesbeauftragten meldet, wo vielleicht bei öffentlichen Stellen in unangebrachter Weise solche Personen tätig sind. Auch das ist ein ganz wichtiger Teil in dem Bericht.

Sie haben uns dann über die politische Bildungsarbeit berichtet, über das, was Sie auch an Förderung für freie Träger machen. Da ist mir die ASTAK ins Auge gestochen, die Antistalinistische Aktion, die in der Rusche

straße im Haus 1 residiert. Ich bin neulich mal mit dem Kollegen Lux dort zu Besuch gewesen. Wir haben uns die Ausstellung angesehen. Das Haus ist ja saniert worden. Ich finde es denkmaltechnisch nicht ganz so gut gelungen. Aber das Haus ist wieder hergerichtet. Und Sie können sehen, wie viele Leute da unterwegs sind, wer da an Gruppen von Schülern über Bundeswehr bis irgendwo, was da für Gruppen durchgehen. Das ist ein interessanter Ort. Wir haben uns mit dem Bundesbeauftragten, mit Roland Jahn unterhalten. Der hat die Idee – ich will das hier anregen –, dass man dort so was macht wie einen Campus der Demokratie, so hat er das genannt. Also früher war da Staatssicherheit, früher war da Erich Mielke, früher war da ein geschlossener Raum. Und wenn man jetzt sagt, Mensch, das ist ein offener Ort, das ist ein Ort des Gedenkens und der Bildung, dann könnte man da, glaube ich, nicht nur für den Bezirk Lichtenberg, aber auch für den, sondern für Berlin und für die ganze Bundesrepublik eigentlich einen interessanten Ort machen, wo man eben sich erinnert, aber wo man auch vielleicht – das klingt etwas archaisch, gebe ich zu – so ein bisschen den Sieg über die Diktatur feiern kann. Das ist eine Idee für diesen Ort. Ich glaube, das ist wert, dass wir uns gemeinsam darüber Gedanken machen. Da muss sich der Bund bestimmt engagieren, aber vielleicht auch Berlin. Sie wissen, wenn Jubiläen anstehen, dann ist es immer besonders günstig, sich Gedanken zu machen, wir haben demnächst 25 Jahre friedliche Revolution im Jahr 2014. Wenn wir zu diesem Zeitpunkt dort diesen Campus der Demokratie mit Herrn Jahn einweihen könnten, wäre das, glaube ich, eine Supersache.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den PIRATEN]

Ich will dann noch auf zwei andere Orte in der Stadt eingehen, die mit der Geschichte sehr eng zu tun haben: Das eine ist die Bernauer Straße. Da kriegen wir mit, es ist nach wie vor sehr traurig, dass in den Neunzigerjahren für die Erinnerung, für Gedenken gerade an solchen Orten, wo die Mauer war, zu wenig getan wurde. Wir haben in der Bernauer Straße die Gedenkstätte. Und wenn Sie mal gucken, was da geplant war, die Gedenkstätte selber, der erweiterte Bereich, bis heute ist das nicht fertig, auch über 20 Jahre nach dem Mauerfall ist das nicht fertiggestellt. Ich wünsche mir, dass da möglichst schnell die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Konflikte mit den Eigentümern löst, den B-Plan fertig macht und dann dieser Postenweg gestaltet wird, aber nicht so, dass Sie da die Leute ein zweites Mal enteignen, sondern dass Sie sich mit denen verständigen. Da gab es eine Mediation. Die hat bisher keinen Erfolg gehabt, aber ich glaube, das ist gerade an so einer sensiblen Stelle ganz wichtig, dass die Senatsverwaltung behutsam vorgeht und mit den Leuten irgendeine Einigung findet.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ein letzter Ort, den ich erwähnen will, ist der Checkpoint Charlie. Immer wenn ich dahin komme, muss ich sagen, es ist eigentlich wie ein Rummelplatz. Das gefällt uns nicht. Wir wünschen uns, dass da auch ein etwas würdigerer Ort ist, ein würdigeres Ambiente, dass man da auf ein paar Informationstafeln auf die Geschichte des Ortes hinweist.

Herr Kollege! Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme gleich zum Schluss. – Ob das Museum des Kalten Krieges, das meines Erachtens mehr eine Erfindung der Linken war, in zusätzlich angemietete Räume unbedingt dahin muss, das weiß ich nicht. Lassen Sie uns lieber darüber nachdenken, ob wir das Haus am Checkpoint Charlie, das Museum vielleicht qualifizieren können. Das ist möglicherweise der lohnendere Weg.

Einen allerletzten Satz zu der Überprüfung: –

Aber bitte wirklich den Letzten!

Wir sind dafür, dass wir diesen parlamentarischen Ehrenrat einsetzen. Es gab ein bisschen Irritation, ob das alle betreffen soll oder nur die, die 1989 vielleicht schon 18 Jahre gewesen sind. Aber das müssen wir jetzt nicht im Einzelnen diskutieren. Wir werden diesem Antrag zustimmen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den PIRATEN]

Herzlichen Dank, Herr Kollege Otto! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Dr. Uwe Lehmann-Brauns das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Gutzeit! Dieser 18. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten erweist in vielen seiner Kapitel, dass seine Tätigkeit sowohl aktuell als auch hilfreich ist – aktuell, weil eine Diktatur – das ist hier schon angeklungen – auch nach ihrem Scheitern nicht erledigt ist, sondern Dauergeschädigte, Entwurzelte, Verstörte zurücklässt. Das ergibt sich schon aus den Kapitelüberschriften des Berichts. Nicht nur aus der Sicht der Opfer, sondern auch

aus dem Selbstbewusstsein einer erkämpften Demokratie darf es keinen Schlussstrich bei der Aufarbeitung geben.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Ramona Pop (GRÜNE) und Philipp Magalski (PIRATEN)]

Der Bericht zählt 80 000 Anträge auf Akteneinsicht und stellt ein spürbares Interesse der nachwachsenden Generation fest, auch aufgrund der Tatsache, dass eine weitere Verfolgtengruppe inzwischen in das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz aufgenommen wurde, nämlich Kinder und Jugendliche, die aus politischen oder anderen sachfremden Zwecken in Einrichtungen der sogenannten DDR-Jugendhilfe eingeschlossen wurden. Grit Poppe hat hier ein beachtetes Buch „Weggesperrt“ geschrieben. Hieraus mal ein Auszug:

Als Anjas Mutter einen Ausreiseantrag aus der DDR stellt und von der Stasi verhaftet wird, wird die 14-Jährige in einen Jugendwerkhof, eine Einrichtung der Jugendhilfe, gebracht. Anja ist geschockt von der Willkür der Erzieher, der Gewalt und dem Drill: Sport und Arbeit bis zum Umfallen. Anja fragte sich immer wieder, was sie denn verbrochen hat.

Eine gestohlene Kindheit bleibt für immer gestohlen.

Der Bericht kritisiert zu Recht einmal die viel zu lange Verfahrensdauer bei der Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden sowie ferner die Dauer von Anträgen auf Einsicht in die Akten bei BStU. Nicht nur Roland Jahn, sondern auch ehemals Verfolgte und viele Normalberliner empfinden, so der Bericht, es als unangemessen und nicht hinnehmbar, dass ehemalige Mitarbeiter der Stasi noch immer einflussreiche Positionen innehaben. Herr Otto hatte ja auch ein Beispiel gegeben. Deshalb ist die Verlängerung der gesetzlichen Frist bis 2019 im Unrechtsbereinigungsgesetz als ein klares Zeichen an die Opfer, dass ein Schlussstrich nicht zur Debatte steht, zu begrüßen.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ein aktuell gewordener Tatbestand sollte von Martin Gutzeit aufgegriffen werden, das ist die Zwangsarbeit der Häftlinge in DDR-Haftanstalten. Wir wissen aus den Medien, dass die unter Zwang, Schikane und Hungerlohn geleisteten Arbeiten der Häftlinge zum Beispiel in Rummelsburg über den DDR-Export bei IKEA, Quelle, Neckermann, Klöckner landeten. Pro Nylonhemd erhielten die Häftlinge 50 Pfennig, und wenn sie monatelang arbeiten mussten, 30 Mark. Dafür wurde nicht nur Westgeld von den DDR-Oberen kassiert, sondern die erpresste Arbeit auch in Konsumartikel verwandelt. Deshalb sollte der Landesbeauftragte prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, die beteiligten Unternehmen an ihre Verantwortung zu erinnern. IKEA hat, wie ich weiß und auch im Internet nachzulesen ist, sich inzwischen allerdings ausweichend geäußert. Hier darf aber das letzte Wort nicht gesprochen sein.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Meine Fraktion weiß um die unterschiedlichen Strukturen der Täterbiografien. Mancher, wie der Boxer Axel Schulz, wurde erpresst. Andere unterschrieben aus Angst vor Bedrohung. Wieder andere, halb Mitläufer, halb Mittäter – wir kennen doch die Namen –, wollten in der Politik mitspielen, ohne Rücksicht auf Demokratie und Bürgerrechte. Aus dem Brandenburger Landtag liest man von einer Fraktionsvorsitzenden, die nach Ablauf ihres Spitzelauftrags um dessen Fortsetzung nachsuchte. So unterschiedlich sind also die Täterbiografien und so unterschiedlich müssen sie auch bewertet werden. Nur wenige, wie die von Ulrich Mühe in dem Film „Das Leben der anderen“ dargestellte Figur, kehrten um.

Wir, die wir im Westen ohne Diktaturerfahrungen aufwuchsen – ein Glücksfall –, haben keinen Grund, uns auf die Schulter zu klopfen und selbstgerecht zu sein. Aber niemand darf angesichts der wehrlosen Menschen in den Zellen von Hohenschönhausen oder Bautzen ein Auge zudrücken. Jürgen Fuchs, der Bürgerrechtler und Schriftsteller, hat den Vernehmertypus in zwei Büchern dokumentiert, und damit bleibt dieser Typus präsent. Unter uns leben noch viele Erniedrigte und Beleidigte, zu viele, als dass die Akten schon geschlossen werden dürfen.

Lassen Sie mich zum Dank an den Landesbeauftragten kommen: Ohne seine Förderung, die er zugunsten der Opfer- und Bürgerrechtsverbände leistet, könnten diese ihrer Verantwortung nicht nachkommen. Meine Fraktion sieht in dieser Unterstützung der Arbeit vor Ort, der Arbeit mit psychisch verletzten Menschen, mit ehemaligen Häftlingen, mit Menschen, die um ihre Ausbildung oder ihre berufliche Entwicklung betrogen wurden, die wichtigste Funktion der Behörde.

Können Sie bitte zum Ende kommen.

Die Stasi war keine kommunale Angelegenheit. Die Folgen ihrer Tätigkeit zu verarbeiten, ist deshalb nicht nur Länder-, sondern auch Bundessache, und dafür werden wir immer einstehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich danke auch Ihnen, Herr Kollege Dr. LehmannBrauns. – Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Dr. Lederer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Gutzeit! Uns liegt heute der inzwischen 18. Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vor. Die Notwendigkeit der Beratung von Diskussion und Aufklärung des Wirkens des MfS und über die bis heute bleibenden und fortwirkenden Folgen ist ungebrochen. Wie Herr Gutzeit in seinem Bericht vermerkt, kommt Neues hinzu.

Das spürbar verstärkte Interesse der nachwachsenden Generation, derjenigen, die die DDR nicht mehr aus eigener Erfahrung kennen, die sich den Denkkategorien des Kalten Krieges nie ausgesetzt sahen – in Ost wie West –, sich differenziert mit den Überlieferungen der jüngeren deutschen Zeitgeschichte auseinanderzusetzen, lässt die politische Bildung zu einem immer wichtigeren Thema und Themenfeld des Landesbeauftragten werden. Der Bericht zeigt aus meiner Sicht eindrucksvoll, wie der Landesbeauftragte in Kooperation mit vielen Partnerinnen und Partnern dieses Feld ausgebaut hat und den Aufklärungs- und Beratungsinteresse gerecht wird. Dafür auch von unserer Fraktion, lieber Herr Gutzeit, Ihnen und Ihren Mitarbeitern herzlichsten Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ein Thema, das sich kontinuierlich in den Berichten des Stasi-Beauftragten widerspiegelt, ist das Schicksal von Kindern und Jugendlichen – Herr Lehmann-Brauns ist eben auch darauf eingegangen. Nachdem viele Jahre der geschlossene Werkhof in Torgau die einzige Einrichtung war, bei der bundesdeutsche Gerichte pauschal eine Rehabilitierung befürwortet haben, hat sich mit der Novellierung des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes im Dezember 2010 die Situation für Kinder und Jugendliche, die verfolgt wurden, verbessert. Sobald politische Verfolgung und sachfremde Zwecke bei der Heimunterbringung eine Rolle spielten, ist zu rehabilitieren.

Dabei bleibt leider zulasten der ehemaligen Heim- und Jugendwerkhofinsassen noch viel zu viel Spielraum. Gerade auch finanzielle Entschädigungen kommen nur im geringen Maße vor, weil sich kein sogenannter Aufstiegsabbruch vorweisen lässt, denn dieser Aufstieg wurde nie begonnen. Mit schlechter oder gar keiner Ausbildung in den Werkhöfen, mit Traumatisierungen und körperlichen Schäden wurde durch staatliche Einflussnahme keine Karriere unterbrochen, fand keine finanzielle Herabstufung statt, sondern es gab von Anfang an keine Chance.

Viel besser sieht es allerdings bei den ehemaligen Heimkindern aus den alten Bundesländern auch nicht aus, die bei Misshandlungen und Missbrauch erst nach Errichtung eines Runden Tisches in diesem Jahr mit Wiedergut

machungsregeln rechnen können. Es ist das Verdienst von Martin Gutzeit, auch die generell kinderfeindlichen Zeitumstände im Zusammenhang zu denken. Es ist allerdings keinesfalls zu leugnen, dass die DDR und das MfS dieses System bis zum bitteren Ende institutionalisiert haben. Bis 1989 war das bevorzugte – in Anführungsstrichen – Zöglingsbild dieses Jugendwerkhofsystems der Punk.